„Wie ist es zu schaffen, gewöhnliche Menschen – weil wir letztlich nie genug Talente haben werden – zu befähigen, außergewöhnliche Leis-tungen zu erbringen?“ (Malik 2006, 36)
Mit der folgenden Arbeit verfolge ich das Ziel, ein Trainingskonzept für Gründer zu entwickeln, dass die Beurteilung individueller Gründerpotenziale ermöglicht. Hintergrund ist die in der Bundesrepublik Deutschland durch Fördermittel finanzierte Gründungsunterstützung für Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Immer mehr Menschen sehen in der eigenen Selbstständigkeit die größte Chance der Selbstverwirklichung oder den einzigen Weg, ihrer Arbeitslosigkeit zu entkommen.
Traditionelle Anforderungsprofile für Gründer verlangen von Selbst-ständigen Alleskönner zu sein. In unserer heutigen arbeitsteiligen Welt heißt Selbstständigkeit nicht mehr, ständig alles selbst zu tun.
Bereits während meines Studiums gründete ich mit Hilfe des ebenfalls durch Fördermittel finanzierten Lotsendienstes an der Universität Potsdam mein eigenes Unternehmen. Seit Juni 2008 arbeite ich als Trainerin und Coach im Kontext von Gründungen und möchte mit diesem Konzept das Angebot meiner selbstständigen Tätigkeit erweitern. Die Idee für diese Arbeit entwickelte sich aus der Verknüpfung des erworbenen Wissens in meinem betriebswirtschaftlichen Schwerpunkt Gründungs- und Innovationsmanagement und während meiner systemischen Zusatzqualifizierung zum Business Coach. Auch meine eigenen Erfahrungen auf dem Weg in die Selbstständigkeit sowie die Erfahrungen der Begleitung erster Klienten motivierten mich für dieses Thema.
Zur Ableitung der Forschungsfrage werden im zweiten Kapitel zunächst grundlegende Begrifflichkeiten erklärt und die politische und gesellschaftliche Relevanz von Gründungen betrachtet. Es wird erläutert, dass Unternehmertum erlernbar ist und warum eine systemische Perspektive bei dieser Thematik angewendet wird. Damit wird die Entwicklung eines Konzepts für ein Development Center als Weiterentwicklung des Assessment Centers gestützt.
Das dritte Kapitel behandelt die Erfolgsfaktoren von Gründungen. Dabei orientiere ich mich an modernen Anforderungen an Gründer. Es findet eine Auseinandersetzung mit der Gestaltung des Ideenkonzepts, der Gründerpersönlichkeit sowie der Wirtschaftlichkeit einer geplanten Selbstständigkeit statt. [...]
Inhaltsverzeichnis
Darstellungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ableitung der Forschungsfrage
2.1 Begriffsklärungen
(1) Entrepreneurship, Entrepreneur
(2) Existenzgründung und Selbstständigkeit
2.2 Gesellschaftliche und politische Relevanz des Forschungsthemas
2.3 Zur Relevanz einer systemischen Perspektive
2.3.1 Menschen in sozialen Systemen
2.3.2 Unternehmertum lernen
2.4 Development Center: Entwicklung statt Auswahl
2.4.1 Coaching als Disziplin der Systemtheorie
3 Erfolgsfaktoren und Anforderungen an Gründungen
3.1.. Von den Erfolgsfaktoren zum Anforderungsprofil
3.2 Das Ideenkonzept
3.2.1 Kundennutzen
3.2.2 Zielgruppendefinition
3.2.3 Implikationen für das Konzept
3.3 Die Gründerperson
