Geplante Obsoleszenz versus Kundenzufriedenheit


Bachelor Thesis, 2013

91 Pages, Grade: 1,5

Julia O. (Author)


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Aufbau

2. Shopping Goods
2.1 Begriffsdefinition und Abgrenzung
2.2 Kaufentscheidungsprozess bei Shopping Goods
2.3 Einkaufsverhalten deutscher Konsumenten bei ausgewählten Produktgruppen
2.3.1 (Flachbild-)Fernseher
2.3.2 Smartphones
2.3.3. Waschmaschinen und Kühlschränke

3. Geplante Obsoleszenz - vorzeitiger Verschleiß als Umsatzbeschleuniger?
3.1 Begriffsdefinition
3.2 Differenzierung von Obsoleszenz-Arten nach „Grad des Vorsatzes“
3.2.1 Bewusst geplanter vorzeitiger Verschleiß
3.2.2. Gewollter vorzeitiger Verschleiß
3.3 Treiber und Faktoren für Obsoleszenz-Strategien

4. Kundenzufriedenheit
4.1 Begriffsdefinition
4.2 Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
4.2.1 Confirmation/Disconfirmation-Paradigma
4.2.2. Kano-Modell
4.2.3 Assimilations-Kontrast-Theorie
4.3 Anforderungen für Hersteller

5. Empirische Untersuchung - Kundenerwartungen an die Lebensdauer ausgewählter Shopping Goods
5.1 Definition der Zielsetzung
5.2 Methodik
5.2.1 Forschungsdesign
5.2.2 Stichprobenziehung
5.2.3 Datenerhebung
5.3 Datenauswertung
5.4 Diskussion der Ergebnisse

6. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Fragebogen Online-Befragung „Umfrage zum Kaufverhalten deutscher Konsumenten“

2. Auswertung Online-Befragung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklung der Durchschnittspreise für Fernsehgeräte in Deutschland von 2005 bis 2012 nach Gerätetyp [in Euro]

Abbildung 2: Absatz von Fernsehgeräten auf dem Konsumentenmarkt in Deutschland von 2005 bis 2012 nach Gerätetyp [in 1.000 Stück]

Abbildung 3: Ausgabebereitschaft deutscher Konsumenten mit Kaufabsicht für einen Flachbildfernseher im Jahr 2008 [in Euro]

Abbildung 4: Absatz von Smartphones in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2013 [in Millionen]

Abbildung 5: Durchschnittspreise für Smartphones auf dem Konsumentenmarkt in Deutschland von 2008 bis 2012 [in Euro]

Abbildung 6: Das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma

Abbildung 7: Kreisdiagramme: Auswertung Fragen 26 und 27

Abbildung 8: Kreisdiagramm: Auswertung Frage 1

Abbildung 9: Balkendiagramm: Auswertung Fragen 2 und 3

Abbildung 10: Balkendiagramm: Auswertung Frage 4

Abbildung 11: Kreisdiagramm: Auswertung Frage 6

Abbildung 12: Balkendiagramm: Auswertung Fragen 8 und 9

Abbildung 13: Balkendiagramm: Auswertung Frage 10

Abbildung 14: Kreisdiagramm: Auswertung Frage 12

Abbildung 15: Auswertung: Fragen 14, 15, 20 und 21

Abbildung 16: Balkendiagramm: Auswertung Fragen 16 und 22

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Das Notebook-Display bleibt schwarz, das Papier im Einlegefach des Druckers weiß, der MP3-Player verstummt ... urplötzlich.

Viele deutsche Konsumenten kennen dieses Problem. Kurz nach Ablauf der Garantiezeit gehen insbesondere elektronische Geräte kaputt. Was für die meisten Konsumenten als ärgerlicher Zufall oder Fehlkauf erscheint, ist in vielen Fällen Bestandteil einer raffinierten Produktstrategie stark profitorientierter Unternehmen zur Steigerung ihres Absatzes. Um gezielt Nachkäufe zu generieren, setzen Hersteller bewusst auf die „Strategie der Qualitätsminderung“ (Bodenstein, 1977, S. 4), indem sie die Lebensdauer ihrer Produkte durch eingebaute Schwachstellen oder die Verwendung geringwertiger Materialien künstlich begrenzen und somit ein Verfallsdatum vorprogrammieren. Der nichts ahnende Konsument bleibt entrüstet auf den Reparatur- oder gar Neuanschaffungskosten sitzen.

„Geplante Obsoleszenz“ ist der Fachausdruck für den herstellerseitig bewusst geplanten oder in Kauf genommenen frühzeitigen Verschleiß von Produkten, entweder „[...] weil sie kaputtgehen, aus der Mode kommen oder technisch überholt sind“ (Reischauer, 2011, S. 19). Bereits 1928 brachten Hersteller von Silberwaren in den USA in Erfahrung „[...] that the article that refuses to wear out is a tragedy of business” (Slade, 2006, S. 53). Dieser Leitsatz scheint die Hersteller seit mehr als 80 Jahren dazu zu inspirieren, das Absatzgeschäft mithilfe einer verkürzten Produktlebens- oder Modezyklusdauer zu stimulieren, indem Ersatzkäufe gemäß der Devise „schnell kaufen und noch schneller wegwerfen“ (Wolff, 2013) nach immer kürzeren Zeitabschnitten getätigt werden.

Für die Hersteller bedeutet dies eine Steigerung des Gesamtabsatzes, welche mit positiven Kostendegressionseffekten verbunden ist und somit zu einer Erhöhung des Gesamtumsatzes beiträgt. Das funktioniert allerdings nur, solange der Kunde mitspielt. Denn er gleicht seine Erwartungen an das Produkt (Soll) mit der Leistung (Ist) des Produkts ab. Dieser Vergleich entscheidet, ob er mit dem Artikel bzw. der Produktqualität[1] zufrieden ist oder nicht und ob infolgedessen ein Wiederkauf des Produkts des gleichen Herstellers erfolgt. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Thema der von Konsumenten erwarteten Lebensdauer an bestimmte Produkte und der Strategie der künstlich reduzierten Lebensdauer auseinander.

Um Missverständnissen vorzubeugen, soll vorab der im weiteren Verlauf häufiger auftretende Begriff der „Verkürzung/Reduzierung der Lebens-/Nutzungsdauer von Produkten“ erläutert werden. Zu verstehen sind darunter Produkte, die mit einer geringeren Lebensdauer gefertigt werden, als es dem Hersteller „[...] unter den bestehenden technologischen und kostenmäßigen Bedingungen möglich ist“ (Gregory, 1947, S. 24).

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

„Goods should be good, but not too good” - E.M. Barnet (Bodenstein, 1977, S. 5)

Aufgrund gewisser, vom Markt ausgehender Impulse scheint es für Unternehmen größtenteils Vorteile zu bringen, die Lebensdauer ihrer Produkte bewusst zu reduzieren. Die daraus resultierende höhere Kapitalrendite sowie Stückkostensenkungen sind Anreiz genug, um in Zeiten von Marktsättigung und hohem Wettbewerbsdruck das absatzpolitische Instrument „geplante Obsoleszenz“ zumindest in Betracht zu ziehen.

Den Vorteilen, die sich aus dieser Strategie ergeben, stehen die Nachteile vieler Konsumenten gegenüber, wenn sie ein frühzeitig obsoletes Produkt in ihren Händen halten: aus finanzieller Sicht sind es zusätzliche Ausgaben für Reparaturen und Ersatzteile oder gar die Kosten für einen Ersatzkauf („Reparatur lohnt sich nicht“). Nicht zu vernachlässigen sind darüber hinaus emotionale Konsequenzen, wie die Enttäuschung über das Produkt und die Wut auf den Hersteller, mit der Frage, warum solch ein „Schrott“ überhaupt angeboten wird.

