Das Vertretungsorgan der Länder im Deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik und der BRD


Dossier / Travail, 2014

28 Pages, Note: 19 von 20


Extrait


INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG
1.1 Fragestellung
1.2 Stand der Forschung
1.3 Ziel und Abgrenzung der Arbeit
1.4 Methoden, Erkenntnisinteresse und theoretische Perspektiven

2. ZUSAMMENSETZUNG DES BUNDESRATES UND DES REICHSRATES IM DEUTSCHEN KAISERREICH, IN DER WEIMARER REPUBLIK UND IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
2.1 Kriterien zur Stimmenverteilung
2.2 Die Mitgliederbestellung
2.3 Fazit

3. STRUKTUR DES BUNDESRATES UND DES REICHSRATES IM DEUTSCHEN KAISERREICH, IN DER WEIMARER REPUBLIK UND IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
3.1 Das Präsidium
3.2 Die Ausschüsse
3.3 Fazit

4. AUFGABEN DES BUNDESRATES UND DES REICHSRATES IM DEUTSCHEN KAISERREICH, IN DER WEIMARER REPUBLIK UND IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
4.1 Aufgaben des Bundesrates des Deutschen Kaiserreiches und des Reichsrates
4.2 Aufgaben des Bundesrates der Bundesrepublik Deutschland
4.3 Vergleich der Aufgaben der drei Gremien
4.4 Gründe für die fortdauernde Mitwirkungsmöglichkeit der Länder an der Nationalpolitik
4.5 Kritiken über den derzeitigen Bundesrat und Reformvorschläge
4.6 Fazit

5. ABSCHLIESSENDE BETRACHTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

1.1 Fragestellung

Die Mitwirkung der Länder an der Bundespolitik, die bis in die Gegenwart nachwirkt, geht auf 1815 zurück und wurde erstmals in der Paulskirchenverfassung[1] von 1849 bestimmt. Jene wirkten bzw. wirken dabei nicht in geschlossenem Auftreten, sondern über ein gemeinsames Organ, das ihre einzelnen und kollektiven Interessen gegenüber dem Bund wahrnahm bzw. wahrnimmt, nämlich den Bundesrat im Deutschen Kaiserreich, den Reichsrat in der Weimarer Republik und den Bundesrat in der Bundesrepublik Deutschland. Die drei Gremien stellten bzw. stellt dasselbe Kriterium zur Stimmenverteilung trotz Veränderungen hinsichtlich der Stimmenanzahl der jeweiligen Länder im derzeitigen Bundesrat auf, beobachteten bzw. beobachtet denselben Vorgang zur Mitgliederbestellung, verfügten bzw. verfügt größtenteils über dieselbe Struktur trotz Veränderungen bezüglich ihrer Funktionsweise im gegenwärtigen Bundesrat, waren bzw. ist durch dieselben Aufgabenbereiche trotz Veränderungen seit der Gründung des Reichsrates mit der Verstärkung der Mitwirkung an der Verwaltung des Reiches und im heutigen Bundesrat mit der Verstärkung des Umfangs der Aufgabenteile und -ziele in den jeweiligen Bereichen sowie der Erfüllungsfähigkeit der Aufgaben gekennzeichnet. Daher ist Ausgangspunkt unserer Arbeit die Annahme, dass die Entwicklung der Länderkammer in Deutschland in erheblichem Maße durch Kontinuität ausgeprägt ist. In Hinsicht auf die fortdauernde Teilhabe der Länder an der Nationalpolitik über ihre Kammer lässt sich fragen, warum in Deutschland die Länder auf ihre Mitwirkungsmöglichkeiten an der Nationalpolitik traditionell so stark darüber setzen.

