José Ortega y Gasset: Miseria y esplendor de la traducción


Term Paper, 2004

17 Pages, Grade: 1,5


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

I. La miseria – das Elend – der Übersetzung
I.1. Grundproblematik: Übersetzen ist ein utopisches Unterfangen
I.2. Übersetzungstheoretische Überlegungen hinsichtlich Ortegas Standpunkt

II. Los dos utopismos – Die zwei Utopismen
II.1. Der Mensch erreicht nie, was er sich vornimmt, doch das muss nicht negativ sein
II.2. Der Mensch kann doch erreichen, was er will, und kann sich auch über andere Dinge freuen

III. Sobre el hablar – Über das Sprechen
III.1. Sobre el hablar y el callar: Über das Sprechen und das Schweigen
III.2. No hablamos en serio
III.3. Linguistische Überlegungen zur Utopiehaftigkeit der Sprache

IV. El esplendor – der Glanz – der Übersetzung

V. Bibliographie

0. Einleitung

Beim Studium einer Sprache werden die einzelnen Gebiete meist streng von einander ge-trennt. Die Linguisten grenzen sich häufig stark von den Literaturwissenschaftlern ab, und die Philosophie wird davon meist völlig separat abgehandelt. Deswegen ist es besonders interessant, einmal ein Thema wie das Übersetzen, das man sowohl der Literatur- als auch der Sprachwissenschaft zuschreiben könnte, aus philosophischer Sicht zu betrachten.

Ortega, den man wahrlich als hervorragenden Literaten bezeichnen kann,setzt sich in seinem Buch Miseria y esplendor de la traducción intensiv damit auseinander, wie problematisch das Übersetzen sei, welche Möglichkeiten aber auch darin verborgen liegen.

Zunächst werde ich mich mit Ortegas Auffassung, das Übersetzen sei ein utopisches Unter-fangen, beschäftigen, bevor ich dazu übersetzungstheoretische Überlegungen in Betracht zie-hen werde. Im Anschluss wird seine These, alles, was der Mensch tut, sei utopisch, auf den Prüfstand gelegt werden, bevor es zur Erläuterung seiner Überlegungen über das Sprechen einer Sprache allgemein und dann basierend auf linguistische Ansätze kommen wird. Nach all diesen eher theoretischen Abhandlungen soll es dann abschließend noch um Ortegas Auf-fassung, was für Vorzüge das Übersetzen habe, gehen.

I. La miseria – das Elend- der Übersetzung

I.1. Grundproblematik: Übersetzen ist ein utopisches Unterfangen

Der Ausgangspunkt der Überlegungen zur Übersetzung ist die Behauptung einiger Wissen-schaftler, dass gewisse (deutsche) Denker übersetzbar seien, andere hingegen nicht. Dem zu Grunde liegt die Annahme, es gebe Philosophen oder ganz allgemein Schriftsteller, die man übersetzen könne. Ortega hingegen sieht dies anders. Er vertritt die Auffassung, dass alles, was der Mensch unternimmt, utopisch sei. Er vertrete diese These aber nicht, da er sich als Moralapostel aufspielen wolle, sondern da er überzeugt sei, aufzeigen zu müssen, dass der Mensch stets zum Scheitern verurteilt sei und nichts dafür könne. Für Ortega bedeutet also utopisch sein, ein Ziel zu verfolgen, das nicht erreicht werden kann. Dabei verwendet er die-sen Begriff eher so, wie es in der Volkssprache üblich ist, als gemäß der strengeren Defini-tion der Philosophie: So wird allgemein utopisch als ,, unerfüllbar, unwirklich; wirklich-keitsfremd“ (Ahlheim: 1966, 741)[1] verstanden. In der Philosophie hingegen ist folgende Definition üblich: Utopie gilt als eine

In Anlehnung an Thomas Mores Utopia (1516) entwickelte Bezeichnung für literarische

Gegenentwürfe zur gesellschaftlich-politischen Ordnung. (...) Mit der Ausweitung des

Utopiebegriffs von der literarischen Gattungsbezeichnung zur allgemeinen politischen

Kategorie erhält Utopie neben der Bedeutung einer ortslosen Kritik an bestehenden Ver-

hältnissen die Konnotation einer positiven Zukunftsvorstellung.(Prechtl,Burkhard:1996[2] )

Ortega begründet seine Auffassung dadurch, dass jedes Tier von Natur aus eine bestimmte Ausstattung habe. Im Gegensatz zu allen anderen Tieren sei der Mensch melancholisch, da er sich Ziele stecke, die er nicht erreichen könne, er verfolge also ,,Wahnideen“ (Ortega:

1956, 11[3] ), sei ,,maniático“ (S.10). Und dies sei bei allen Dingen der Fall, weswegen er auch beim Übersetzen nie vollkommene Perfektion erreichen könne. Schriftsteller hielten nämlich nicht immer die Normen ihrer Sprache ein, sondern handelten oft zuwider der geltenden Grammatik und Konventionen. Übersetzer hingegen würden dies oft nicht wagen und anstatt gewisse Nuancen beizubehalten, würden sie lieber auf die sichere Seite gehen und die Regeln kleinlichst beachten.

