Gaming und kommerzielle Kommunikation von Videospielen


Bachelorarbeit, 2014

71 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was sind Spiele?

3. Betrachtungsweisen von Videospielen
3.1 Extrospektive Betrachtungsweise
3.2 Prospektive Betrachtungsweise und Medienwirkungsforschung
3.2.1 Kurzfristige Veränderungen beim Rezipienten beim Konsum von Videospielen
3.2.2 Langfristige Veränderungen beim Rezipienten beim Konsum von Videospielen
3.3. Introspektive Betrachtungsweise und die Mediennutzungsforschung
3.3.1 Mediennutzung der Generationen
3.3.2 Motivation zur Mediennutzung am Beispiel von Videospielen
3.3.3 Die Auswahl von Alternativen

4. Einfluss Faktoren auf das Spielverhalten von Gamern

5. Kommerzielle Nutzungsmöglichkeiten der Virtual Reality
5.1. Social-Media
5.2. Eigenes Spiel zur Marke
5.3. Events
5.4. Virtuelle Werbung
5.5. Produkte/ Marken als Teil eines Spiels
5.6. Medizinische Behandlungsformen
5.7. Hybrid Reality
5.8. Platzierung in einem anderen Medium

6. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Grundlagen des Spiels nach Caillois bezogen auf LoL

Abbildung 2: Blickrichtungen und Betrachtungsstandpunkte

Abbildung 3: Extrospektive Betrachtungsstandpunkte

Abbildung 4: Stimulationsthese

Abbildung 5: Stimulationsthese bei Aggressiven Rezipienten

Abbildung 6: Unspezifische Erregung

Abbildung 7: Erregungstransfer nach Zillmann

Abbildung 8: Die sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura

Abbildung 9: Anlehnung an Jürgen Wegge‘s Motivationspsychologisches Grundmodell

Abbildung 10: Beispiele von Persönlichkeitsmerkmalen zu Motivierungspotentialen

Abbildung 11: Demographische Verteilung der Gamer in Deutschland

Abbildung 12: Familienformen nach Petzold

Abbildung 13: Der deutsche Gamesmarkt 2013

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die Eindrücke, welche der Mensch als Wirklichkeit und als Realität bezeichnet, zerfallen immer mehr in verschiedene Wirklichkeiten, denn der Realität ist Konkurrenz entstanden. Zu der durch direkte Erfahrungen erlebten Umwelt ist eine durch Medien vermittelte, zweite Wirklichkeit dazugekommen, die immer stärkeren Einfluss auf das Verhalten der Menschen hat. Grundannahmen zur Entstehung und gleichzeitiger Existenz von mehreren Wirklichkeiten nebeneinander werden mithilfe des Konstruktivismus beschrieben. Der Theorie des Konstruktivismus zufolge ist die Wahrnehmung ein aktiver Vorgang, den jeder einzelne Mensch subjektiv anders wahrnimmt und sich daraus folgend seine Wirklichkeit selbst konstruiert. Dieser selektive Vorgang von Reizdarstellungen führt dazu, dass verschiedene Rezipienten dieselbe Wirklichkeit anders erleben können; die Wahrnehmung des Einzelnen kann zum Beispiel für einen spezifischen Reiz verschlossen sein, während andere Rezipienten für diesen Reiz empfänglicher sind und umgekehrt. So sagt Luhmann, dass man zwischen zwei Ebenen der Realität zu unterscheiden habe: Die Realität erster Ordnung (das, was wirklich passiert) und die Realität zweiter Ordnung (das, was durch die Medien als Realität erscheint).[1] Diese Realität zweiter Ordnung muss nicht nur die verzerrte subjektive Wahrnehmung durch den Einfluss der Medien auf die Realität der ersten Ordnung sein, sondern wird mit dem Siegeszug der Personal Computer seit den 1990er Jahren auch eigenständig als „Virtual Reality“ (VR), eine Computergenerierte Konstruktion der Wirklichkeit, bezeichnet.[2] Virtuelle Welten gewinnen stetig an Bedeutung und beeinflussen sogar durch Darstellung in den Medien die reale Welt, das „Real Life“ (RL). Eine klare Trennung dieser erfahrbaren Welten ist mittlerweile nicht mehr möglich, in der Medienliteratur wird im Zusammenhang mit Unterhaltungsmedien und insbesondere mit Fiktionen von „verschwimmenden Grenzen“ zur Realität gesprochen. Als Beispiel lässt sich der Medientransfer von Inhalten nennen; so spielen, wie im Laufe der Arbeit noch genauer dargestellt, reale Persönlichkeiten in Videospielen eine Rolle und umgekehrt werden virtuelle Charaktere in das RL projiziert.[3]

Die heutige Gesellschaft hat also gelernt, mit der ständigen Verfügbarkeit der VR zu leben, wobei über die Generationengrenzen hinweg unterschiedliche Nutzungsbereiche der jeweiligen Gruppen festgestellt werden können. So kann z.B. VR dazu genutzt werden, geschichtliche Inhalte hautnah zu überbringen und damit das Bindeglied zwischen Bildung und Unterhaltung, engl: „Edutainment“ zu sein und durch diese Form des Lernens effektiver als traditionelle Bildungsinstitutionen arbeiten; oder sie dient als Möglichkeit, dem Alltagsstress, wenn auch nur für einen kleinen Moment, zu entfliehen und in eine imaginierte Parallelexistenz abzutauchen. Allerdings lässt sich die VR auch für marketingorientierte Zwecke nutzen. Die VR mit ihrer Möglichkeit zur Immersion in eine eigen geschaffene, durchdachte Welt bietet die Chance, gezielt emotionale Zustände beim Kunden auszulösen und durch den Faktor der Interaktivität einen intensiven Zugang zum Kunden zu erhalten, den bisherige Medien nicht erreicht haben.[4]

In der folgenden Arbeit wird neben den Möglichkeiten zur kommerziellen Nutzung von VR darauf eingegangen, wie VR auf die Rezipienten kurz- und langfristig wirken kann, wie diese aus verschiedenen Betrachtungsperspektiven wahrgenommen wird und warum die Kommunikation in der VR überhaupt funktioniert. Des Weiteren wird erläutert werden, welchen Stellenwert das Spiel in der Gesellschaft einnimmt, die daraus resultierenden Veränderungen von Unterhaltung und Informationsaufnahme und insgesamt der Wert der noch neuen, sich in rasendem Tempo weiterentwickelnden Informationsgesellschaft. Die daraus resultierenden Chancen und Einschränkungen oder sogar Gefahren von und für verschiedene Generationen von Usern werden vorgestellt und diskutiert. Das Videospiel als noch relativ neues Medium soll in dieser Arbeit in der Relation zu anderen Medien betrachtet werden; die Vor- sowie Nachteile, Stärken und eventuelle Schwächen sowie Wirkungen werden erörtert wie auch der Grad des Einflusses dieser Technologie auf die wirtschaftliche Entwicklung eines wirtschaftlichen Systems, am Beispiel eines Landes. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit wird sein, eine Prognose zur internationalen Entwicklung, Verbreitung und Wirkung von Videospielen zu wagen, da Videospielmärkte sich über physische Grenzen hinweg erschließen; darüber hinaus wird untersucht werden, wie Videospiele sich als Möglichkeit zur interkulturellen Globalen Vernetzung eignen.[5]

2. Was sind Spiele?

Als „Homo sapiens“, der vernünftige Mensch, wird der aktuelle Entwicklungsstand der Menschheit bezeichnet. Im 18. Jahrhundert kam der Begriff „Homo Faber“, der schaffende Mensch, dazu, welcher sinnbildlich für die industrielle Revolution stand. Im Jahre 1938 wurde die Bezeichnung „Homo Ludens“ erstmalig diskutiert, der spielende Mensch, welcher seine Weiterentwicklung seinem inneren Spieltrieb zu verdanken habe. Der „Homo Faber“ und der „Homo Ludens“ werden als gegensätzliche Theorien der Weltanschauung verstanden; während der „Homo Faber“ sich die Welt planend einteilt und zielgerichtet auf etwas hinarbeitet, wird der „Homo Ludens“ im freien Spiel eher zufällige Ergebnisse abliefern und sich dadurch außerhalb von verfestigten Strukturen bewegen können, was seine Kreativität und Innovationen fördert. Es wird davon ausgegangen, dass nur durch das Spiel eine Situation entstehen kann, welche es ermöglicht, für scheinbar unlösbare Aufgaben Lösungen zu finden.[6] Hierzu ein Beispiel aus der modernen Wissenschaft: In einem Spiel namens Foldit können Spieler Moleküle nach Gesetzen der Chemie zusammenbauen um somit gestellte Aufgaben zu lösen. Die Spieler selbst haben oft keine Kenntnis über die Auswirkungen ihrer Erfolge, doch sie erschaffen medizinische Grundlagen zur Bekämpfung von Krankheiten.[7] Neben den medizinischen Möglichkeiten gab es Simulationen, in denen es darum ging, Möglichkeiten und Strategien auszuloten, um das Überleben der Menschheit in Gefahrensituationen zu sichern. Dem Spiel konnte jeder beitreten und es wurden über acht Wochen hinweg Diskussionen angeregt, wie die Menschheit im Falle von Katastrophen gerettet werden könne. Nach diesen acht Wochen gab es fünfhundert Vorschläge in Zusammenarbeit von über 7.000 Mitspielern.[8] Ebenso wurde im März 2010 ein Spiel namens Evoke gestartet, welches in zehn Wochen zehn globale Probleme wie Welthunger, Seuchen, Armut oder Menschenrechte lösen sollte. Es registrierten sich über 19.000 Mitglieder, aus 150 Ländern. Im Laufe der zehn Wochen wurden über 23.500 Blogeinträge, 4.700 Fotos und 1.500 Videobeiträge veröffentlicht welche einen Raum für Dialoge eröffnet haben, die ohne dieses Spiel wahrscheinlich nie geführt worden wären.[9]