1.2 Stand der Forschung

Die Entwicklung des deutschen Föderalismus im Allgemeinen und dessen Probleme sowie Reformvorschläge insbesondere behandeln zahlreiche Publikationen in der wissenschaftlichen Literatur. Davon hat das von Gerhard Lehmbruch 2002 als MPIfG Working Paper in Köln veröffentlichte Werk „Der unitarische Bundesstaat in Deutschland: Pfadabhängigkeit und Wandel“ manches Gemeine mit unserem Thema. In seinem Werk untersucht Gerhard Lehmbruch nicht nur die Grundlagen des deutschen Föderalismus von den Anfängen bis zur Gegenwart, sondern auch die Zusammenhänge zwischen allen deutschen föderalistischen Systemen vom Deutschen Kaiserreich über die Weimarer Republik bis zur Bundesrepublik Deutschland. Die Annahme Gerhard Lehmbruchs kann wie folgt zusammengefasst werden: „Der Entwicklungspfad, der zum Verbundföderalismus der Gegenwart führt, erstreckt sich (…) über einen Zeitraum, der noch deutlich vor der Bismarckzeit einsetzt. Zentrale institutionelle Weichenstellungen, die bis in die Gegenwart nachwirken, gehen insbesondere auf die Paulskirchenverfassung von 1849 zurück (…). Die effektiven kritischen Weichenstellungen aber, die dann eine erneute Reorganisation des deutschen Föderalismus zur Folge hatten, waren wiederum alle durch kriegerische Auseinandersetzungen vorbereitet. Das waren die früher so genannten „deutschen Einigungskriege“ unter preußischer Führung (1866 und 1870/71), dann der Zusammenbruch der Monarchie infolge des ersten Weltkriegs und schließlich die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches 1945 mit der anschließenden Besatzungsherrschaft. (…) Es besteht Konsens darüber, dass Bismarck [den Bundesrat] als Barriere gegen die Parlamentarisierung konzipiert hat. (…) die alliierten Besatzungsmächte [sind] zum Urheber des Verflechtungsföderalismus der Bundesrepublik geworden, ohne dies doch gewollt zu haben (…). Die weitere Entwicklung des Föderalismus der Bundesrepublik lässt sich nun, von hier ausgehend, auf zwei Ebenen beschreiben: Einerseits sorgt die Hegemonie der auf Rechtseinheit fixierten kulturellen Orientierung dafür, dass sich der Unitarisierungsprozess immer weiter entfaltet, andererseits aber hat das unter den Bedingungen der institutionellen Dezentralisierung die Folge, dass der Koordinationsbedarf immer weiter zunimmt. Darauf antwortete das Wachstum der Politikverflechtung (…). Betrachtet man sie aber im Zusammenhang der Entwicklung seit der Besatzungszeit, so wird man sie als eine Anpassungsreaktion auf den externen Schock der Jahre 1945-1949 interpretieren können.″[2]

Der angeführte Auszug aus dem Werk Lehmbruchs weist auf historische, politisch-kulturelle, kontextabhängige und strategische Gründe für die Organisation des deutschen Föderalismus im Deutschen Kaiserreich, in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland hin. Darin stimmen wir mit ihm überein. Lediglich geht Lehmbruch in seiner Analyse nicht auf Einzelheiten ein, die diese durch mehr Klarheit und Präzision verständlicher hätten machen können. Diese Mängel versuchen wir mit besonderem Augenmerk auf die Entwicklung der Länderkammer in unserer Arbeit auszugleichen.

1.3 Ziel und Abgrenzung der Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das angeführte Werk von Lehmbruch mit besonderem Augenmerk auf die Entwicklung der Länderkammer zu verstärken und dadurch einen weiteren Beitrag zum besseren Verständnis deren Funktionsweise im föderalistischen System Deutschlands seit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches zu bieten. Überdies beteiligt sie sich an der aktuellen Debatte über die Reform des Föderalismus in Deutschland hinsichtlich der Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern über den Bundesrat. Dazu wird die Untersuchung der Zusammensetzung, Struktur und Aufgaben der Länderkammer in den drei untersuchten Systemen verhelfen. Das erste Kapitel des Hauptteils setzt sich mit deren Zusammensetzung auseinander, das zweite mit deren Struktur und das dritte mit deren Aufgaben.

Was das erste Kapitel anbelangt, werden die Kriterien zur Stimmenverteilung und der Vorgang zur Mitgliederbestellung untersucht. Was die im zweiten Kapitel untersuchte Struktur angeht, sind innere Gremien des heutigen Bundesrates, nämlich das Sekretariat und der Ständige Beirat vorhanden, die nicht in den ehemaligen Gremien existierten. Da für unsere Vergleichsanalyse nur die gleichartigen Elemente nötig sind, lassen wir jene dabei außer Acht. Infolgedessen werden im zweiten Kapitel das Präsidium und die ständigen Ausschüsse der betreffenden Gremien untersucht. Im dritten Kapitel werden die Aufgabenteile des Bundes- und des Reichsrates untersucht. Abschließend werden Lösungsansätze zur Fragestellung skizziert.