3.3.1 Ressourcenorientierung und Ressourcennutzung
(1 ) Ressourcenbedarf ermitteln
(2) Ressourcen aufzeigen und gezielt einsetzen
3.3.2 Die Gründerperson in sozialen Systemen
(1) Reflexionsbereich: Person und Aufgabe
(2) Reflexionsbereich: Person und Kontexte
(3) Reflexionsbereich: Aufgabe, Ziele und Kontexte
3.3.3 Handlungsprägende Gründer-Eigenschaften
3.3.4... Persönlichkeitsentwicklung
3.3.5 Implikationen für das Konzept
3.4 Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens
3.4.1... Entwicklung der Rentabilitätsvorschau
3.4.2 Implikationen für das Konzept
3.5 Möglichkeiten und Grenzen bei der Beurteilung individueller Gründerpotenziale
4 Das Konzept für das Development Center
4.1.. Tag 1 : Das Ideenkonzept
4.1.1 Ziele des Tages und Nutzen für die Teilnehmer
4.1.2 Input und Methoden
4.2 Tag 2: Die Gründerperson
4.2.1 Ziele des Tages und Nutzen für die Teilnehmer
4.2.2 Input und Methoden
4.3.. Tag 3: Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens
4.3.1 Ziele des Tages und Nutzen für die Teilnehmer
4.3.2 Input und Methoden
4.4 Tag 4: Abschluss
4.4.1 Ziele des Tages und Nutzen für die Teilnehmer
4.4.2 Input und Methoden
4.5 Empfehlungen für Veranstalter
5 Schlussbetrachtung
Anhangsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Darstellungsverzeichnis
Darst.2-1: Johari-Fenster
Darst. 3-1 : Moderne und traditionelle Anforderungen an Gründer
Darst. 3-2: Vom Selbst zur Innovation
Darst. 3-3: Strategisches Dreieck
Darst. 3-4: Ablauforganisation
Darst. 3-5: Dreieck Person - Aufgabe/Ziel - Kontexte
Darst. 3-6: Reflexionsbereich Person - Aufgabe/Ziel
Darst. 3-7: Reflexionsbereich Person - Kontexte
Darst. 3-8: Reflexionsbereich Kontexte - Aufgabe/Ziel
Darst. 3-9: Handlungsprägende Gründer-Eigenschaften
Darst. 3-10: Lernebenen nach Dilts /Ebenen der Veränderung
Darst. 3-11 : Beurteilungskriterien für das Ideenkonzept
Darst. 3-1 2: Beurteilungskriterien für die Gründerperson
Darst. 3-13: Beurteilungskriterien für die Wirtschaftlichkeit
Darst. 4-1 : Zeiten und Inhalte Tag
Darst. 4-2: Zeiten und Inhalte Tag
Darst. 4-3: Zeiten und Inhalte Tag
Darst. 4-4: Zeiten und Inhalte Tag
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„Wie ist es zu schaffen, gewöhnliche Menschen - weil wir letztlich nie genug Talente haben werden - zu befähigen, außergewöhnliche Leistungen zu erbringen?“ (Malik 2006, 36)
Mit der folgenden Arbeit verfolge ich das Ziel, ein Trainingskonzept für Gründer zu entwickeln, dass die Beurteilung individueller Gründerpotenziale ermöglicht. Hintergrund ist die in der Bundesrepublik Deutschland durch Fördermittel finanzierte Gründungsunterstützung für Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Immer mehr Menschen sehen in der eigenen Selbstständigkeit die größte Chance der Selbstverwirklichung oder den einzigen Weg, ihrer Arbeitslosigkeit zu entkommen.
Traditionelle Anforderungsprofile für Gründer verlangen von Selbstständigen Alleskönner zu sein. In unserer heutigen arbeitsteiligen Welt heißt Selbstständigkeit nicht mehr, ständig alles selbst zu tun.
