Produktions- und handlungsorientierter Literaturunterricht

Mit unterichtspraktischem Beispiel


Examination Thesis, 2013

88 Pages, Grade: 2


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Die Kinder von heute - aktive Lerner?

2. Was ist handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht?
2.1. Begriffsklärung
2.2. Abgrenzung zu anderen Formen des Deutschunterrichts

3. Entwicklung des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichtskonzepts

4. Theoretische Vorüberlegungen
4.1. Literaturtheoretische Vorüberlegungen
4.1.1. Der literarische Text
4.1.2. Der literarische Autor
4.1.3. Der literarische Leser
4.2. Notwendigkeit produktiver Verfahren
4.2.1. Leitbegriffe nach Spinner
4.2.2. Weitere Gründe für Produktionsorientierung
4.3. Einteilung von produktiven Verfahren
4.4. Didaktisches Phasenmodell des produktiven Unterrichts
4.4.1. Vorphase: Spielhafte Einstimmung in literarische Texte
4.4.2. I. Phase : Lesen und Aufnehmen literarischer Texte
4.4.3. II. Phase: Konkretisierende subjektive Aneignung literarischer Texte
4.4.4. III. Phase: Textuelles Erarbeiten literarischer Texte
4.4.5. IV. Phase: Textüberschreitende Auseinandersetzung mit literarischen Texten
4.5. Das Phasenmodell Waldmanns in der Praxis

5. Der handlungs- und produktionsorientierte Literaturunterricht auf dem Prüfstand
5.1. Gefahren im Umgang mit produktiven Verfahren
5.2. Empirische Erforschung von Literaturunterrichtsmethoden
5.3. Schlussfolgerung

6. Ein exemplarisches Unterrichtsmodell: "Despereaux, von einem der auszog das Fürchten zu verlernen"
6.1. Sachanalyse
6.1.1. Autorin
6.1.2. Der Jugendroman Despereaux
6.2. Didaktische Analyse
6.3. Zuordnung zu einer Jahrgangsstufe
6.4. Pädagogisch - Psychologische Überlegungen
6.5. Einbettung in den Lehrplan
6.6. Methodische Gesamtkonzeption
6.7. Die Einführungsstunde: Despereaux, eine besondere Maus
6.7.1. Der Verlaufsplan
6.7.2. Tafelanschrift
6.7.3. Begründung des Verlaufsplans

7. Schlussbetrachtung
7.1. Zusammenfassung
7.2. Ausblick und offene Fragen

8. Literaturverzeichnis
8.1. Primärliteratur
8.3. Internetadressen

9. Anhang

1. Die Kinder von heute - aktive Lerner?

Erkläre mir, und ich werde vergessen.

Zeige mir, und ich werde mich erinnern.

Beteilige mich, und ich werde verstehen.

Dieses Zitat, das meist Lao Tse (~ 4. Jhd. v. Chr.) zugesprochen wird (doch dies ist historisch nicht belegbar) zeigt deutlich auf, was viele Lehrer1 in ihrem Unterrichtsalltag bereits herausfinden konnten: Kinder und Jugendliche lernen am besten, wenn sie selbst sich mit dem Lerngegenstand oder -inhalt aktiv auseinandersetzen können.

Da aber der Unterricht v.a. am Gymnasium meist eher erklärend erfolgt und die Schüler sich die meiste Zeit einfach „berieseln“ lassen können, werden Lerninhalte meist nur im Kurzgedächtnis gespeichert, zur Prüfung abgerufen und dann wieder vergessen. Einige Schüler nehmen sich sogar komplett aus dem Unterricht heraus, beschäftigen sich vor Langeweile selbst und versagen dann in den Prüfungen, beziehungsweise müssen sich zuhause eigenständig noch einmal den Lernstoff in teuer bezahlten Nachhilfestunden aneignen. Das ist weder sonderlich motivierend noch zielführend, wenn man als Ziel einen ganzheitlich ausgebildeten jungen Menschen sieht, der sich nach der Schule in der „Erwachsenenwelt“ selbstständig zurechtfinden kann.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob es nicht einen Weg gibt, es den Schülern leichter zu machen, die Lerninhalte langfristig zu speichern und zu verstehen.

Eine Möglichkeit, die in den letzten Jahren immer mehr in die Diskussion kommt, stellt hier die Handlungs- und Produktionsorientierung im Unterricht dar. Hier sollen die Schüler aktiver am Unterrichtsgeschehen beteiligt werden. Versprochen wird sich davon genau das, was schon Lao Tse sagte: Die Schüler sollen durch die Beteiligung am Unterricht die Lerninhalte besser verstehen lernen.

Interessant ist diese Art von Unterricht bestimmt für alle Fächer. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll sie allerdings ausschließlich in Bezug auf das Fach Deutsch untersucht werden. Hierzu sagen ABRAHAM, BEISBART und ihre Mitautoren:

„Im Fach Deutsch ist es besonders der Literaturunterricht, den die didaktische Diskussion der letzten Jahre im Mittelpunkt der Handlungsorientierung gesehen hat.“

(Abraham et al.. 2009, S. 87)

Mit dieser Aussage beschreiben sie, wie sehr die Handlungs- und Produktionsorientierung in der jüngsten Vergangenheit im Fokus der didaktischen Diskussion über den Literaturunterricht stand.

Vor einigen Jahren war Literaturunterricht, besonders am Gymnasium, noch sehr analytisch geprägt. Man hat im Klassenverband eine Lektüre gelesen, bekam Fragen zum Inhalt gestellt und beantwortete diese. Dieser Unterricht erreichte augenscheinlich wenige Schüler. Doch besonders im Bezug auf Literatur ist es wichtig, Schüler zu erreichen und sie für das Lesen und den Unterricht zu begeistern. Denn wir sollten aus den Ergebnissen zahlreicher Lesestudien (z.B. Lesen in Deutschland 2008, IGLU, PIRLS, EURYDICE) lernen, die aufzeigen, dass die Zahl der Jugendlichen, welche in ihrer Freizeit zuhause noch freiwillig, gerne und viel lesen, sehr zurückgegangen ist. Dies sollte zum Nachdenken anregen, denn ist Lesen nicht ein wichtiges Kulturgut? Der bayerische Lehrplan für das G8 schreibt dazu folgendes:

„Der Deutschunterricht leistet [so] einen Beitrag zur Werteerziehung. Die Auseinandersetzung mit Werken aus unterschiedlichen Epochen und Kulturkreisen vermittelt neben einer fundierten literarischen Bildung, die Bedingung für die Teilnahme am kulturellen Leben ist, Grundmuster menschlicher Erfahrungen sowie Zugänge zu verschiedenen Weltsichten.“

(www.isb-gym8-lehrplan.de)

Wichtig ist also, den Schülern möglichst einen Zugang zu diesem Kulturgut zu verschaffen.