1.4 Methoden, Erkenntnisinteresse und theoretische Perspektiven

In der vorliegenden Arbeit beschränkt sich die Vorgehensweise auf die Analyse vorhandener themenbezogener Literatur. Dabei konzentrieren wir uns auf die hermeneutische Methode, um durch die historisch-institutionelle Längsschnittsanalyse von Sekundärdaten Verständnislücken schließen und zu Ergebnissen hinsichtlich der Forschungsfrage gelangen zu können.

Unser Erkenntnisinteresse ist sowohl emanzipatorisch als auch technisch-instrumentell, da wir einerseits unser eigenes Wissen über die Entwicklung der Länderkammer in Deutschland vertiefen möchten, um uns andererseits im Lichte der Erfahrungen an der wissenschaftlichen Debatte über die Reform des deutschen Föderalismus beteiligen zu können.

Lösungsansätze zur Fragestellung werden im Lichte der vertikalen Politikverflechtung skizziert, wobei Zusammensetzungsvorgänge, strukturelle Eigenschaften und Aufgabenverteilung Schwerpunkte bilden.

2. ZUSAMMENSETZUNG DES BUNDESRATES UND DES REICHSRATES IM DEUTSCHEN KAISERREICH, IN DER WEIMARER REPUBLIK UND IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

2.1 Kriterien zur Stimmenverteilung

Der Bundesrat des Deutschen Kaiserreiches setzte sich aus Vertretern der Länderregierungen zusammen. Die Stimmenverteilung darauf bemaß sich nach deren Einwohnerstärke[3]. Demgemäß kamen Preußen mit 40.165.219 Einwohnern 17 von den 61 Stimmen bzw. Mitgliedern zugute, Bayern mit 6.887.291 Einwohnern nur 6 Stimmen, Sachsen mit 4.806.661 Einwohnern nur 4 Stimmen, Württemberg mit 2.437.574 Einwohnern nur 4 Stimmen, Baden mit 2.142.833 Einwohnern nur 3 Stimmen[4], Elsaß-Lothringen mit 1.874.014 Einwohnern nur 3 Stimmen[5], Hessen mit 1.282.051 Einwohnern nur 3 Stimmen, Mecklenburg-Schwerin mit 639.958 Einwohnern nur 2 Stimmen, Braunschweig mit 494.339 Einwohnern nur 2 Stimmen, Oldenburg mit 483.042 Einwohnern nur 1 Stimme, Sachsen (-Weimar-Eisenach) mit 417.149 Einwohnern nur 1 Stimme, Anhalt mit 331.128 Einwohnern nur 1 Stimme, Bremen mit 299.526 Einwohnern nur 1 Stimme, Sachsen-Meiningen mit 278.762 Einwohnern nur 1 Stimme, Sachsen-Koburg Gotha mit 257.177 Einwohnern nur 1 Stimme, Hamburg mit 240.251 Einwohnern nur 1 Stimme, Sachsen-Altenburg mit 216.128 Einwohnern nur 1 Stimme, Reuß jüngere Linie mit 152.752 Einwohnern nur 1 Stimme, Lippe mit 150.913 Einwohnern nur 1 Stimme, Lübeck mit 116.599 Einwohnern nur 1 Stimme, Strelitz mit 106.442 Einwohnern nur 1 Stimme, Schwarzburg-Rudolstadt mit 100.702 Einwohnern nur 1 Stimme, Schwarzburg-Sondershausen mit 89.917 Einwohnern nur 1 Stimme, Reuß ältere Linie mit 72.769 Einwohnern nur 1 Stimme, Waldeck mit 61.707 Einwohnern nur 1 Stimme und Schaumburg-Lippe mit 46.652 Einwohnern nur 1 Stimme[6].