Bereits während meines Studiums gründete ich mit Hilfe des ebenfalls durch Fördermittel finanzierten Lotsendienstes an der Universität Potsdam mein eigenes Unternehmen. Seit Juni 2008 arbeite ich als Trainerin und Coach im Kontext von Gründungen und möchte mit diesem Konzept das Angebot meiner selbstständigen Tätigkeit erweitern. Die Idee für diese Arbeit entwickelte sich aus der Verknüpfung des erworbenen Wissens in meinem betriebswirtschaftlichen Schwerpunkt Gründungs- und Innovationsmanagement und während meiner systemischen Zusatzqualifizierung zum Business Coach. Auch meine eigenen Erfahrungen auf dem Weg in die Selbstständigkeit sowie die Erfahrungen der Begleitung erster Klienten motivierten mich für dieses Thema.
Zur Ableitung der Forschungsfrage werden im zweiten Kapitel zunächst grundlegende Begrifflichkeiten erklärt und die politische und gesellschaftliche Relevanz von Gründungen betrachtet. Es wird erläutert, dass Unternehmertum erlernbar ist und warum eine systemische Perspektive bei dieser Thematik angewendet wird. Damit wird die Entwicklung eines Konzepts für ein Development Center als Weiterentwicklung des Assessment Centers gestützt.
Das dritte Kapitel behandelt die Erfolgsfaktoren von Gründungen. Dabei orientiere ich mich an modernen Anforderungen an Gründer. Es findet eine Auseinandersetzung mit der Gestaltung des Ideenkonzepts, der Gründerpersönlichkeit sowie der Wirtschaftlichkeit einer geplanten Selbstständigkeit statt. Darauf aufbauend werden Beurteilungskriterien erarbeitet, anhand derer Gründerpotenziale identifiziert werden können, sowie Implikationen für das zu entwickelnde Konzept aufgezeigt.
Die Ausgestaltung eines viertägigen Development Centers für Gründer wird in Kapitel vier dargestellt. Neben der Erläuterung der Ziele eines jeden Trainingstages werden auch der Nutzen für die Teilnehmer sowie die Inhalte und Methoden dargestellt. Abschließend liefert das Kapitel Empfehlungen für potenzielle Veranstalter des entwickelten Konzepts. Den Abschluss dieser Arbeit bildet das zusammenfassende Kapitel fünf.
Zur sprachlichen Vereinfachung ist diese Arbeit nicht gegendert. Die jeweils verwendete männliche Form umfasst auch immer die weibliche.
2 Ableitung der Forschungsfrage
„Eine Reise von 1 000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ (Laotse)
Als Einführung in diese Arbeit werden in diesem Kapitel grundlegende Begriffe erläutert (2.1) und die gesellschaftliche und politische Relevanz des Forschungsthemas beleuchtet (2.2). Es wird die Relevanz einer systemischen Perspektive begründet (2.3), die die Betrachtung des Verhaltens von Menschen in sozialen Systemen (2.3.1) und der Fähigkeit, unternehmerisches Handeln zu erlernen (2.3.2). einschließt. Das abschließende Kapitel behandelt die Themen Development Center (2.4) und Coaching (2.4.1).
2.1 Begriffsklärungen
Für einen Einstieg in das Thema und das weitere Verständnis dieser Arbeit folgen Definitionen für die Begriffe Entrepreneurship und Entrepreneur (1) sowie Existenzgründung und Selbstständigkeit (2).
(1) Entrepreneurship, Entrepreneur
Entrepreneurship ist ein dynamischer und holistischer Prozess, der mit Kreativität und Intuition verbunden ist. Dieser Prozess beschreibt die Erkennung von Marktchancen („opportunities“), die „zu innovativen Geschäftsideen und -modellen destilliert werden“ (Jacobsen 2003, 45). Durch die Gründung eines Unternehmens können diese Ideen umgesetzt werden. Entrepreneurship beabsichtigt die Schaffung von Wert („create value“) und die Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen. Dafür werden Ressourcen (z. B. Humankapital) kanalisiert sowie Energie und Zeit investiert. Abgeschätzte Risiken werden in Kauf genommen. Einfluss auf diesen Prozess haben nicht nur das Individuum, sondern auch die Organisationsform und die Umwelt. (vgl. ebd. 2003, 45)
Der Entrepreneur ist die Person, die den beschriebenen Prozess durchläuft, dabei Wert schafft und eigene Ressourcen einsetzt. (vgl. ebd. 2003,
45). Entrepreneur zu sein, bedeutet „eine Rolle, die Individuen einnehmen, wenn sie ein Unternehmen aufbauen“ (Knuth 2008, 7).
