Vom Papiertaschentuch zu "Tempo". Produktnamen im Ebenenmodell der Prototypensemantik

Vom Hyponym zum Synonym


Thèse de Bachelor, 2011

45 Pages, Note: 1,0


Extrait


INHALT:

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Produktnamen
2.1.theoretische Grundlagen
2.1.1. Markenrechtlicher Hintergrund
2.1.2. Arten und Funktionen
2.2 Herkunft der gewählten Produktnamen

3. Überblick über die Prototypensemantik
3.1.Standartversion und erweiterte Version
3.2.Die vertikale Dimension des Ebenenmodells
3.3.Einordnung von Produktnamen ins Ebenenmodell

4. Vom Hyponym zum Synonym
4.1.Ziel der Studie
4.2.Aufbau der Studie
4.3.Ergebnisse
4.4.Diskussion der Ergebnisse

5. Bedeutung der Ergebnisse für das Ebenenmodel
5.1.Interkategorielle Dynamik der Begriffe in den Ebenen
5.2.Addition vs. Substituierung

6. Fazit

Quellenverzeichnis

Anhang

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1 : Wort- Bildmarke Foen. Aus: http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/739154/DE [17.11.2011]

Abbildung 2: Wort- Bildmarke Tipp- EX. Aus: http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/1120175/DE [17.11.2011]

Abbildung 3: Gestaltung der Fragen im Fragebogen Abbildung 4: Zusammenfassung der Ergebnisse Abbildung 5: Ergebnisse der einzelnen Fälle

1. Einleitung

„ [ … ] wenn der ü ber die Marke vorgeschlagene Name passt, wird er angenommen, b ü rgert sich ein und kann sogar zum Gattungsbegriff werden. “ 1

Ein Marken- oder Produktname ist ein Name, der bewusst für ein bestimmtes Produkt kreiert wurde. Der Name steht also ausschließlich für eine spezielle Art von Objekten. Nämlich genau für das Produkt eines Herstellers, der mit der Namensgebung bezweckt, dass es ihm zugeordnet wird. So ist es ihm möglich, über den Namen Informationen über das Produkt an die Öffentlichkeit zu kommunizieren, es beispielsweise zu bewerben.

Fragt man eine beliebige deutschsprachige Person nach einem Produkt, mit dem sich durch einen Luftstrom die Haare trocknen lassen, wird man so gut wie einstimmig die Antwort F ö n erhalten. Hinter diesem sprachlichen Ausdruck muss sich also das Konzept eines Objektes, mit den genannten Funktionen, verbergen. Es gilt, dass ein Sprecher mit dem Ausdruck F ö n auf die Gattung der Haartrockner und damit auf jedes Objekt, das in diese Gattung fällt, referieren kann. Die Tatsache, dass der F ö n ein Produkt der Firma AEG ist, und damit als Markenname ursprünglich nur für ein bestimmtes Produkt steht, entfällt.

Bittet eine Person um ein Tempo, wird auch diese Person nicht irritiert sein, wenn ihr ein Taschentuch einer beliebigen Marke gereicht wird, da auch hier die Bezeichnung das Merkmal der spezifischen Marke verloren hat und zum Gattungsbegriff für Taschentücher aller Marken geworden ist.

Die Prototypensemantik versucht zu erklären, warum in bestimmten Situationen bestimmte Begriffe gewählt werden. Zur Erklärung dient ein Modell, in dem Begriffe in Kategorien eingeordnet und die Kategorien in eine hierarchische Ordnung gesetzt werden. In diesem Modell müssten die Begriffe Haartrockner und Taschentuch als Gattungsbegriffe ausgewählt werden, da sie hierarchisch auf derjenigen Ebene liegen, deren Begriffe in Alltagssituationen angewendet werden. Die Produktnamen hingegen, als Hyponyme zu den Gattungsbegriffen, fänden sich auf einer untergeordneten Ebene. Hyponymie beschreibt im Sinne dieser Arbeit also nicht nur „a relation between words” sondern “as well [...] a relation among the categories they define“2. Daher werden nicht nur Produktnamen als Hyponyme zu Bezeichnungen von Produktgattungen, sondern auch die Produkte als solche als Hyponyme zur jeweiligen Produktgattung gesehen.