Das Spiel ist laut Huizinga älter als die menschliche Kultur, da das Spiel nicht nur auf Menschen beschränkt ist, sondern auch bei Tieren in verschiedensten Formen und Funktionen vorkommt und somit eine unumgängliche Voraussetzung für die Entstehung von Kultur und noch weiter zum Erhalt dieser ist. Jedoch muss an dieser Stelle gesagt werden, dass die Kultur nicht nur aus dem Spiel entstand, sondern sich fortlaufend als Spiel entfaltet und somit aus sich selbst weiterentwickelt.[10] Das Spiel steht nach unserer Auffassung dem Ernst gegenüber, wobei dieser Gegensatz nicht eindeutig ist. Man redet in diesem Fall von einem „ Nichternst “. Schließlich gehen Spieler in einem Wettkampf ernst an diese Sache heran. Doch bedeutet laut Huizinga, dass der Ernst, mit dem ein Wettkampf betrieben wird, keine Verneinung des Spielcharakters bedeutet. Schließlich weist dieser alle formalen Kennzeichen eines Spiels auf.[11] Um das „Spiel“ genauer zu verstehen, werden folgend die Formalen Kennzeichen eines Spiels erläutert:

Das Spiel muss ein freies Handeln sein, denn für erwachsene Menschen ist es eine freiwillige, nicht lebensnotwendige Funktion. Das Spiel ist daher keine zwingende Aufgabe und wird in der Freizeit praktiziert.[12] Des Weiteren darf das Spiel nicht das gewöhnliche, eigentliche Leben darstellen sondern soll vielmehr eine Möglichkeit geben, aus dem Alltag maskiert in eine zweite Realität für den Moment zu entfliehen, weswegen dem Spiel die Unterbrechung des Prozesses zur Befriedigung von Notwendigkeiten und Begierden mit Zielen außerhalb des direkten materiellen Interesses und Nutzens zugesprochen wird.[13] Das Spiel hat seinen Verlauf und seinen Sinn in sich selbst, es spielt sich in bestimmten Grenzen von Zeit und Raum ab, ist wiederholbar, spannend, im Ablauf offen und ungewiss und grenzt sich somit vom gewöhnlichen Leben ab. Wie ein Schachbrett, das – realistisch betrachtet - aus einem Stück Holz besteht, wird es zu einem „magischen Ort“ mit eigenen unbestrittenen Regeln, der sich von der Realität abgrenzt. Nur durch Beherrschung dieser Regeln kann in diesem Umfeld spielerisch sinnvoll gehandelt und das imaginative Potenzial dieses Stück Holzes mit karierter Musterung genutzt werden. Das Spiel lässt sich anhand des Beispiels des Schachbretts außerdem noch kategorisieren nach Spielen und dem jeweiligen momentanen Informationsstand der Spieler. Spiele mit perfekter Information, wo zu jeder Zeit, jeder Spieler denselben Informationsstand besitzt und nur durch den Wettbewerb Spannung erzeugt wird (z.B. Schach); und daraus folgend Spiele mit imperfekter Information, wo jedem Spieler nur ein Teil der Informationen zusteht, und dieser Teil sich auch von Spieler zu Spieler unterscheiden kann.[14] Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Spiel einen eigenen Raum, mit eigener Zeit und eigenen, für jeden Spieler gleichermaßen geltenden Regeln schafft, der von den Teilnehmern des Spiels freiwillig betreten wird und dadurch Gruppen oder gar Institutionen schafft, die sich auf das Spiel oder weiterführend auf ganze Spielbereiche beziehen. Roger Caillois hat neben den Sechs Eigenschaften des Spiels, welche auch Huizinga nannte: (freiwillig, unproduktiv, räumlich- und zeitlich begrenzt, geregelt, fiktiv, im Ablauf offen und ungewiss), noch vier weitere Grundlagen des Spiels definiert.[15] Die Vier Grundlagen eines Spiels sind Agon (Wettkampf), Alea (Zufall), Illinx (Rausch) und Mimikry (Maskierung).

Auf Videospiele lassen sich diese Eigenschaften und Grundlagen ebenso übertragen wie auf Brettspiele.[16] Das erfolgreichste Videospiel zurzeit und vielleicht aller Zeiten ist ein MOBA namens League of Legends, kurz: LoL. Es wurde von Riot Games, einer Firma aus San Francisco, geschaffen und ist ein kostenloses Computerspiel, welches mittlerweile bei Turnieren und internationalen Finalspielen mehr Zuschauer verzeichnen kann als die NBA.

Seit dem Start in 2009 haben sich 85 Millionen User registriert, wovon 27 Millionen täglich spielen.[17] Die Finanzierung des Spiels erfolgt durch kostenpflichtige virtuelle zusätzliche Inhalte, engl: „downloadable content- DLC“, wodurch das Aussehen der eigenen Charaktere individualisiert werden kann, was jedoch sonst keine Auswirkungen auf die Stärke eines Charakters hat. Ziel des Spiels ist es, sich in der Gestalt eines der zur Zeit über 115 zur Verfügung stehenden Charakteren mit seinem Team, bestehend aus fünf Personen durch einen Wald zu kämpfen und die Basis des Gegnerteams, bestehend aus ebenfalls fünf Spielern, zu zerstören.[18]

Die Sechs Eigenschaften eines Spiels nach Caillois und Huizinga sind erfüllt, weswegen noch auf die Vier Grundlagen von Caillois in folgender Tabelle eingegangen wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Grundlagen des Spiels nach Caillois bezogen auf LoL

(Quelle: Eigene Darstellung)

Gerade bei MOBA’s, zu denen auch LoL zählt, ist es typisch, sich primär auf eine Rolle zu beschränken und diese zu perfektionieren. Je nach Präferenz entscheidet der Spieler für sich selbst, welche Rolle er spielen möchte, wobei sich schon hier die Persönlichkeit des Spielers abzeichnet. So spielen aggressivere Menschen mit Teamleitereigenschaften oft in Positionen, die das Spiel entscheiden können, während ruhigere Spieler eher unterstützende Rollen bevorzugen und eher Befehle ausführen anstatt Verantwortung zu tragen, möglicherweise um der Verantwortung über den Ausgang des Spiels, mit dem Ziel dieses zu gewinnen, zu entgehen. Welche Auswirkungen diese Rollenverteilung innerhalb eines Spiels für die Spieler und den Ausgang des Spiels besitzt, wird noch an späterer Stelle aufgegriffen. Nach allgemeinem Verständnis bedeutet Gewinnen, sich am Ende des Wettkampfes als Überlegener profiliert zu haben. Dieses Gefühl geht aber über das eben gewonnene Spiel hinaus, das Gefühl der eigenen Überlegenheit besitzt die Eigenschaft, auch Einfluss auf die Zeit nach dem Spiel zu haben. Der Spieler hat dann dadurch, laut Huizinga, Ansehen und Ehre davon getragen und im Falle eines Mehrspielerspiels in Gruppenzugehörigkeit, dieses Ansehen und Ehre der ganzen Gruppe beschert.[19] Hier liegt eine wichtige und interessante Eigenschaft des Spiels verborgen: Selbst wenn ein einzelner Spieler zu dem jeweiligen Gruppengewinn eher wenig beigetragen und diesen eher erschwert hat, so wird dieser sich trotzdem in seinen Fähigkeiten (womöglich fälschlicherweise) bestärkt fühlen und so sich selbst gegenüber unwahr werden. Dies kann zur Folge haben, dass dieser Spieler bei einer Niederlage der Gruppe diesen Verlust nicht bei sich sehen kann und zunehmend Versagen bei anderen Spielern seiner Gruppe sucht und findet. Also umgekehrt wie bei einem Sieg, wo ein Gewinn des Einzelnen für die ganze Gruppe gilt, wird ein Verlust der Gruppe auf ein einzelnes Mitglied fokussiert, was oft in Flaming, was für Multiplayeronlinespiele charakteristisch ist, endet und so den Spielspaß für alle trübt und diesem Genre den schlechten Ruf der Einsteigerunfreundlichkeit anhaften lässt.

