Die Begierde ist ein wesentlicher Faktor in unserem Leben. Sie steuert unsere Emotionen, unsere Beziehungen, unsere Sexualität. Sie stellt einerseits die einzige Möglichkeit dar, wo wir mit uns selbst alleine bleiben, andererseits auf den Anderen angewiesen sind, sie auszuleben. Sie ist nicht etwas Zufälliges sondern etwas Notwendiges in uns. An einem gewissen Punkt stellt sie uns selbst, unsere Existenz sogar infrage. Dann, wenn uns die Diskontinuität zum Problem wird.
Der fiktive zweihundertste Geburtstag Kierkegaards gibt Anlaß zu Spekulationen. Der Gottsucher, der Verführer, der Selbstinszenierer, der subjektiv denkende große dänische Philosoph – ist er uns zeitgeistig nicht nahe in seiner Bemühung „authentisch“ zu wirken, auf uns, also „subjektiv“ auf uns zu wirken?
Wir machen einen gewagten Versuch, nämlich ihn George Bataille gegenüberzustellen: aus heutiger Sicht auch ein Denker des „vorigen Jahrhunderts“; zeitlich wesentlich näher verbindet beide Denker ein gemeinsames Schicksal: sie veröffentlichen beide unter Pseudonyme, revoltieren gegen die „klassische“ Philosophie, wollen provozieren und berufen sich auf die subjektive Erfahrung, im Unterschied zu der objektiv begründbaren „doxa“, wie sie in Lehrbüchern steht. Beide stehen den Impulsen der Triebe näher, sich auf ungewöhnliche Weise mitzuteilen und scheuen nicht, Spott und Ächtung auf sich zu nehmen, um einer Wahrheit willen, die nicht begründbar, sondern der subjektiven Empfindung unterstellt ist. Die Emotionen sind es bei beiden Denkern, die bewegen und wodurch Denken bewegt wird. Gehen wir also von einem Grundimpuls aus, der wohl bei jedem vorhanden sein dürfte: der Begierde. Folgen wir also einer Ontologie, die nicht den Geist sondern den Trieb als den Impuls des Schaffens ansetzt.
Inhaltsverzeichnis
- Das Bewusstsein der Begierde
- Das „il y a“ als reine Gegenwart
- Der souveräne Augenblick und der Sprung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay untersucht die Konzepte der Begierde und des Sprungs bei Kierkegaard und Bataille. Er vergleicht die Denkweisen beider Philosophen und beleuchtet ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit subjektiver Erfahrung, dem Trieb und der Herausforderung der klassischen Philosophie.
- Vergleich der philosophischen Ansätze von Kierkegaard und Bataille
- Die Rolle der Begierde als ontologischer Ausgangspunkt
- Der "souveräne Augenblick" und der "Sprung" als existenzielle Momente
- Das Verhältnis von Subjektivität und Objektivität im Denken beider Philosophen
- Die Bedeutung von Emotionen und Trieben für das Denken
Zusammenfassung der Kapitel
Das Bewusstsein der Begierde: Der Essay beginnt mit einer Betrachtung des 200. Geburtstages Kierkegaards und stellt ihn George Bataille gegenüber. Beide Denker werden als Subjektivisten charakterisiert, die sich gegen die klassische Philosophie auflehnen und die Bedeutung subjektiver Erfahrung betonen. Die Begierde wird als fundamentaler Impuls und Ausgangspunkt einer Ontologie des Triebs eingeführt, im Gegensatz zu einer geistig orientierten Ontologie. Batailles Aussage über die schwer zugängliche Natur des Bewusstseins der Begierde wird zitiert, die durch Befriedigung ausgelöscht wird. Die Einleitung legt den Grundstein für den Vergleich der beiden Denker und ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Begierde.
Das „il y a“ als reine Gegenwart: Dieses Kapitel untersucht Batailles Konzept des "geistigen Aufschwungs" im Kontext sexueller Befriedigung, und stellt dies in Beziehung zu Lévinas' "il y a". Bataille beschreibt einen Zustand, der jenseits von Subjekt und Objekt liegt, während Lévinas diesem Zustand eine unpersönliche Seinsweise zuweist. Die Ähnlichkeit beider Konzepte mit dem Tod wird hervorgehoben, da sowohl der Tod als auch die Erfahrung des "il y a" ein "Entgleiten" darstellen, in dem das Leben verloren geht. Der Abschnitt analysiert die Metaphorik beider Denker und ihre Versuche, einen Zustand zu beschreiben, der sich der rationalen Erfassung entzieht.