Aus den oben beschriebenen Beobachtungen zu F ö n und Tempo ergibt sich die These, dass zumindest in Bezug auf Produktnamen, das Ebenenmodell nicht rein statisch sein kann, sondern eine interkategorielle Dynamik der Begriffe zulassen muss. Weiterhin kann man annehmen, dass die Verwendung als Gattungsbegriff den Namen als Begriff und somit das Produkt anonymisiert. Damit verliert er eine der grundlegendsten Funktionen eines Produktnamens, nämlich die kommunikative Funktion, die vom Hersteller ausgeht und an den Konsumenten gerichtet ist.

Um diese Thesen zu verifizieren, wurden in der Studie Vom Hyponym zum Synonym zehn Produktnamen, von denen eine Verwendung als Gattungsbegriff vermutet wird, in ihrer alltagssprachlichen Verwendung im Deutschen mit der Verwendung der jeweiligen ursprünglichen Gattungsbegriffe verglichen.

Bevor die Studie in dieser Arbeit vorgestellt und ihre Ergebnisse erläutert und diskutiert werden, wird zunächst ein Überblick über Arten und Funktionen von Produktnamen gegeben und relevante markenrechtliche Hintergründe vorgestellt. Dadurch soll aufgezeigt werden, welche Relevanz das Phänomen in der wirtschaftlichen und juristischen Praxis hat.

Ausgehend von diesen theoretischen Grundlagen werden anschließend die zehn untersuchten Produktnamen, ihre Entstehungsgeschichte und die des Produktes vorgestellt.

Die Theorie der Protoypensemantik wird in der Gesamtheit im nachfolgenden Kapitel umrissen und ihre Entwicklung und Strömungen aufgezeigt. Der Fokus an dieser Stelle liegt auf der Rolle und Funktion des Ebenemodells. Das Ebenenmodell selbst wird in einem weiteren Kapitel ausführlich erklärt. Im Unterkapitel 3.3 werden auch die Produktnamen konkret eingeordnet und für die Arbeit relevante Begrifflichkeiten definiert.

Nach der Darstellung und Auswertung der Studie wird die Relevanz der Studie für das Ebenemodell der Prototypensemantik verdeutlicht und die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Kontext der Arbeit diskutiert.

In den letzten beiden Kapiteln wird eine Bilanz der Arbeit gezogen. Zunächst wird dabei in Kapitel fünf die Bedeutung der Studienergebnisse für das Ebenenmodell der Prototypensemantik erläutert. Im abschließenden Fazit, Kapitel sechs, werden die wichtigsten Punkte der Arbeit zusammengefasst und deren Bedeutung sowohl für die lexikalische Semantik als auch für die wirtschaftliche Entwicklung und juristische Beurteilung von Produktnamen erklärt.

2. Produktnamen

Der Name eines Produktes steht als sprachliches Zeichen für das Produkt selbst. Ein Sprecher kann mit der Nennung des Produktnamens auf ein bestimmtes Produkt referieren und bei einem Hörer eine Vorstellung dieses Produktes auslösen.

Produktnamen entstehen jedoch nicht im natürlichen Prozess der Entwicklung einer Sprache. Sie verändern sich im Laufe der sprachlichen Entwicklung nicht, sondern werden von denjenigen, die das Produkt oder die Marke erschaffen, bewusst gewählt. Sie sind also Ergonyme3. Damit steckt in einem Produktnamen, in dieser Arbeit synonym mit Markennamen, auch immer eine Aussagen über das Produkt und ein kommunikativer Aspekt, der sich an potentielle Käufer richtet.