Die Tatsache, dass die Stimmen für den Reichsrat nach der Einwohneranzahl verteilt wurden, lässt auf eine Kontinuität schließen. Die Länder mit weniger als einer Million Einwohnern hatten eine Stimme bzw. ein Mitglied. Bei Ländern mit größerer Einwohneranzahl entfiel auf jeweils eine Million Einwohner vor 1921 und siebenhunderttausend Einwohner ab 1921 eine Stimme. Ein Rest von mindestens deren Hälfte wurde mit einer Million bzw. siebenhunderttausend Einwohnern gleichgerechnet. Jedoch durfte kein Land mehr als zwei Fünftel aller Stimmen bzw. Mitglieder auf sich vereinen[7]. Vor dem 1. April 1929 waren die Reichsländer im Reichsrat durch insgesamt 67 Stimmen bzw. Mitglieder vertreten. Wegen der Vereinigung des Freistaates Waldeck mit Preußen am 1. April 1929 fiel die einzige Stimme Waldecks im Reichsrat weg. Daher wurden die Länder seither nur mit 66 Stimmen bzw. Mitgliedern im Reichsrat vertreten. Von den 66 Stimmen bzw. Mitgliedern kamen Preußen mit seinen 38.120.170 Einwohnern 26 Stimmen bzw. Mitglieder zugute. Bayern hatte 11 Mitglieder dank seiner 7.379.600 Einwohner, Sachsen 7 aus seinen 4.992.320 Einwohnern, Württemberg 4 aus 2.580.235 Einwohnern, Baden 3 aus 2.312.500 Einwohnern, Thüringen 2 aus 1.607.329 Einwohnern, Hessen 2 aus 1.347.279 Einwohnern, Hamburg 2 aus 1.132.523 Einwohnern, Mecklenburg-Schwerin 1 aus 674.045 Einwohnern, Oldenburg 1 aus 545.172 Einwohnern, Braunschweig 1 aus 501.875 Einwohnern, Anhalt 1 aus 351.045 Einwohnern, Bremen 1 aus 338.846 Einwohnern, Lippe 1 aus 163.648 Einwohnern, Lübeck 1 aus 127.972 Einwohnern, Mecklenburg-Strelitz 1 aus 110.269 Einwohnern und Schaumburg-Lippe 1 aus 48.046 Einwohnern[8].

Im Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt die Stimmenverteilung die Einwohnerzahl jedes Bundeslandes weiter und lässt ebenfalls eine Kontinuität und Pfadabhängigkeit bemerken. Dementsprechend haben die Länder mit mehr als sieben Millionen Einwohnern sechs Stimmen bzw. Mitglieder, die Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern fünf Stimmen[9] und die Länder mit weniger als zwei Millionen Einwohnern drei Stimmen. Von den 69 Stimmen bzw. Mitgliedern kommen Nordrhein-Westfalen mit einer Bevölkerung von 18.058.000 Einwohnern 6 Stimmen , Bayern mit 12.469.000 Einwohnern 6 Stimmen, Baden-Württemberg mit 10.736.000 Einwohnern 6 Stimmen, Niedersachsen mit 7.994.000 Einwohnern 6 Stimmen, Hessen mit 6.092.000 Einwohnern 5 Stimmen, Sachsen mit 4.274.000 Einwohnern 4 Stimmen, Rheinland-Pfalz mit 4.059.000 Einwohnern 4 Stimmen, Berlin mit 3.395.000 Einwohnern 4 Stimmen, Schleswig-Holstein mit 2.833.000 Einwohnern 4 Stimmen, Brandenburg mit 2.559.000 Einwohnern 4 Stimmen, Sachsen-Anhalt mit 2.470.000 Einwohnern 4 Stimmen, Thüringen mit 2.335.000 Einwohnern 4 Stimmen, Hamburg mit 1.744.000 Einwohnern 3 Stimmen, Mecklenburg-Vorpommern mit 1.707.000 Einwohnern 3 Stimmen, Saarland mit 1.050.000 Einwohnern 3 Stimmen und Bremen mit 663.000 Einwohnern 3 Stimmen zugute[10].

Die Bemessung der Stimmen nach der Einwohnerzahl geht auf die Zeit des ersten Deutschen Bundes[11] zwischen 1815 und 1866 zurück, als die Stimmen für das Plenum dessen Bundestages nach der Einwohneranzahl verteilt wurden. So hat dieses Kriterium historische Vorläufer. Indem die Zahl der zu entsendenden Mitglieder der jeweiligen Länder nach deren Bevölkerungsstärke abgestuft wurde und wird, war bzw. ist dabei ein demokratisches Prinzip angewendet. Nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg durften die für demokratischen Wandel begeisterten neu gegründeten Weimarer Republik und Bundesrepublik Deutschland nur sich danach richten. Mit der Stimmenverteilung für den Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland werden allerdings einerseits eine einwohneranzahlungsabhängige völlige Gleichstellung und andererseits eine starke Dominanz der großen Länder verhindert.

