Die Schriftstellerexistenz in Peter Handkes "Nachmittag eine Schriftstellers"


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

18 Pages, Note: 2,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Verhältnis des Schriftstellers zur Welt
2.1 Das soziale Umfeld
2.2 Die Beziehung zur Natur

3. „Der Schriftsteller als Ich“

4. Das Verhältnis zu anderen Schriftstellern
4.1 Der Poet
4.2 Der Übersetzer

5. Das Verhältnis des Schriftstellers zu seinem Material
5.1 Die Bedeutung des Schreibens
5.2 Der Umgang mit seinem Material
5.3 Die Angst vor dem Verlust der Sprache

6. Der Schriftsteller Peter Handke

7. Schluss

8. Literaturangaben

1. Einleitung

Was ist ein Schriftsteller?

Ein Mensch, der Bücher schreibt, um Geschichten zu erzählen, um sich frei zu schreiben oder lediglich, um damit Geld zu verdienen. So ähnlich würde man den Normalfall beschreiben. Man erfährt als Leser zwar aus Biographien, wie ein Schriftsteller lebt, wo er geboren ist und wie sein Leben verlief, aber was tut er Nachmittags, wenn er den Stift niederlegt und nun Zeit für sich hat?

Peter Handke beschreibt in „Nachmittag eines Schriftstellers“ autobiographisch genau das. Zeitraum: Genau ein Nachmittag. Der Leser erlebt den Spaziergang mit, den der Schriftsteller nach getaner Arbeit unternimmt.

Auf den ersten Blick, lediglich Beschreibungen der Umwelt, der Wege, die er einschlägt, und Personen, denen er begegnet. Jedoch ist es bei genauem Ansehen ganz und gar nicht so einfach.

Denn man erfährt schnell, dass der Schriftsteller selbst nach der Arbeit nicht abschalten kann. „Also nicht: >>Ich als Schriftsteller<<, vielmehr: >>Der Schriftsteller als Ich<<.“[1]

Der Leser bekommt den Eindruck, als sei ein Schriftsteller immer Schriftsteller, wo er auch ist, oder was er tut.

In meinen Ausführungen soll nun die Schriftstellerexistenz in Peter Handkes Werk „Nachmittag eines Schriftstellers“ erläutert werden. Inwiefern ist ein normales Leben für den „Schriftsteller als Ich“ möglich?

2. Das Verhältnis des Schriftstellers zur Welt

2.1 Das soziale Umfeld

Das Verhältnis des Schriftstellers zu seinem sozialen Umfeld ist im üblichen Sinne schlichtweg gestört. Er hat weder Freunde, noch nimmt er seine Mitmenschen so wahr, als dass sie für ihn Kommunikationspartner sein könnten. Ja, er fürchtet sich in gewisser Weise sogar vor ihnen, denn der Literat sieht in jedem den potentiellen Autogrammjäger und Beobachter, der ihn bis auf die Knochen ausziehen möchte, oder aber einen Menschen, der ihn und seine Bücher nicht versteht bzw. verstehen will und ihn deshalb verabscheut: „der Schriftsteller wurde nicht übersehen. Gleich zwischen den ersten Häusern, kurz nach der Verengung, traf ihn aus einem Haufen von Jugendlichen ein gemeinsamer Blick, nicht etwa des Erkennens, sondern der Verständnislosigkeit oder gar Feindschaft.“[2]

Also wandelt der Schriftsteller meist für sich, macht sein Umfeld zu beobachtbaren Objekten, die in einer anderen Welt leben als er selbst. Und zieht seinen Schluss daraus: Der Schriftsteller als Randexistenz. Ein Außenseiter, der sich zwingend selbst zu diesem gemacht hat, als er den Entschluss fasste zu schreiben. „Schon indem ich, vor wie vielen Jahren nun?, mich absonderte und beiseiteging, um zu schreiben, habe ich meine Niederlage als Gesellschaftsmensch einbekannt; habe mich ausgeschlossen von den anderen auf Lebenszeit.“[3] Er hat erkannt, dass diese Position notwendig ist, denn nur durch die Distanz sieht er mehr als andere, kann seine Umwelt nur objektiv wahrnehmen, wenn er sich nicht einfühlt und ihn nichts berührt, so dass er sozusagen als Beobachter fungiert und nicht am Geschehen teil hat.