(2) Existenzgründung und Selbstständigkeit
Der Mikrozensus als amtliche Statistik Deutschlands unterscheidet bei Existenzgründungen zwischen „originären“ und „derivativen“ Gründungen. Als „originäre Gründung“ wird die Schaffung eines neuen Unternehmens- durch eine oder mehrere natürliche Personen bezeichnet. Eine Unternehmensübernahme oder -pacht durch eine oder mehrere Personen ist eine „derivative Gründung“. Weiterhin grenzt der Mikrozensus das „Spin-off“, als Ausgründung eines Unternehmens aus einem bestehenden Unternehmen, ab. Gesellschaftliche Normen und Förderbedingungen fordern in Verbindung mit einer Existenzgründung „eine nachhaltig tragfähige Vollexistenz“. Neben einem Haupterwerb kann eine Gründung auch einem Zuerwerb dienen. (vgl. Hansch 2006, 496 ff.)
„Der Begriff Existenzgründung beschreibt einen Prozess, in welchem eine natürliche Person eine berufliche Selbstständigkeit erlangt.“ (Frei- ling 2006, 24)
Selbstständigkeit wird im Europäischen System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG) wie folgt definiert:
„Selbstständige werden definiert als Personen, die alleinige oder gemeinsame Eigentümer eines Unternehmens ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind, indem sie arbeiten, ausgenommen diejenigen Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die als QuasiKapitalgesellschaften eingestuft werden.“ (Knuth 2008, 11)
Selbstständigkeit impliziert, dass die Person selbst als tätiger Unternehmer „eigene Entscheidungen für das wirtschaftliche Wohlergehen trifft“, ohne einem Vorgesetzten weisungsgebunden zu sein. Dies beinhaltet die Einkommenserzielung durch eine wirtschaftliche Tätigkeit, die die finanzielle Lebensgrundlage absichert. (vgl. Freiling 2006, 24)
2.2 Gesellschaftliche und politische Relevanz des Forschungsthemas
Vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein weitreichender Wandel von der Produktionsgesellschaft zur Informationsgesellschaft vollzogen. Die Informationsgesellschaft zeichnet sich durch eine völlig neue Wirtschaftsweise aus, in der Produktivität und Konkurrenzfähigkeit von der Fähigkeit abhängen,
„auf effiziente Weise wissensbasierte Informationen hervorzubringen, zu verarbeiten und anzuwenden“. (Castells 2001, 83)
Diese Wirtschaftsform ist global und in Echtzeit vernetzt, wodurch der Output von Wirtschaftshandeln zum Input des Handelns anderer Akteure wird. Sie führt zu veränderten und neuen individuellen Erfahrungen und Identitätskonstruktionen. Daraus folgen die Veränderung von Arbeit, neue Formen der Wahrnehmung von Welt sowie die Präsentation des Selbst. In der neuen Ökonomie wird die individuelle Persönlichkeit zu einer zentralen Produktivkraft. (vgl. Levold 2003, 70 f.; Riddersträle/Nordström 2005, 1 7 ff.)