2.2 Die Mitgliederbestellung

Die Mitglieder der beiden Bundesräte und des Reichsrates wurden bzw. werden von den Ländern bestellt und abgerufen. Damit ist Kontinuität deutlich. Allerdings wurden die Mitglieder des ersten Bundesrates von den Fürsten unabhängig von der Volksvertretung an den jeweiligen Landtagen entsandt. Im Gegensatz zum Deutschen Kaiserreich basierte die Bildung der Länderregierungen der Weimarer Republik auf die Mehrheit in den jeweiligen Landtagen[12]. Da die Bevollmächtigten zum Reichsrat aus diesen Regierungen kamen, war ersichtlich, dass die Mitglieder des Reichsrates zu der vorhandenen Mehrheit in den Landtagen der Weimarer Republik gehörten. Die Länderregierungen der Bundesrepublik Deutschland stützen sich auch auf die Mehrheit in den jeweiligen Landtagen. Damit lohnt zu sagen, dass der Vorgang zur Mitgliederbestellung in den drei untersuchten Gremien parallel sind, aber sind durch anhaltende Veränderungen seit der Gründung des Reichsrates geprägt. Dies ist Kontinuität mit Wandel, also immer Pfadabhängigkeit.

Die Bestimmung der Mitglieder der Länderkammer von den Ländern selbst ist allen Föderalismustypen gemeinsam. Unterschieden ist jedoch nur die Art und Weise, auf welche jene bestellt werden. In den United States of America beispielsweise werden die Senatsmitglieder alle 6 Jahre direkt vom Volk gewählt[13]. In der Schweiz werden die Mitglieder des Ständerates alle 4 Jahre gewählt[14]. In Österreich werden die Bundesratsmitglieder zuvor von den jeweiligen Landesparlamenten gewählt und dann entsandt[15]. In Deutschland werden sie bisher von den Länderregierungen ernannt. Dies ergibt sich nicht aus dem Einfluss der Besatzungsmächte über die Erarbeitung des Grundgesetzes 1949, sondern entspricht einer Tradition, die schon 194 Jahre lange her ist. Also geht sie auf die Zeit des Deutschen Bundes zwischen 1815 und 1866 zurück, wozu die Fürstentümer Vertreter in den Frankfurter Bundestag entsandten. Damit soll gesagt werden, dass der Vorgang zur Mitgliederbestellung für die Länderkammer in Deutschland historische Vorläufer hat.

2.3 Fazit

Die Stimmen für den Bundesrat des Deutschen Kaiserreiches, den Reichsrat und den Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland wurden bzw. werden nach der Einwohneranzahl der jeweiligen Länder abgestuft. Diesbezüglich ist eine Kontinuität vorhanden. Der Vorgang zur Mitgliederbestellung für die drei Organe sind ähnlich, da deren Mitglieder von den Länderregierungen entsandt wurden bzw. werden. Dies heißt ebenfalls Kontinuität.

3. STRUKTUR DES BUNDESRATES UND DES REICHSRATES IM DEUTSCHEN KAISERREICH, IN DER WEIMARER REPUBLIK UND IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

3.1 Das Präsidium

Die Verfassungen des Deutschen Kaiserreiches und der Weimarer Republik waren durch die herausragende Position des Kaisers und des Reichskanzlers gekennzeichnet. Darum war nicht möglich, dass der Bundesrat und der Reichsrat einen Vorsitz aus ihrer Mitte stellten. Im Bundesratsfall berief der preußische König, zugleich Kaiser des Zweiten Deutschen Reiches, den Bundesrat im nötigen Fall ein und sobald dies von einem Drittel seiner Mitglieder verlangt wurde. Dessen Vorsitz und die Leitung dessen Geschäfte standen dem vom Kaiser ernannten preußischen Ministerpräsidenten, zugleich Reichskanzler zu. Im Verhinderungsfall durfte dieser jedoch sich von irgendwelchem Bundesratsmitglied vermöge einer schriftlichen Bekanntmachung vertreten lassen[16]. Im Reichsratsfall war der Reichskanzler auf Verlang eines Drittels der Mitglieder des Reichsrates für dessen Vorsitz zuständig. Jedoch führte der Reichsminister des Innern regelmäßig dessen Vorsitz. In nötigen Fällen und im Einvernehmen mit ihm konnte irgendeiner andere Reichsminister, ja sogar Staatssekretär bei Behinderung ihn einberufen und dessen Vorsitz übernehmen[17]. In beiden Fällen wird festgestellt, dass die Reichsregierung den Vorsitz übernahm. Das war Kontinuität und Pfadabhängigkeit. Diese Kontinuität rechtfertigte sich zuerst mit dem Willen der Reichsoberbehörden, ihre Hegemonie über die Länder zu festigen. Übrigens erinnerten sich die politischen Elitegruppen an den Zustand Deutschlands bis 1866. Damals bestand Deutschland aus selbständigen Kleinstaaten mit meistens souveränen Erbfürsten an ihrer Spitze, die sich nicht einigen konnten. Die politischen Eliten fürchteten, dass eine Umbildung der Länderkammer mit einem Vorsitz aus den Ländern die Charakteristika des vorbismarckschen Deutschlands erneut ins Leben rief. Also wurde die Kontinuität im Präsidium beider ersten Organe nicht nur durch Streben nach Machtfestigung der Zentralbehörden, sondern auch durch den Zustand Deutschlands vor 1871 gerechtfertigt.

