Anatomie als Schicksal. Die Ausgrenzung der Frau aus der traditionellen Literaturgeschichte


Hausarbeit, 2013

16 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Asymmetrische Geschlechterverhältnisse: männliche Macht – weibliche Ohnmacht – Wie kam es dazu?
2.1 Das Zwei-Geschlechter-Modell als Beschneidung der Frau
2.2 Sigmund Freud und der Mythos der kastrierten Frau als „Container“ männlicher Fantasien

3. Die Literaturgeschichte als Spiegel der weiblichen Repression
3.1 Virginia Woolfs Suche nach einer weiblichen Schreibtradition
3.2 Von der Diskrepanz zwischen „Schattenexistenz und Bilderreichtum“

4. Oppressive Repräsentation von Autorinnen in den Literaturgeschichten
4.1 Die Autorin als „Sonderkapitel“ der Literaturgeschichte
4.2 „Le lien masculin“
4.3 Biografismus als Entzug der Autorschaft nach Foucault
4.4 „Unter falschem Namen“

5. Nachwort

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit untersucht die Darstellungsweisen sowie die effektive Präsenz der Frau in der Kultur- und Literaturgeschichte, wobei insbesondere die Ursachen und Folgen der hierarchischen Geschlechterverhältnisse und der phallogozentrischen Praxis der Literaturwissenschaft analysiert werden sollen.

Nach einer soziohistorischen Einführung über den folgenschweren Paradigmenwechsel in der Geschlechterordnung zu Beginn des 19. Jahrhunderts und die Beschneidung der Frau durch Sigmund Freuds Mythos der kastrierten Frau, wird anhand von zwei Schlüsselautorinnen des Feminismus das Missverhältnis zwischen der Überrepräsentation imaginierter Frauenbilder in den Kulturproduktionen männlicher Autoren und der Absenz und Einflusslosigkeit der realen Frau in der Gesellschaft respektive in der (Literatur)Geschichte herausgearbeitet.

Anschließend werden die Ausgrenzungsmechanismen und Marginalisierungsstrategiender Frau aus der traditionellen Literaturgeschichte durch die Analyse von Literaturgeschichten für den Schul- und Universitätsgebrauch veranschaulicht und einem kritischen Blick unterzogen.

Die Tatsache, dass die Untersuchung unter einer stark feministisch geprägten Perspektive auf die Literaturgeschichte erfolgt, soll keinesfalls die Errungenschaften der Gender Studies übergehen, sondern erscheint mir angesichts des Untersuchungsfeldes marginalisierter Weiblichkeit lediglich als besonders produktiv und aussagekräftig.

2. Asymmetrische Geschlechterverhältnisse: männliche Macht – weibliche Ohnmacht – Wie kam es dazu?

Daß in Standesamtsregistern und auf Personalbogen die Rubriken „Männlich, Weiblich“ gleichgeordnet erscheinen, ist rein äußerlich. Das Verhältnis der beiden Geschlechter ist nicht das von zwei Elektrizitäten, zwei Polen: Der Mann ist so sehr zugleich der positive Pol und das Ganze, daß im Französischen das Wort „homme (Mann)“ den Menschen schlechthin bezeichnet […] Die Frau erscheint so sehr als das Negative, daß die bloße Begriffsbestimmung eine Beschränkung bedeutet, ohne daß es umgekehrt ebenfalls so wäre.[…] Sie wird bestimmt und unterschieden mit Bezug auf den Mann, dieser aber nicht mit Bezug auf sie; sie ist das Unwesentliche angesichts des Wesentlichen. Er ist das Subjekt, er ist das Absolute: sie ist das Andere.[1]

Anhand dieses Zitates Simone de Beauvoirs aus ihrem einschlägigen Werk Le Deuxième Sexe (1949) lassen sich die signifikantesten Manifestationen der asymmetrischen und hierarchischen Geschlechterverhältnisse – und dies offensichtlich zu Ungunsten der Frau – in der abendländischen Kultur ableiten:

Fehlende Gleichberechtigung, Bipolarität als Ausgrenzungsstrategie des Weiblichen, Abhängigkeit und Unterwerfung gegenüber dem „absoluten“ Geschlecht im Gegensatz zum Anderen, Zweitrangigen („Deuxième“), um nicht zu sagen Unbedeutenden.