Ein schnell voranschreitender Wertewandel vollzog sich parallel zu den strukturell-ökonomischen Veränderungen und relativierte traditionsgebundene „Pflicht- und Akzeptanzwerte“ wie Fleiß, Bescheidenheit, Disziplin, Unterordnung, Pflichterfüllung, Höflichkeit und Selbstbeherrschung zugunsten von Wertvorstellungen mit Betonung auf die individuelle Selbstentfaltung, z. B. Kritikfähigkeit, Kreativität, Demokratie, Autonomie, Emanzipation, Genuss, Erlebnisorientierung und offener Ausdruck von Gefühlen (vgl. Levold 2003, 71 f.). Eine starre Organisation der Arbeit behinderte die Entwicklung der Persönlichkeit, weshalb Arbeit und Selbsterfüllung zunehmend als Gegensatz aufgefasst worden. Dieser Werteumbruch bezog sich zwangsläufig auch auf die Haltung zu Arbeit und Beruf. (vgl. Noelle-Neumann/Petersen 2001, 19) In Zukunft wird von den Menschen ein spannungsreiches Persönlichkeitsprofil gefordert. Zu dessen
Realisierung bedarf es aller Voraussicht nach eine „Wertesynthese“ als mentale Grundlage, (vgl. Klages 2001, 10 ff.)
Der Wandel in der Arbeitswelt und der Lebensführung bringt Erwerbstätige als Arbeitsgestalter hervor (vgl. Mutz 2001, 1 5). Die Persönlichkeit wird zur beruflichen Ressource und umgekehrt findet eine Professionali- sierung der Persönlichkeit statt (vgl. Levold 2003, 76). Individuelle Ziele, Bedürfnisse und Motivation rücken in den Vordergrund (vgl. Achouri 2009, 93).
Der Drang nach Erfahrung, Entfaltung und Gestaltung führt zum ökonomisch erfolgreichen kreativen Gründer. Dieser erlebt Arbeit als lustvoll, weil es für ihn Hobby und Freizeit zugleich ist. Sie sind lieber „kleine Herren als große Knechte“. (vgl. Faltin/Zimmer 1996, 78)
Primäres Ziel der Wirtschaftspolitik in Deutschland ist die Verbesserung der Voraussetzungen für Wohlstand. Dahinter steht die Schaffung von Grundlagen für mehr Wachstum und Beschäftigung, das Ermöglichen effizienten, kostengünstigen Wirtschaftens sowie die Sicherung von Wettbewerb und Offenheit auf den Märkten. (vgl. Lachmann 2006, 201 ff.) Als Garant für internationale Wettbewerbsfähigkeit sowie mehr Wachstum und Beschäftigung wird eine hohe Innovationsdynamik angesehen (vgl. Eisenkopf 2007, 201 f.) Im Innovationsindikator 2008 erreicht die Bundesrepublik Deutschland wie im Vorjahr nur Rang acht im Wettbewerb der 17 führenden Industrienationen (vgl. Deutsche Telekomstiftung/BDI 2008, 9; s. Anh. 1 - 2).
Im Jahr 2006 hat die Zahl der Selbstständigen einen Höchststand von 4,68 Millionen erreicht. Stark ausgeprägt ist die kontinuierliche Zunahme bei den Selbstständigen im Zu- und Nebenerwerb[1]. Zwischen 2001 und 2005 ist die Zahl der Selbstständigen im Haupterwerb zwar nur geringfügig, dennoch kontinuierlich auf 3,452 Millionen gestiegen. Erstmalig seit 1996 war im Jahr 2006 ein Rückgang um 2,7 Prozent auf 3,36 Millionen Haupterwerbsselbstständigen gegenüber dem Vorjahr festzustellen. (vgl. Statistisches Bundesamt 2008, 2).
Diese Entwicklung setzt sich bis ins Jahr 2008 fort. Eine seit Mitte 2007 verstärkt einsetzende Erholung auf dem Arbeitsmarkt könnte ein Grund für den Rückgang der Gründungsneigung sein, da potenzielle Gründer eine abhängige Beschäftigung der Selbstständigkeit vorgezogen haben. Traditionell ist die Angst, mit der Gründung eines Unternehmens zu scheitern und eine Gründung deshalb zu unterlassen, in Deutschland groß. (vgl. Brixy et al. 2009, 10 ff.)