Mit dem „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934 zerschlugen die Nationalsozialisten den deutschen Föderalismus, nachdem sie schon im Zuge der sogenannten Gleichschaltung die Länderparlamente entmachtet und in allen Ländern Hitler direkt unterstellte Reichsstatthalter eingesetzt hatten. Mit jenem Gesetz sollten die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übertragen und die Länderregierungen der Reichsregierung unterstellt werden. So wurden die Länder in bloße Verwaltungseinheiten eines zunehmend zentralistisch strukturierten Einheitsstaates umgewandelt[18]. In Hinsicht darauf ist ein Hauptgrund dafür, dass im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland die föderalistische Struktur festgeschrieben wurde, die Erfahrung, dass während der Diktatur des Nationalsozialismus ein zentralistischer Staat entstand und wiederum die Macht des Regimes und des Diktators stützte. Durch die Verteilung und insbesondere örtliche Verteilung und Verschränkung von Kompetenzen auf verschiedene Institutionen und Personen sollte nach dem Zweiten Weltkrieg verhindert werden, dass erneut eine einzige Person derart viel Macht erhielt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden neue Länder von den jeweiligen Besatzungsmächten gegründet. Das Verschwinden Preußens und die Sorge der politischen Eliten für die Herstellung der Demokratie auf deutschem Boden ließen die Sachen anders wie vorher laufen.

Im Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland wird ein Präsidiumsdienst aus dessen Mitte eingerichtet, der aus dem Bundesratspräsidenten und zwei Vizepräsidenten besteht. Diese werden jeweils vom Bundesrat einstimmig für ein Jahr gewählt und treten ihr Amt jeweils zu Beginn des Geschäftsjahres am 1. November eines jeden Jahres an[19]. Seit dem Königsteiner Abkommen vom 30. August 1950 wechselt das Präsidentenamt turnusmäßig unter den Regierungschefs der Bundesländer: Es wird in der absteigenden Reihenfolge der Einwohnerzahl der Länder bekleidet[20]. Zum Ersten Vizepräsidenten wird jeweils der Präsident des Vorjahres und zum Zweiten der designierte Präsident des nachfolgenden Geschäftsjahres gewählt[21]. Scheidet ein Regierungschef, der Präsident oder Vizepräsident des Bundesrates ist, aus seinem Amt aus, so wird sein Nachfolger im Amt als Landesregierungschef gleichzeitig neuer Präsident bzw. Vizepräsident des Bundesrates[22].

Die Vizepräsidenten vertreten den Präsidenten im Verhinderungsfalle jeweils nach Maßgabe ihrer Reihenfolge, also zuerst der Erste und in dessen Verhinderungsfall der Zweite, und beraten ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben[23]. Zu den Aufgaben des Präsidiums gehörten u.a. die jährliche Aufstellung des Haushaltsplanes des Bundesrates sowie die Entscheidung wichtiger interner Angelegenheiten des Hauses[24]. Die Hauptaufgabe des Präsidenten liegt in der Einberufung und Leitung der Plenarsitzungen des Bundesrates. Er vertritt die Bundesrepublik Deutschland rechtlich in allen Angelegenheiten des Bundesrates und den Bundespräsidenten im Verhinderungs-, Rücktritts- oder Todesfall[25].