Heute geht man im Literaturunterricht deshalb vermehrt den Weg der Handlungs- und Produktionsorientierung. Dieser beinhaltet abwechslungsreichere, schülerzentrierte Aufgaben, die mehr Schüler erreichen sollen und welche sie bei ihren Interessen abholen. Außerdem verspricht er, aufgrund der größeren Abwechslung, motivierender für die Kinder zu sein. Doch auch wegen der noch immer schlechten Ergebnisse der PISA-Studie (2009: 16. Platz bei der Lesefähigkeit, vgl. www.tresselt.de) bleibt dieses Unterrichtskonzept und die Debatte darum, momentan sehr aktuell, da sowohl Gegner als auch Befürworter von handlungs- und produktionsorientiertem Literaturunterricht, die Studie als Argument für das jeweilige Unterrichtskonzept benutzen. Während die einen eine kompromisslose Rückkehr zum effektiver wirkenden analytischen Unterricht fordern, wollen die anderen einen Ausbau der ganzheitlicheren, handlungs- und produktionsorientierten Methode erreichen. Beide Seiten versprechen sich von ihrer Methode bessere Ergebnisse. Doch ist handlungs- und produktionsorientiertes Unterrichten wirklich so effektiv und motivierend? Hilft es den Schülern tatsächlich einen besseren Zugang zu Literatur zu bekommen?

Um diese Fragen zu klären, sollen in der vorliegenden Arbeit nun die Grundlagen des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts aufgezeigt und die gängigsten Theorien, sowie seine didaktischen Methoden erläutert werden.

Zu allererst ist es hierbei nötig, den Begriff „handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht“ zu beleuchten. Was bedeutet er? Wogegen grenzt er sich ab?

Die nächsten Fragen, die in der Arbeit aufgezeigt werden, zielen auf die Herkunft dieses Unterrichtskonzepts ab: Woraus entstand der handlungs- und produktionsorientierte Literaturunterricht, was war davor? Woher kommt das Ideengut und wer sind die Ideengeber gewesen?

Außerdem sollen in der Arbeit auch literaturtheoretische Vorüberlegungen angestellt werden, welche die „Beteiligten“ an literarischen Arbeiten genauer untersuchen: den literarischen Text, den literarischen Autor und den literarischen Leser. Es wird geklärt, wie sie zusammenhängen und worin die jeweiligen Aufgaben bestehen.

Als nächstes wendet der Text sich der Frage zu, ob und wieso produktionsorientierte Verfahren notwendig sind. Hierzu hat SPINNER vier Leitbegriffe genannt, auf die im Besonderen eingegangen werden soll.

Nach der Klärung dieser Frage steht die Einteilung der geläufigsten produktionsorientierten Verfahren im Mittelpunkt. Hier sollen unterschiedliche Einteilungsvarianten dargestellt werden.

Dann wird untersucht, in welchen Phasen ein produktionsorientierter Unterricht stattfinden sollte. Dabei wird vor allem das Phasenmodell von SPINNER herangezogen.

Den einzelnen Phasen werden daraufhin praktische Möglichkeiten nachgestellt, die aufzeigen sollen, wie die jeweiligen Phasen im Unterricht behandelt werden können.

Schließlich sollen dann die Vor- und Nachteile des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichtes kritisch diskutiert werden.

Der letzte Teil der vorliegenden Arbeit befasst sich mit der praktischen Umsetzung des handlungs- und produktionsorientieren Unterrichts. Anhand einer Lektüresequenz für die 6. Jahrgangsstufe am Gymnasium werden Möglichkeiten dieses Unterrichtens aufgezeigt. Inhaltlich soll sich diese Sequenz mit dem Kinderroman „Despereaux. Von einem der auszog, das Fürchten zu verlernen“ von der Amerikanerin Kate DiCamillo, auseinandersetzen. Dazu wird eine Einführungsstunde detailliert ausgearbeitet und auch der weitere Ablauf der Sequenz kurz angerissen.

Abschließen wird die Arbeit mit einer reflektierenden Schlussbetrachtung, sowie einem Ausblick auf Fragestellungen, die im Anschluss an die Arbeit entstehen.

2. Was ist handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht?

Um die Diskussion über den handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts verstehen zu können, muss man sich zunächst mit dem Begriff des selbigen beschäftigen. Dazu ist vor allem wichtig zu wissen, was sich hinter ihm überhaupt verbirgt.

2.1. Begriffsklärung

Es handelt sich beim handlungs- und produktionsorientiertem Literaturunterricht in erster Linie um ein didaktisch-methodisches Unterrichtskonzept, welches diverse Methoden zur Unterrichtsgestaltung anbietet, nicht aber um ein didaktisches Modell in festen Bahnen. So bietet er eine Reihe von verwendbaren Möglichkeiten mit deren Hilfe handlungs- und produktionsorientiert gearbeitet werden kann, ohne den Lehrenden in ein festes Unterrichtskonzept zu drängen (vgl. Waldmann 2006, S. 96).

Zusätzlich kann unter dem Begriff aber auch der Literaturunterricht gemeint sein, der sich vom herkömmlichen Unterricht abgrenzt, da sich hier „die Schülerinnen und Schüler nicht nur lesend und analysierend mit einem Text beschäftigen, sondern der sie in literarischen und anderen ästhetischen Ausdrucksformen tätig werden lässt“ (Spinner 2000, S. 247 nach Sorg 2005, S. 3).

Zusammengesetzt ist der Begriff durch zwei Komponenten: Zum einen dem Begriff der Handlungsorientierung und zum anderen dem Begriff der Produktionsorientierung.

Beide Teile dieses feststehenden Ausdrucks sollen im Folgenden näher untersucht werden:

Während dem Begriff der Handlungsorientierung der Grundgedanke zugrundeliegt, dass „eigenes Tun intensivere Lernprozesse ermöglicht als die bloße Instruktion und das Unterrichtsgespräch.“ (ebd.), meint die Produktionsorientierung des Literaturunterrichts hingegen die „stärker das kognitive Vermögen beanspruchende Erzeugung von neuen Texten“ (Haas et al. 1994, S.18). Der Begriff Handlungsorientierung rückt also die Selbsttätigkeit der Schüler in den Mittelpunkt, während die Produktionsorientierung vor allem die Produktivität der Schüler, wenn auch zum Teil nur kognitiv, fordert.

Somit kann der handlungs- und produktionsorientierte Literaturunterricht kaum auf ein einheitliches Ergebnis abzielen, vielmehr versucht er die unterschiedlichen Begabungstypen der Schüler zu berücksichtigen. Hinter dem Begriff verbirgt sich somit ein sehr „individualisierender Unterricht“ (ebd. S. 19), der die Schülerheterogenität nutzt und unterstützt.

2.2. Abgrenzung zu anderen Formen des Deutschunterrichts

Trotzdem hat sich mit den Jahren der feststehende Begriff des "handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts" eingebürgert, der sich so von anderen Unterrichtsformen des Deutschunterrichts abgrenzen lässt. VON BRAND nennt hier folgende vier Grundformen (v. Brand 2010, S. 123):

Er definiert den handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht als „die Verlagerung vom Sprechen über hin zum Handeln mit dem Unterrichtsgegenstand mit dem Ziel der Produktion von etwas Neuem und gegebenenfalls etwas Eigenem. Handlungs- und produktionsorientierter Unterricht dient dem besseren Verständnis eines literarischen Textes oder sonstigen Unterrichtsgegenstandes und ist damit klar abzugrenzen von kreativen Verfahren, in denen das fertige Produkt als Ausdrucksform des Individuums im Zentrum des Interesses steht.“

(ebd., S. 125)

Der literarische Text als „Ursprungsgegenstand“ bleibt also im Zentrum der Betrachtung. Ziel ist es, diesen Gegenstand mit Hilfe einer eigenen „Hilfsproduktion“ besser zu verstehen.