In einer derart phallogozentrisch geprägten Kultur, in der über die vorherrschende Geschlechterordnung persönliche, kulturelle und finanzielle Macht an die „starke“ Hälfte der Bevölkerung verteilt wird, bleibt zu fragen übrig, wie es sich rechtfertigen lässt, dass die „andere“, vermeintlich schwache Hälfte über Jahrhunderte hinweg aus der Öffentlichkeit verbannt wurde, also lediglich zum Schweigen, Sich-Fügen und Sich-Unterordnen im privaten Raum existieren durfte und es nie vermochte aus dieser Ohnmacht auszubrechen? Im Folgenden werden zwei Faktoren, die an der Konstitution dieser Geschlechterhierarchie maßgeblich beteiligt waren, untersucht.

2.1 Das Zwei-Geschlechter-Modell als Beschneidung der Frau

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zur Ablösung des seit der Antike vorherrschenden Ein-Geschlecht-Modells durch ein neues, auf dem sich etablierenden Bürgertum fußendes Modell, nämlich dem bis in die heutige Zeit beständigen Zwei-Geschlechter-Modell. Definierte sich Ersteres über das Prinzip der Ähnlichkeit der Geschlechter (das weibliche Genital sei lediglich nach innen gestülpt), postuliert das auf der bürgerlichen Geschlechterideologie beruhende Denkmuster die Geschlechterdifferenz. Geschlecht wurde nun nicht mehr über Standesdefinitionen und soziales Handeln, sondern über die jeweilige anatomische Ausstattung des Einzelnen bestimmt. Dieses stark in der Biologie verwurzelte und durch die Natur beglaubigte Modell führte zu einer folgenschweren Ausdifferenzierung der Geschlechtscharaktere und zwar zu großem Nachteil der Frau: Es kam zu einer patriarchalischen Scheidung zwischen Geist und Natur. So galt die Frau „von Natur aus“ als passiv, emotional und schwach, während der Mann mit Geist, Stärke, Kultur, Rationalität und Autonomie assoziiert wurde.[2] Diesen geschlechtsspezifischen Eigenschaften entsprechend, wurde die Frau der Reproduktion (Erziehung, Haushalt) zugeordnet, der Mann hingegen wurde für die Produktion (Erwerbstätigkeit) verantwortlich gemacht. Somit wurden die Handlungsräume und Entfaltungsmöglichkeiten der Frau auf die private Sphäre beschränkt, während der Mann der öffentlichen Welt angehörte. Diese bürgerliche Arbeitsteilung führte demnach zum Ausschluss der Frau aus der Öffentlichkeit und verweigerte ihr die Partizipation am kulturellen und politischen Leben.

Die Biologisierung des Geschlechts und das daraus resultierende Paradigma der Geschlechterdifferenz erweist sich als ein strategisches männliches Machtinstrument, um die Beschneidung der Frau, sei es aus kultureller als auch aus sexueller Sicht (Frau galt als passiv und frigide) zu legitimieren.

Sowohl das auf „Natur“ begründete Modell des komplementären Verhältnisses der Geschlechter und die daraus resultierende Ausgrenzung der Frau aus Kultur und Öffentlichkeit als auch die Entstehung des autonomen „Sozialstystems Literatur“, in welchem die Autorposition durch ein ausschließlich männlich konnotiertes Genie besetzt wurde, trugen maßgeblich dazu bei, dass der Kanon der Literatur und die Literaturgeschichte eine einseitig männliche Ausrichtung aufweisen.[3] Darauf soll im dritten Kapitel näher eingegangen werden.

[...]


[1] Beauvoir, Simone de (1983): Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. S. 10-11.

[2] Vgl. Mogge-Grotjahn, Hildegard (2004): Gender, Sex und Gender Studies. Eine Einführung, S. 19.

[3] Heydebrand/Winko (2005): Ein problematisches Verhältnis: Gender und der Kanon der Literatur, S. 193-195.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Anatomie als Schicksal. Die Ausgrenzung der Frau aus der traditionellen Literaturgeschichte
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Autor
Jahr
2013
Seiten
16
Katalognummer
V287347
ISBN (eBook)
9783656875918
ISBN (Buch)
9783656875925
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gender, Literaturgeschichte, Geschlecht, Beauvoir, Foucault, Geschlechterverhältnisse
Arbeit zitieren
Barbara Spögler (Autor:in), 2013, Anatomie als Schicksal. Die Ausgrenzung der Frau aus der traditionellen Literaturgeschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287347

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