Der Prozess einen Produktnamen zu finden, wird von ROMAN ATONOFF als eine Form vom Kunst, als ein kreativer Prozess, beschrieben:

„Namensfindung ist eine Kunst, die wissenschaftlich nicht zu praktizieren ist. Wissenschaft kann zwar Namen erklären oder erforschen, das Finden oder Erfinden eines Namens ist und bleibt ein kreativer Akt“4

Diese Aussage impliziert bereits, dass es im Voraus schwer zu sagen ist, ob ein Name erfolgreich ist und von der Gesellschaft gut angenommen wird, oder ob er, natürlich in einer Wechselwirkung mit dem tatsächlichen Produkt, versagt. Die Frage nach der Funktion von Markennamen kann wie folgt beantwortet werden:

„Was steckt in einem Namen? Heute steht er für viel mehr als nur funktionale Vorteile. Die Marke heute ist idealerweise ein Produkt, das funktionalen Nutzen aufweist[...] und dazu Erlebnisnutzen, das heißt subjektive Werte, die für den einzelnen Verbraucher so bedeutsam sind, dass sie dieses Produkt kaufen“5

Es gibt natürlich wahrnehmbare Tendenzen in der Gestaltung der Produktnamen. Obwohl es für die Kreation keinen wissenschaftlichen Ansatz gibt, existieren in der Praxis bestimmte Methoden einen Produktnamen zu finden. Diese bieten damit auch eine Möglichkeit, sie zu klassifizieren.

Bevor die Produktnamen und deren Verwendung im empirischen Teil der Arbeit vorgestellt und deren Auswahl begründet wird, werden zunächst einige theoretische Grundlagen bezüglich der Markennamen und des Markenrechts vorangestellt.

2.1. Theoretische Grundlagen

Eine wichtige Funktion eines neuen Namens, und gleichzeitig eine der größten Herausforderungen im Prozess der Namensfindung, ist der rechtliche Schutz der Marke. Da auch im Markenrecht das Phänomen, dass ein Produktname zum Gattungsbegriff werden kann, nicht unbeachtet geblieben ist, soll der rechtliche Hintergrund einer solchen Entwicklung kurz dargestellt werden.

Schwerpunkt dieses Kapitel ist die Vorstellung einiger Arten von Produktnamen und ein Versuch, diese zu kategorisieren. Außerdem wird jeweils die Funktion der Namensart erklärt, um die Ergebnisse aus dem späteren Verlauf der Arbeit auch im Hinblick auf die Besonderheiten der unterschiedlichen Namen interpretieren zu können.

2.1.2 Markenrechtlicher Hintergrund

Wie bereits erwähnt, steht der Name eines Produktes für das Produkt selbst. Damit ist er auch eines der signifikantesten Alleinstellungsmerkmale jedes Produkts. Die Beziehung zwischen Produkt und Namen ist also wechselseitig, der Name definiert das Produkt, während dieses teilweise über den Namen definiert wird.

Wirtschaftlich gesehen hat ein Produktname, im Rahmen der Corporate Identity des Unternehmens, eine hohe Bedeutung, wie auch aus einer These ATONOFFS hervorgeht, die besagt, dass „Eine optimale CI entsteht [...] wenn Firmenname, Produktname und Terminologie harmonisch aufeinander abgestimmt sind.“6

Neben der Kreation einer stimmigen Corporate Identity hat ein Markenname jedoch auch eine für das Unternehmen wichtige rechtliche Bedeutung, die darin besteht, „dass die Eintragung einer Marke es ihren Inhabern ermöglicht, Bezeichnungen nahezu vollständig zu monopolisieren.“7 Damit wird nicht nur die Bezeichnung zum Monopol, sondern auch die Vorstellung, die in einem Hörer bei der Rezeption des lautlichen Zeichens ausgelöst wird.

Betrachtet man allerdings das Phänomen der zum Gattungsbegriff gewordenen Produktnamen, welches Gegenstand dieser Arbeit ist, wird deutlich, dass sich in diesen Fällen die Vorstellung nicht mehr ausschließlich mit dem Referenzobjekt deckt, sondern sich auf alle Objekte der Gattung ausgeweitet hat. Begriffe, die zuerst Gattungsbegriff sind, dürfen laut Gesetz nicht als Markenname eingetragen werden8. Entwickelt sich ein Produktname allerdings nachträglich zu einem Gattungsbegriff, sieht die Rechtsprechung laut §49 Abs. 2 Nr.1 des Markengesetzes den „Verfall eines Kennzeichens wegen Umwandlung zu einer gebräuchlichen Bezeichnung“9 begründet.