Was unter einem Spiel zu verstehen ist und in welchem Umfang Videospiele dazugehören, wurde mittlerweile dargestellt. Wie kein anderes Medium zuvor verbinden Videospiele die Elemente Literatur, Musik und Film – und ergänzen sie um die spannenden Möglichkeiten der Interaktion.[20] Diese Ergänzung macht die Videospiele so faszinierend und deswegen auch so einzigartig und lukrativ; es lassen sich zum einen mehr Inhalte in kürzerer Zeit transferieren und zum anderen sind die medialen Möglichkeiten noch weitestgehend unverbraucht und noch lange nicht ausgeschöpft.[21] Das Medium „Videospiel“ an sich ist zur dieser Zeit schon etwas etabliert, weswegen auch offizielle Gremien anfangen, sich mit diesem Thema auseinandersetzen.

In jeder Generation standen jeweils andere Rollenvorgaben und Ressourcen im Vordergrund. So konnte Landbesitz in einer Agrargesellschaft ein hoher Status entnommen werden, entsprechend finanziellem Besitz in der Industriegesellschaft. In der heutigen Informationsgesellschaft erscheinen zunehmend intellektuelle Fähigkeiten als wichtigstes Gut. Unter anderem aus diesem Grund ist die Medien- und Informationswirtschaft zu einer der größten Industrien dieser Tage evolviert. Informationen sind mittlerweile zu jeder Zeit durch das Internet einsehbar und ein Rückzug davon ohne einen Verlust von Komfort ist mitunter nur noch schwer möglich. Diese Verbindung von VR und RL wird in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen.[22] Sie ist vorab in Videospielen bereits präsent, bzw. es wird hier die erforderliche Forschung vorangetrieben, z.B. durch mobile Endgeräte in Verbindung zur heimischen Konsole. Dass diese Entwicklung mit Vorsicht betrachtet wird, entstammt der instinktiven Vorsicht des Menschen gegenüber Unbekanntem, da die Auswirkungen des Konsums von Videospielen auf die Gesellschaft noch nicht genug erforscht sind. Selbige Vorsicht und anfängliche Ablehnung wurde bei der Einführung von anderen Medien, wie dem Buch, TV oder dem Internet beobachtet. Schramm und Mitarbeiter haben bereits 1961 zum Einfluss des Fernsehens, als neues Medium, auf die Gesellschaft folgendes gesagt:

„For some children, under some conditions, some television is harmful. For other children under the same conditions, or for the same children under other conditions, it may be beneficial. For most children, under most conditions, most television is probably neither harmful nor particularly beneficial.”[23]

Eine Ablösung eines Mediums bedeutet nicht automatisch eine Verdrängung, sondern bewirkt lediglich, dass ältere Medien einer neuen Bestimmung zugeschrieben werden. So wandelte sich das Buch über die Zeit von Lehrtexten zu einem Unterhaltungsmedium und wieder zu einem pädagogisch wertvollen Medium.[24] Genauso kann und wird voraussichtlich das Videospiel immer mehr für pädagogisch wertvolle Inhalte benutzt werden, die das Erlernen von Geschichte, Sprache oder Grundwertevorstellungen erleichtern sollen.[25] Inwieweit sich diese Entwicklung auf das Leben der Menschheit in Bezug auf Sicherheit, Überwachung oder Freiheit auswirken kann, wird in dieser Arbeit nicht betrachtet, sondern lediglich die Auswirkungen der Medien selbst.

Die Medienwirkungsforschung befasst sich mit der Frage, wie Medien auf den Menschen wirken und inwiefern sie den Menschen zu beeinflussen vermögen. Im hier zu behandelten Fall vom Medium Videospiel wird auf das aggressive Verhalten, die kognitiven Einstellungen, die Emotionen und die Empathiefähigkeit der Rezipienten hin untersucht. In der Wirkungsforschung gibt es keine einheitliche Theorie zur Erklärung der Wirkung von Medien auf deren Rezipienten. Frühere Theorien handelten von Instinkt und Katharsis, während neuere Wirkungstheorien in Kurz- (z.B. Stimmungsveränderungen) und Langzeiteffekten (z.B. Persönlichkeitsveränderungen) zu unterscheiden sind.[26]

3. Betrachtungsweisen von Videospielen

3.1 Extrospektive Betrachtungsweise

Aussagen über Wirkungsweisen von Videospielen hängen davon ab, welcher Standpunkt bei der Betrachtung und dem Erstellen von Versuchen zur Überprüfung von Thesen eingenommen wird. Im Grunde genommen gibt es drei verschiedene Betrachtungsstandpunkte: Den Extrospektiven Standpunkt, welcher die Videospiele von außen betrachtet, den Prospektiven Standpunkt, der deren Wirkungen betrachtet und den Introspektiven Standpunkt, welcher die Videospiele aus der Sicht des Spielers, sozusagen von innen heraus, betrachtet.[27]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Blickrichtungen und Betrachtungsstandpunkte

(Quelle: Eigene Darstellung)

Bei der extrospektiven Betrachtungsweise beurteilt man die Videospiele nach vier theoretischen Gesichtspunkten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Extrospektive Betrachtungsstandpunkte

(Quelle: Eigene Darstellung)

Gerade der analytisch-ideologiekritische Gesichtspunkt bietet bei der extrospektiven Betrachtungsweise eine Art „Reiz“, welcher beim Betrachter die eigenen, für richtig gehaltenen Wertvorstellungen und Normen hervorruft, daraufhin Diskrepanz zwischen den Erfahrungswerten und daraus folgend Kritik mit sich bringt.[28] Diese Betrachtungsweise ist als Begründungshilfe für mögliche negative Auswirkungen von Videospielen auf das Erleben, Fühlen, Handeln und Denken der Spieler bekannt.[29] Diese Diskrepanz von Erfahrungswerten, welche bei der extrospektiven Betrachtungsweise auftritt, hängt oft mit dem Generationenkonflikt zusammen und fördert Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Generation X zu Generation Y oder Z.

3.2 Prospektive Betrachtungsweise und Medienwirkungsforschung

Betrachtet man die Wirkung von Videospielen aus einer Prospektiven Sicht, so wird überprüft, welche kurz- oder langfristigen Folgen der Konsum dieser Medien hat. Es werden spezielle Hypothesen, z.B. die Wirkung von Videospielen auf Aggressionen, mit Hilfe wissenschaftlicher Verfahren überprüft. Diese Ergebnisse werden allerdings häufig in ihrer Bedeutung überschätzt und überinterpretiert, es wäre wichtiger und richtiger, solchen voreiligen Einschätzungen mit einer Skepsis zu begegnen.[30] So sagten bereits 1990 Winter und Eckert, in ihrem Buch über Mediengeschichte und kulturelle Differenzierung:

„…die Auswirkung der Kommunikationsmedien auf unsere Erfahrung der Wirklichkeit, unsere persönlichen Beziehungen und die Kultur unserer Gesellschaft sind trotz erheblicher Forschungsanstrengungen weitgehend ungeklärt. (…) Nur so viel ist mittlerweile klar: Die Wirkung der Medien hängt davon ab, wie Menschen sie nutzen.“[31]

Die Ergebnisse einer prospektiv betriebenen Forschung sind laut Sacher nicht aussagekräftig, weswegen er ein Wegkommen von der Medienwirkungsforschung fordert.[32] Diese geht davon aus, dass der Mensch nur eine passive Fläche für Medien ist und diesen ungeschützt ausgeliefert ist. Stattdessen soll verstärkt eine Mediennutzungsforschung betrieben werden, welche nach den Gründen für die Mediennutzung und dem Nutzen der durch die Medien vermittelten Inhalte für den Menschen fragt und den Menschen selbst als aktiven, auswählenden, interpretierenden und produktiven Nutzer der Medien sieht. Die Medienwirkung wird in erster Linie als von den Motiven des Rezipienten bestimmt betrachtet, dessen Umgang erst später von Inhalt und Struktur bestimmt wird.[33]

3.2.1 Kurzfristige Veränderungen beim Rezipienten beim Konsum von Videospielen

Dem Konsum von Videospielen wird nachgesagt, dass der Rezipient bei gegebenen, im späteren Verlauf noch genauer definierten Umständen, in eine Art von Trance verfällt, was einen Verlust von Zeitgefühl zur Folge hat. Dieser Verlust von Zeitgefühl kann zu einer Prioritätenveränderung führen, wobei dem Gaming eine immer wichtigere Rolle im Tagesablauf zugeschrieben wird und andere, oft auch mit sozialen Kontakten zusammenhängende Abläufe, nachgestellt werden. Dies wird oft mit einer Sucht und einer sozialen Isolation in Verbindung gebracht, jedoch muss hier darauf hingewiesen werden, dass der Rezipient nicht passiv ist und Suchtverhalten nicht auf das Medium bezogen werden kann, sondern rein kompensatorisch betrachtet werden muss.[34] Das führt dazu, dass, von außen betrachtet, sich der Videospieler wissentlich abschottet und die sozialen Kompetenzen nicht erlernt werden.