Der Global Entrepreneurship Monitor 2008 zeigt auf, dass in Deutschland 2,7 „klassische“ Gründer auf einen „getriebenen“ Gründer kommen. Die Motivgruppe der „klassischen“ Gründer sind in dieser Rechnung Gründer, die unternehmerische Ziele wie Gewinnstreben, der Wunsch nach eigener Verantwortung und Selbstverwirklichung verfolgen. „Getriebene“ Gründer oder Gründer „aus Not“ gründen aus Mangel an Alternativen der Einkommensgenerierung. Der Anteil an „getriebenen“ Gründungen ist im internationalen Vergleich einer der höchsten und ist auf die hierzulande gut ausgebauten Fördermöglichkeiten für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit zurückzuführen. (vgl. ebd., 13)
Bei den technologieorientierten Gründungen liegt die Bundesrepublik Deutschland mit zwölf Prozent aller Gründungen in der Spitzengruppe. Da nicht alle Gründungen gleichermaßen innovativ sind und zum HightechBereich gehören, lässt dieser statistisch signifikant bessere Anteil „auf nachhaltiges Wachstum und die Entstehung hochwertiger Arbeitsplätze hoffen“ (Brixy et al. 2009, 14). Ebenfalls erfreulich ist der Anstieg an Frauengründungen auf 45 Prozent für das Jahr 2008, welche in den Jahren 2004 bis 2006 im Mittel bei nur 32 Prozent lagen. (vgl. ebd., 14 ff.; s. Anh. 3 - 4)
2.3 Zur Relevanz einer systemischen Perspektive
„Ziel ist es nicht, Ursachen für Probleme zu finden, sondern Ziele und Lösungen in der Zukunft zu erreichen“ (Radatz 2006, 186). Die Anwendung der Systemtheorie in den Wirtschaftswissenschaften ist kein willkürlicher Ansatz. Vielmehr geht es um einen Wandel der Perspektive (vgl. Simon 2007, 12). Das systemische Weltbild beinhaltet Selbstorganisation, Subjektivität und Prozesshaftigkeit sowie Intuition statt Rationalität, Synthese statt Analyse, Ganzheitlichkeit statt Reduktion und Kooperation statt Wettbewerb. Auch wenn es „keine systematische wissenschaftliche Ausführung“ gibt, „welche Thesen eine Übertragung auf die Managementlehre“ zulassen, hat es immer wieder Ansätze zur Integration von Systemtheorie in die Managementforschung gegeben. Königswieser und Lutz nennen als Kennzeichen für ein „systemisch-evolutionäres“ Management zum Beispiel Aspekte wie „1) vom Teil zum Ganzen, 2) von Objekten zu Beziehungen, 3) von Strukturen zu Prozessen und schließlich 4) von Objektivität zur Konstruktion der Wirklichkeit“. (vgl. Achouri 2009, 134 f).
2.3.1 Menschen in sozialen Systemen
„Nichts ist wirklich wirklich - aber jeder tut so, als gäbe es die Wirklichkeit.“ (Radatz 2006, 32) Phänomene der Beobachtung lassen sich durch soziale Systeme als reine Konstrukte (Arbeitshypothesen), die nicht angreifbar und dennoch unmittelbar nachvollziehbar sind, einfacher beschreiben. Gemeinsame Strukturen sowie Beziehungs-, Kommunikationsund Handlungsmuster grenzen Systeme voneinander ab. Im Alltag begegnet jeder Mensch durch Zughörigkeit oder Ausgeschlossenheit unterschiedlichen Systemen, z. B. Familiensystemen, Vereinssystemen, Clubsystemen, Unternehmens- oder Abteilungssystemen. (vgl. Radatz 2006, 56 f.; Simon 2007, 17 f.) Laut Luhmann bilden sich soziale Systeme durch stetige Verknüpfung von Kommunikationen als basale Operationen (vgl. Martens/Ortmann 2006, 433).