Kurzum: Der Konsument wird aufgrund nicht erfüllter Erwartungen an die Produktlebensdauer unzufrieden sein und sich schlimmstenfalls von dem Hersteller abwenden. In Konsequenz kehrt sich die eigene Strategie gegen ihn. Das bedeutet, das herstellende Unternehmen bewegt sich in dem Spannungsfeld zwischen der Maximierung des Absatzes durch geplanten Verschleiß und der Minimierung des Absatzes durch obsoleszenzbedingte Abwanderung der Kunden.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, welche Erwartungen deutsche Konsumenten an die Lebensdauer bestimmter Gebrauchsgüter stellen. Somit soll aufgezeigt werden, welche Kundenanforderungen an die Lebensdauer der geplante Verschleiß bei Produkten des Warentyps shopping goods berücksichtigen muss, um einen Wiederkauf bzw. die Zufriedenheit der Kunden nicht zu gefährden. Diese Kundenanforderungen, an im Vorfeld definierte Produkte, werden mithilfe einer empirischen Studie unter deutschen Konsumenten erhoben und ausgewertet. Im Anschluss werden die generierten Ergebnisse diskutiert und etwaige Handlungsempfehlungen für herstellende Unternehmen abgeleitet.

1.2 Aufbau

Die vorliegende Arbeit gliedert sich neben der Einleitung sowie einer Schlussbetrachtung in vier weitere Kapitel.

Um einen Überblick über die Beschaffungsprozesse für die in der empirischen Studie behandelten Produktgruppen zu geben, skizziert das zweite Kapitel die Kaufentscheidungsprozesse bei shopping goods im Allgemeinen sowie das Einkaufsverhalten deutscher Konsumenten hinsichtlich dieser Gebrauchsgüter.

Das dritte Kapitel setzt sich mit Obsoleszenz auseinander. Dabei wird im ersten Abschnitt des Kapitels der Begriff zunächst definiert, um im zweiten Abschnitt die verschiedenen Formen von geplanter Obsoleszenz abzugrenzen. Darauf aufbauend folgt eine Analyse, die die Treiber bzw. mögliche Gründe für den Einsatz von geplantem Verschleiß als absatzstrategisches Instrument aufzeigt.

Im vierten Kapitel wird im Hinblick auf die empirische Studie das Konstrukt der
Kundenzufriedenheit anhand verschiedener wissenschaftlicher Modelle erklärt sowie abschließend die Anforderungen aufgezeigt, die sich daraus für die Unternehmen ergeben, um Kundenzufriedenheit zu schaffen bzw. Unzufriedenheit zu verhindern.

Das fünfte Kapitel widmet sich dem praktischen Teil der vorliegenden Arbeit, der empirischen Studie. Sie soll darlegen, welche Erwartungen deutsche Konsumenten an die Lebensdauer der Gebrauchsgüter (Flachbild-)Fernseher, Smartphones, Waschmaschinen sowie Kühlschränke stellen und die Kundenreaktionen aufzeigen, die durch eine unter diesen Erwartungen liegende tatsächliche Lebensdauer hervorgerufen wird. Dazu werden zunächst die Forschungsfrage festgelegt, das Design der Studie definiert und anschließend die erhobenen Daten analysiert und diskutiert.

Das abschließende Kapitel besteht aus einer Schlussbetrachtung, die die Konsequenzen der aus der Studie generierten Ergebnisse für Unternehmen erörtert und darauf basierend Handlungsempfehlungen ableitet.

2. Shopping Goods

Zum besseren Verständnis der später folgenden empirischen Studie charakterisiert das folgende Kapitel die dem Modell der Warentypologie zugeordneten Warengruppe shopping goods (vgl. Herrmann/Huber, 2009, S. 5). Ferner wird das bisherige Einkaufsverhalten deutscher Konsumenten hinsichtlich der vier zu untersuchenden Produktgruppen dargestellt.

2.1 Begriffsdefinition und Abgrenzung

Um Produkte in der Produktpolitik voneinander zu unterscheiden, werden sie hierarchisiert. Eine Möglichkeit, um dies zu tun, besteht nach Herrmann/Huber (2009, S. 5) in der Einteilung der Produkte nach Warentyp anhand folgender Merkmale:

- Aufwand zur Beschaffung
- Aufwand zur Erlangung von Markttransparenz
- Attraktivität der Produktgattung

Als shopping goods werden in der Warentypologie Güter beschrieben, die weniger häufig und erst nach umfassender Informationsbeschaffung (Gegenüberstellung von Produkteigenschaften und Preisen) gekauft werden. Der Konsument ist zugänglich für Impulse und Informationen (vgl. Kreutzer, 2010, S. 18 f.). Im Vergleich zu der Gruppe der convenience goods sind diese Produkte generell preisintensiver und der Konsument geht von einer höheren Gebrauchsdauer aus (vgl. o. V., o. J.a).

Unter convenience goods versteht man Güter, die Konsumenten regelmäßig mit weniger Zeitaufwand und geringerer kognitiver Beteiligung kaufen. Die Käufer besitzen aufgrund ihrer Produkterfahrungen bereits Marken-/Produktpräferenzen und können bei Nichtverfügbarkeit des gewünschten Artikels aus dem sog. evoked set, eine dem Konsumenten schon bekannte gleichartige Produktalternative, wählen (vgl. Herrmann/Huber, 2009, S. 5). Specialty goods sind Güter, die in großen, unregelmäßigen Zeiträumen erworben werden. Dem Kauf dieser meist teuren Güter sind komplexe Informationsbeschaffungs- und Verarbeitungsprozesse vorangestellt, die mit einem hohen persönlichen Interesse an dem Produkt verbunden sind. Das Ziel des Konsumenten vor dem Kauf besteht darin, ein bestimmtes Angebot zu suchen, welches auf der umfänglichen Suche nach einem ihm bereits bekannten Produkt bzw. Hersteller basiert. Im Gegensatz zu den shopping goods besitzt der Konsument also bereits Präferenzen (vgl. Kreutzer, 2010, S. 18 f.). Die finale Kaufentscheidung erfolgt zumeist auch gemeinschaftlich (vgl. Schneider, 2013, S. 57).

2.2 Kaufentscheidungsprozess bei Shopping Goods

Aufbauend auf der Definition von shopping goods können Kaufentscheidungen für Produkte aus dieser Warenkategorie u. a. mit dem Involvement-Konzept erklärt werden.

Unter Involvement versteht man den „[...] Aktivierungsgrad bzw. die Motivstärke zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung“ (Trommsdorff, 2004, S. 56). Involvement beschreibt die persönliche Wichtigkeit, die ein Produkt für den Konsumenten besitzt. Diese wird zum einen durch die Bedürfnisse des Verbrauchers beeinflusst, zum anderen durch situative Faktoren[2]. Ein Beispiel anhand eines shopping goods: Ein Verbraucher, der den Kauf eines neuen Kühlschranks plant, befasst sich intensiver mit diesem Produkt und dessen Charakteristika (z. B. Energieeffizienz, Leistung), als er es sonst tut. Der Kühlschrank hat zu diesem Zeitpunkt eine hohe persönliche Relevanz für den Verbraucher. Man spricht hier von einer High-Involvement-Kaufentscheidung. Charakteristisch für diese Art der Kaufentscheidung sind ein dauerhafter oder zeitlich begrenzter hoher Grad an Aktivierung sowie eine damit einhergehende umfassende Informationsrecherche und Auseinandersetzung mit dem Produkt (vgl. Trommsdorff, 2004, S. 56). Der Verbraucher investiert viel Zeit, um vorab verschiedene Produkte dieser Warengruppe zu vergleichen und die bestmögliche Alternative zu wählen, um ein höheres, subjektiv wahrgenommenes Kaufrisiko zu minimieren. Zu den Gefahren, die sich aus der Kaufentscheidung für den Konsumenten ergeben, zählen u. a. ein hohes finanzielles Risiko, das der Verbraucher aufgrund des hohen Preises der Ware empfindet, sowie das psychologische Risiko, bei dem Kauf etwas „falsch“ zu machen.