Die Gründe für das mutwillige, exzessive Gaming werden im Kapitel 3.3.2 näher beschrieben. Des Weiteren werden Thesen, laut denen kurzfristige Veränderungen beim Rezipienten beim Konsum von Videospielen beobachtet werden können, ausgehend vom Begriff Aggression beispielhaft erläutert und im Anschluss erst auf Kognitionen, Emotionen und Empathiefähigkeit übertragen. Die Auswirkungen auf das Empfinden von Empathie werden im Kapitel zur Parasozialen Interaktion genauer behandelt. Die Stimulationsthese, engl. media priming theory, befasst sich unter anderem mit den kurzfristigen Effekten von medialem Konsum von Gewaltdarstellungen. Nach der Stimulationsthese erleichtert der Umgang mit dieser Art von medialen Inhalten den Zugang zu Informationen, die mit Hilfe der Medieninhalte präsentiert werden.[35] Gestützt wird diese Hypothese von der Annahme, dass beim Konsum Gedächtnisinhalte mit ähnlicher Bedeutung aktiviert werden, wobei diese Assoziationen dann zu semantisch verwandten Gedanken, Einstellungen und sogar Verhaltenstendenzen führen können (Primingeffekt).[36] In wie weit und wie stark diese neo-assoziativen Netzwerke untereinander durch assoziative Pfade verknüpft werden, hängt von einer Vielzahl von Faktoren wie Regelmäßigkeit, Gleichheit und Ähnlichkeit ab.[37]

Die Theorie der neo-assoziativen Netzwerke stammt aus der Hirnforschung und besagt, dass z.B. Videospiele aggressives Verhalten aus der virtuellen in die reale Welt projizieren können, denn beim kontinuierlichen Spielen von gewalthaltigen Videospielen werden nachhaltige Kognitionen und damit verknüpfte Emotionen aktiviert und gebildet, was einen Transfer, also einen Austauschprozess zwischen Spiel und Spieler, zwischen virtueller und realer Welt, begünstigen kann. Somit werden nach der Stimulationsthese aggressive Schemata durch regelmäßigen Konsum leichter zugänglich und auch in anderem sozialen Kontext schneller abrufbar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Stimulationsthese

(Quelle: Eigene Darstellung)

Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass bereits im Vorfeld zur Aggression neigende Rezipienten mit höherer Wahrscheinlichkeit medial vermittelte Aggression in die reale Welt übertragen, da deren neo-assoziativen Netzwerke zur Gewalt bereits gebildet und nur noch mit medialer Gewaltdarstellungen verknüpft werden müssen. Der medieninduzierte Reiz wird in diesem Fall als ein Auslöserreiz verstanden, engl. „eliciting cue“. Weitere Begünstigung zur Aggression des Rezipienten in der Wirklichkeit erfährt dieser auslösende Reiz durch Ähnlichkeiten des in den Medien dargestellten Aggressors zum Rezipienten. Sollten diese Gewalthandlungen einem guten, höheren Zweck dienen oder moralisch legitimiert sein, ist dies ebenfalls eine Begünstigung.[38]

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Abbildung 5: Stimulationsthese bei Aggressiven Rezipienten

(Quelle: Eigene Darstellung)

So kann es passieren, dass mit Gewaltdarstellungen konfrontierte Rezipienten, die Gewalt an sich als gerechtfertigt und effektiv wahrnehmen, ambivalenten Handlungen anderer feindselige Motive unterstellen und letztlich Gewalt in der Wirklichkeit ausführen. Zu den Bedingungen die solche sogenannten Priming-Effekte auslösen, bzw. begünstigen können, gehört, dass die medial vermittelte Gewalt auch als Aggression wahrgenommen wird und nicht zum Beispiel als ein sportlicher Wettkampf und den damit verbundenen Kriterien der Ludologie. Weiterhin ist eine Bedingung, dass die Gewalthandlungen gerechtfertigt und nicht sozial sanktioniert werden sowie einer möglichst realistischen Präsentation der Gewalt unterliegen.[39]

Analog zum Transfer von Aggression und Gewalt in und aus einer Virtuellen Welt heraus besagt die Stimulationsthese, dass jegliche Informationen, kognitive Einstellungen und Emotionen, welche durch Medien dargestellt werden können, einen leichteren Zugang in der realen Welt schaffen können. Die Grundannahme dahinter ist, dass Menschen grundsätzlich am Modell lernen und zu diesen Modellen gehört auch die VR.[40] Als moderierende Variable nennt Fritz die Rahmungskompetenz. Sie ist die Erkenntnis darüber, dass gültige Sachverhalte aus der VR im RL nichts zu suchen haben, da sie anstatt sinnvolle Lösungsansätze zu bringen, fatale Folgen nach sich ziehen können. Dieser Transfer sollte daher kontrolliert werden. Allerdings ist eine Kontrolle dieser Transferprozesse nur dann möglich, wenn ein Bewusstsein von diesem Transfer vorhanden ist. Sollte dieser fehlen, können Handlungsalternativen aus der VR „ungeprüft“ durch das Bewusstsein in das RL gelangen und eine Art Realitätsbezugsverlust bedeuten.[41] Übergeordnet wird das Bewusstsein der Auswirkungen von Medien auf den Menschen selbst, im Weiteren unter Medienkompetenz verstanden. Dieser Transfer von VR ins RL ist besonders bei Kindern gefährlich, da sie noch keine ausgeprägte Medienkompetenz entwickelt haben und gerade im Kindesalter gewisse Reiz-Reaktion Schemata gebildet werden, welche sich bis in das Erwachsenenleben ziehen und etablieren können.[42] Diese Schemata können dann unbewusst durch einen Reiz ausgelöst werden, engl. auch „Trigger“ genannt. Wird einem Kind suggeriert, dass Fehlverhalten Bestrafung nach sich zieht, so wird zum Beispiel auch im Erwachsenenalter auf Situationen in anderen sozialen Umfeldern, denen Fehlverhalten zugrunde liegt, mit Bestrafung reagiert.[43]

Die Erregungsthese, auch engl. „excitation transfer theory“ genannt, bezieht sich auf die Erregung des Rezipienten während der Beschäftigung mit Medieninhalten. Rezipienten erleben während der Auseinandersetzung mit Gefahrensituationen, auch im medialen Umfeld, häufig emotionale oder empathische Reaktionen aufgrund der Darstellung des Leidens.[44] Da Darstellung von Gewalt bei den meisten Menschen zu einer Erregung nach dem Reiz-Reaktion Muster führt, kann diese zu aggressiven Einstellungen und Verhaltensweisen durch die assoziativen Vernetzungen im Hirn des Rezipienten führen, zumal Medienangebote oft daraufhin konzipiert sind, auf gefahrvolle Szenen eine Lustige folgen zu lassen, um so eine künstlich geschaffene, intensivere Wahrnehmung der Belustigung zu erreichen, was als „Humoristische Spannungsentladung“, engl. „comic relief“ bekannt ist. Auch hier wird also eine Vernetzung von Freude und Gewalt geschaffen, die sich bei regelmäßige, Konsum verfestigen und ausbreiten kann.[45] Durch die Interaktion mit dem Medium Videospiel, der aktiven Teilnahme am Verlauf des Geschehens, gelingt eine leichtere Identifizierung mit der Spielfigur und dem gegebenen Kontext, was nach dem Allgemeinem Erregungsmodell, engl. „General Arousal Model“, zu einem unspezifischen Erregungszustand führt. Dieser unspezifische Erregungszustand kann in Frustration in der realen Welt enden, sollte dieser nicht virtuell zum Beispiel durch Belohnung aufgelöst werden.[46] Mit anderen Worten, befindet sich der Rezipient mit seiner Spielfigur in einer Gefahrensituation und wird vor eine Herausforderung gestellt, die er nicht zu lösen vermag, so kann diese Erregung nach dem Spiel zu Frustration in der realen Welt führen. Sollte die Herausforderung jedoch gemeistert werden und der Rezipient dadurch eine Belohnung für die angewandte Anstrengung erhalten, so wird diese Erregung virtuell abgebaut.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Unspezifische Erregung

(Quelle: Eigene Darstellung)

Zillmann‘s Erregungstransfer-Theorie besagt, dass Menschen die einer Erregung, sowohl physisch, als auch emotional, ausgesetzt wurden, aufgrund von einer Rest-Erregung, welche keiner ursprünglichen Quelle zurückgeführt werden kann, stärker auf eine neue Erregung reagieren. Das bedeutet, dass sich der Mensch einer Erregung nicht bewusst ist. Die Wirkungsstärke der Resterregung hängt von der Intensität der Erregung, dem Grad der Erholung des Rezipienten und somit auch der Zeitdifferenz zwischen den Erregungen und von der Selbstwahrnehmung ab. Die Selbstwahrnehmung bezieht sich auf die Medienkompetenz, inwieweit diese es den Menschen befähigt, sich der Wirkung von Medien auf ihn im Klaren zu sein.