Da der Verfall des markenrechtlichen Schutzes vor allem Vorteile für Konkurrenzprodukte bietet, ist ein rechtlicher Verfall des Schutzes erst dann möglich, wenn der Inhaber der Marke es versäumt hat, gegen Medien, Unternehmen und Personen vorzugehen, die den Produktnamen als Gattungsbegriff nutzen und dabei nicht auf das spezifische Produkt referieren wollen10.

Die Umwandlung von einem spezifischen zu einem gebräuchlichen Begriff sollte immer dann durchgesetzt werden, „wenn nur noch weniger als 10% den Begriff als Herkunftshinweis verstehen“11, also von der Bezeichnung ausschließlich auf einen Hersteller schließen.

Es wurde bereits erwähnt, dass eine einheitliche Corporate Identity, in der Firmenname, Produktname und die sonstige genutzte Terminologie, aufeinander abgestimmt sind. In dem kreativen Prozess, in dem ein Produktname entsteht, muss neben diesem Aspekt jedoch auch beachtet werden, dass der Name zum Produkt passt oder zumindest keinen negativen Eindruck vermittelt.

Um diese Funktionen gewährleisten zu können, entstehen verschiedene Arten von Produktnamen.

2.2 Arten und Funktionen

Ein Produktname ist zunächst der Kategorie der Ergonyme zugehörig12. Es ist also ein Begriff, der von Menschen kreiert wurde, um ein ebenfalls von ihnen kreiertes Objekt zu bezeichnen.

In linguistischer Hinsicht unterscheidet unter anderem HERSTATT vier verschiedene Unterarten von Produktnamen, die anhand ihrer Funktionsweise klassifiziert werden. So nennt er die relativ neutralen Markennamen, die Markennamen mit vornehmlich phonetisch bedingter Aussagekraft, diejenigen mit vornehmlich semantischer Aussagekraft und die Markennamen, deren Aussagekraft sowohl semantisch als auch phonologisch bedingt ist13. HERSTATT nimmt außerdem eine Auswertung der Namen der verschiedenen Kategorien im Hinblick auf ihre Zieleignung vor14. Die Zieleignung nach HERSTATT umfasst linguistische Aspekte und den Grad der kognitiven Verarbeitung beziehungsweise des Erfolgs der Einprägung. Daher ist es sinnvoll, seine Klassifikation im Zusammenhang mit der Prototypensemantik heranzuziehen.

BUGDAHL hingegen stellt in seinem Buch ERFOLGSFAKTOR MARKENNAME, an konkreten Beispielen vor, welche Informationen auf welche Art aus Produktnamen hervorgehen15 oder, im Umkehrschluss, welche Informationen in der Praxis als Grundlage genutzt werden, um einen Markennamen zu kreieren. Die Klassifikation BUGDAHLS stellt also die Sicht von Hersteller und Konsument auf Produktnamen dar.

Er nennt unter anderem Beispiele von Produktnamen, die aus Vor- oder Nachnamen des Herstellers, des Firmen- oder des Ortsnamens entstanden sind. Auch Kombinationen, Abbreviationen oder Kontraktionen dieser Begriffe sind, laut BUGDAHL, gängig.

Nach HERSTATTS Verständnis zählen diese Namen zu relativ neutralen Produktnamen, da ihnen keine Aussage über das Produkt selbst zu entnehmen ist. Der Vorteil, oder die höchste Zieleignung, dieser Namen liege darin, dass sie beliebig konditioniert werden können und es unwahrscheinlich ist, das Komplikationen bei der rechtlichen Eintragung des Namens oder eine negative Behaftung auf Seiten der Konsumenten entstehen16. Die Nachteile liegen darin, dass relativ neutrale Markennamen schlechter aktiviert, wahrgenommen, erinnert und ausgesprochen werden können. Auch die Vermittlung von Botschaften durch den Markennamen sei eingeschränkt und es würden weniger Assoziationen geweckt werden.