Für MEYER ist das Ziel produktiver Verfahren im Literaturunterricht, die Ausgewogenheit von Kopf- und Handarbeit bei der Erstellung dieses "Hilfsprodukts". Er definiert den handlungsorientierten Unterricht wie folgt:

"Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Gestaltung des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden können."

(Jank, Meyer 2011, S. 315)

Dieses Ziel soll durch Absprache der Handlungsprodukte zwischen Lehrer und Schülern im Sinne der Unterrichtsgestaltung erreicht werden.

Auch nach GATTERMAIER und SIEBAUER sollen sich die Schüler im handlungs- und produktionsorientierten Unterricht eigenaktiv mit einem Text auseinandersetzen:

„[…] Dieser geht von der Grundannahme der Rezeptionsästhetik aus, dass literarische Texte immer Leerstellen aufweisen, die von jedem Rezipienten anders gefüllt werden. Im Zentrum steht also eine möglichst eigentätige Auseinandersetzung der Schüler/-innen mit einem Text, der sie als Leser/-innen ernst nimmt, ihnen eine Erschließung zutraut. Allerdings dürfen die […]Methoden nicht einfach beliebig jedem Text übergestülpt werden.“

(Gattermaier, Siebauer 2009, S.121)

Auch hier wird Wert darauf gelegt, dass der Unterricht also schülerzentriert ist. Zudem wird bereits auf die Schwierigkeit der richtigen Methodenwahl eingegangen, die (auch in anderen Unterrichtskonzepten) über den Erfolg oder Misserfolg der Verfahrensanwendung und somit über den Lernerfolg entscheidet.

BEISBART und MARENBACH (2006, S. 120) nennen als Oberbegriffe für produktionsorientierte Methoden die Schreib- und Spielverfahren, sowie die bildlich künstlerische Darstellung. Bei diesen künstlerischen Darstellungen werden auch neue Medien mit einbezogen.

Unter handlungsorientiertem Unterricht verstehen die beiden „die Möglichkeiten erprobenden Handelns zu nutzen, eigene Vorstellungen in Bild und Film, in Spiel und Tanz umzusetzen, sich damit als Leser in das kulturelle Handeln der Gesellschaft einzumischen“ (ebd.).

Doch die Idee des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts war nicht immer einfach vorhanden. Dieser hat sich in der Geschichte des Deutschunterrichts erst allmählich entwickelt

3. Entwicklung des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichtskonzepts

Die Idee vom Gleichgewicht aus Kopf- und Handarbeit ist bereits bei Heinrich Pestalozzi (1746 - 1827) zu finden. In seinem Konzept der Elementarbildung betont er bereits die Einheit von Kopf, Herz und Hand, die auch im heutigen handlungs- und produktionsorientierten Unterricht eine wichtige Rolle spielt (www.bruehlmeier.info). JANK und MEYER nennen zudem als weitere "Urväter" dieses Gedankenguts Johann Amos Comenius, der „Lernen mit allen Sinnen“ postulierte, sowie Jean-Jacques Rousseau (vgl. Jank et al. 2011, S. 319).

In vielen kleinen Schritten und durch einige unterschiedliche Gruppen und Pädagogen, entwickelte sich dieses Gedankengut bis hin zum handlungsorientierten Unterricht. Dieser Weg ist einem Schaubild von JANK und MEYER im Anhang aufgezeigt und wird darin sehr gut veranschaulicht.

Die wichtigsten Schritte und Einflüsse sollen in diesem Kapitel ausführlich geschildert werden. Laut ABRAHAM et al. geht das handlungs- und produktionsorientierte Unterrichtskonzept im pädagogischen Tätigkeitsfeld auf französische Ansätze im 18. Jahrhundert zurück, „wo […] Studenten der Académie Royale d´Architecture in sog. „projets“ Pläne „kooperativ, originell und selbständig“ (Abraham u. A. 2009, S. 83) durchführen mussten.

Von Frankreich aus kam diese „Projektidee“ in die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort entwickelten sich zwei Wege. Einerseits eine sozialkonservative – technologische Richtung, andererseits eine reformerisch – politische Richtung (ebd.). Während die sozialkonservative - technologische Richtung auf das althergebrachte systematische Lernen beharrte und strikt Moral und Wissenschaft trennte, wollte die reformerisch - politische Richtung, dass Kinder möglichst bald und möglichst individuell in ihrem Leben demokratisch erzogen wurden und Demokratie aktiv erlebten, also auch in der Schule selbst mitbestimmen sollten.

Diese reformerisch – politische Richtung wurde insbesondere von John Dewey und W.H. Kilpatrick vertreten. Vor allem Dewey war hierbei der Auffassung, dass Lernen immer auf Erfahrung aufgebaut sein müsse. So wie die Kinder Demokratie selbst in der Schule erleben sollten, um diese zu verstehen, sollten sie auch andere Lernerfahrungen durch Handeln machen können. So stammt von diesen beiden Reformpädagogen zum Beispiel auch der Begriff "Learning by doing", ein relativ moderner und jedem geläufiger Begriff, der die Sinnhaftigkeit eines handelnden Lernens aufzeigt. "Learning by doing" bedeutet also Lernen durch das handelnde Erkunden, Ausüben, Ausprobieren und Selbermachen, welches hauptsächlich in der Projektarbeit angewendet wird (vgl. Abraham et al. 2009, S. 88 und www.ubik.ac.at).

Beide Pädagogen vertraten auch den Projektgedanken, beziehungsweise das Konzept des creative writings. GATTERMAIER und SIEBAUER schreiben über Creative writing, also kreatives Schreiben, folgendes:

„diese auch als „gestalterisches Schreiben“ bezeichnete Richtung […][die] ihre Wurzeln in der Reformpädagogik sowie in einer Vielzahl von schreibdidaktischen Impulsen der 1960er- bis 80er-Jahre, denen es allesamt darum ging, den Aufsatzunterricht alter Prägung zu überwinden[,hatte]. Der Terminus „kreative Schreibformen“ dient somit heute als Oberbegriff und umschließt unterschiedliche Ansätze, z.B. das „freie Schreiben“, das „kreative Schreiben“, das „personale Schreiben“. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich nicht in der Reproduktion normativ vorgegebener Muster erschöpfen, sondern in besonderem Maße die Gestaltungskraft der Schüler fordern, aber auch fördern!“

(Gattermaier, Siebauer 2009, S. 65)

Gerade dieser letzte Satz zeigt die Nähe zur Handlungs- und Produktionsorientierung, in der sich die Schaffung neuer Texte oder Gegenstände durch aktive und nicht nur rein kognitive Schülerarbeit, als Ziel wiederfindet.

Nach Deutschland wurden diese Ideen von Peter Petersen gebracht, der mit seiner Pädagogik, genannt Jenaplan, die Produktionsorientierung des Unterrichts prägte. Dies war vor allem durch die von der Regelschule abweichende Organisation des Unterrichts möglich (www.jenaplan.de / www.jenaplan.org).

Grundlegend für die Jenaplan - Pädagogik ist nämlich der Verzicht auf die gängige Jahrgangsstufeneinteilung zugunsten von jahrgangsübergreifenden Stammklassen, in denen ein produktionsorientiertes Arbeiten sehr gut möglich wird, da viele unterschiedlich alte Schüler zusammenarbeiten und so erfahrenere Kinder in die Rolle der Leiter hineinwachsen und ihren jüngeren Mitschülern helfen können. Hierdurch wird der Unterricht schülerzentrierter (vgl. ebd.).