In einem Feldversuch von Cantor, Zillmann und Bryant im Jahre 1975 wurde männlichen Studenten sexuell anregende Filme gezeigt jeweils 1 Minute, 5 Minuten und 9 Minuten nach dem Sport und im Anschluss zu ihrer Erregung befragt. Die Hypothese war, dass nach 1 Minute physischer Erregung die Testperson sich seiner Erregung durch Sport bewusst war, nach 5 Minuten der Erregung durch den vorherigen Sport nicht bewusst (Level des Erklärungsbedürfnisses), obwohl er es laut Herzschlag noch war und dass nach 9 Minuten eine alleinige Erregung durch den visuellen Reiz des Mediums vorhanden sei. So zeigte sich, dass 5 Minuten nach dem Sport die Erregung durch den audiovisuellen Reiz am größten war, woraus sich schließen lässt, dass eine Resterregung im Körper transferiert und nicht der ursprünglichen Quelle zugeordnet werden kann. Die Zeitabstände wurden über den Herzschlag der Testpersonen ermittelt, welcher sich nach 9 Minuten wieder auf Ausgangsniveau eingefunden hatte und somit einen Kontrollwert ergab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Erregungstransfer nach Zillmann

(Quelle: Eigene Darstellung)

Ähnliche Ergebnisse wurden mit Studenten in drei Testgruppen festgestellt, die einen Gastredner bewerten sollten, der diese laufend provoziert hatte, nachdem diese Testgruppen entweder einen emotional sehr anregenden Film, wenig anregenden Film oder kaum anregenden Film angesehen hatten. Die Bewertung wurde 7 Tage nach dem Experiment durchgeführt, woraus sich schließen lässt, dass eine emotionale Erregung durch den Film und die folgende Erregung durch den Redner eine Aggression gegenüber des Redners bedeutete und diese Kognition auch noch eine Woche später noch präsent in der Erinnerung der Studenten war, obwohl die Erregung durch Film und Redner bereits abgeklungen ist.[47]

3.2.2 Langfristige Veränderungen beim Rezipienten beim Konsum von Videospielen

Je länger und intensiver der Konsum von, am Beispiel von Gewalt, gewalthaltigen Videospielen ist, desto verfestigter wird die Assoziation zur Aggression im RL. Dies bedeutet auch, dass ein Kontakt zu aggressivem Verhalten im RL die assoziativen Netzwerke im Hirn aktiviert und die Wahrscheinlichkeit, dass der Rezipient mit Aggression als Lösungsansatz reagiert, erhöht wird. Berkowitz und Le Page haben bereits 1967 von einer erhöhten Zugänglichkeit zu aggressiven Gedanken beim Sehen von Waffen gesprochen, dies nannten sie den „Waffeneffekt“.[48] Demnach neigen Personen, die mit einem essentiellen Element eines gewalthaltigen Videospiels (z.B. der Waffe in einem Ego-Shooter oder Schwert in einem MMORPG) konfrontiert werden, wahrscheinlicher assoziativ zur Gewalt. Dieser Transfer von VR zum RL ist anhand von Gewalt untersucht worden, doch auf allgemeiner Ebene besagt dies, dass erlebte und auch gesehene Verhaltensmuster in die eigenen Möglichkeiten zur Reaktion auf gewisse Situationen transferiert werden können. In-wie-weit dadurch langfristig die Persönlichkeit und die Wertevorstellungen des Rezipienten beeinflusst werden, ist nicht bewiesen.

Die Hypothese wird jedoch durch die sozial-kognitive Lerntheorie, die von Bandura im Jahre 1963 verfasst wurde, unterstützt. Sie besagt, dass Menschen nicht nur allein durch aktives Ausführen von Handlungen und deren Konfrontation mit ihren Folgen lernen, sondern auch durch Beobachtung anderer Menschen und deren Konfrontation. Das hat Einfluss auf zukünftiges Verhalten dieser und dabei macht es keinen Unterschied, ob leibhaftige Personen oder Modellpersönlichkeiten aus den Medien beobachtet wurden.[49] Dies sagt aus, dass sowohl Rollen aus einem Film wie auch Figuren aus einem Videospiel zu einer Leitfigur und Vorbild gewählt werden können und Lehrcharakter besitzen. Dieses Lernen findet in vier Phasen statt welche in Aneignungs- und Ausführungsphase eingeordnet werden können:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Die sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura

(Quelle: Eigene Darstellung)

In der Aufmerksamkeitsphase geht es vor allem darum, welche der vielen Informationen oder Verhaltensweisen wahrgenommen werden und welchen davon Aufmerksamkeit geschenkt wird. Welche Informationen wahrgenommen werden hängt von den kognitiven Fähigkeiten, den Wertevorstellungen und den bereits existierenden Konzepten des Rezipienten ab. Oft wird hier auch in der Literatur umgangssprachlich von einer „selektiven Wahrnehmung“ gesprochen. Je ähnlicher das beobachtete Modell dem Rezipienten ist, desto attraktiver erscheint es und wird mehr Aufmerksamkeit erfahren.

Die Phase des Behaltens befasst sich mit der Einspeicherung der so wahrgenommenen Informationen und der daraus resultierenden Erinnerung. Die Einspeicherung ist ein aktiver Prozess, bei dem die beobachteten Informationen in ein vorhandenes neo-assoziatives Netzwerk eingespeichert werden oder, bei einem nicht bereits vorhandenen assoziativen Netzwerk, das Anlegen eines solchen mit diesem spezifischen Reiz-Reaktion Muster.

Die Ausführungsphase Produktion beschreibt, wie die beobachteten Handlungen in die Realität übertragen werden können. Hierbei muss aber beachtet werden, dass nicht jede erinnerte Handlung sofort reproduziert werden kann, sie unterliegt kognitiven sowie körperlichen Restriktionen.

Die Ausführungsphase Motivation beschreibt, in-wie-weit die beobachteten Handlungen zum gewünschten Erfolg des beobachteten Modells geführt haben, und ob diese sozial vertretbar waren bzw. nicht geahndet wurden. Haben diese Handlungen zum Erfolg geführt, so ist eine Nachahmung wahrscheinlicher. Die Wahrscheinlichkeit zur Nachahmung steigt zudem in Relation dazu an, wie das beobachtete Verhalten den Werten des Rezipienten ähnelt.[50]

Die sozial-kognitive Lerntheorie geht davon aus, dass Umwelteinflüsse, Kognitionen und das jeweilige Verhalten des Rezipienten sich gegenseitig zu unterschiedlich starken Teilen beeinflussen können, auch wenn diese in keinem zeitlichen Zusammenhang geschehen.[51] Dies bedeutet, sollte einem Menschen von Freunden ein Videospiel geschenkt werden, so ist der Einfluss der Umwelt, hier die Freunde, sehr hoch. Wird dieses Videospiel regelmäßig gespielt und zum alltäglichen Verhalten, weil der Rezipient das Spiel immer attraktiver findet, (persönliche Faktoren) so beeinflussen sich hier Verhalten und persönliche Faktoren gegenseitig. Im Anschluss kann es dazu führen, dass dieses Verhalten wieder Einfluss auf die Umwelt haben kann, indem sich der Rezipient nur noch mit diesen Freunden beschäftigt weil diese dieses oder ähnliche Spiele spielen und sich deren Wertevorstellungen angenähert haben.[52]

Weitere langfristige Wirkungen von Videospielen am Rezipienten sind bislang Theorien, welche wiederum anhand der Neigung zur Aggression dargestellt werden. Sie sind zu unterscheiden in Aggressionshemmende- und Aggressionsneutrale Theorien. Beginnend mit den Aggressionshemmenden Theorien werden die Katharsis- und Inhibitionstheorie dargestellt. Die Katharsistheorie, 1955 von Feshbach formuliert, welche griechisch für „Reinigung“ steht, setzt die Grundannahme voraus, dass ein jeder Mensch eine Grundaggression in sich trägt und dass durch den Konsum von Gewaltdarstellungen der Drang zur Aggression in einer sozial unschädlichen Umgebung ausgelebt werden kann. Diese Theorie wurde jedoch bereits Mitte der Achtziger von ihrem Verfasser revidiert, da sie empirisch nicht haltbar war. Daraus resultierte jedoch die Inhibitionstheorie, welche den Aggressionsrückgang im RL dadurch begründet, dass der Konsum von Gewalt im VR Ängste und Schuldgefühle beim Rezipienten auslöst.[53] Nach der Inhibitionstheorie bewirken die Modelle beim Rezipienten eine Hemmung oder Enthemmung, je nachdem, wie die Beobachtung bei dem Modell verlief. Sollte eine Handlung beim Modell zu einer Bestrafung führen, so wird eine Nachahmung unwahrscheinlicher wie wenn eine Handlung zu Lob und Erfolg geführt hat, ähnlich der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura.