Der souveräne Augenblick und der Sprung: In diesem Kapitel wird Batailles "souveräner Augenblick" als ein Moment des Entgleitens beschrieben, das dem Kierkegaardschen "Sprung" ähnelt. Im Gegensatz zu Kierkegaards ethischem Ernst, wird Batailles Zugang als humoresk und leicht beschrieben. Der Essay analysiert die tragische Konsequenz und die Gleichzeitigkeit von Sammlung und Konzentration vor dem Sprung, unter Einbezug eines Zitats aus Batailles "Das Unmögliche", das die Verblüffung des Lesers betont und den existentiellen Aspekt des Sprungs hervorhebt.
Schlüsselwörter
Kierkegaard, Bataille, Begierde, Sprung, Subjektivität, Objektivität, souveräner Augenblick, il y a, Existenzialismus, Ontologie des Triebs, Emotionen, klassische Philosophie.
Häufig gestellte Fragen zu: Kierkegaard und Bataille: Begierde, Sprung und der souveräne Augenblick
Was ist der Gegenstand dieses Essays?
Der Essay untersucht die Konzepte der Begierde und des Sprungs bei Søren Kierkegaard und Georges Bataille. Im Mittelpunkt steht ein Vergleich ihrer philosophischen Ansätze und die Analyse ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit Subjektivität, dem Trieb und der Herausforderung der klassischen Philosophie.
Welche Themen werden im Essay behandelt?
Der Essay behandelt folgende Themenschwerpunkte: Der Vergleich der philosophischen Ansätze von Kierkegaard und Bataille, die Rolle der Begierde als ontologischer Ausgangspunkt, der "souveräne Augenblick" und der "Sprung" als existenzielle Momente, das Verhältnis von Subjektivität und Objektivität im Denken beider Philosophen sowie die Bedeutung von Emotionen und Trieben für ihr Denken.
Welche Kapitel umfasst der Essay?
Der Essay besteht aus drei Kapiteln: "Das Bewusstsein der Begierde", "Das „il y a“ als reine Gegenwart" und "Der souveräne Augenblick und der Sprung".
Was wird im Kapitel "Das Bewusstsein der Begierde" behandelt?
Dieses Kapitel beginnt mit einer Gegenüberstellung Kierkegaards und Batailles, beide werden als Subjektivisten charakterisiert, die die subjektive Erfahrung betonen. Die Begierde wird als fundamentaler Impuls und Ausgangspunkt einer Ontologie des Triebs eingeführt. Batailles Aussage über die vergängliche Natur des Bewusstseins der Begierde wird diskutiert.
Worüber handelt das Kapitel "Das „il y a“ als reine Gegenwart"?
Dieses Kapitel untersucht Batailles Konzept des "geistigen Aufschwungs" im Kontext sexueller Befriedigung und vergleicht es mit Lévinas' "il y a". Es analysiert den Zustand jenseits von Subjekt und Objekt und die Ähnlichkeit beider Konzepte mit dem Tod als "Entgleiten".
Was ist der Inhalt des Kapitels "Der souveräne Augenblick und der Sprung"?
Dieses Kapitel vergleicht Batailles "souveränen Augenblick" mit Kierkegaards "Sprung". Der Unterschied im Zugang (humoresk vs. ethisch) wird herausgestellt, sowie die tragische Konsequenz und die Gleichzeitigkeit von Sammlung und Konzentration vor dem Sprung.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Essay?
Schlüsselwörter sind: Kierkegaard, Bataille, Begierde, Sprung, Subjektivität, Objektivität, souveräner Augenblick, il y a, Existenzialismus, Ontologie des Triebs, Emotionen, klassische Philosophie.
Welche Zielsetzung verfolgt der Essay?
Der Essay zielt darauf ab, die Denkweisen Kierkegaards und Batailles zu vergleichen und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit subjektiver Erfahrung, dem Trieb und der Herausforderung der klassischen Philosophie zu beleuchten.
- Citation du texte
- Dr. Stefan Hammerl (Auteur), 2015, Die Metapher der Begierde und der Sprung bei Kierkegaard und Bataille – eine vergleichende Annäherung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286636