Auch bei ,,Werke[n] der exakten und der Naturwissenschaften“ (S. 13) (,,libros de ciencias exactas y naturales“ (S.12)) sei dies nicht anders. Zwar seien in diesen Bereichen die Schwierigkeiten geringer, aber dennoch vorhanden. Auch hier gibt es Begriffe, die keine hundertprozentig entsprechende Übersetzung haben. Wenn man allerdings auf einer Unter-

scheidung zwischen zu übersetzender und nicht übersetzbarer Literatur beharren würde, lie-ße man unter den Tisch fallen, dass bei bestimmten wissenschaftlichen Büchern der Grund dafür, dass sie scheinbar mühelos zu übersetzen sind, darin liege, dass ihr Vokabular zu gro-ßen Teilen aus Fachtermini besteht, die aber keine Sprache im eigentlichen Sinn seien, da Sprache auch ohne vorherige Begriffsdefinitionen funktioniere, was im Falle von Sachbü-chern nicht der Fall ist.

Allgemein sei es für einen Autor grundsätzlich wichtig, dass er seine Muttersprache be-herrscht , dabei stets verständlich ist, aber nicht immer auf die bloße Alltagssprache zurück-greift, was ein weiteres Problem für das Übersetzen aufwirft: jeder Literat hat einen eigenen persönlichen Stil. Schon alleine deswegen, weil er ab und zu geringfügig von den konventi-onellen Bedeutungen mancher Wörter abweicht. Zudem hat auch jede Sprache seinen eige-nen sprachlichen Stil, insofern nur wenige Begriffe exakt dieselben semantischen Grenzen aufweisen wie andere, die ihnen in der Fremdsprache gleichgesetzt werden.

I.2. Übersetzungstheoretische Überlegungen hinsichtlich Ortegas Stand-punkt

Wenn Ortega sagt, dass vieles nicht hundertprozentig dem Original entsprechend übersetzt werden kann, gebe ich ihm vollkommen Recht. Auch die Übersetzungstheorie belegt zwei-

fellos, dass es keine eins zu eins Übersetzung geben kann. Laut Ortega sei einer der Gründe, warum Übersetzen ein utopisches Unterfangen sei, dass jeder Autor ,,seinen eigenen persön-lichen Stil“ (vgl. S.21) habe. Worauf dieses ,,Seinen-eigenen-Stil“-Haben beruht, wird in Hatim und Masons Discourse and the Translator ziemlich genau erläutert. Zum einen sei das Problem, dass der Kontext, der Background verschiedener Personen und Kulturen unter-schiedlich sind. So spiele es beispielsweise beim Textverständnis eine Rolle, ob jemand aus einer modernen, voll entwickelten Gesellschaft stammt oder noch in einer rückständigen Kultur lebt. Aber auch innerhalb einer einzigen Kultur gebe es eine ganze Reihe unterschied-licher sprachlicher Ausprägungen, die von den verschiedensten Faktoren beeinflusst werden. Dies spiegele sich in den Dialekten wider, wobei Dialekte von Person zu Person verschieden sind, sich zum Beispiel in der Aussprache bestimmter Laute unterscheiden können. Be-sonders interessant ist, dass es eine gewisse Regelhaftigkeit bei der Entstehung von Dia-lekten zu geben scheint. So differenzieren Hatim und Mason an Hand bestimmter Kriterien

folgende Arten von kontextbedingter Variation : zum einen gäbe es die ,,geographischen Dialekte“, die sich räumlich, politisch oder kulturell von anderen Territorien abgrenzen. Dennoch ist auch solch ein Dialekt nie einheitlich, sondern weicht je nach Entfernung des Punkts, wo der Dialekt am stärksten ausgeprägt ist, stärker ab. Während diese Art von Dialekt mehr oder minder konstant ist, gibt es daneben auch ,,temporäre Dialekte“, die an bestimmte Modererscheinungen und Trends gebunden sind, dann aber auch wieder ver-schwinden. ,,Soziale Dialekte“ dagegen sind abhängig von einem Klassenbewusstsein oder einer besonderen Gesellschaftsstruktur. Des Weiteren gibt es auch einen so genannten ,,Stan-darddialekte“. Der Unterschied zwischen Standard und Nicht Standard liegt im Grad der Verständlichkeit begründet. Eine Mischung aller oben erwähnten Variationen bezeichnen Hatim und Mason als ,,Ideolekte“. Die bewusste Auswahl eines Ideolekts sei dann der per-sönliche Stil.