Zu den Aggressionsneutralen Thesen gehört die Habitualisierungsthese. Diese besagt, dass eine regelmäßige Konfrontation mit einem Schema, hier: einem implizierten Reiz, eine zunehmend schwächere Ausprägung nach sich zieht. Als Folge wird eine Abstumpfung, oder im Falle von Gewaltdarstellungen, eine fehlende Empathiefähigkeit vorgeworfen. Die Auswirkung der Desensibilisierung sind im Weiteren noch nicht genauer untersucht worden, weswegen ein Kausalzusammenhang nicht gegeben ist.

Die Kultivierungsthese welche auch zu den Neutralen Theorien gehört, sagt aus, dass eine häufige Beobachtung von Gewalt zu einer zunehmenden Ängstlichkeit gegenüber Gewaltverbrechen führen kann. Hier wird vorgeworfen, dass eine zunehmende Auseinandersetzung mit medialen Inhalten eine Verzerrung des Weltbilds zur Folge habe, wodurch der Rezipient nicht unterscheiden könne, welche Gesetze zurzeit gelten, also ob er im RL oder gerade in einer VR steht. Die Medien gelten als „Wahr“, weswegen die oft überspitzten Darstellungen darin zu starken Reaktionen beim Rezipienten führen können. Diese starken Reaktionen werden dann ins RL übertragen, da den Darstellungen dort eine Übertreibung vorgeworfen wird.[54] Die Auswirkungen von Videospielen sind erklärbar und empirisch belegbar, jedoch kaum interpretierbar und lassen kaum Kausalaussagen zu. Wie die erlebten Abenteuer in der VR letztlich in das RL projiziert werden, hängt nicht nur vom Grad der Erregung, der Regelmäßigkeit und der Intensität des Konsums ab, sondern ist tiefer verankert in den Grundwerteeinstellungen (Prädispositionen) des Rezipienten.[55]

Was jedoch mit Sicherheit gesagt werden kann ist, dass der langfristige Konsum von Videospielen zu einer höheren Affinität zu Technik und einer Medienkompetenz beiträgt. In einer Informationsgesellschaft, welche eine lebenslange Lernkultur voraussetzt, bewirkt ein verantwortungsvoller Umgang mit den neuen Medien, auch Videospielen, eine Expertise, welche der Vorgängergeneration weitgehend verschlossen bleibt und der jetzigen Generation untereinander ein Kompetenzkriterium, ist welches es zu vergleichen gilt bei z.B. zukünftiger Vergabe von Arbeitsplätzen in der IT-Sparte.[56] Zusätzlich zur Wissensaneignung zu ständig im Wachstum begriffenen elektronischen Eingabestrukturen und Verfahrensprozessen bewirkt Gaming eine Schulung, je nachdem auf welchem Gebiet der Rezipient seine Videospiele spielt, in taktischem Geschick, Kommunikationsfähigkeit im Team, einer verbesserten Hand-Augen-Koordination und einem schnelleren Reaktionsvermögen. Welche Eigenschaften jeder Gamer ausbildet, dazu hat Jane McGonigal im Jahre 2010 auf einer TED Konferenz eine Präsentation mit dem Titel: „Gaming can make a better world“ gehalten. Sie, eine angesehene Spieleherstellerin und Betrachterin des psychologischen Einflusses von Videospielen auf Menschen, sagt, dass: Urgent Optimism (der Glaube, dass jede noch so schwere Aufgabe überwunden werden kann), Social Fabric (Starker Zusammenhalt mit anderen möglich ist, da Gamer untereinander sich Zeit füreinander nehmen und sich bereit erklären denselben Regeln zu beugen) und Blissfull Productivity (Das Wissen, dass sich harte Arbeit auszahlen wird) nur wenige Eigenschaften von Gamern sind welche dieser Generation Stärke verleihen.[57]

3.3. Introspektive Betrachtungsweise und die Mediennutzungsforschung

3.3.1 Mediennutzung der Generationen

Bei diesem Betrachtungsstandpunkt wird das Videospiel wie bereits an früherer Stelle kurz beschrieben, von „innen“, aus der Perspektive des Spielers, betrachtet. Dabei wird untersucht, was den Spielenden letztlich dazu bewegt, sich für ein Videospiel zu motivieren, weiter noch, zu erwärmen.[58] In diesem Kapitel wird im Vorfeld das Nutzungsverhalten der jeweiligen Generationen nahegelegt um im folgenden Kapitel damit zu arbeiten und der Frage nachzugehen, weshalb diese Medien von bestimmten Generationen genutzt werden.

So sagte Joko Winterscheidt in einem Interview mit der GQ, über das Mediennutzenverhalten der jüngeren Generation, dass eine völlig neue Generation heranwächst die ein anderes Medienverhalten- und Verständnis hat welche er mit seinen 35 Jahren gerade noch versteht jedoch nicht mehr dazugehört.[59] Heranwachsende sind, in der heutigen Zeit, von Geburt an umgeben von verschiedensten Medien und mit Erlernen ihrer Handhabung konfrontiert, so dass sie schon im Kleinstalter lernen, diese zu benutzen, um z.B. auf dem Weg zur Schule mit ihrem Device Musik zu hören; oder beispielweise der Computer, der als das typische Vater-Sohn Geschenk die elektrische Modelleisenbahn abgelöst hat.[60] Medien im Allgemeinen erlangen so im Leben der Kinder und Jugendlichen eine von Anfang an wichtigere Rolle, als dies in den vorigen Generationen der Fall war, da diese Medien, insbesondere visuelle Medien, häufig traditionelle Funktionen der Eltern wie Einschlafhelfer, sexuelle Aufklärung oder Spielpartner übernehmen und dadurch fest in den Alltag der Jugend integriert sind und diesen sogar mitformen.[61] Es ist schließlich die erste Generation, welche ein Leben ohne den direkten Medienkonsum nicht mehr miterlebt hat. Man spricht auch hier von der Generation Z. Wie unterschiedlich die Generationen X, Y, Z sich im Hinblick ihrer technologischen Versiert- und Verfügbarkeit unterscheiden, wird an dieser Stelle nun kurz erklärt.