Außerdem wird der klassische Stundenplan durch einen Wochenarbeitsplan ersetzt, der es ermöglicht nicht nur fachgebunden zu lernen, sondern in Projekten und näher an der Lebenswelt der Kinder zu arbeiten. Durch den größeren Bezug fällt es den Kindern oftmals leichter im Unterricht produktiv zu werden. Petersen ersetzte zudem die Zensuren in seinen Schulen durch sogenannte Leistungsberichte. Das sind ausformulierte Beurteilungen über das Arbeits-verhalten und den Leistungsstand der Kinder. Diese Leistungsberichte lassen den Lehrern mehr Spielraum für die Bewertung individuellerer Produkte und nehmen den Schülern viel Leistungsdruck durch den fehlenden Notendruck. Dadurch fassen die Kinder eher den Mut sich kreativ auszuprobieren und produktiv zu werden (ebd.).

Aber nicht nur organisatorisch unterscheidet sich die Jenaplan - Pädagogik von der Regelschule. So beschreibt Petersen in seinem Buch „Der kleine Jenaplan“, sein Ziel: das selbstständige Denken und Handeln der Schüler unter gegenseitiger Hilfe zu ermöglichen. Hier wird der Gedanke der Handlungsorientierung deutlich (ebd.).

Umgesetzt wird dies in der Unterscheidung zwischen Kurs- und Kernunterricht: Im Kursunterricht werden Grundfertigkeiten und Techniken (Lesen, Schreiben, Rechnen, aber auch Dinge wie: Recherchieren, Umgang mit Internet) erlernt, mit deren Hilfe die Schüler die Aufgabenstellungen des Kernunterrichts, in dem die Stammgruppe gemeinsam arbeitet, selbstständig und erfolgreich bewältigen können. Anzumerken bleibt aber, dass Peter Petersen (gestorben 1952) aufgrund seiner Haltung im Nationalsozialismus unter starker Kritik steht, welche sogar dazu führte, dass sich viele der PP- Schulen umbenannten (vgl. www.igs-eschersheim.de).

Ebenfalls prägend für den handlungs- und produktionsorientierten Unterricht in Deutschland war die Pädagogik des französischen Ehepaares Freinet. Diese legten sehr viel Wert darauf, dass eine Schulklasse als Kooperative, beziehungsweise Genossenschaft auftritt. Die Lehrkraft ist hierbei ein normales Mitglied, das im Gegensatz zur Regelschule keine lenkende Position einnimmt, sich aber aktiv beteiligt und Hilfe zur Selbsthilfe leistet.

Die sogenannten "Freinet - Techniken" bilden zwar kein auf Vollständigkeit angelegtes System, es werden aber einzelne Anregungen und Ideen gegeben, um den Unterricht produktions-orientiert zu gestalten. So werden etwa alle Arbeitsergebnisse vom Klassenrat beschlossen und nach ihrer Ausführung in der Schuldruckerei gedruckt und somit festgehalten. Je nach den jeweils vorgefundenen Bedingungen und Möglichkeiten in einer Klasse, kann man also schrittweise produktionsorientierte Verfahren einführen. (vgl. www.freinet.paed.com)

Das Celestin FREINET in seiner Pädagogik dem Handeln der Schüler einen sehr hohen Stellenwert einräumte wird in der Beschreibung seiner Pädagogik deutlich:

„Wir sind keine Theoretiker, sondern Praktiker; Praktiker, die gleich den Handwerkern an ihrer Werkbank mit manchmal beschränkten theoretischen Kenntnissen ihre Werkzeuge erfinden oder vervollkommnen, sich Handbewegungen ausdenken, Verfahrenswei-sen ausprobieren, die sie dann später systematisieren und ordnen, um sie ihren weniger erfindungsreichen oder begünstigten Kollegen mitzuteilen."

(www.freinet-kooperative.de)

In den 1970er Jahren kam dann die „Kommunikative Wende“. ABRAHAM und KEPSER beschreiben diese wie folgt:

„Die kulturelle Praxis Literatur wurde nun viel breiter verstanden und mehr aufgefächert als vorher üblich; und neben diese Ausweitung des Literaturbegriffs […] trat zumindest dem Anspruch nach das Ziel, diese kulturelle Praxis nicht nur zu kennen und zu würdigen, sondern vor allem zu durchschauen und im späteren Leben kritisch zu begleiten. Es sind dies die Geburtsjahre einer modernen Didaktik der deutschen Literatur.“

( Abraham et al. 2006, S. 107)

In dieser Zeit wurde der Gedanke der Handlungsorientierung dann vor allem durch das sogenannte „Bremer Kollektiv“ (insbesondere Ide [Gründer des Bremer Kollektivs] und Lecke) für den Deutschunterricht aufgewertet. Unter dem Einfluss der 1968er Bewegung gründete sich dieses Kollektiv neben einer Vielzahl weiterer neuer didaktischer Interessensgruppen. Es bestand aus einer Gruppe Bremer Deutschlehrer deren politisch – kritischer Deutschunterricht eine Reformdebatte über Methodik, Material und Ziele des (Deutsch-) Unterrichts, anzustoßen helfen sollte. Dank des PISA – Debakels von 2000 hält diese Debatte immer noch an (vgl. Abraham et al. 2009, S. 83ff.).

Neben dem Bremer Kollektiv (eher publizistisch) trugen auch weitere Reformpädagogen dazu bei dieses Gedankengut bis heute lebendig zu halten.

So gibt es zum Beispiel heute noch vielerorts Reformschulen nach Maria Montessori oder auch Peter Petersen.

In Montessori-Schulen zum Beispiel, gilt der Leitspruch „Hilf mir, es selbst zu tun“ (www.montessori.de), welcher fast eins zu eins den Grundgedanken des handlungs- und produktionsorientiertem Konzepts wiedergibt. Auch in den Montessori - Schulen steht das aktive Erarbeiten durch die Schüler selbst im Vordergrund und der Unterricht wird nicht lehrerzentriert gestaltet, sondern nutzt die Person des Lehrers hier nur als Helfer.

So wurde erreicht, dass heutzutage eine weitere Öffnung der Regelschule zum handlungs- und produktionsorientiertem Unterricht hin stattgefunden hat und dieses Konzept nun auch vermehrt in den Regelschulen eingesetzt wird.

Doch nicht nur Reformpädagogen sind für das Einziehen dieses Gedankengutes in die Regelschulen verantwortlich. Auch für Piaget, einen Entwicklungspsychologen, war Handeln im Sinne einer „aktiven Erfahrung“ (www.lern-psychologie.de) eine von vier zentralen Voraussetzungen für menschliches Lernen (www.didagma.de). Sein Wissen und das von ihm postulierte Entwicklungsstufenmodell sind heute aus der Lehrerbildung nicht mehr wegzudenken und weisen den Weg des Unterrichts immer mehr in Richtung Kind. Denn wenn man bedenkt, wie Kinder sich entwickeln und lernen, ist es um vieles einfacher den Unterricht danach auszurichten.

So wird heute in der Praxis häufiger versucht, den unterschiedlichen Schülerbedürfnissen und –voraussetzungen, mit Hilfe verschiedener, vielfältiger Materialien gerecht zu werden und die Schüler, möglichst selbsttätig, Lernerfahrungen sammeln zu lassen, während allerdings noch immer „klassischer“ analytischer Unterricht praktiziert wird. Noch ist nicht abzusehen ob durch eine Beruhigung der öffentlichen Diskussion, die durch die leicht verbesserten PISA Ergebnisse seit 2003 (www.tresselt.de) eingetreten ist, wieder zum analytischen Unterrichten zurückgekehrt wird, der Status quo (teilweise schon handlungs- und produktionsorientiert) gefestigt wird oder die Handlungs- und Produktionsorientierung weiter ausgebaut wird.