Eine weitere Abstufung, die nach dem Grad des Involvements vorgenommen werden kann, ist die der Low-Involvement-Kaufentscheidungen. Diese sind gekennzeichnet durch eine geringe persönliche Relevanz und beziehen sich überwiegend auf Käufe, die alltäglich sind. Aufgrund geringer Risiken, die mit dieser Kaufentscheidung einhergehen, lohnt es sich für den Konsumenten nicht, unterschiedliche Produkte einer Warengruppe miteinander zu vergleichen. Der Konsument greift beim Kauf vorzugsweise auf das ihm bereits bekannte Produkt zurück (vgl. Kuß/Tomczak, 2007, S. 75-77). Low-Involvement-Käufe sind für die untersuchten Produktgruppen im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter thematisiert.

Anhand der dargestellten Charakteristika ist zu erkennen, dass High-Involvement-Kaufentscheidungen für den Kauf von shopping goods typisch sind. Kaufentscheidungen dieser Art sind keine spontanen oder „alltäglichen Kaufentscheidungen“ (Kuß/Tomczak, 2007, S. 78), sondern sie werden bewusst und mit vorheriger Planung getroffen.

Die für den High-Involvement-Kauf spezifischen Merkmale lassen darauf schließen, dass der Konsument bei diesem Produkt von einer längeren Lebensdauer ausgeht, d. h., dass er vorab eine bestimmte Erwartung an die Lebensdauer des Artikels stellt, die höher liegt, als bei Waren des täglichen Bedarfs. Werden diese Erwartungen erfüllt oder gar übertroffen, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Wiederkaufs beim gleichen Hersteller. Eine geplante Obsoleszenz hingegen gefährdet mit der Nichterfüllung der erwarteten Lebensdauer des Produkts den Wiederkauf und begünstigt eher eine Abkehr vom Produkthersteller.

2.3 Einkaufsverhalten deutscher Konsumenten bei ausgewählten Produktgruppen

Das folgende Kapitel befasst sich mit dem Einkaufsverhalten deutscher Konsumenten im Hinblick auf die vier Produktgruppen, die in der empirischen Studie untersucht werden. Betrachtet werden hierfür sekundär erhobene Daten, die neben aktuellen Absatzzahlen auch Auskunft über die Nutzungsdauer dieser Produkte geben. Es handelt sich hierbei um die folgenden Produktgruppen:

- (Flachbild-)Fernseher
- Smartphones
- Waschmaschinen
- Kühlschränke

Die Flachbildfernseher sowie die Smartphones sind der Warengruppe Consumer Electronics (CE) zugeordnet, Waschmaschinen und Kühlschränke der Warengruppe Haushaltsgroßgeräte.

2.3.1 (Flachbild-)Fernseher

Der technologische Fortschritt mit Features, wie 3D-Technologie und Internet-fähigkeit sowie sinkende Gerätepreise, haben Flachbildfernsehern in den letzten fünf Jahren zu großer Beliebtheit auf dem deutschen Markt verholfen. Die Abbildung 1 veranschaulicht die Preisentwicklung von Fernsehgeräten im Zeitraum 2005 bis 2012 in Deutschland: Der Durchschnittspreis vom - in der Bundesrepublik seit 2007 am stärksten nachgefragtesten - Gerätetyp LCD-Fernseher hat sich innerhalb von sechs Jahren fast halbiert (Durchschnittspreis im Jahr 2006: 1.115 Euro, Durchschnittspreis im Jahr 2012: 619 Euro).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 : Entwicklung der Durchschnittspreise für Fernsehgeräte in Deutschland von 2005 bis 2012 nach Gerätetyp [in Euro]

Quelle: (Statista, 2013a)

Große Fernsehevents - wie Fußballwelt- und Europameisterschaften - sowie die Umstellung der öffentlich-rechtlichen Sender auf den HD-Betrieb im Jahr 2010 (vgl. gfu, 2011, S. 7) waren Anlass für Konsumenten, um Flachbildfernseher mit größeren und hochauflösenden Displays nachzufragen. Wie Abbildung 2 zeigt, ist der Gesamtabsatz von Fernsehgeräten in Deutschland innerhalb des Zeitraums 2005 bis 2011 stetig gewachsen. Im Jahr 2011 beträgt der Gesamtabsatz aller Gerätetypen 9,6 Mio. (vgl. o. V., 2012). Das stärkste Wachstum verzeichnen die LCD-Fernsehgeräte, die sichtlich den größten Einfluss auf die Verdrängung der Röhrenfernseher vom deutschen Markt haben. Die Stagnation der Absatzzahlen im Jahr 2012 lässt auf eine allmähliche Marktsättigung schließen: für die Produkthersteller möglicherweise ein Grund, um die Nachfrage nach Flachbildfernsehern durch die künstliche Verkürzung der Lebensdauer wiederzubeleben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 : Absatz von Fernsehgeräten auf dem Konsumentenmarkt in Deutschland von 2005 bis 2012 nach Gerätetyp [in 1.000 Stück]

Quelle: (Statista, 2013b)

Die nachfolgende Abbildung (Abb. 3) zeigt, dass im Jahr 2008 53 % der Befragten mit Kaufabsicht für einen Flachbildfernseher bereit sind, höchstens 500 bis 999 Euro für ein neues Gerät zu zahlen. Es ist zu vermuten, dass die sinkenden Durchschnittspreise von Flachbildfernsehern auf dem deutschen Markt insofern Einfluss auf die Ausgabebereitschaft haben, als dass diese die maximale Zahlungsbereitschaft deutscher Konsumenten senken. Der Verbraucher erwartet dennoch die gleiche - oder gar eine bessere - Qualität von dem Gerät. Als wichtigstes Kriterium beim Kauf eines neuen Fernsehgerätes geben 61 % der Befragten einer Umfrage der GfK die Bildqualität an, gefolgt vom Preis (50 %) (Statista, 2008a).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 : Ausgabebereitschaft deutscher Konsumenten mit Kaufabsicht für einen Flachbildfernseher im Jahr 2008 [in Euro]

Quelle: Statista, 2008b

Statt wie früher alle zwölf Jahre, ersetzt der deutsche Verbraucher sein Fernsehgerät heutzutage alle sechs Jahre (vgl. Reischauer, 2011, S. 20-22). Technische Neuerungen und fallende Preise innerhalb der letzten Jahre haben dazu beigetragen, dass die Nachfrage von Flachbildfernsehern in Deutschland Höchstwerte erreicht hat. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Unternehmen aufgrund sinkender Erlöse pro verkauftem Gerät in Zukunft mit Umsatzrückgängen rechnen müssen. Dies könnten Hersteller durch den Einbau von Schwachstellen in die Geräte oder durch kürzere Modezyklen kompensieren, um Konsumenten zu einem frühzeitigen Ersatz- bzw. Neukauf zu „zwingen“.