Die „Generation X“ mit ihren Geburtsjahren 1967 -1980 ist noch während ihrer Arbeitszeit mit analogen Medien in Berührung gekommen, deren Leitmedium der Fernseher war. weswegen diese und die Generationen davor als „Digital Immigrants“ bezeichnet werden. Sie sehen die technologische Weiterentwicklung als Gefahr für den Einzelnen und als einen Eingriff in ihre Privatsphäre. Im Unterschied dazu wird die „Generation Y“, Menschen nach 1980 geboren, auch als „Digital Natives“ bezeichnet. Denn Sie sind von ihrem ersten Arbeitstag an online und per Email in Echtzeit vernetzt. Deren Leitmedium ist der Computer. Diese auch selbstbetitelt „Generation Internet“ genannte Generation sucht förmlich den Kontakt zur Öffentlichkeit und setzt auf grenzenlose öffentliche Kommunikation und freien Zugang zu Informationen und Wissen über virtuellem Wege. Generation Y ist somit die erste Generation, welche erstmals VR als Teil des RL ansieht und auch einfließen lässt. Ihnen ist der oft betitelte und verteufelte „Glasmensch“ auch „der gläserne Mensch“ und der damit zusammenhängende Datenklau oder die vollkommende Überwachung über das Internet weniger wichtig, da diese mit dem Medium Internet versierter sind und dessen Möglichkeiten und Gefahren glauben, besser zu kennen. Des Weiteren sind sie die erste globale Generation, die auf Augenhöhe miteinander kommuniziert. Die Community, so wird der Freundes- auch Bekanntenkreis eines Menschen um ein gewisses Interesse (z.B. Spieler desselben Videospiels) genannt, ist für die Generation Y ein wichtiger Ansprechpartner, da diese oft die auftretenden Probleme besser verstehen und nachvollziehen können als hier in diesem Fall die Elterngeneration, welche zur Generation X oder der Generation davor gehört. Noch einen Schritt weiter geht die „Generation Z“. Diese Generation ist ab 1992 geboren und kennt eine Welt ohne Virtuellen Einfluss nicht mehr. Der Großteil deren Kommunikation wird über Internet und Smartphone geregelt, durch die Erfindung von WLAN sind diese auch nicht mehr an einem Ort gebunden. Diese Generation ist vollständig mobil geworden und wurde geprägt von Google, Wikipedia, YouTube, Facebook oder auch Second Life. Diese Weiterentwicklungen erlauben es dieser Generation, zu jeder Zeit online zu sein und Informationen und Wissen abzurufen, zu verbreiten und sich mit Freunden in sozialen Netzwerken zu treffen, wobei hier kein Unterschied mehr gemacht wird zwischen Freunden, die man aus der Schule kennengelernt hat oder über gemeinsame Interessen auf einer sozialen Plattform.[62] Da die Generation Z ein Leben ohne VR im Gegensatz zur Generation Y nicht mehr kennt, fehlt ihnen völliges Verständnis für die Weltsicht der Generation X, welcher ihre Eltern angehören; daher sind Kommunikationsschwierigkeiten sowohl im Privatleben als auch im Einstieg in den Arbeitsmarkt vorprogrammiert.[63] Das eigene Leben in der VR, bzw. der daraus resultierende Avatar ist vielen Menschen der Generation Y und Z mitunter wichtiger als das RL, da schließlich die Anzahl der Freunde, auch Follower, in der VR oft um ein Vielfaches größer ist und dadurch gefühlt mehr Wirkung erzielt wird. Dazu eine Statistik von Statista, wonach im Jahre 2013 12,23 Millionen Facebook Profile in Deutschland regelmäßig gepflegt wurden, was gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von über 2 % bedeutet.[64] Von der älteren Generation nicht verstanden, wird mit dem Einbezug von VR eine ganze Kultur gelebt. Das Leben im Vernetzen von sozialen Kontexten, durch virtuelle Selbstbilder, sogenannten Avataren auch mit Ingame-Charakteren und Profilen wird immer wichtiger und ist sozusagen der „Rock’n‘Roll“ der jetzigen Generation. Wichtig ist es jedoch klarzustellen, dass der Besitz von Videospielgeräten bzw. Videospielen nicht gleichzeitig eine regelmäßige Nutzung bedeutet.[65] So nimmt das Spielen mit Videospielen gegenüber anderen Freizeitaktivitäten wie soziale Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen oder das Treffen mit Freund und Freundin, welches weiterhin der Favorit ist, nur einen Ranglistenplatz im unteren Drittel ein.[66] Es soll nur gezeigt werden, dass ein nachhaltig steigendes Bewusstsein über das Online Profil gezeigt wird, wie auch bei Job Interviews, der Einbezug von den Facebook/ Xing/ LinkedIn Profilen der Bewerber zur Findung des passendsten Bewerber mittlerweile üblich ist. Durch die Eigenschaften der verschiedenen Generationenprofile lässt sich schließen, dass gerade Generation Y und die Generation Z sich sehr von den Medien beeinflussen lassen, da diese allgegenwärtig sind und als wahrhaftig angesehen werden, aber von den Jugendlichen auch selbst beeinflusst werden. So werden Trends nicht nur wie früher vom Roten Teppich aus gebildet, sondern durch die mobile Vernetzung ist es möglich, selbst ein gefeierter Star im Internet zu werden. Doch es haben viele Jugendliche immer noch nicht sehr eilig, erwachsen zu werden, schließlich wird in den Medien das Attribut: Jugendlichkeit als Leitbild kommuniziert.[67] So sind es vor allem vorpubertäre Witze, welche den erfolgreichsten Zeitvertreib auf YouTube dieser Generation charakterisieren.[68] Es geht um die „Let’s Play“-Bewegung, ein Trend, welcher einer Person via YouTube oder dem führenden Portal der LP-Szene, Twitch, erlaubt jemand anderem beim Spielen zuzuschauen und dessen Kommentare zuhören.[69] Das mag auf den ersten Blick etwas dubios und sinnlos erscheinen, doch es erlaubt einer Person, die Story eines Games, oder die Mechanik des Spiels zu sehen und zu verstehen, ohne sich dieses selbst zu kaufen oder oft ohne es selbst gut zu können. Der bekannteste LP-Spieler schafft es auf YouTube sogar auf über 28 Millionen Abonnenten, und damit geschätzt auf über 1 Million Euro Werbeeinnahmen pro Monat.[70] Warum so viele Menschen gerne LP-Videos sehen, kann nicht genau gesagt werden, da hierzu die Studien fehlen. Es lässt sich aber sagen, dass eine Spielgemeinschaft die Neigung hat, eine andauernde zu werden, auch nachdem das Spiel beendet ist.[71] Das Gefühl, sich gemeinsam in einer Ausnahmestellung zu befinden und sich vom Rest der Welt für den Moment abzuschotten und einem Club anzugehören hält eine Faszination in sich.[72]

Um im Anschluss noch auf das Konsumverhalten der Generation Y und Generation Z zu kommen, müssen zuerst Charakteristika dieser festgehalten werden, bevor in Kapitel 5 dann diese mit Beispielen untermauert werden. Junge Konsumenten sind laut Raju, dem Begründer der „Optimum Stimulation Level“ (OSL) Theorie, eher zukunftsorientiert, und sind dadurch risikoaffiner, unkonventioneller und stets auf der Suche nach dem Neuen.[73] Ihre Bereitschaft zum Wechsel ist auf der Suche nach dem „Optimum Stimulation Level“ stets vorhanden und stärker ausgeprägt als bei vorherigen Generationen, was als „Variety-Seeking-Verhalten“ bezeichnet wird.[74] Das lässt den Schluss zu, dass diese Generation weniger Markentreue aufweist und keine emotionale Bindung zur Marke aufbaut, sondern sich vom Trend leiten lässt.[75] Das OSL versucht zu erklären, warum manch einer stärker nach Abwechslung strebt und auf der Suche nach neuartigen Reizen ist, als mancher anderer. Gestützt wird diese Theorie von Steenkamp und Baumgartner, welche 1992 die Hypothese aufstellten, dass ein Individuum ein für sich optimal empfundenes Niveau an Stimulation aus Umweltreizen besitzt, welches als Persönlichkeitsmerkmal aufgefasst wird, und dass Abweichungen davon zu Tätigkeiten führen, dieses Optimum wieder zu erreichen.[76] Welche Tätigkeiten das sein können, hängt davon ab, wie geeignet jeweilige Tätigkeiten in Betrachtung nach Neuartigkeit, Anderssein oder ihrer subjektiv empfundenen Stimulationskraft, engl. „arousal potential “, sind.[77]

3.3.2 Motivation zur Mediennutzung am Beispiel von Videospielen

Was einen Menschen dazu verleitet, ein Videospiel zu spielen, soll in diesem Kapitel näher erläutert werden. Hierfür wird ein einfaches Motivationspsychologisches Grundmodell, von Jürgen Wegge entwickelt, benutzt, welches davon ausgeht, dass die Videospiele durch ihre Eigenart eine Art Motivierungspotential besitzen, welches der Mensch als ein Angebot verstehen kann, das er dann mit seiner Nachfrage abgleicht.[78]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Anlehnung an Jürgen Wegge‘s Motivationspsychologisches Grundmodell

(Quelle: Eigene Darstellung)

Damit ein Videospiel seine Motivierungspotentiale entfalten kann, müssen diese auf Seiten der Menschen verschiedenste Persönlichkeitsmerkmale ansprechen, welche in diesem einfachen Modell als Nachfrage fungieren, während wie bereits kurz vorher angesprochen die Motivierungspotentiale dem jeweiligen Angebot entsprechen. Nicht auf die Reihenfolge achtend, entnimmt man aus Abbildung 10 eine zufällige Auswahl an Angeboten und Nachfragepunkten gegenübergestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Beispiele von Persönlichkeitsmerkmalen zu Motivierungspotentialen

(Quelle: Eigene Darstellung)

Da die Persönlichkeitsmerkmale der Spieler sowie die Motivierungspotentiale der verschiedenen Spiele stark verschieden sind, wird in diesem Modell davon ausgegangen, dass die Höhe der Spielmotivation davon abhängt, in-wieweit das Angebot mit der Nachfrage übereinstimmt. So sagt auch Jürgen Fritz, dass…

„…, die motivationale Kraft dadurch erwächst, dass Thematiken, Rollenangebote, Skripte, Episoden und einzelne Szenen des Spiels zum eigenen Lebensbereich, dessen kulturellen Hintergründen, Rollen, Lebensthematiken, einzelnen Episoden und Szenen in Beziehung gesetzt werden. Durch den Selbstbezug werden Bildschirmspiele zu einem verflochtenen Band bedeutsamer Metaphern, die in ihren vielfältigen Verweisungen Individuelles mit Gesellschaftlichem verbinden.“[79]

Ist der Spieler dann bei einem oder mehreren Spielen angekommen und beginnt diese zu spielen, stellen sich über die Anstrengung und Ausdauer des Spielers emotionale und kognitive kurzfristige Spielwirkungen ein; dazu gehören z.B. Erfolge, Enttäuschungen, Ermüdung oder auch Freude. Daraus folgend können dann längerfristige Nachwirkungen auftreten (Abbildung 9).[80] Die Verknüpfung von Motivation zum Spielen von Videospielen und der sonstigen Lebenswelt wurde in Studien bestätigt, so fanden zum Beispiel Fritz und Misek-Schneider Begründungen für Vorliebnahme oder Ablehnung bestimmter Spiele heraus. So sagen sie, dass die Gründe für eine Vorliebe oder Ablehnung eines Videospiels, Assoziationen zu früheren Kinderspielen, der Wunsch nach Abenteuer und Erlebnissen, die Ablehnung von Gewalt und Krieg, das Ausleben von Ordnungssinn und die Erinnerungen an bestimmte Lebenssituationen, sowohl belastend als auch positiv sind. Somit sind die Persönlichkeitsstruktur und der Bezug zum RL nicht nur ausschlaggebend dafür, was gespielt wird, sondern auch das Motiv dahinter warum, sozusagen ein risikoloses Erleben und Bewältigen von metaphorischen Lebenssituationen.[81] Die Persönlichkeitsmerkmale, welche ein Mensch aufweist, die diesen zu einem Videospielspieler machen, können nicht dargelegt werden, da Videospielspieler nicht homogen sind und auch sonst nicht einem gewissen Typ entsprechen. Wonach man diese Spieler jedoch einordnen, typisieren und erkennen kann, sind jedoch ihre Motive zum Spielen von Videospielen.