So macht er sich nach getaner Arbeit auf, und spaziert in die Stadt, um der ständigen Ruhe in seinem Haus zu entfliehen, die er zwar zum Arbeiten benötigt, ihn aber von der Außenwelt komplett abschneidet. Sein Haus ist die Welt in der er schreiben kann, in der er Ruhe spürt, spüren muss, um seine Welt auf dem Papier zu verfassen. „Eine Fliege im Raum störte ihn jedenfalls mehr als eine Dampframme im Freien.“[4] Denn Geräusche der Außenwelt tragen dazu bei, sich nicht ganz allein auf der Welt zu fühlen, wenigstens passiv an ihr teilzuhaben, zu wissen dass da noch etwas ist, nach der Arbeit.

Er entschließt sich also den Schritt aus dem Schatten zu wagen und ein Stück in Richtung Freiheit zu marschieren.

Auf seinem Weg durch die Stadt „ (...) werden die Stilleben aufgesprengt durch Menschen“[5], die im folgenden näher beschrieben werden sollen.

Seinen ersten Wortwechsel an diesem Tag geht er mit einem Straßenkehrer ein, indem er ihn grüßt. Dieser verkörpert für den Schriftsteller „einen wirklichen, gesunden Menschen“[6], da er sich aufmacht den Feierabend zu genießen und seine Arbeit hinter sich lassen kann. Er fühlt sich von den lebenslustigen, lebendigen Augen verstanden und freut sich einen Menschen zu sehen, der ihn etwas mehr mit der Welt verbindet.

Auf seinem weiteren Weg beobachtet er Menschen und Arbeiter in ihren Räumen: „die vielen, die da heimisch waren“[7] und sieht Leben, Dynamik von der er nur träumen kann. Er der ständig den selben Tagesablauf hat und es nicht vermag sich zu distanzieren. Es hat den „Anschein von Wohnlichkeit durch die gelockerte Krawatte des einen, die offenen Haare der anderen, die in der Flasche aufgeblühten Dezemberzweige. Es war auch, als sei es hier in der Nähe der Behausungen von Absatz zu Absatz wärmer geworden.“7

All das ist für den Schriftsteller faszinierend und er beäugt es ganz genau, denn er kann beobachten, wie andere Menschen ihren Tagesablauf gestalten und sich wohlfühlen. Im Gegensatz dazu, hat er dieses Gefühl ausschließlich nachts in seinem Sessel, wenn alles schläft und ihn Ruhe umgibt. Er muss nicht mehr denken, alles fällt für einen kurzen Moment von ihm ab.

Aus dem Bedürfnis heraus an einem öffentlichen Ort zu sitzen, begibt der Beobachtende sich in ein Restaurant, wo er zu seinem Glück nicht beachtet wird. Hier wird deutlich, wie er seine Umgebung betrachtet und Menschen in sich aufnimmt. „Von den Leuten, die mehr und mehr wurden, zeigten sich ihm nur die Beine und Rümpfe; kein einziges Gesicht.“[8] Diese selektive Wahrnehmung ist kennzeichnend für den Schriftsteller. Durch seine genauen Beobachtungen merkt er sich lediglich Details, „bestimmte Wendungen, Ausrufe, Gesten und Tonfälle“[9], die er einzelnen Gesichtern zuordnen kann. Jedoch kann er nicht von sich behaupten, dass er eines dieser Objekte wirklich kennt, bzw. sich an dessen Namen erinnert. Denn für ihn ist nicht wichtig, wer jemand ist und was er tut, weil er nur einzelne Szenen für seine Geschichten benötigt, die demnach merkenswert sind.