2.3.2 Smartphones

Bereits im Jahr 2010 waren 93,5 % der deutschen Haushalte mit einem Handy bzw. Smartphone ausgestattet (vgl. Statista, 2010), Tendenz steigend. Smartphones bieten über die grundlegenden Funktionen eines Mobiltelefons hinaus weitere Funktionen, die es dem Benutzer ermöglichen, mehrere technische Geräte, wie z. B. Digitalkamera, Laptop und MP3-Player, in einem mobilen Gerät zu vereinen. Darüber hinaus überzeugen sie durch ein gutes Design sowie eine einfache Bedienbarkeit. Zwischen 2009 und 2010 hat sich der Absatz von Smartphones in Deutschland fast verdoppelt. Gegenwärtig ist für das Jahr 2013 mit einem Absatz von 28 Mio. Geräten auf dem deutschen Markt zu rechnen (s. Abb. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 : Absatz von Smartphones in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2013 [in Millionen]

Quelle: Statista, 2013c

In Bezug auf die Durchschnittspreise von Smartphones in Deutschland zeichnet sich i. Vgl. zu den Flachbildfernsehern keine kontinuierliche Entwicklung ab. Zwischen 2008 und 2010 sank der Durchschnittspreis von 400 Euro auf 352 Euro, anschließend stieg er bis 2012 auf 370 Euro pro Gerät (s. Abb. 5). Anhand der Absatzzahlen ist zu erkennen, dass sich die seit 2011 steigenden Durchschnittspreise nicht merklich auf die Ausgabebereitschaft deutscher Konsumenten auswirken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 : Durchschnittspreise für Smartphones auf dem Konsumentenmarkt in Deutschland von 2008 bis 2012 [in Euro]

Quelle: Statista, 2013d

Als wichtigsten Kaufentscheidungsgrund bei einem Neukauf eines Smartphones geben 54,5 % der Befragten einer Umfrage eine gute Qualität/Verarbeitung des Geräts an (vgl. Statista, 2011). Die Wahrscheinlichkeit, dass diese konsumentenseitige Erwartung an das Smartphone erfüllt wird, versucht der Käufer vermutlich über einen höheren Preis zu steigern: höherer Preis (im Konkurrenzumfeld) gleich bessere Qualität.

Auch im Bereich der Smartphones sind es die immer kürzer werdenden Modezyklen mit ihren zahlreichen technischen und designseitigen Neuerungen, die den Konsumenten zu einem vorzeitigen Neukauf bewegen. Nach Angaben des Smartphone-Herstellers HTC liegt die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Smartphones in Deutschland bei gerade noch 17 Monaten. Dies geht aus einem Dialog zwischen einem HTC-Kunden, der sich beim Hersteller beschwerte, dass sein Smartphone kurz nach Ablauf der Garantiezeit nicht mehr voll funktionsfähig war, und dem Hersteller hervor (vgl. Schridde, 2012). Das legt den Verdacht nahe, dass die Hersteller Schwachstellen oder minderwertige Komponenten einbauen, um den mit der Nutzungsdauer korrelierenden Kaufrhythmus der Konsumenten aufrechtzuerhalten.

2.3.3. Waschmaschinen und Kühlschränke

Waschmaschinen und Kühlschränke sind aus deutschen Haushalten nicht mehr wegzudenken: Im Jahr 2010 besaßen bereits 98 % von ihnen eine Waschmaschine (das entspricht 39 Mio. Geräten) sowie 100 % der deutschen Haushalte einen Kühlschrank. Diese Zahlen zeigen, dass die Haushalte hierzulande sehr gut mit der sog. „Weißen Ware“ ausgestattet sind. Aufgrund des gesättigten Marktes beschränkt sich das Absatzgeschäft der Produkthersteller auf dem Markt der Haushaltsgroßgeräte daher überwiegend auf Ersatzkäufe (etwa weil die Reparatur eines defekten Gerätes mit höheren Kosten verbunden wäre als ein Neukauf). Kaufimpulse stellen nach einer Marktanalyse der Axel Springer AG aber auch energieeffiziente Produkte dar, da deutsche Konsumenten zunehmend Wert auf niedrige Folgeausgaben (Stromverbrauch des Geräts) sowie innovative Technologien, wie die „NoFrost“-Technik bei Kühlschränken, legen (vgl. Axel Springer AG, 2011, S. 2).

Nach Angaben eines Experten wurden in Deutschland im Jahr 2012 ca. 3 Mio. Kühlschränke sowie ca. 3 Mio. Waschmaschinen abgesetzt. Der Gesamtumsatz von Elektrogroßgeräten belief sich auf ca. 5,3 Mrd. Euro zu Herstellerangabepreisen exklusive Mehrwertsteuer. Für den Haushaltsgroßgerätemarkt bedeutet dies eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr.

Bei Waschmaschinen beträgt die Lebensdauer durchschnittlich zehn Jahre (vgl. Reischauer, 2011, S. 22). Kühlschränke besitzen im Durchschnitt eine Lebensdauer von 14 Jahren (vgl. o. V., o. J.b).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es bei den betrachteten Produktgruppen aufgrund der Marktsituation bzw. dem Kaufverhalten deutscher Konsumenten durchaus Anreize für Hersteller gibt, eine Obsoleszenz-Strategie zu verfolgen. Weitere Gründe und Treiber, die Obsoleszenz-Strategien begünstigen, werden in Kapitel 3 erläutert.

3. Geplante Obsoleszenz - vorzeitiger Verschleiß als Umsatzbeschleuniger?

„Die These von der geplanten Obsoleszenz schürt Emotionen; sie wird ebenso leidenschaftlich vertreten wie zurückgewiesen [...]“ (Bodenstein, 1977, S. 2)

In der Tat ist der herstellerseitig geplante Verschleiß seit mehreren Jahrzehnten ein umstrittenes Thema. Von einer Verschwörungstheorie ist auf der einen Seite die Rede. Manager weisen jegliche Vorwürfe zurück, dass ihre Produkte gewollt mit einem eingebauten Verfallsdatum versehen werden. Hier wird zumeist auf eine produktpolitische Reaktion der Unternehmen auf die Wünsche der Konsumenten nach neuen und innovativen Produkten verwiesen (vgl. Leuer, 1977, S. 85 f.). Auf der anderen Seite geben Ingenieure zu, dass – ausgehend vom gestiegenen Kostendruck im internationalen Wettbewerb – die „Ökonomisierung der Produktionsbedingungen“ (Bodenstein, 1977, S. 6) kaum vermeidbar ist. Das bedeutet, dass Produkte nicht bestmöglich bzw. den Qualitätsanforderungen der Ingenieure gerecht werdend konstruiert werden können. Darunter fällt bei der Produktion u. a. die Verwendung günstigerer, qualitativ minderwertigerer Baukomponenten (z. B. der Einsatz von Plastik statt Metall), die bei ständiger Benutzung zu einer verfrühten „Materialermüdung“ (Schridde, 2013a, S. 37) führen.

Durch das Sammeln und Veröffentlichen einer Vielzahl konkreter Produktbeispiele belegen Gegner der Obsoleszenz-Politik die Existenz dieser. Bspw. sammelt und veröffentlicht Diplom-Betriebswirt Stefan Schridde auf seinem Online-Portal „MURKS? NEIN, DANKE!“ (www.murks-nein-danke.de) Meldungen verärgerter Konsumenten über Produkte, die kurz nach Ablauf der Garantiezeit kaputtgegangen sind, und zeigt so auf, dass die defekten Geräte nicht unbedingt aus einer „Montagsproduktion“ stammen, sondern dass Produkthersteller systematisch auf eine verkürzte Lebensdauer setzen. Zwischen Februar und Juli 2012 wurden bereits über 200 solcher Meldungen veröffentlicht (vgl. Ziegler, 2012).

Um zu verdeutlichen, dass geplante Obsoleszenz kein fiktives Konstrukt verärgerter Konsumenten ist, sondern ein von Herstellern in der Praxis angewandtes absatzpolitisches Instrument, setzt sich das folgende Kapitel mit den verschiedenen auftretenden Arten von Obsoleszenz auseinander. Ferner werden Treiber und Faktoren erörtert, die eine Strategie des geplanten Verschleißes begünstigen.