Markennamen, deren Aussagekraft größtenteils phonologisch bedingt ist, sollen „dem Konsumenten produktbezogene Vorstellungsbilder durch ihr Klangbild vermitteln“ und werden „auf der Grundlage der Laute und Lautverbindungen“ gestaltet17. So würden Laute benutzt und kombiniert, die bestimmte Eindrücke erwecken sollen. Eine weitere Möglichkeit sei es, fremdsprachliche Ausdrücke aufgrund ihrer Phonologie zu nutzen. Bei BUGDAHL fielen darunter die ursprünglich bedeutungsleeren Namen und diejenigen, die aus Übersetzungen aus Fremdsprachen entstanden sind.

Neben den Vorteilen, die auch relativ neutrale Markennamen bieten, haben Namen mit phonologisch bedingter Aussagekraft außerdem die Vorteile eindeutige und sprachgebundene Assoziationen zu wecken und emotionale Botschaften übermitteln zu können.

Laut BUGDAHL sei es weiterhin gängig, den Produktnamen an eine Eigenschaft der Produkte, dessen Inhalt oder Anwendung anzulehnen. Außerdem werden Namen aufgeführt, in denen auf fiktive oder religiöse Personen angespielt wird, die an das Lateinische angelehnt sind, alchemistisch oder astronomisch klingen.

In HERSTATTS Klassifikation fallen diese unter die Namen, deren Aussagekraft semantisch bedingt ist. Dabei unterscheidet er wiederum in unmittelbar semantisch und symbolisch beschreibend, was in diesem Kontext jedoch nicht weiter beachtet werden muss.

Eine semantische Aussagekraft kann nur dann entstehen, wenn ein Name „den Konsumenten produktbezogene Botschaften durch ihren semantischen Gehalt [vermittelt]“18. Um diese Vorraussetzung zu erreichen, muss der Name zumindest partiell schon unter den Konsumenten bekannt und positiv konnotiert sein. In der Studie HERSTATTS ergab sich, dass diese Namen zwar schwerer zu schützen sind und die Gefahr besteht, dass sich negative Konnotationen entwickeln, dass sie aber gegenüber den beiden erstgenannten Arten von Produktnamen einige Vorteile bieten. Im Gegensatz zu Produktnamen, die durch ihre Phonologie wirken, können diejenigen, die aufgrund ihres semantischen Gehalts wirken, zwar keine sprachgebundenen Assoziationen wecken, sie lassen allerdings eindeutige Assoziationen entstehen und vermitteln sowohl emotionale als auch rationale und komplexe Botschaften. Außerdem können sie vom Konsumenten leichter ausgesprochen, leichter in Erinnerung behalten und im Sprachgebrauch schneller aktiviert werden. Ihre schnellere korrekte Wahrnehmbarkeit ist ein weiterer Vorteil. Die Produktnamen mit semantischer Aussagekraft bieten somit die meisten Vorteile in der kognitiven Verarbeitung.

Produktnamen, deren Aussagekraft sowohl auf ihrer Phonologie als auch auf ihrem semantischen Gehalt aufbauen, sind auch in ihren Ergebnissen eine Mischform der beiden Formen. Eine genaue Aussage über ihre Zieleigung ist auch HERSTATT nicht möglich. In BUGDAHLS Darstellung der unterschiedlichen Produktnamen lassen sich zu diesem Punkt Beispiele von Produktnamen finden, deren Wort- oder Zeichenfolge geändert wurde, deren Orthographie ihrer Phonologie entspricht und einige Weitere.

Aus den Ergebnissen HERSTATTS ergibt sich, neben einer linguistischen Klassifikation der Produktnamen, ein weiterer wichtiger Punkt für diese Arbeit. Aufgrund der vermittelten Assoziationen und Botschaften, ihrer leichteren Wahrnehmbarkeit und Aussprechbarkeit, und der hohen Aktivierbarkeit beziehungsweise Erinnerbarkeit scheinen Produktnamen, die einen hohen semantischen Gehalt haben, kognitiv am besten repräsentiert zu sein.