Gerade am Gymnasium halten sich Analyse und Handlung / Produktion aktuell noch nicht die Waage, da hier zwar abnehmend, aber immer noch sehr häufig lehrerzentrierter Unterricht durchgeführt wird. Die in der Zeitschrift "Empirische Pädagogik" publizierte Studie der vier Schulpädagogen GÖTZ, LOHRMANN, GANSER und HAAG zeigt aber einen Wandel zur Methodenvielfalt der Lehrer. So haben sie im Jahr 2005 anhand von Lehrerbefragungen eine Studie durchgeführt und die dort erzielten Ergebnisse mit einer ähnlich angelegten Studie von HAGE et. al. aus dem Jahr 1985 verglichen (vgl. Empirische Pädagogik 19: 2005, S. 342 – 360):

(Götz et. al. Unterrichtsmethoden in der Diskussion, 2005 S. 354)

Auch in dieser Arbeit soll anhand eines praktischen Beispiels gezeigt werden, dass handlungs- und produktionsorientierter Unterricht durchaus möglich ist. In einer Unterrichtssequenz für die 6. Klasse sollen Möglichkeiten des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts an einer bayerischen Regelschule (Gymnasium) aufgezeigt werden.

4. Theoretische Vorüberlegungen

Bevor man allerdings praktische Überlegungen oder gar ganze Unterrichtskonzepte erstellen kann, ist es notwendig, einige theoretische Überlegungen anzustellen.

Diese Überlegungen „dienen der – möglichst plausiblen – didaktischen und methodischen Begründung des unterrichtlichen Umgangs mit Literatur“ (Waldmann 2011, S. 3).

4.1. Literaturtheoretische Vorüberlegungen

Zuallererst sollen daher literaturtheoretische Vorüberlegungen angestellt werden, in denen Begriffe wie "der literarische Text", "der literarische Leser" und "der literarische Autor" geklärt werden. Diese sind für den Deutschunterricht insofern wichtig, da sie die Beteiligten an der Literatur, beziehungsweise des Literaturunterrichts darstellen.

4.1.1. Der literarische Text

Der Begriff „der literarische Text" meint einen Text, der sich in verschiedenen Merkmalen von den Alltagstexten, beziehungsweise der Alltagssprache abgrenzt. Laut WALDMANN unterscheidet sich der literarische Text von ihnen sowohl sprachlich als auch textuell. Er beruft sich dabei auf Sklovskij, der bereits im Jahre 1925 die Unterschiede der Texte und vor allem ihrer Funktionen beschrieb. Nach ihm wurden in literarischen Texten, anders als in Alltagstexten, sogenannte „Kunstgriffe" (ebd.) eingesetzt, um die Leser auf den Text aufmerksam zu machen und die Zeit, in der sich ein Leser mit dem Text auseinandersetzen muss, zu verlängern.

WALDMANN fasst dies wie folgt zusammen:

„Literatur verändert Art und Form der Darstellung von Wirklichkeit, um deren - oft flüchtige und automatisierte - Wahrnehmung zu hemmen und so intensiver und nachhaltiger zu machen."

(ebd.)

Dies gelingt vor allem durch die Verwendung der lyrischen Sprache, die im Gegensatz zur Alltagssprache weder vereinfacht, noch verallgemeinert oder schematisiert, sondern vielmehr absichtlich Variationen wählt, Sätze komplizierter anlegt und in der Sprache differenziert. Im Gegensatz zur Alltagssprache, die das Leben vereinfachen und vom Empfänger schnell verstanden werden soll, will die lyrische Sprache also aufhorchen lassen und erreichen, dass der Empfänger sich genügend Zeit nimmt, sich mit dem Text intensiv auseinanderzusetzen. Hiermit wird erreicht, dass der Leser ein besonderes Verhältnis zu dem Text aufbaut und dieser somit abgegrenzt zu anderen Texten steht.

Dieser Unterschied wird vor allem durch „sprachliche Überstrukturierungen verschiedener Art im Bereich des Lauts und des Klangs, des Worts, des Satzes und des Textes" (ebd.) erreicht. WALDMANN nennt hier Beispiele wie die Wortwiederholung, den Parallelismus, die Metapher, die Inversion und viele andere. Bei erzählenden und dramatischen Texten macht diesen Unterschied auch das literarische Erzählen aus, denn im alltäglichen wird nicht aus einer besonderen Erzählerrolle oder einer bestimmten Perspektive erzählt. Auch die Raum- und Zeitstrukturen werden in literarischen Texten bewusst gesetzt. Neben diesen formalen Unterschieden gibt es in einem literarischen Text auch inhaltliche Besonderheiten. So wird die Realität oft völlig anders dargestellt oder eine eigene nichtexistente Welt geschaffen. Diese Welt muss nur in sich selbst bestehen können und in sich selbst stimmig sein.

Doch diese Verschiedenheit des literarischen Textes zu Alltagstexten steht nicht für immer fest, sondern kann sich entwickeln und verändern. Etwas Neues (das sich von Alltagssprache unterscheidet) wird zum Beispiel ausprobiert und breitet sich daraufhin weiter aus, bis es zu einem neuen Prinzip wird. Aber bei all den Eigenarten des literarischen Textes darf man nun nicht den Fehler begehen und die Textsorte als „besser“, „schlechter“ oder „normaler“ verstehen. Beide üben eine unterschiedliche Funktion aus, haben unterschiedliche Intentionen und erfüllen die ihnen zugeteilte Aufgabe. Die Alltagssprache ist nicht der Norm näher als die lyrische Sprache. Anders als etwa LEECH (1979), FRICKE (1981) oder gar MUKAROVSKY (1964), die die lyrische Sprache als eine (Norm-) Abweichung und auch als eine (Norm-) Verletzung verstanden haben, ist WALDMANN heute der Ansicht, dass die lyrische Sprache fast vollständig aus der Alltagssprache hervorgeht, bzw. bereits in dieser vorhanden ist, Sprachelemente aufgreift und diese neu organisiert (ebd., S. 4f.).

Die beschriebenen Unterschiede verleihen dem literarischen Text seinen Status und seinen literarischen Charakter. Das Verstehen eines literarischen Textes gegenüber einem Alltagstext hängt formal gesehen von der Beziehung des jeweiligen Lesers zum Text, inhaltlich gesehen von der Realität des Lesers hinsichtlich Zeit, kultureller Umgebung, sozialer Schicht, Gruppenzugehörigkeit, usw. ab, sowie der vom Autor verwendeten Strukturmerkmale wie Symbolik, Mehrdeutigkeit und literarischer Formensprache. Daraus wird deutlich, dass ein literarischer Text immer auch von seinem Autor abhängt, der diesen bewusst gestaltet.

4.1.2. Der literarische Autor

Der literarische Autor produziert seinen Text, also den Inhalt, den Aufbau, die Wortwahl, die Länge und auch die Intention, sowie alle anderen Texteigenschaften. Diese werden allein von ihm produziert. Doch dies ist kein Ergebnis von genialer Improvisation:

„Der Künstler weiß, daß[!] sein Werk nur voll wirkt, wenn er den Glauben an eine Improvisation, an eine wundergleiche Plötzlichkeit der Entstehung erregt; und so hilft er wohl dieser Illusion nach. […] Die Künstler haben ein Interesse daran, daß[!] man an die plötzlichen Eingebungen, die sogenannten Inspirationen glaubt; als ob die Idee des Kunstwerks […] wie ein Gnadenschein vom Himmel herableuchte.“

(Nietzsche 1960, S. 545ff.)