3.1 Begriffsdefinition

Der Ausdruck „Obsoleszenz“ (lat. obsolescere = sich abnutzen, veralten) wird in der Literatur mit „Veralterung“ (Röper, 1976, S. 12) übersetzt, wobei der Begriff an sich keinerlei inhaltliche Wertung beinhaltet. Unterschieden wird zwischen natürlichem und künstlichem Verschleiß, wobei der natürliche Verschleiß „[...] die fortschreitende Abnutzung eines Produkts durch wiederholte Nutzungsakte“ (Bodenstein, 1977, S. 10) beschreibt. Von künstlichem Verschleiß spricht man, wenn der natürliche Verschleiß durch bestimmte Maßnahmen des Managements, gewöhnlich im Bereich der Produktplanung, forciert wird.

Im Fokus der vorliegenden Arbeit steht der künstliche oder auch geplante Verschleiß von Produkten: die geplante Obsoleszenz. Der Inhalt dieses Ausdrucks impliziert i. Vgl. zu „Obsoleszenz“ eine negative Wertung „[...] und zwar im Sinne einer künstlich im Interesse des Herstellers beabsichtigten beschleunigten Veralterung mit dem Ziel, durch Verkürzung der dem Verwender an sich als vorteilhaft erscheinenden Nutzungsdauer eine Mehrnachfrage auszulösen“ (Röper, 1976, S. 9).

Eine weitere Abgrenzung sollte nach Auffassung von Röper zwischen den Begriffen „geplanter Verschleiß“ und „eingebauter Verschleiß“ vorgenommen werden, die im Sprachgebrauch häufig synonym verwendet werden. Unter dem geplanten Verschleiß versteht man das bewusste künstliche Beschleunigen des Alterungsprozesses durch den Hersteller und somit eine Verkürzung der Produktlebens-dauer. Der eingebaute Verschleiß hingegen beinhaltet diverse unbeabsichtigte Produktfehler (u. a. Konstruktions- und Materialfehler), die, nachdem sie erkannt wurden, durch den Hersteller behoben bzw. beseitigt werden (vgl. Röper, 1976, S. 15).

Die im anschließenden Abschnitt erläuterten verschiedenen Formen von geplanter Obsoleszenz zeigen die vielfältigen Ausprägungen dieses produkt- und werbestrategischen Instruments auf.

3.2 Differenzierung von Obsoleszenz-Arten nach „Grad des Vorsatzes“

In Anbetracht der Tatsache, dass es letztlich die Managementebene ist, die bestimmt, wie lange ein Produkt funktionieren soll, ehe der Konsument einen Neu-/Ersatzkauf tätigt, stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß das Management hinsichtlich einer künstlichen Verkürzung der Lebensdauer mit Vorsatz handelt und in welcher Art und Weise der Konsument bei dieser Politik „mitspielt“, um sie für den Hersteller erfolgreich zu machen.

In einer von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegebenen Studie zur Obsoleszenz-Thematik differenziert Kreiß (2013, S. 12-15) die Strategien des geplanten Verschleißes nach der Dimension des Vorsatzes u. a. wie folgt:

- Bewusst geplanter vorsätzlicher Verschleiß
- Gewollter vorzeitiger Verschleiß

Basierend auf dieser Einteilung erfolgt in den nachstehenden Abschnitten eine Zuordnung der in der Literatur und Praxis geläufigsten Arten von Obsoleszenz (qualitative, psychische und funktionelle Obsoleszenz) nach Vance Packard, die anhand von konkreten Produktbeispielen erläutert werden (vgl. Reischauer, 2011, S. 24). Ferner werden die dem geplanten Verschleiß gleichkommenden Antifeatures erörtert.

3.2.1 Bewusst geplanter vorzeitiger Verschleiß

Unter dem bewusst geplanten vorzeitigen Verschleiß können, aufbauend auf der Erläuterung nach Schridde/Kreiß (2013, S. 12), die qualitative Obsoleszenz und die sog. Antifeatures subsumiert werden: Hier ist davon auszugehen, dass der Konsument keine Möglichkeit hat, sich gegen diese Form des geplanten Verschleißes zu wehren.

3.2.1.1 Qualitative Obsoleszenz

Eine häufig auftretende Form von Obsoleszenz ist die qualitative Obsoleszenz. Hier manipulieren die Hersteller bewusst und geplant „[...] die den Grundnutzen stiftende technische Qualität eines Produkts zur Verringerung der Lebensdauer“ (Bodenstein, 1977, S. 10). Die „[...] gewollte(n) Verkürzung der kundenseitig erwartbaren Produktnutzungsdauer [...]“ (Schridde, 2013a, S. 25) wird zum einen dadurch erreicht, dass Produktkomponenten im Produktentwicklungsprozess derart ausgewählt werden, dass sie z. B. aufgrund minderer Qualität frühzeitig veralten, als Schwachstelle im Produkt einen Defekt verursachen oder in Hinblick auf die Funktionalität unterdimensioniert sind (vgl. Schridde, 2013a, S. 25). Zum anderen können Verbesserungen, die sich auf die Produktqualität und/oder -lebensdauer beziehen, bewusst unterlassen werden. In diesem Zusammenhang erwähnt Bodenstein (1977, S. 10) den Begriff „Schubladenpatent“.

Ein Beispiel für solch ein Schubladenpatent - und gleichzeitig auch für die qualitative Obsoleszenz - stellt das im Jahr 1924 in Genf gegründete Glühbirnenkartell Phoebus dar, in welchem sich internationale Glühbirnenhersteller wie Osram und General Electrics zusammenschlossen, um die Brenndauer von Glühbirnen von damals 2.500 Stunden schrittweise auf 1.000 Stunden zu reduzieren. Die im Rahmen dieses Kartells kontrollierte Produktion der Glühbirnen, sowie der Austausch von Patenten, ermöglichten den beteiligten Herstellern eine bessere Kontrolle des Einkaufsverhaltens der Konsumenten, indem diese aufgrund der niedrigeren Brenndauer gezwungen waren, in kürzeren Intervallen Ersatzkäufe zu tätigen. Produzierte ein Glühbirnenhersteller seine Waren nicht gemäß der Vereinbarung, so verhängte das Kartell Sanktionen in Form von Bußgeldern (vgl. Dannoritzer, 2010). Dieses Beispiel zeigt, dass zur Stimulation des Absatzes eine Strategie der Qualitätsverschlechterung gezielt angewendet wurde, indem eine technisch mögliche Produktleistung bewusst unterdrückt und dem Konsumenten vorenthalten wurde.

Ein aktuelleres Beispiel qualitativer Obsoleszenz sind festverbaute Akkus, die es dem Verbraucher unmöglich machen, einen defekten Akku eigenständig durch einen neuen zu ersetzen. Dies war z. B. bei älteren Mobiltelefonen noch problemlos möglich. Obwohl nur eine Baukomponente nicht mehr funktioniert, bewertet der Konsument das komplette Gerät als kaputt (vgl. o. V., 2013a). Aufgrund der hohen Kosten entscheidet sich der Konsument meist gegen eine Reparatur des Produkts und entsorgt das defekte Gerät, um sich anschließend ein neues zu kaufen (vgl. Lehmhofer, 2013). Diese Art der qualitativen Obsoleszenz bezeichnet Schridde (2013a, S. 40) als „konstruktionsbezogene Verkürzung der Nutzungsphase“.