[...]


[1] Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A. (2009), S. 599.

[2] Vgl. Bormann, S. (1994), S. 23ff; Grossbauer, S. (2008), S. 24.

[3] Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A. (2009), S. 604.

[4] Vgl. Kruppa, C. (2008), S. 104.

[5] Vgl. http://www.playnation.de/spiele-news/games/barack-obama-witcher-begeistert-id54266.html (Zugriffsdatum: 14.05.2014); Inderst, R. T. (2012), S. 114f.

[6] Vgl. Huizinga, J. (2011), S. 3ff.

[7] Vgl. http://fold.it/portal/ (Zugriffsdatum: 15.06.2014).

[8] Vgl. http://www.iftf.org/our-work/people-technology/games/superstruct/ (Zugriffsdatum: 24.08.2014).

[9] Vgl. Stampfl, N. S. (2012), S. 105.

[10] Vgl. Huizinga, J. (2011), S. 189; Stampfl, N. S. (2012), S. 45ff.

[11] Vgl. Huizinga, J. (2011), S. 59.

[12] Vgl. Huizinga, J. (2011), S. 16.

[13] Vgl. Huizinga, J. (2011), S. 17f.

[14] Vgl. Grossbauer, S. (2008), S. 103f.

[15] Vgl. Caillois, R. (2001), S. 9f.

[16] Vgl. Roth, F. S./ Klimmt, C. (2012), S. 34f.

[17] Vgl. Isegohi, M. (2014), S. 39ff.

[18] Vgl. http://gameinfo.euw.leagueoflegends.com/de/game-info/get-started/what-is-lol/ (Zugriffsdatum: 27.06.2014).

[19] Vgl. Huizinga, J. (2011), S. 61.

[20] Vgl. http://game-bundesverband.de/de/ (Zugriffsdatum: 14.06.2014).

[21] Vgl. http://www.zeit.de/digital/games/2012-10/leserartikel-virtuelle-

abenteuer-videospiele (Zugriffsdatum: 14.06.2014).

[22] Vgl. Köhler, E. (2008), S. 30.

[23] Kunczik, M. (1998), S.273.

[24] Vgl. Köhler, E. (2008), S. 31.

[25] Vgl. http://www.bpb.de/gesellschaft/medien/computerspiele/63741/geschichte-lernen (Zugriffsdatum: 24.08.2014); http://www.ted.com/talks/brenda_brathwaite_gaming_for_understanding (Zugriffsdatum: 24.08.2014).

[26] Vgl. Salisch M. et al. (2007), S. 85.

[27] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 15ff.

[28] Vgl. http://www.ted.com/talks/daphne_bavelier_your_brain_on_video_games#t-22692 (Zugriffsdatum: 24.08.2014).

[29] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 16.

[30] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 17.

[31] Vgl. Winter, R./ Eckert, R. (1990), S. 9.

[32] Vgl. Sacher, W. (1993), S. 313ff.

[33] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 17; Sacher, W. (1993), S. 324f.

[34] Vgl. Köhler, E. (2008), S. 75.

[35] Vgl. Salisch M. et al. (2007), S. 85.

[36] Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A. (2009), S. 621; Geen, G. R./Donnerstein, E. (1998), S. 177f.

[37] Vgl. Russel, G./Donnerstein, E. (1998), S. 178; Kruppa, C. (2008), S. 111.

[38] Vgl. Jo, E./ Berkowitz, L. (1994), S. 43ff.

[39] Vgl. Jo, E./Berkowitz, L. (1994), S. 43ff; Anderson, C./Ford, C. (1986), S. 390ff.

[40] Vgl. Köhler, E. (2008), S. 149.

[41] Vgl. Fritz, J. (1997), S. 229ff.

[42] Vgl. Geen, G. R./Donnerstein, E. (1998), S. 177f.

[43] Vgl. Ahlfeld, B./Strobl, S. (2014); S. 263.

[44] Vgl. Geen, G. R./Donnerstein, E. (1998), S. 179.

[45] Vgl. Zillmann, D. (2004), S. 120.

[46] Vgl. Grodal,T. (2000), S. 197ff; Vorderer, P. (2000), S.21ff.

[47] Vgl. Bierhoff, H-W (2006), S. 178ff.

[48] Vgl. Fischer, P/ Asal, K./Krueger, J. I.(2014), S. 67.

[49] Vgl. Salisch M. et al. (2007), S.93; Bonfadelli, H./Friemel, T. N. (2011), S. 166; Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A. (2009), S. 660ff.

[50] Vgl. Salisch M. et al. (2007), S.93.

[51] Vgl. Miller, P. (1993), S.201ff.

[52] Vgl. Salisch M. et al. (2007), S.95.

[53] Vgl. Köhler, E. (2008), S. 148f.

[54] Vgl. Köhler, E. (2008), S. 149.

[55] Vgl. Frindte, W./Obwexer, I. (2003), S. 142.

[56] Vgl. Köhler, E. (2008), S. 200; Bösenberg, C./Küppers, B. (2011), S. 29ff.

[57] Vgl. http://www.ted.com/talks/jane_mcgonigal_gaming_can_make_a_better_world#t-665089 (Zugriffsdatum: 24.08.2014).

[58] Vgl. Fritz, K. (1995), S. 17.

[59] Vgl. Koch, C. (2014), S. 4.

[60] Vgl. Metz-Göckel, S. et al. (1991), S. 75.

[61] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 11.

[62] Vgl. Stampfl, N.S. (2012), S. 51ff.

[63] Vgl. Bösenberg, C./Küppers, B. (2011) , S. 29ff.

[64] Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/282421/umfrage/soziale-netzwerke--profil-pflegen/ (Zugriffsdatum: 13.07.2014).

[65] Vgl. Kübler, H-D. (1993), S. 21ff.

[66] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 12.

[67] Vgl. Köhler, E. (2008), S.11f; Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A. (2009), S. 492f.

[68] Vgl. http://www.tagesspiegel.de/medien/digitale-welt/lets-play-die-neuenschau- spieler/9941666.html (Zugriffsdatum: 13.07.2014).

[69] Vgl. http://www.twitch.tv (Zugriffsdatum: 13.07.2014).

[70] Vgl. http://www.tagesspiegel.de/medien/digitale-welt/lets-play-die-neuenschau- spieler/9941666.html; https://www.youtube.com/user/PewDiePie/about (Zugriffsdatum: 13.07.2014).

[71] Vgl. Inderst, R. T. (2012), S. 108ff.

[72] Vgl. Huizinga, J. (2011), S. 21.

[73] Vgl. Dechêne, C. F. (2006), S. 27.

[74] Vgl. Van Kenhove, P./De Wulf, K./Van den Poel, D. (2003), S. 11f.

[75] Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A. (2009), S. 491.

[76] Vgl. Steenkamp, J-B. E. M./Baumgartner, H. (1992), S. 434ff.

[77] Vgl. Dechêne, C.F. (2010), S. 7ff.

[78] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 18.

[79] Fritz, J. (2003a), S. 21.

[80] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 19; Brincken von, J./Konietzny, H. (2012), S. 12f.

[81] Vgl. Fritz, J. (1995), S. 39ff; Brincken von, J./Konietzny, H. (2012), S. 19.

Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Gaming und kommerzielle Kommunikation von Videospielen
Hochschule
Hochschule Albstadt-Sigmaringen; Sigmaringen
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
71
Katalognummer
V287818
ISBN (eBook)
9783656879671
ISBN (Buch)
9783656879688
Dateigröße
2286 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gaming, Marketing, Videospiele, Verhaltensforschung, Jugendliche, Gewalt, Virtuelle Realität, Kommunikation
Arbeit zitieren
Frank Backa (Autor:in), 2014, Gaming und kommerzielle Kommunikation von Videospielen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287818

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