Auch in der Prototypentheorie, die im späteren Verlauf der Arbeit dargestellt wird, wird danach gefragt, welches der beste Begriff für ein Objekt ist. Zur Verdeutlichung der mentalen Kategorisierung von Begriffen wurden Modelle kognitiver Kategorien aufgestellt. Dabei gilt der Begriff, der kognitiv am besten repräsentiert ist, da er die meisten spezifischen Merkmale einer Klasse aufweist, als Prototyp und damit als bester Vertreter einer Kategorie beziehungsweise, im Hinblick auf Begriffe, als bester Gebrauch eines Wortes.

Um bezüglich der zehn Produktnamen, die in dieser Arbeit speziell untersucht worden sind, Zusammenhänge zwischen ihrem semantischen Gehalt und ihrer kognitiven Repräsentation herstellen zu können, soll zunächst ihre Herkunft nach den in diesem Kapitel vorgestellten Gesichtspunkten und den historischen Fakten geklärt werden.

2.2 Herkunft der gewählten Produktnamen

Die Herkunft eines Produktnamens als Wort und die Entstehungsgeschichte des Produktes mit dem jeweiligen Namen sind eng miteinander verwoben. Teilweise liegt diese Entwicklung jedoch soweit zurück, oder ist durch den Verkauf einer Marke oder Eingliederung in die Linie eines anderen Herstellers so schwer nachvollziehbar, dass nur noch wenige Informationen auffindbar sind.

Alle zehn gewählten Produkte haben jedoch gemein, dass sie in Deutschland als eines der ersten Produkte aus der jeweiligen Gattung auf dem Markt waren. Außerdem handelt es sich bei allen Produkten um alltägliche Gebrauchsgegenstände, bei denen eine hohe Wiederkaufsrate anzunehmen ist.

Das Papiertaschentuch Tempo wurde 1920 erstmals als Marke eingetragen und war das erste Papiertaschentuch, das auf dem Markt erhältlich war. Der Name des Produkts enthält keine direkten Informationen über den Hersteller oder das Produkt, sondern soll den schnelllebigen Zeitgeist der Epoche wiederspiegeln, in der Produkte, die schnell und spontan verfügbar sind, modern geworden waren.19 Er vermittelt also indirekt das Alleinstellungsmerkmal des Papiertaschentuchs gegenüber dem traditionellen Stofftaschentuch, nämlich dass es jederzeit erhältlich und verwendbar, und zudem ein Wegwerfprodukt ist. Der Name wirkt also durch seinen indirekten semantischen Gehalt durch Anlehnung an eine Eigenschaft des Produktes. Im Duden wird Tempo als Kurzform für Tempotaschentuch von allen gewählten Produktnamen am deutlichsten als Gattungsbegriff ausgezeichnet.20

Der Name Aspirin hingegen, wie der Hersteller laut eigenen Angaben das „Medikament des Jahrhunderts“ bezeichnet hat, weist auf die chemischen Inhaltsstoffe des Schmerzmittels, kombiniert mit der für Medikamente üblichen Endung -in, hin.21 Für einen Laien ist der Hintergrund des Namens weitgehend undurchsichtig. Damit gehört er zu den relativ neutralen Produktnamen, hat durch die Endung allerdings auch eine Komponente, die es durch ihren semantischen Gehalt den Arzneimitteln zuordnet.

Der Produktname F ö n, oder auch Foen entstand auf Grundlage des gleichnamigen Windes. Er steht also für die Funktion des Produkts, heiße Luft zu Erzeugen und zu bewegen und fällt damit in die Kategorie von Produktnamen, deren Wirkung semantisch bedingt ist. Der Name Foen ist seit 1960 als Wort- und Bildmarke eingetragen und damit rechtlich geschützt.22 Im Duden wird ein F ö hn, orthografisches Synonym zu dem Wind, als „elektrisches Gerät zum trocknen des Haars“23 bezeichnet. Mit dieser Bezeichnung, die phonologisch mit der eingetragenen Marke äquivalent ist, kann der Markenschutz umgangen werden. Die Entstehung des Gattungsbegriffs F ö hn durch den Produktnamen Foen, der vom Hersteller AEG entwickelt worden ist, ist jedoch kaum zu leugnen.