Konkrete Produktbeispiele für festeingebaute Akkus sind elektrische Zahnbürsten sowie Smartphones. Durch regelmäßiges Aufladen reduziert sich die Ladekapazität des Akkus, sodass dieser nach einer bestimmten Anzahl an Ladezyklen nicht mehr funktionsfähig ist (vgl. Schridde, 2013a, S. 40). Dieser Prozess ist im Rahmen des natürlichen Produktverschleißes normal. Dass es dem Konsumenten jedoch verwehrt bleibt, nach dem „Akkutod“ bzw. auch dem vermeintlichen „Produkttod“, den Akku eigenständig durch einen leichtzugänglichen, bezahlbaren Akku auszutauschen, um das Produkt wieder gebrauchsfähig zu machen, ist eine fragwürdige Handlungsweise produzierender Unternehmen. Im Gegensatz zum gezielten Einbau von Schwachstellen in das Gerät wird die mögliche Nutzungsdauer hier durch bewusst vorgenommene konstruktionstechnische Maßnahmen verkürzt bzw. eine Verlängerung dieser unterbunden.

3.2.1.2 Antifeatures

Unter Antifeatures werden Eigenschaften verstanden, die den Herstellern dazu dienen, „[...] die Funktionalität von Geräten und Software einzuschränken“ (o. V., 2013b) bzw. bestimmte Funktionen zu blockieren, um den Konsumenten dazu zu bringen, für die Nutzung dieser, technisch bereits vorhandenen, Funktionen zusätzliche Ausgaben zu tätigen.

Zurück geht der Begriff auf den Programmierer und Forscher am Massachusetts Institute of Technology, Benjamin Mako Hill, der mit diesem Ausdruck die Thematik der künstlichen Verschlechterung an die Öffentlichkeit bringt. Neben dem Ziel, dem Konsumenten mehr Geld für die volle Nutzung gewisser Funktionen zu entlocken, wollen Unternehmen mit dieser Strategie ihrer Zielgruppe ihre wertvolle Marke oder einen (kostspieligen) Zusatznutzen verkaufen. So mancher Verbraucher mag sich über die eingeschränkte Funktionalität seines neu erworbenen Produkts ärgern und wendet sich entweder mit sofortiger Wirkung oder in Zukunft von dem Hersteller ab.

Der sog. SIM-Lock bei Mobiltelefonen ist ein Beispiel hierfür. Nach dem Erwerb eines neuen Mobiltelefons stellt sich heraus, dass dieses nur kompatibel mit einer SIM-Karte eines bestimmten Mobilfunkanbieters ist. Die weitere Nutzung der bisherigen Karte des alten Anbieters wird durch die eingebaute Sperre der Netzanbieter verhindert. Der Verbraucher ist somit gezwungen, zu einem anderen Provider zu wechseln, der meistens kostenintensivere Tarife anbietet. Dabei sind SIM-Karten technisch derart beschaffen, dass sie mit jedem Mobiltelefon kompatibel sind. An dieser Stelle wird von der Differenzierung der einzelnen SIM-Karten-Größen abgesehen.

Natürlich gibt es Konsumenten, die für einen Zusatznutzen gerne etwas zahlen. Das durch den Hersteller im Konsumenten kreierte Bedürfnis nach „etwas Besserem“ wird befriedigt, indem er dieses, vom Hersteller beworbene, neue und auch innovative Feature für sein Produkt käuflich erwirbt. Er empfindet das Gefühl der Produktaufwertung und -verbesserung. Ein Beispiel hierfür liefert Hill: Der führende Chiphersteller Intel versuchte sich im Jahr 2011 an einem „Upgrade-Service“ für die in Computern verbauten Prozessoren. Ist der Prozessor dem Konsumenten im neu erworbenen Computer nicht leistungsstark genug, bietet Intel seinen Kunden für 50 US-Dollar eine Rubbelkarte an, mit welcher sie sich online, durch Eingabe des Kartencodes, eine höhere Prozessorleistung herunterladen können. Ähnlich wie beim SIM-Lock besitzen die Prozessoren technisch bereits die Leistung, die für den Nutzer durch das Upgrade scheinbar erst ermöglicht wird. Die Tatsache, dass ein Element der Hardware durch den Download einer Datei leistungstechnisch verbessert wird, zeigt, dass die Prozessorleistung bei der Produktion künstlich dezimiert wurde, um die volle Leistung durch eine digitale Codierung (Upgrade) freizugeben (vgl. Rohwetter, 2011). Den meisten Konsumenten ist nicht bewusst, dass hinter dieser Vorgehensweise eine bewusste Strategie der Hersteller steckt.

Der durch die Hersteller induzierte, vorsätzlich geplante, frühzeitige Verschleiß in den dargestellten Formen lässt dem Konsumenten kaum eine Möglichkeit, sich diesem absatzpolitischen Instrument zu widersetzen, respektive den Kauf eines Produkts mit künstlich reduzierter Lebensdauer bewusst zu umgehen. Die Unternehmen machen ihn zu einem Bestandteil ihres auf ab- und umsatzfokussierten Systems, in dem er mit seinem Kaufverhalten scheinbar ungewollt der Motor ist, der das Funktionieren dieses Systems sicherstellt.

3.2.2. Gewollter vorzeitiger Verschleiß

Im Gegensatz zum bewusst geplanten vorzeitigen Verschleiß ist der gewollte vorzeitige Verschleiß eine weniger „bösartige“ Form von geplanter Obsoleszenz. Hier ist es auch der Konsument, der durch sein Kaufverhalten aktiv zur Existenz dieser Obsoleszenz-Art beiträgt (vgl. Kreiß, 2013, S. 14). Unter dem gewollten vorzeitigen Verschleiß werden in den nachfolgenden Abschnitten die psychische und die funktionelle Obsoleszenz subsumiert.

3.2.2.1 Psychische Obsoleszenz

„[...] the desire to own something a little newer, a little better, a little sooner than is necessary” - Brooks Stevens (Meyers, 2012)

Psychische Obsoleszenz ist i. Vgl. zu den anderen Formen von geplanter Obsoleszenz die Form, deren Erfolg oder auch Existenz durch ein aktives Zusammenspiel zwischen Herstellern und Konsumenten begründet werden kann: Das herstellerseitige Ziel der Absatzsteigerung trifft auf die Bedürfnisse des Konsumenten nach „etwas Neuem“, das die Hersteller durch das richtige Gespür für Mode, Design und Styling befriedigen können.

Man spricht von psychischer Obsoleszenz, wenn ein technisch funktionsfähiges Produkt „[...] aus Mode-, Prestige- oder ähnlichen Gründen vor Ende der physischen Lebensdauer durch ein anderes ersetzt wird“ (Marfeld, 1977, S. 331). Der Konsument bewertet das Produkt trotz uneingeschränkter technischer Funktionsfähigkeit als obsolet, da er dieses angesichts funktioneller, hauptsächlich aber modischer Neuerungen als nicht mehr begehrenswert empfindet, und ersetzt das alte Modell durch ein neueres, der aktuellen Mode entsprechendes Produkt.

In der Literatur herrscht kein Konsens darüber, ob psychische Obsoleszenz eher nachfrage- oder anbieterinduziert ist. Einerseits wird konstatiert, dass Unternehmen mit einer Produktpolitik verkürzter Modezyklen und den damit einhergehenden überwiegend äußeren Veränderungen von Produkten lediglich auf die Wünsche und Bedürfnisse des Konsumenten nach Wechsel und ästhetischen Aussehen eingehen (vgl. Leuer, 1977, S. 85 f.). Andererseits wird diskutiert, ob sich die Hersteller die ständigen Modewechsel und die Beeinflussung bzw. die Schaffung von Konsumentenbedürfnissen durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen zu Nutze machen, um dadurch das eigene Absatzwachstum zu beschleunigen. Ob die Realisierung einer Mode ohne die Akzeptanz des Konsumenten möglich ist, ist fraglich (vgl. Marfeld, 1977, S. 331 f.). Letztendlich trifft der Konsument als Souverän mit Präferenzen die Kaufentscheidung und bestimmt mit einem Kauf oder Nichtkauf, ob das überarbeitete Produkt seinen Geschmack trifft oder nicht.