Allerdings sind es nicht nur die verschiedensten Dialekte, die einem Übersetzer Schwierig-

keiten bereiten können, sondern auch die Wahl des passenden Registers spielt eine tragende

Rolle. Hierbei ist beispielsweise entscheidend, dass kleinste Nuancen in Grammatik, Voka-bular, etc. beachtet werden. Zum einen muss der Übersetzer berücksichtigen, in welchem ,,Diskursfeld“ er sich befindet. Je nachdem ob es sich um einen politischen oder wissen-schaftlichen Text handelt, müssen andere Entscheidungen in der Wortwahl getroffen werden. Aber auch der ,,Diskursmodus“ ist zu beachten. Die wichtigste Unterscheidung hierbei ist die zwischen geschriebener und gesprochener Sprache. Zuletzt gehört noch der ,,Diskurs-tenor“ dazu. Dies bedeutet, dass je nachdem, wie die Beziehung zum Adressaten ist, der Grad der Förmlichkeit variiert.

Wenn man bedenkt, dass ein Übersetzer all dies beachten sollte und sich bewusst Gedanken darüber machen müsste, warum ein Autor genau eine gewisse Konstruktion verwendet und was dies dann bezüglich seines persönlichen Hintergrunds zu bedeuten hat, erscheint es mir angebracht, Ortega Recht zu geben, dass es utopisch ist, irgendeinen Text vollkommen übersetzen zu wollen, ganz egal, um was für eine Art von Text es sich handelt.

II. Los dos utopismos – Die zwei Utopismen

II.1. Der Mensch erreicht nie, was er sich vornimmt, doch das muss nicht negativ sein

Nachdem nun belegt wurde, dass es tatsächlich unmöglich ist, eine perfekte Übersetzung zu erstellen, könnte man möglicherweise zu dem Standpunkt gelangen, dass es sich dann über-

haupt nicht lohnt, es zu versuchen. Doch Ortega sieht sogar einen Nutzen im Utopismus.

Zunächst einmal differenziert er zwischen einem ,,falschen“ Utopismus (vgl. S.30/31) und der Form von Utopismus, die er als erstrebenswert ansieht. In Bezug auf das Übersetzen empfänden es zwar beide Arten von Utopisten als gut, das Verständnisproblem durch ihre Tätigkeit aufzuheben. Der Unterschied liege aber darin, dass der schlechte Utopist glaube, dies sei recht simpel und sich sogleich an die Arbeit mache, was zu ungenügenden Resulta-

ten führe, von denen es bereits zu viele gebe. Der gute Utopist hingegen, habe zwar densel-

ben Wunsch, sei aber davon überzeugt, dass dieses Ziel in vollem Umfang gar nicht er-reichbar sei. Doch allein der Versuch, das Optimum zu erreichen, bringe eine Entwicklung mit sich. Nur durch das bloße Probieren an sich sei Fortschritt möglich. Der gute Utopist müsse aber in erster Linie ein Realist sein, insofern er sich zunächst seiner Grenzen bewusst sein müsse, bevor er versuchen kann, gegen sie anzukämpfen.

Außerdem liege es geradezu in der menschlichen Natur, sich hohe Ziele zu stecken, denn ausschließlich Ziele zu erreichen, die mühelos zu schaffen sind, würde keine Befriedigung verschaffen. Das Einzige, was der Mensch nie erreichen könne, sei das, was er sich vor-nimmt.

Aufgrund all dessen sei das Bemühens des Übersetzers lobenswert.

[...]


[1] Karl-Heinz Ahlheim (Hrsg., 1966), Duden: Fremdwörterbuch, 2.Auflage (Mannheim: Bibliographisches Institut AG) 741.

[2] Peter Prechtl, Franz-Peter Burkhard (Hrsg., 1996), Metzler Philosophie Lexikon: Begriffe und Definitionen, (Stuttgart/Weimar: Metzler)

[3] José Ortega y Gasset (1956), Miseria y Esplendor de la traducción: Elend und Galnz der Übersetzun,. dt.: Gustav Kilpper (Ebenhausen: Langwiesche-Brandt KG) 11.

(Alle weiteren Zitate, für die nicht extra eine Referenz angegeben wird, beziehen sich ebenfalls auf dieses Buch).

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
José Ortega y Gasset: Miseria y esplendor de la traducción
College
University of Tubingen  (Romanisches Seminar)
Course
Wissenschaftliche Übung Literatur / EPG 2
Grade
1,5
Author
Year
2004
Pages
17
Catalog Number
V28636
ISBN (eBook)
9783638303620
File size
494 KB
Language
German
Keywords
José, Ortega, Gaset, Miseria, Wissenschaftliche, Literatur
Quote paper
Christina König (Author), 2004, José Ortega y Gasset: Miseria y esplendor de la traducción, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28636

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