In gleicher Weise mustert er Passanten, die ihm in der Stadt entgegenkommen. Er erhascht den Blick eines Lesers, der ihm mit Wohlwollen und Vertrauen entgegentritt. „Doch gerade durch dieses Erlebnis, so flüchtig wie schön, kam der bis dahin vollkommen gleichmäßige Film ins Rucken.“[10] Endlich lässt ihn seine Wahrnehmung einen Menschen erkennen, der ihn nicht für das hasst, was er ist. Aber auf der Suche nach weiteren lächelnden Augenpaaren, kommt ihm von nun an nur noch ein „Feindheer“[11] entgegen. „Er läuft durch einen Wahnfilm oder Wahrtraum.“[12] Es kommt ihm vor, als würden die Menschen nur einen Sündenbock suchen, dem sie all ihr Umglück zu verdanken haben. Der Schriftsteller projiziert hier seine Gefühle und sein Denken auf die gesamte Umwelt. „Die Genauigkeit“, mit der er die Welt mustert, „bleibt immer subjektiv aufgeladen.“[13] Er befindet sich in seinem eigenen Film, der, wenn er einmal gedreht ist, sich nicht mehr ändern lässt. Es kommt ihm so vor, als würden ihn alle Entgegenkommenden erkennen und ihn deshalb ausschließen. Das Ausschließen scheint aber wiederum zwingend notwendig zu sein, um sich selbst den Menschen nicht zu nähern.

So wie seine Wahrnehmung ihn selbst von dieserart Menschen fernhält, fühlt er sich Gleichgesinnten, meint Randexistenzen wie er, nahe und in gewisser Art und Weise verbunden. Er entdeckt am Straßenrand eine verwahrloste alte Frau, die ihm, als er auf sie zugeht, etwas zu sagen versucht. „Es waren ja auch tatsächlich bloße Silben oder einzelne Laute, wie ihre Blicke ausschließlich für ihren Entdecker bestimmt, dem sie, zusammenhanglos, rätselhaft und zugleich mit um so klarerer Stimme, etwas Dringliches mitteilen wollte. Nur er würde es verstehen – er jedoch ohne weiteres und ganz und gar.“[14]

Mit dem Gefühl genug erlebt zu haben, um am Morgen weiterarbeiten zu können, ist sein letzter Aufenthaltsort eine Kneipe. Hier begegnet ihm ein Betrunkener, der ihn seine fast fertig gedachten Ideen für den nächsten Schreibtag vergessen lässt. Der totale Kontrollverlust, verkörpert durch sein Gegenüber, lässt ihn für einen Moment lang am normalen Leben teilhaben und seine Arbeit vergessen, „und plötzlich galten die Worte alle nichts mehr; ja im Rücklauf wurde auch das ganze bisher, seit dem Sommer, Geschaffene, das in den letzten Stunden ihm die Schultern gestärkt hatte, augenblicks für nichtig erklärt.“[15]

[...]


[1] Nachmittag eines Schriftstellers (NeS) S. 6

[2] NeS S. 41

[3] NeS S. 73

[4] NeS S. 13

[5] Der Nachmittagskünstler

[6] NeS S. 20

[7] NeS S. 24

8 NeS S. 38

9 NeS S. 63

[10] NeS S. 43

[11] NeS S. 44

[12] Der Nachmittagskünstler

[13] Der Nachmittagskünstler

[14] NeS S. 53

[15] NeS S. 70

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Die Schriftstellerexistenz in Peter Handkes "Nachmittag eine Schriftstellers"
Université
University of Wuppertal
Cours
Künstlernovellen des 19. und 20. Jahrhunderts
Note
2,7
Auteur
Année
2002
Pages
18
N° de catalogue
V28833
ISBN (ebook)
9783638305044
ISBN (Livre)
9783638760669
Taille d'un fichier
440 KB
Langue
allemand
Mots clés
Schriftstellerexistenz, Peter, Handkes, Nachmittag, Schriftstellers, Künstlernovellen, Jahrhunderts
Citation du texte
Ellen Becker (Auteur), 2002, Die Schriftstellerexistenz in Peter Handkes "Nachmittag eine Schriftstellers", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28833

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