Unstrittig ist dagegen, dass eine Strategie der psychischen Obsoleszenz insbesondere bei denjenigen Gütern Anwendung findet, „[...] bei denen die gebrauchstechnischen Qualitäten von den psychisch-sozialen Komponenten überdeckt werden“ (Bodenstein, 1977, S. 11). Vorwiegend bei homogenen Gütern, die für den Konsumenten einen einheitlichen Grundnutzen stiften, aber auch bei langlebigen Gebrauchsgütern sind es Produktverbesserungen beim Aussehen, die den Konsumenten zum Kauf des neuesten Modells bewegen. Mit einem Umstyling des Produkts erreichen die Hersteller zum einen, dass dem Konsumenten anhand von Material, Form oder Farbe deutlich gemacht wird, dass dieses Produkt gegenwärtig das Modernste und Neueste ist. Gleichzeitig wird damit demonstriert, wie veraltet und aus der Mode gekommen das bisher genutzte Modell ist (vgl. Röper, 1976, S. 47).

Trotzdem die „grundnutzenstiftende Wirkung“ des Produkts noch vollständig erhalten ist, bewertet der Konsument dieses als überholt. Aus soziologischer Sicht verliert das „veraltete“ Produkt an symbolischem Gebrauchswert, stellte es doch bis dato eine Art Statussymbol für den Verbraucher dar, mit welchem er sich in seinem sozialen Umfeld profilieren konnte (vgl. Leuer, 1977, S. 89). Der Konsument sieht seinen sozialen Status dadurch sinken, dass das „aufgehübschte“ Produkt die Wertigkeit des alten Produkts dezimiert. Das Bedürfnis nach sozialer Geltung kann der Verbraucher dann mit der neueren Variante des Produkts befriedigen, das einen „sozialen Geltungsnutzen“ (Marfeld, 1977, S. 332) besitzt. Folgende Kriterien muss das Produkt dazu erfüllen:

a) Es muss für das soziale Umfeld gut sichtbar sein.

b) Es muss zu Beginn für den Konsumenten wertvoll sein bzw. einen hohen Wert haben. Herstellerseitig sollte es dennoch massenproduktionstauglich und für mehrere Schichten bezahlbar sein, um eine schnelle Diffusion des Produkts zum Zweck der Absatzsteigerung umzusetzen (vgl. Marfeld, 1977, S. 332).

Der Erfolg von psychischer Obsoleszenz hängt dabei nicht zuletzt vom Wohlstand der Gesellschaft ab. Kürzere Mode- und Stilzyklen mit ständig neuen Produktvariationen bedeuten für die Konsumenten, die sich dem Bedürfnis nach sozialer Geltung hingeben, mehr Ausgaben. Gleichzeitig implizieren diese eine kürzere Nutzungsdauer. Nach Ansicht einiger Manager scheinen Hersteller und Konsumenten an diesem Punkt eine Art Gleichgewicht gefunden zu haben: Die verkürzten Nutzungsdauern ermöglichen es den Produzenten, kurzlebigere Produkte zu niedrigeren Kosten zu produzieren und diese in Form von niedrigeren Preisen an den Konsumenten weiterzugeben (vgl. Leuer, 1977, S. 86). Geht man von dieser Annahme aus, kann von der Existenz einer Mischform aus qualitativer und psychischer Obsoleszenz ausgegangen werden: Die Senkung des gebrauchstechnischen Wertes des Produkts, ggf. durch eine bewusste Qualitätsminderung bei der Produktion wie bspw. die gezielte Verwendung von billigerem Material, wird durch die steigende Anzahl an Modezyklen gefördert. Die qualitative Obsoleszenz wäre somit eine Konsequenz aus der psychischen Obsoleszenz (vgl. Bodenstein, 1977, S. 21).

Das älteste Beispiel für psychische Obsoleszenz durch jährliche Modellwechsel findet sich in der US-amerikanischen Automobilindustrie der 1920er Jahre. Für Henry Ford, als Verfechter traditioneller Werte in der Ingenieurwissenschaft, stand die Lebensdauer seiner Autos an erster Stelle. Mit dieser Haltung führte er das Unternehmen sehr erfolgreich über einen längeren Zeitraum: Durchschnittlich acht Jahre betrug die Lebensdauer eines Ford Autos und somit zwei Jahre länger, als die der Konkurrenz.

Das „Model T“, welches seit 1914 ausschließlich in der Farbe schwarz erhältlich war, war wegen seines niedrigen Kaufpreises und seiner großen Zuverlässigkeit eines der Flaggschiffe Fords. Aufgrund des unveränderten Designs in einer einzigen Farbe gelang es Ford, über Kostendegressionseffekte den Preis für das „Model T“ bei gleichbleibender Qualität kontinuierlich zu senken (von 850 US-Dollar auf 280 US-Dollar) (vgl. Reuß/Dannoritzer, 2013, S. 29 f.). Damit ermöglichte er es immer mehr US-Amerikanern, sich ein Auto zu leisten und konnte so die Nachfrage aufrechterhalten. Im Jahr 1921 hatte das „Model T“ einen Marktanteil von 61 % auf dem US-amerikanischen Markt.

Alfred Sloan, der damalige Geschäftsführer von General Motors, verfolgte andere Werte. Für ihn konnte die Dynamik des Kapitalismus nur mit gezielter Produktveralterung durch neue Technologien erhalten werden. Sämtliche Versuche, den bis dahin wenig beliebten Chevrolet mithilfe von technischen Innovationen, wie dem Elektrostarter, zum Erfolg zu verhelfen, scheiterten. Sloan kam zu dem Entschluss, dass allein das Design seiner Autos ein wirksamer Erfolgsfaktor im Wettbewerb mit dem Hauptkonkurrenten Ford darstellen könnte. Innerhalb kurzer Zeit erhielt der Chevrolet ein neues Design, welches dem Käufer aufgrund der nun runderen und flacheren Linien den visuellen Eindruck eines Luxusautos vermittelte.

Die Nachfrage nach dem Chevrolet stieg rasant und ließ die des „Model T“ rapide sinken. Mit der äußeren Umgestaltung seiner Autos war es Sloan gelungen, Fords bis dahin erfolgreiches „Model T“ obsolet werden zu lassen und dem Wunsch der Konsumenten nach ästhetischem Aussehen nachzukommen. Innerhalb weniger Jahre sank der Marktanteil von Ford auf 30 %. Die folgenden jährlichen Modellwechsel mit sich ändernden Farben und Designs sowie effektives Marketing von General Motors bewirkten, dass sich das Auto, zunächst in den USA, zu einem Lifestyleprodukt mit Prestigewert entwickelte. Die Strategie Sloans, nicht nur das „Model T“ obsolet werden zu lassen, sondern auch eigene General Motors Modelle für den Zweck der Absatzsteigerung vorzeitig verschleißen zu lassen, wurde erfolgreich umgesetzt (vgl. Slade, 2006, S. 30-40).

Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass die Strategie der psychischen Obsoleszenz das Potenzial besitzt, den Erfolg einer Strategie der Dauerqualität und der Integrität in Bedrängnis zu bringen. Die Emotionen des Konsumenten sowie seine Irrationalität lassen ihn schneller zu einem „modischen“ Produkt greifen, als zu einem „länger nutzbaren“. Dabei neigt er dazu zu vergessen, dass Mode schneller vergänglich ist, als traditionelle Formen (vgl. Röper, 1976, S. 55). Aus dieser modischen Vergänglichkeit lassen die Hersteller einen durch verkürzte Nutzungsdauern geprägten Kreislauf entstehen, der ihnen der stetigen Absatzausweitung dient.