„Soziale Systeme bilden sich [...] nur dort, wo Handlungen verschiedener psychischer oder sozialer Systeme aufeinander abgestimmt werden müssen, weil für die Selektion der einen Handlung die andere Voraussetzung ist oder umgekehrt.” (Luhmann 1984, 161)
Menschen entstehen im System. Sie sind nicht immer die gleichen und verwirklichen sich auch nicht immer in eine Richtung. Der Wechsel in ein neues System in Verbindung mit einem Rollen-, Funktions- oder Aufgabenwechsel erklärt Verhaltensänderungen. Personen verhalten sich zur gleichen Zeit in unterschiedlichen Systemen differenziert. (vgl. Radatz 2006, 60 ff.)
Im Beruf, aber auch im Privatleben, setzt erfolgreiches Handeln voraus, sich verschiedener, teilweise widersprüchlicher Rollenerwartungen bewusst zu sein, diese flexibel anzunehmen oder sich bewusst davon abzugrenzen, um die eigene Person und Zielsetzung nicht zu vergessen. (vgl. Schmid 2008a, 2ff.; Linke 2003, 1 31)
2.3.2 Unternehmertum lernen
In jedem Menschen ist Lebensenergie verborgen, Energie als ein Maß von Aktivität und Veränderung. Schumpeter definiert unternehmerische Energie als Lebensenergie, die entwickelbar ist. Durch die Kultivierung dieser Energie, die als Potenzial in jedem steckt, kann sich der Mensch selbst als Unternehmer erzeugen. (vgl. Röpke 2002, 37)
Röpke bezieht sich auf Beiträge von Kent (1990), Klandt und MüllerBölling (1993), Rosa et al. (1996) sowie Scott (1998) und Klandt (1999) bezüglich der Möglichkeit, unternehmerisches Verhalten zu erlernen. Auch im neurolinguistischen Programmieren (NLP) heißt es: „Was einer kann, kann jeder (lernen)“ (Röpke 2002, 38). Soziobiologische Autoren widersprechen hingegen und argumentieren, dass es die Gene richten und die Persönlichkeit nicht veränderbar ist. (vgl. ebd., 37 f.)
In dieser Arbeit folge ich der Grundannahme Röpkes (2002, 38 f.), der behauptet, dass jeder Mensch „eine positive Veränderungsfähigkeit“, also eine „potenzielle Fähigkeit zur Selbstevolution“ als Ressource in sich trägt. Ferner ist die Entfaltung der eigenen Potenziale bewusstseinsgesteuert, und dieses Bewusstsein lässt sich nur selbst entwickeln. (vgl. Westerfeld 2003, 100 f.)[2]
„Der unternehmerische Mensch gewinnt die Herrschaft über seinen Körper, seine Biologie, seine Gene. [...] In dem Ausmaß, in dem er lernt, sich genetisch aufzurüsten, vermag er unternehmerische Visionen in längeren Zeithorizonten anzusiedeln. Eine zunehmende Befreiung vom biologischen Körper macht eine psychische und spirituelle Kultivierung des Selbst aber umso dringender und wichtiger.“ (Röpke 2002, 39)
Unternehmerisches Handeln beinhaltet mehr als das Vorhandensein von Fachwissen sowie spezifischen Methoden und Techniken. Unternehmertum und Selbstständigkeit sind vor allem eine Sache der Einstellung und des Verhaltens. Nicht nur von der bisherigen, sondern auch von der zukünftigen Persönlichkeitsentwicklung eines Gründers hängt ab, ob sich unternehmerische Denk- und Handlungsweisen noch aufbauen lassen (vgl. Westerfeld 2003, 100 f., 1 54 f.).
2.4 Development Center: Entwicklung statt Auswahl
Die Erkenntnisse der Auseinandersetzung mit der Systemtheorie, insbesondere mit dem Verhalten von „Menschen in sozialen Systemen“ unterstützt meine Meinung, dass die Beurteilung von Gründerpotenzialen in Form eines Development Centers erfolgen soll. Bisher werden dazu klassische Assessment Center verwendet.