3.2 Die Ausschüsse

Da die Verfassungen des Deutschen Kaiserreiches und der Weimarer Republik durch die herausragende Position des Kaisers bzw. des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers gekennzeichnet waren, wurden die Ausschüsse der jeweiligen Länderkammern unter deren Einfluss gestellt. Von den acht Ausschüssen des Bundesrates des Deutschen Kaiserreiches[26] wurden gewisse vom Kaiser und andere vom Bundesrat für ein Jahr zusammengesetzt bzw. gewählt. Der Kaiser ernannte die Mitglieder der Ausschüsse für das Landheer und die Festungen und für das Seewesen außer deren ständigen Mitgliedern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er in den von ihm zusammengesetzten Ausschüssen den Vorsitz übernahm. Der Vorsitz in den Ausschüssen wurde von einem der fünf Ausschussmitglieder geführt, die alle aus den Ländern kamen. Darin hatte kein Staat mehr als ein Mitglied im selben Ausschuss. Der Ausschuss für das Landheer und die Festungen und der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten wurden nur teilweise vom Bundesrat gewählt, sofern Bayern im ersten einen ständigen Sitz hatte und nicht nur Bayern, sondern auch Sachsen und Württemberg einen ständigen Sitz im zweiten hatten. Jedenfalls kamen alle Ausschussmitglieder aus der Mitte des Bundesrates.

[...]


[1] Die so genannte Paulskirchenverfassung war die erste demokratisch beschlossene Verfassung für ganz Deutschland, die allerdings nie umgesetzt wurde. Sie wurde von der nach der Märzrevolution von 1848 in der Paulskirche in Frankfurt am Main zusammentretenden verfassunggebenden Nationalversammlung r erarbeitet und von dieser am 28. März 1849 als Verfassung des Deutschen Reiches verkündet.

[2] vgl. Lehmbruch, Gerhard: Der unitarische Bundesstaat in Deutschland: Pfadabhängigkeit und Wandel, MPIfG Discussion Paper 02/2, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln 2002, S. 12, 26, 40, 64 http://www.mpifg.de/pu/mpifg_dp/dp02-2.pdf (Zugriff 14.12.2008)

[3] siehe Reuter, Konrad: Bundesrat und Bundesstaat. Der Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland, 14. Auflage, Berlin 2009, S. 62

[4] siehe Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 bei http://www.deutsche-schutzgebiete.de/reichsverfassung.htm (Zugriff 13.12.2013)

[5] Durch Unterzeichnung des Frankfurter Friedensvertrags am 10. Mai 1871 im Anschluss an den Deutsch-Französischen Krieg musste Frankreich Elsaß und Lothringen an das neu gegründete Kaiserreich abtreten. Erst 40 Jahre nach der Annexion verabschiedete der deutsche Reichstag am 26. Mai 1911 eine Verfassung für das Reichsland Elsaß-Lothringen: Das bis dahin unter der Verwaltung der Reichsregierung stehende Reichsland Elsaß-Lothringen erhielt den Status eines deutschen Bundesstaates sowie drei Stimmen im Bundesrat, eine Landesregierung und eine repräsentative Volksvertretung.

[6] siehe Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 bei http://www.deutsche-schutzgebiete.de/reichsverfassung.htm (Zugriff 13.12.2013)

[7] siehe Deutsches Historisches Museum (Hrsg.): Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, Berlin, o.J.http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/verfassung/index.html (Zugriff 22.06.2009)

[8] siehe Schröder, Valentin: Weimarer Republik 1918-1933, o.O., 2010http://www.wahlen-in-deutschland.de/wReichsrat.htm (Zugriff 13.12.2013)

[9] Schmidt, Manfred Gustav: Das politische System Deutschlands: Institutionen, Willensbildung und Politikfelder, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2010, S. 199

[10] a.a.O., S. 200

[11] Der Deutsche Bund war ein auf dem Wiener Kongress 1815 durch die "Bundesakte" gegründeter Staatenbund der deutschen souveränen Fürsten sowie freien Städte, der bis 1866 bestand. Er umfasste zunächst 41, endgültig 33 Mitglieder, die nach innen zwar eigene Entscheidungsgewalt hatten, nach außen jedoch die Mehrheitsbeschlüsse des Deutschen Bundes zu befolgen hatten. Der erste Deutsche Bund wurde in Folge des Deutschen Krieges im Prager Frieden offiziell aufgelöst. Im Jahr 1871 gab es nach dem Beitritt der drei süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund kurzzeitig erneut einen zweiten Deutschen Bund, ehe dieser nach der Reichsgründung zum Deutschen Reich wurde.