Im Rahmen des durch die Globalisierung gesteigerten Wettbewerbs und Überangebots stellt sich die Frage nach der Produktdifferenzierung. Da die Möglichkeiten der Preisdifferenzierung begrenzt sind, betreiben die Hersteller einen Qualitätswettbewerb, der in Wirklichkeit einen „Wettbewerb der Erscheinungsformen“ (Leuer, 1977, S. 60) darstellt. Durch ein modernes, hochwertig wirkendes Produktdesign bekommt der Konsument den Eindruck eines beständigen, zuverlässigen Produkts vermittelt. Das Aussehen assoziiert er - ganz im Sinne des Herstellers - automatisch mit einem gesteigerten technischen Gebrauchswert des Produkts, der sich durch das Re-Design de facto nur geringfügig oder gar nicht verbessert hat. Hersteller designen das Produkt mithin so, dass der Konsument dem Produkt allein durch das Exterieur eine erweiterte Funktionalität beimisst.

Zusammenfassend ist anzunehmen, dass psychische Obsoleszenz der reinen technologischen Obsoleszenz (i. S. v. schnelleren Verschleiß von Produkten durch technologische Innovationen) überlegen ist, da sie Produkte zuverlässiger und schneller veralten lässt. Des Weiteren ist es weitaus kostengünstiger, Produkte äußerlich aufzuwerten, als sie mit neuen technischen Funktionen zu versehen (vgl. Slade, 2006, S. 36).

3.2.2.2. Funktionelle Obsoleszenz

Die letzte Form der Obsoleszenz-Strategien ist die funktionelle Obsoleszenz. Darunter versteht man den Verschleiß eines vorhandenen Produkts „[...] durch Einführung eines neuen, das seine Funktionen besser erfüllt“ (Marfeld, 1977, S. 316). Die Verbesserung der Funktionen zielt dabei sowohl auf den Grundnutzen als auch auf den Zusatznutzen des Produkts ab (vgl. Bodenstein, 1977, S. 11 f.).

In der Literatur wird funktionelle Obsoleszenz als Instrument für den geplanten Verschleiß des Öfteren kritisch betrachtet. Angesichts der Erhöhung des Gesamtnutzens ist eine Vielzahl an Kritikern der Auffassung, dass der technologische Fortschritt im Interesse des Konsumenten liegt und somit aus der Obsoleszenz-Diskussion ausgeklammert werden sollte (vgl. Marfeld, 1977, S. 323). Gleichwohl stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie viel Innovation der Konsument erwartet und wirklich benötigt (Gefahr des Over-Engineering) und zu welchem Zeitpunkt eine solche vom Hersteller in den Markt eingeführt werden sollte.

Orientiert man sich an der Obsoleszenz-Definition von Gregory, könnte man darlegen, dass funktionelle Obsoleszenz, entgegen der vorangegangenen Annahme, den Verschleißstrategien zuzuordnen ist: Nach Gregory liegt geplanter Verschleiß u. a. dann vor, wenn „[...] Hersteller oder Händler die Leute dazu bringen, Güter zu ersetzen, die im wesentlichen noch physisch zu gebrauchen sind.“ (Gregory, 1947, S. 24). Die Funktionsfähigkeit des bisher verwendeten Produkts bleibt grundsätzlich erhalten. Jedoch kann das Produkt, aufgrund neugestellter „Anforderungen von Komplementärprodukten“ (o. V., 2013c) nicht mehr vollständig genutzt werden.

Funktionelle Obsoleszenz, z. B. in Form von Kompatibilitätsproblemen, ist besonders häufig in der IT-Branche vorzufinden. Anhänger von Computerspielen sind zunehmend damit konfrontiert, dass das auf ihrem Computer installierte Betriebssystem nicht mehr kompatibel zur neusten Game-Software, dem Komplementärprodukt, ist, da diese neue Systemanforderungen stellt, die das bisherige Betriebssystem nicht erfüllen kann (vgl. Kucera, 2012). Die einzige Lösung für den Verbraucher ist hier der Erwerb der erforderlichen Betriebssystemsoftware oder der Verzicht auf das neue Computerspiel. Ziel der Hersteller ist es jedoch, den Konsumenten sowohl zum Kauf des neuen Betriebssystems als auch zum Kauf des Spiels zu motivieren.

Die vorangegangen Abschnitte haben aufgezeigt, dass Hersteller die verschiedenen Obsoleszenz-Strategien vielseitig einsetzen können. Die Frage, ob der Konsument, beeinflusst durch Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen, in diesem Gefüge das „hilflose Opfer“ der gewinnfokussierten Unternehmen ist oder – ausgehend von der klassischen Wirtschaftstheorie – aufgrund seiner Kaufentscheidungsmacht und Bedürfnisse selbst verantwortlich für das Agieren der Hersteller ist, bleibt weitestgehend offen. De facto haben sowohl Anbieter als auch Nachfrager Interessen, die sie auf dem Markt durchsetzen wollen.

Angesichts der Öffentlichkeitsarbeit einiger Obsoleszenz-Kritiker hat das Thema sowohl in den Medien als auch im Bewusstsein deutscher Konsumenten innerhalb des letzten Jahres an Präsenz gewonnen. In vielen Internetforen und Blogs finden sich Einträge verärgerter Konsumenten, die sich über ihre Erfahrungen und Vermutungen mit Produkten mit künstlich verkürzter Lebensdauer austauschen. Auch in der deutschen Politik bleibt das Thema, womöglich auch im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl im September 2013, nicht gänzlich unberührt: Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen reichte im Mai 2013 einen Antrag im Bundestag ein, der sich im Rahmen nachhaltiger Rohstoffpolitik, u. a. mit dem Vermeiden von geplanter Obsoleszenz, beschäftigt (Schridde, 2013c).

Ein ähnlicher Antrag der Fraktion Die Linke, die damit eine gesetzliche Mindestnutzungsdauer bei technischen Geräten in Deutschland durchsetzen wollte, wurde vom Umweltausschuss mit großer Mehrheit abgelehnt (o. V., 2013d). Demzufolge werden deutsche Konsumenten auch in Zukunft, zumindest gesetzlich, nicht vor dem geplanten Verschleiß geschützt und die Handlungsspielräume der Unternehmen durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt.

Das folgende Kapitel setzt sich mit den unterschiedlichen Treibern und Faktoren von Verschleißstrategien auseinander, die die Existenz dieser begreiflich machen.

3.3 Treiber und Faktoren für Obsoleszenz-Strategien

Die ökonomischen Ziele, die produzierende Unternehmen mit einer Obsoleszenz-Strategie verfolgen, wurden im bisherigen Verlauf dieser Arbeit bereits angesprochen. Neben dem systematischen Handeln der Hersteller in der Produktentwicklung und Kommunikation sind es auch externe Faktoren, die einem, in summa erfolgreichem, Fortbestehen des Absatzinstruments „geplanter Verschleiß“ den Weg ebnen.

[...]


[1] Bodenstein verweist hier auf den Begriff der „Dauerqualität“ als Qualitätsmerkmal bei Gebrauchsgütern (vgl. Bodenstein, 1977, S. 9)

[2] Kuß/Tomczak bezeichnen temporäres, durch situative Faktoren beeinflusstes Involvement als „Phasen-Involvement“ (vgl. Kuß/Tomczak, 2007, S.74).

Excerpt out of 91 pages

Details

Title
Geplante Obsoleszenz versus Kundenzufriedenheit
College
Berlin School of Economics and Law
Grade
1,5
Author
Year
2013
Pages
91
Catalog Number
V283224
ISBN (eBook)
9783668552746
ISBN (Book)
9783668552753
File size
2834 KB
Language
German
Keywords
Geplante Obsoleszenz, geplanter Verschleiß, Produktmanagement, Obsoleszenz, Marketing, Kundenzufriedenheit
Quote paper
Julia O. (Author), 2013, Geplante Obsoleszenz versus Kundenzufriedenheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283224

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