Auch Tipp-Ex ist im Wörterbuch als Gattungsbegriff für Korrekturflüssigkeit zu finden.24 Der markenrechtliche Schutz des Namens ist in diesem Fall allerdings durch das Symbol ® (registered Trademark) gewährleistet. Die Eintragung der Marke fand bereits 1987 statt.25 Es ist anzunehmen, dass der Produktname als Beschreibung des Inhalts gewählt worden ist. Der Bestandteil Tipp bezieht sich auf Dokumente, die an der Schreibmaschine geschrieben, also getippt sind während der Bestandteil Ex, der laut Volker BUGDAHL als Pseudolatein gelten kann, auf die Anwendung zur Löschung des Getippten referiert. Auch dieser Name wirkt also über seinen semantischen Gehalt.

Der Name des Desinfektionsmittel Sagrotan ist eine Mischform eines pseudolateinischen Begriff, ‚ sanus ’, der soviel bedeutet wie ‚ gesund ’ und dem Familiennamen des Geschäftsführers der Herstellerfirma, Arnold Groethuysen. Mit der Eintragung beim Reichspatentamt 1912 ist das Produkt zum heutigen Zeitpunkt bereits einhundert Jahre auf dem deutschen Markt.26 Der semantische Gehalt des lateinischen Begriffs ist bei diesem Namen soweit unkenntlich gemacht, dass der Name zu den relativ neutralen Produktnamen gezählt werden kann.

Die seit 198227 eingetragene Marke Tesa, die „sogar im Wörterbuch "Duden" [...] als allgemein bekannte Marke für Klebefilm“28 angesehen ist, und der Tesafilm verdanken ihre Namen einer Kombination aus dem Vor- und Nachnamen Elsa Tesmers29, es ist also, bezogen auf das Produkt, bedeutungsleer und für den Kunde neutral.

Pampers kamen in den 1950er Jahren, als erste Windeln für den einmaligen Gebrauch in den USA auf den Markt.30 Der Name lässt sich aus dem englischen to pamper ableiten, was soviel bedeutet wie pflegen oder verwöhnen. Damit steckt in der direkten Bedeutung des Produktnamens sowohl eine Aufwertung des Produktes als auch der Hinweis, dass es sich um ein Produkt zur Pflege von Kindern handelt. Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich Hygiene ist der Produktname o.b. Er ist eine Abbreviation, „die diskrete Abkürzung für ‚ohne Binde’“31. Damit wirkt auch dieser Name, sofern der Hintergrund der Abbreviation kommuniziert wurde, durch seinen semantischen Gehalt, indem er den Vorteil des Produktes gegenüber Produkten für den gleichen Zweck wiedergibt. Das Produkt trat 1950, als erstes Produkt der Gattung Tampon, in den deutschen Markt ein32.

Die Marke Pritt wurde in etwa zur gleichen Zeit, im Jahre 1953, als solche angemeldet33. Die Erfindung des Prittstifts als weltweit erster Klebestift fand allerdings erst 1969, auf Grundlage des Drehmechanismus von Lippenstiften, statt.34 Der Name wurde von der Dachmarke Henkel entwickelt und besitzt keinen semantischen Bezug zum Produkt. Die Phonologie des Namens unterstreicht jedoch die schnelle, saubere Handhabe sowie, durch die Endung auf einem Plosiv, den Vorgang der Verklebung.

Die ausgesuchten Produktnamen entscheiden sich also in ihrer Entstehung und es liegen außerdem Unterschiede darin vor, wie der Name mit dem Produkt in Verbindung steht und was er über dieses kommuniziert.

Fakt ist jedoch, dass ein Produktname durch die Zuordnung zu dem Produkt einen semantischen Gehalt gewinnt oder der ursprüngliche semantische Gehalt durch die Merkmale des Produktes ergänzt wird.