[12] Beispielsweise wurde das bayerische Kabinett Johannes Hoffmanns II. zwischen 1919 und 1920 aufgrund einer Koalition aus der Mehrheitssozialdemokratischen Partei Deutschlands (MSPD), der Bayerischen Volkspartei (BVP) und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die über eine breite Mehrheit im bayerischen Landtag verfügte.

[13] siehe Wasser , Hartmut : Politisches System der USA, in : Informationen zur politischen Bildung, Nr. 199/2001, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2001, S. 19http://www.bpb.de/info-franzis/html/body_i_199_2.html (Zugriff 13.12.2013)

[14] Das Schweizer Parlament (Hrsg.): Parlamentswörterbuch, Bern, o.J.http://www.parlament.ch/d/wissen/parlamentswoerterbuch-neu/Seiten/amtsdauer-ratsmitglied.aspx (Zugriff 13.12.2013)

[15] siehe Renner-Ring, Karl: Österreichisches Parlament, Wien 2013 http://www.parlament.gv.at/PERK/NRBRBV/BR/AUFGBR/index.shtml (Zugriff 13.12.2013)

[16] siehe Deutsches Kaiserreich bei http://www.documentarchiv.de/ksr/verfrsr.html (Zugriff 11.06.2007)

[17] Bundesarchiv (Hrsg.): Nr. 192 . Geschäftsordnung der Reichsregierung, Berlin 1924http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/1010/ma11P/kap1_2/para2_192.html (Zugriff 28.04.2008)

[18] siehe Deutscher Bundesrat (Hrsg.): Vor 75 Jahren wurde der Reichsrat aufgelöst, Berlin, o.J.http://www.bundesrat.de/nn_8396/DE/service/thema-aktuell/09/20090303-Reichsrat.html (Zugriff 13.12.2013)

[19] Ders.: Struktur und Aufgaben, Berlin, o.J.http://www.bundesrat.de/cln_330/nn_8328/DE/struktur/organisation/organisation-node.html?__nnn=true (Zugriff 11.12.2013)

[20] Münch, Ursula: Föderalismus in Deutschland. Geschichtlicher Überblick, in: Informationen zur politischen Bildung, Nr. 298, Bonn 2008, S. 32

[21] siehe Deutscher Bundesrat (Hrsg.): Organe und Mitglieder, Berlin, o.J.http://www.bundesrat.de/cln_330/nn_9028/DE/organe-mitglieder/praesidium/praesidium-node.html?__nnn=true (Zugriff 11.12.2013)

[22] Münch, Ursula: Föderalismus in Deutschland. Geschichtlicher Überblick, in: Informationen zur politischen Bildung, Nr. 298, Bonn 2008, S. 32

[23] siee Reuter, Konrad: Bundesrat und Bundesstaat. Der Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland, 14. Auflage, Berlin 2009, S. 35

[24] siehe Deutscher Bundesrat (Hrsg.): Organe und Mitglieder, Berlin, o.J.http://www.bundesrat.de/cln_330/nn_9028/DE/organe-mitglieder/praesidium/praesidium-node.html?__nnn=true (Zugriff 11.12.2013)

[25] siehe Reuter, Konrad: Bundesrat und Bundesstaat. Der Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland, 14. Auflage, Berlin 2009, S. 18-19

[26] Der Bundesrat setzte sich aus einem Ausschuss für das Landheer und die Festungen, einem Ausschuss für das Seewesen, einem Ausschuss für das Zoll- und Steuerwesen, einem Ausschuss für Handel und Verkehr, einem Ausschuss für Eisenbahnen, Post und Telegraphen, einem Ausschuss für Justizwesen, einem Ausschuss für Rechnungswesen und einem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zusammen.

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Titre
Das Vertretungsorgan der Länder im Deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik und der BRD
Cours
SEMINAR ZUR UE12
Note
19 von 20
Auteur
Année
2014
Pages
28
N° de catalogue
V283461
ISBN (ebook)
9783656832324
ISBN (Livre)
9783656830887
Taille d'un fichier
532 KB
Langue
allemand
Mots clés
vertretungsorgan, länder, deutschen, kaiserreiche, weimarer, republik
Citation du texte
Maître Nestor Tabengo Domfang (Auteur), 2014, Das Vertretungsorgan der Länder im Deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik und der BRD, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283461

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