Oder prägnanter formuliert: „Genie ist zehn Prozent Inspiration und neunzig Prozent Transpiration“ (Eco, S. 18).

Literarisches Schaffen ist also, wie jedes (künstlerische) Schaffen, keine gottgegebene Genialität, sondern das Ergebnis harter, mühsamer und von Fehlversuchen geprägter, sowohl geistiger, als auch körperlicher Arbeit. Der literarische Autor sammelt und verarbeitet persönliche Eindrücke, Empfindungen, Erlebnisse, Erfahrungen, Fakten und vielfältigstes Material, er recherchiert und reist zu Handlungsorten, Inspirationsplätzen, Archiven und Bibliotheken. Abzugrenzen davon ist der informative Autor, der ausschließlich, die für das Thema seines Textes notwendigen, realen Informationen sammelt.

Der literarische Autor nimmt die Wirklichkeit auch auf, bedient sich aber zusätzlich ihrer Wirkung. Er übernimmt sie nicht einfach in sein Werk, sondern er bearbeitet sie, kombiniert, ergänzt, streicht und fügt andere, erfundene Teile hinzu. Erst seine Bearbeitung der Wirklichkeit, durch die Anwendung literarischer Formen auf das zugrunde liegende Material (Sprache, Wirklichkeit und Fantasie), machen aus einem Text einen literarischen Text (vgl. Waldmann, S. 8). Der Text ist also im Zusammenhang zu seiner Erstellungsarbeit und der Wahl der Merkmale dieser Arbeit durch den Autor zu sehen.

Häufig scheint ein literarischer Text aber gerade auf den ersten Blick so eindeutig zu sein, dass die Kenntnis der Merkmale und die Auswahl dieser Merkmale durch den Autor irrelevant erscheint – abgesehen davon weiß man selten, wie und warum der Autor seine Auswahl getroffen hat. Dieser Ansicht kann man aber nach WALDMANN entgegenhalten, dass niemand die Einflüsse von Gesellschaft, Kultur und Tradition, sowie das (un-)bewusste Verwenden von bereits bekannten Texten und literarischen Mitteln abschalten kann (ebd. S. 8ff). Der Autor hat ähnlich einer Kiste mit LEGO – Steinchen, eine Fülle an Bausteinen, mit deren Hilfe er sein Kunstwerk erbauen kann. Welche Teile er wählt, liegt einerseits an seinem Geschmack, an der Passform, bzw. der Nutzbarkeit für das Gesamtkunstwerk, andererseits aber an dem Inhalt der Kiste. Er kann, um bei diesem Beispiel zu bleiben, die Steine neu verbinden, sie sogar mit geeignetem Werkzeug umbauen und modifizieren – die Basis werden aber immer die Steine aus seiner Kiste sein, selbst wenn man keinen einzigen Stein sofort identifizieren kann. STIERLE bezeichnet dies als eine unvermeidliche Situierung des Textes in einem vorhandenen Universum an Texten (vgl. Stierle, S. 139). KRISTEVA geht sogar so weit und sieht den Text als „Mosaik von Zitaten“ (vgl. Kristeva, S. 348) des Autors.

Dies begründet sich in der Produziertheit und Gewähltheit des Textes. Dieser wurde genau so produziert, weil der Autor bestimmte literarische Merkmale, nach seinen Kriterien, ausgewählt hat. Daher charakterisiert KRISTEVA jeden literarischen Text auch als intertextuell.

Das Wissen um diese Intertextualität und die Gewähltheit der Mittel erleichtert das Textverständnis erheblich und ist daher didaktisch offenkundig förderlich. Beispielsweise unterscheidet sich der literarische Text „Gedicht“ von einem Alltagstext durch den Reim (Außendifferenzierung) von anderen Gedichten durch die Art des Reimes (Paar-, Kreuz-, …-reim), also durch die Binnendifferenzierung. Nun benötigt man für das Erkennen des Reimes keine allzu großen Fähigkeiten – zumindest als Muttersprachler. Um jedoch den spezifischen Reim des Gedichtes gegenüber anderen Reimen abgrenzen zu können, benötigt man ein wenigstens basales Wissen über die verschiedenen Reimsysteme. Und nur durch diese Erkenntnis weiß man, dass der Autor eine bestimmte Reimform gewählt hat und der Text somit auf eine bestimmte Weise produziert wurde. Eine Weise, mit deren Hilfe der Autor seine lyrischen Vorstellungen am ehesten realisiert sieht (vgl. Waldmann 2011, S. 11ff.).

Der Leser muss den literarischen Text also, als intertextuell, begreifen und kann ihn nur so literarisch verstehen. WALDMANN sagt dazu:

„Wie geschieht es [literarisches Verstehen] aber? Zunächst dadurch, dass der literarische Text gelesen wird, denn seine Intertextualität existiert konkret nur rezeptionell, also wenn sie vom Leser vollzogen wird."

(ebd., S. 13)

Neben dem literarischen Text und dem literarischen Autor spielt also auch der literarische Leser eine wichtige Rolle.

4.1.3. Der literarische Leser

Ziel eines jeden Autors ist es, dass sein Werk von einem Leser gelesen und wenn möglich auch verstanden wird – sofern der Text nicht nur als Erinnerungshilfe für sich selbst gedacht ist, wie etwa ein Notizzettel, Skizzen oder Tagebucheinträge. Doch wie geschieht dieses Verstehen? Wie kann der Leser beim Lesen des Textes die Informationen herausziehen? Die Antwort ist allgemein bekannt: mit dem Medium der Sprache und des Verständnisses dieser Sprache. Schließlich kann jemand, der des Französischen nicht mächtig ist, einen französischen Text vielleicht als französisch erkennen und auch die römischen Buchstaben lesen, jedoch den Text als solchen nicht verstehen (ebd. 14f).

Genauso verhält es sich also auch bei einem Text, den der Leser zwar versteht (im Sinne von Auffassen, aufgrund der nötigen Sprachkompetenz zur Entschlüsselung des Zeichensatzes und der Wendungen), ihn aber dennoch nicht versteht (aufgrund unbekannter Normen und Einstellungen). FRANK begründet dies damit, dass Texte „nicht notwendig der gleichen Welt, d.h. dem gleichen geschichtlichen Orientierungsrahmen zugehören, in dem der Leser seine Bildung erfahren hat“ (Frank 1990, S. 200).

Die Summe der Lebensumstände des Lesers liefert – wie die Summe der Lebensumstände des Autors – die Interpretationsfähigkeit, das eigene Sinnsystem zu aktivieren und dem Erlebten oder dem Gelesenen Sinn zu geben. Die Fähigkeit, auf dieses durch äußere Umstände erlernte Sinnsystem aktiv einzugehen, wird durch Fantasie ermöglicht. Erst durch diese Fähigkeit der Fantasie – individuell und sozial eigene Interpretationen vorzunehmen - wird aus Lesen eigenes Lesen.