In Kapitel 2.2.1 wurde bereits der Markenrechtliche Hintergrund für das Phänomen eines Produktnamens, der zum Gattungsbegriff geworden ist, dargestellt. An diesem Punkt wird auch ersichtlich, dass es sehr schwer ist, den Produktnamen als Gattungsbegriff in Wörterbücher eintragen zu lassen ohne gegen den Schutz der Marke zu verstoßen.

Anhand einer empirischen Erhebung zu verschiedenen Produktnamen und der Interpretation ihrer Ergebnisse unter Einbeziehung des Ebenenmodells der Prototypensemantik soll es in dieser Arbeit dennoch ersichtlich werden, das die Verwendung von Produktnamen als Gattungsbegriffe ein gängiges und nachweisbares Phänomen in der deutschen Sprache ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 : Wort- Bildmarke

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Wort- Bildmarke Foen Tipp- EX

[...]


1 Bugdahl 2005, 47.

2 Murphy 2003, 227.

3 vgl. Platen 1997, 13.

4 Atonoff in Gotta 1988, 74.

5 Gotta 1988,79f.

6 Atonoff in Gotta 1988,72.

7 Croll 2008, 9.

8 vgl. Croll 2008,31 und §4 Abs. 1 Gesetz über den Markenschutz (1874).

9 Croll 2008,31.

10 vgl. Croll 2008,146.

11 Croll 2008,146.

12 vgl. Platen 1997,12.

13 vgl. Herstatt in Gotta,1988, 33ff.

14 siehe auch: Anhang 1 Tabelle: Zieleignung produktbezogener Namenstypen nach Herstatt.

15 vgl. Bugdahl, 2005, 13ff.

16 vgl. Anhang 1 Tabelle: Zieleignung produktbezogener Namenstypen nach Herstatt.

17 Herstatt in Gotta 1988, 39.

18 Herstatt in Gotta 1988, 44.

19 http://www.tempo.net/at/die-marke-tempo/zeitreise/

20 http://www.duden.de/rechtschreibung/Tempo#Bedeutung3

21 http://www.aspirin.de/de/brand/110-jahre-aspirin/index.php

22 http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/739154/DE

23 http://www.duden.de/rechtschreibung/Foehn#b2-Bedeutung-1

24 http://www.duden.de/rechtschreibung/Tipp_Ex#block_1

25 http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/1120175/DE

26 vgl. Knupper und Heper in Gotta 1988,193.

27 http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/1037048/DE

28 http://www.tesa.de/company/history/elsa_tesmer/das-gesicht-von-tesa,2522,1.html

29 vgl. http://www.tesa.de/company/history/elsa_tesmer/das-gesicht-von-tesa,2522,1.html

30 http://www.pampers.com/en_US/pampersHistory

31 http://www.ob-online.de/ob_geschichte/erfolgsgeschichte.jsc

32 http://www.ob-online.de/ob_geschichte/erfolgsgeschichte.jsc

33 http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/661606/DE

34 http://www.prittworld.com/de/ueber-pritt/pritt-geschichte.html

Fin de l'extrait de 45 pages

Résumé des informations

Titre
Vom Papiertaschentuch zu "Tempo". Produktnamen im Ebenenmodell der Prototypensemantik
Sous-titre
Vom Hyponym zum Synonym
Université
University of Marburg
Note
1,0
Auteur
Année
2011
Pages
45
N° de catalogue
V287849
ISBN (ebook)
9783668493865
ISBN (Livre)
9783668493858
Taille d'un fichier
1942 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Umfrage, die zur Erhebung der Daten verwendet wurde sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse befindet sich im Anhang.
Mots clés
Produktnamen, Marketing, Gattungsbegriffe, Semantik, Prototypensemantik, Produkte, Produktname, Namensforschung, Hyponym, Synonym, Studie, empirische Studie
Citation du texte
Lea Manthey (Auteur), 2011, Vom Papiertaschentuch zu "Tempo". Produktnamen im Ebenenmodell der Prototypensemantik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287849

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