Oft wird in diesem Zusammenhang von "Leerstellen" (ISER, S. 280ff.) gesprochen, doch sind literarische Elemente, seien es Personen, Räume, Handlungen oder Vorgänge, nicht leer, sondern einfach nur undifferenziert (vgl. WALDMANN 2011, S. 15) im Vergleich zu realen Personen oder Räumen.

Ziel der Leseerziehung und des Lesenlernens kann daher niemals reines Textverständnis nach text- und normkonformen Maßstäben sein. Schülern muss ermöglicht und beigebracht werden, ihr eigenes Sinnsystem aktualisieren zu können und die eigene Fantasie mit einzubringen (vgl. ebd. S.15f). Sie sollen zu literarischen Lesern werden. Das dann erreichbare aktive Lesen ist zwar auch für Gebrauchstexte gültig, doch geschieht es bei literarischen Texten intensiver. Laut GROSS ist „ein wesentliches Moment des literarischen Lesens […] das Verlangsamen und Bewußtmachen [!] eben jener kognitiven Sinnkonstitution, die beim nicht – literarischen Lesen automatisch und ökonomisch abläuft. […] Literarische Texte machen die Mehrdeutigkeit zum Programm und sperren sich gegen die Ökonomie des Lesens.“

(Gross 1994, S. 2, 25-43, zit. nach Waldmann 2011, S. 16)

Wie schon erwähnt, sollen literarische Personen, Handlungen, Räume und Vorgänge möglichst real wirken, eben wie reale Personen, Handlungen, Räume und Vorgänge. Da jedoch reale Personen (etc.) durch unendlich viele kleine Merkmale definiert sind, was bei literarischen Personen nicht umsetzbar ist, besitzen die letztgenannten unendlich viele unbekannte Merkmale. Literarische Texte entwerfen also realitätsanaloge Wirklichkeiten und bieten im Gegensatz zu Gebrauchstexten nur schematisierte Ansichten, die nun der Leser, rein durch seine Vorstellungskraft als konkrete Wirklichkeiten real werden lässt.

SARTRE sagt dazu:

„Jedes literarische Werk ist ein Appell. Schreiben heißt: einen Appell an den Leser richten, er möge der Enthüllung, die ich durch das Mittel der Sprache vorgenommen habe, zu objektiver Existenz verhelfen. […] Die vereinte Anstrengung des Autors und des Lesers läßt [!] das konkrete und imaginäre Objekt erstehen, das das Werk des Geistes ist. […] Mit einem Wort: Lesen ist gelenktes Schaffen.“

(Sartre o.J., S. 38ff.)

Der literarische Leser füllt also die Vorlage mit seiner Fantasie. Dies ist besonders auffällig bei Buchverfilmungen, zum Beispiel im Fall vom populären Harry Potter: in fast allen Fällen hört man, von Besuchern der Harry Potter Filme, Dinge wie: „Den/Die Darsteller/in habe ich mir ganz anders vorgestellt / war(-)en schlecht besetzt / hatte (-n) eine komische Stimme.“ oder auch: „In dem Buch geht es doch gar nicht so sehr um diesen Aspekt, dafür haben sie etwas anderes, viel Wichtigeres weggelassen.“

Diese Fantasie des Lesers wird von seinen eigenen Erlebnissen, Erfahrungen und Vorstellungen fast autobiographisch genährt: Jeder Leser konkretisiert für sich den Text.

Begreift man, im Sinne von FREUD, dies nun als nützliche Verarbeitungs- und Lösungsmechanik von Problem- und Bedürfnissituationen des Einzelnen (Freud, 1969, S. 173ff), so erkennt man die wichtige Funktion der Fantasie und der Fantasieförderung für die Selbst- und Identitätsfindung der einzelnen Leser, bzw. in der Schule: der einzelnen Schüler (vgl. Waldmann 2011, S. 18).

Zusammenfassung

Damit wird deutlich, warum das Wissen um diese drei Beteiligten an Literatur, für die Schule und die zu planende Sequenz so wichtig ist. Nur wenn man die jeweiligen Eigenschaften und die Besonderheiten im Blick hat, kann man als Lehrender die Schüler zum literarischen Verstehen hinführen, welches das Ziel eines jeden Literaturunterrichts sein sollte. Neben Informationen zum literarischen Autor und der Wichtigkeit seiner Intention, die den Kindern vermittelt werden sollten, muss den Schülern außerdem der Freiraum für die Bildung einer eigenen Vorstellung gewährt werden. Sie müssen sich auch selbst als literarischen Leser begreifen und auf ihre Weise versuchen, den Text literarisch zu verstehen. Hierzu ist es, wie schon erwähnt, besonders wichtig, auch die Fantasie der Schüler zu fördern. Mit Sicherheit können an dieser Stelle handlungs- und produktionsorientierte Verfahren ihren Teil beitragen.

4.2. Notwendigkeit produktiver Verfahren

Und auch aus anderen Gründen sind produktive Verfahren für den Literaturunterricht unbedingt notwendig. SPINNER hat hierzu vier Leitbegriffe aufgestellt, anhand derer er die Notwendigkeit der handlungs- und produktionsorientierten Verfahren begründet. Diese werden im Folgenden aufgezeigt.

4.2.1. Leitbegriffe nach Spinner

Hinter diesen Leitbegriffen verbergen sich die vier Schlagworte Identität, Fremdverstehen, Imagination und Gestalten, auf die nun im Einzelnen eingegangen werden soll.

Eine der zentralen Aufgaben der Schule ist es, Kindern und Jugendlichen dabei zu helfen, ihre eigene Identität zu finden. Daher ist Identitätsfindung eine der Zielvorgaben des, ansonsten auf Stoff- und Fertigkeitsvermittlung ausgelegten Unterrichts, wie sie nun auch im neuen Lehrplan für das G8 verankert ist (www.isb-gym8-lehrplan.de). Sie ist als eine Hilfestellung für die Kinder und Jugendlichen gedacht, um sich selbstbewusst und selbstgewiss im Leben orientieren zu können, wie auch SPINNER anmerkt. Dieser geht sogar noch einen Schritt weiter:

„Produktive Formen des Unterrichts sind gegen das passive Hinnehmen gerichtet, sie verfolgen das Ziel, den Kindern und Jugendlichen Selbstbewusstsein im doppelten Sinne, nämlich Bewusstsein ihrer selbst und Selbstsicherheit zu vermitteln. Das geschieht nicht nur im Interesse eines jeden Einzelnen, sondern auch im Interesse der Gesellschaft, die darauf angewiesen ist, dass ihre Mitglieder Verantwortung übernehmen und nicht nur darauf warten, dass ihnen die Lebensverhältnisse irgendwie gerichtet werden.“

(Spinner 2006, S. 99)

SPINNER erkennt aber die Problematik der zunehmenden Verweigerung vieler Kinder und Jugendlicher, die sich als Spielball von unkontrollierbaren Mechanismen sehen, und daher nicht bereit sind, sich persönlich und engagiert am Unterricht zu beteiligen. Gleichzeitig ist er jedoch der Meinung, dass man an diesem Selbstverständnis nicht vorbeiunterrichten darf:

„Die Antwort, die die produktive Literaturdidaktik […] gibt, sollte nicht darin bestehen, dass sie empathisch authentische Subjektivität im Unterricht einfordert, sondern dass sie ein Spiel mit Verfremdungen, Fiktionalisierungen, Fantasien entwickelt, das die Schülerinnen zu Beteiligten macht, ihnen aber freilässt, […] ob sie sich parodierend oder ernst, distanzierend oder identifizierend verhalten. […] Im Experimentellen Spiel erfährt das Ich, dass es nicht nur Objekt äußerer Einflüsse ist, sondern selbst die Spielsteine setzen kann.“

(ebd., S. 101)

Spinner sagt also, dass gerade produktive Verfahren wichtig seien um dieses Gefühl, ein Spielball zu sein, abzulegen und die Identitätsbildung der Schüler zu fördern. Er kommt daher zu dem Schluss, dass „produktive Verfahren […] mehr als nur angenehme Verschönerung an den Rändern des Unterrichts sein [sollen], […]" vielmehr sollen sie "den Kern von Lernprozessen bestimmen“ (ebd.), denn sie können den Schülern helfen sich selbst kennenzulernen, beziehungsweise ihre Identität zu finden.

Wer sich selbst aber verstehen und seine Identität verstanden wissen möchte, der muss auch über die Fähigkeit des Fremdverstehens verfügen. Gerade in unserer westlichen, demokratischen Lebensweise, in der dem Individuum das Recht auf freie Entfaltung und freie Meinung zugestanden wird, muss folgerichtig auch allen anderen Mitgliedern dieses Recht zugestanden werden. Die individuelle Identität kann nur existieren, wenn die Gruppe es bei einem, und man selbst, als Teil dieser Gruppe, es bei anderen zulässt.

Wenn Schüler etwa aus der Sicht der Hauptfigur, oder an eine Hauptfigur eines Dramas einen Brief schreiben – wobei es sich um ein produktives Verfahren handelt – versetzen sie sich in die Lage des Briefverfassers und üben sich dadurch darin, die Empfindungen und Konflikte eines Individuums, welches nicht sie selbst sind, zu verstehen. So kann anhand eines produktiven Verfahrens und sicher auch noch anderen als dem genannten Beispiel, die Fähigkeit des Fremdverstehens geübt und sogar erlangt werden, die einerseits ein grundlegender literarischer Verstehensprozess ist, aber in erster Linie eine notwendige Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben in einer Gesellschaft darstellt (vgl. ebd., S. 101f.).

Eng mit den Fähigkeiten des Selbst- und des Fremdverstehens verbunden, ist die Vorstellungsgabe. Diese ist eine notwendige Grundlage, um Andere verstehen und sich in sie hineindenken zu können. Wie bereits geschildert, verlangen der literarische Text und auch der literarische Autor vom literarischen Leser, dass er sich das Gelesene vorstellt, beziehungsweise mit seinen Vorstellungen füllt. Die beschriebene Welt entsteht in ihrer Form nicht einfach nur dadurch, „dass ein Mädchen „entzückend“ oder ein dunkler Gang „unheimlich“ genannt wird, sondern dadurch, dass ein Mädchen so geschildert wird, dass es der Leser entzückend findet, und ein Gang so, dass er dem Leser unheimlich erscheint. Literarische Wirkung geht nicht von den Informationen aus, die ein Text gibt, sondern vom Vorstellungsbild, das sich der Leser/die Leserin mithilfe der Textinformation macht. Man kann also sagen, dass das Schaffen eines Vorstellungsbildes Voraussetzung für jeden literarischen Verstehensprozess ist“

(ebd. S. 103)

In der heutigen, audiovisuell gesättigten Welt ist dies keine Selbstverständlichkeit mehr. Fernsehen und Videofilme bieten dem Rezipienten selbst Bilder an. Dadurch wird dem „Leser“ viel Vorstellungsarbeit abgenommen. Auch aus diesem Grund ist es notwendig, Imagination im Literaturunterricht nicht schon vorauszusetzen. Hierbei ist es nun eine zentrale Leistung der produktiven Verfahren diese Imaginationsfähigkeit zu fördern. Aus diesem Grund sollten produktive Verfahren nicht nur im Anschluss an analytische Verfahren verwendet werden, sondern auch zu Beginn der Textarbeit (vgl. ebd.).

Ein zweites Argument für die Bedeutung der Imagination, welche zwar nicht abhängig von produktiven Verfahren ist, aber sehr von diesen gestützt wird, ist auch deren Notwendigkeit für das Fremdverstehen. Denn hier muss man nicht nur fremde Gedanken nachvollziehen können, sondern sich auch fremde, unbekannte Situationen vorstellen.

Als vierten Leitbegriff und guten Grund für produktive Verfahren nennt SPINNER das Gestalten. Dies ist vor allem heute wichtig, da von Schule und Unterricht verlangt wird, dass sie in der heutigen Erlebniswelt bestehen kann. Obwohl die Schule ihren eigentlichen „Lohn“ erst in der Zukunft anbietet und auf diesen hinarbeitet, wird vom Unterricht erwartet, dass er ein Erlebnis bietet. Die Schüler wollen unterhalten werden und etwas erleben. Und das möglichst ohne Verzicht auf den eventuellen, späteren Nutzen des Lernens. Und genau dieses Erlebnis müssen und können sie selbst, als Erlebende, mitgestalten:

„Für die Schule ergibt sich von daher die Aufgabe, die Fähigkeit zur Erlebnisgestaltung zu vermitteln. Eben dies geschieht mit produktiven Verfahren […]. Es geht bei ihnen nicht darum, den SchülerInnen durch spielerischen Umgang mit Texten ein paar schöne Stunden zu verschaffen, sondern darum, sie […] erfahren zu lassen, wie man gestaltend mit sich, den Beziehungen zu anderen, und Problemen unserer Welt umgehen kann“

(ebd. S. 105).

Gestalten ist mittlerweile also eine zentrale Aufgabe der Schule. Im gestaltenden Umgang mit etwas, erwerben die Schüler diese Grundqualifikation. Produktive Verfahren helfen ihnen also das Gestalten zu erlernen, welches ein Modellieren, ein Arbeiten am eigenen Ich, den anderen und der umgebenden Welt meint und weniger eine Neuerschaffung.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die vier Leitbegriffe SPINNERS Ziele des Literaturunterrichts darstellen, die durch produktive Verfahren gefördert werden können und deren Erlangen vor allem für die Persönlichkeitsbildung jeden einzelnen Schülers wichtig ist.

4.2.2. Weitere Gründe für Produktionsorientierung

Neben Spinners Leitbegriffen gibt es jedoch noch weitere Gründe, die für Handlungs- und Produktionsorientierung im (Literatur-) Unterricht sprechen.

[...]


1 Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit jeweils nur die männliche Form genannt, die das andere Geschlecht mit einbezieht.

Excerpt out of 88 pages

Details

Title
Produktions- und handlungsorientierter Literaturunterricht
Subtitle
Mit unterichtspraktischem Beispiel
College
University of Passau
Course
Zulassungsarbeit
Grade
2
Author
Year
2013
Pages
88
Catalog Number
V284886
ISBN (eBook)
9783656845133
ISBN (Book)
9783656845140
File size
1723 KB
Language
German
Keywords
Handlungsorientierung, Produktionsorientierung, Zulassungsarbeit, Deutsch, Didaktik, Lektüre, 6. Klasse, Gymnasium, Unterrichtspraxis, Handlungs- und Produktionsorientierung, Literaturunterricht, HPL, Despereux, Unterrichtsmodell, aktives Lernen, Schüleraktivität, moderner Literaturunterricht
Quote paper
Christoph Pohl (Author), 2013, Produktions- und handlungsorientierter Literaturunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284886

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Title: Produktions- und handlungsorientierter Literaturunterricht



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