Assessment Center dienen der Einschätzung aktueller Kompetenzen oder der Prognose künftiger beruflicher Entwicklung. Die Zusammenstellung mehrerer eignungsdiagnostischer Instrumente oder leistungsrelevanter Aufgaben bildet eine multiple Verfahrenstechnik. Zur Anwendung kommen Assessment Center nicht nur bei der Auswahl zukünftiger Mitarbeiter, sondern ebenfalls als organisatorisches Beurteilungs- und Förderinstrument. (vgl. Schuler 1992, 2) Die Betrachtung in einem solchen Kontext existiert noch nicht lange, denn das Assessment Center war im Verlauf seiner Entstehung und Entwicklung ein spezielles Instrument der Personalauswahl (vgl. Fisseni/Fennekels 1995, 6).
Eine innovative Weiterentwicklung des Assessment Centers, in der nicht die Beurteilung, sondern vielmehr die Entwicklung der Person im Fokus steht, ist das Development Center, in dem die Teilnehmer typische AC- Übungen absolvieren, um ein intensives Feedback zu erhalten (vgl. Eck/Jöri/Vogt 2007, 93). Das Development Center kann daher als intensive Trainingsmaßnahme mit AC-Elementen betrachtet werden. Deutliche Abgrenzungsmerkmale zum AC sind teilnehmende statt neutraldistanzierte Beobachter, die Konzentration auf entwickelbare Dimensionen (z. B. Kommunikation statt Grundintelligenz) sowie ein inszeniertes Lernen und Feedback innerhalb des Verfahrens. Der Mehrnutzen für die Teilnehmer ist das Lernen wichtiger Anforderungen und das Wissen ihrer Fremdwirkung dazu, das Aufzeigen erster Veränderungen während der Veranstaltung, die Lernzielsetzung und -verfolgung im Anschluss an das DC sowie erkennbare Verhaltensänderungen im Alltag. (vgl. Eck/Jöri/Vogt 2007, 42 f., Obermann 2006, 328 f.)
Das in Darstellung 2-1 visualisierte Johari-Fenster verdeutlicht, wie sich durch Feedback das eigene Selbstbild mit der Wahrnehmung anderer vergleichen lässt. Bewusste und unbewusste Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale zwischen einer Person und anderen bzw. einer Gruppe werden durch Feedback-Übungen aufgezeigt.
„Feedback ist eine Rückmeldung an eine Person über deren Verhalten und wie dieses von anderen wahrgenommen, verstanden und erlebt wird. Solche Rückmeldungen finden im Kontakt mit anderen ständig statt, bewusst oder unbewusst, spontan oder erbeten, in Worten oder körpersprachlich.“ (Achouri 2009, 6 f.)
Öffentlich sind die Anteile der Persönlichkeit, die einem selbst und auch anderen bekannt sind, weil sie nach außen getragen werden. Beziehungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Darst. 2-1: Johari-Fenster
hingegen werden ganz wesentlich von nicht-öffentlichen Bereichen bestimmt. Was der Betroffene von sich weiß oder kennt, aber anderen gegenüber nicht zugänglich macht oder aktiv vor ihnen verbirgt, ist geheim. Alles, was weder dem Betroffenen noch Dritten bekannt ist, ist unbekannt. Das Johari-Fenster illustriert insbesondere den so genannten „Blinden Fleck“ im Selbstbild eines Menschen, also alles, wovon der Betroffene selbst keine Ahnung hat, Dritte jedoch sehr wohl darum wissen. Das Ziel beim Lernen in der Gruppen ist, den Bereich der öffentlichen Person größer und alle anderen Bereiche kleiner werden zu lassen, indem der gemeinsame Handlungsspielraum transparenter und weiter gestaltet wird. (vgl. Achouri 2009, 6 ff.)
Für das zu entwickelnde Konzept werde ich ein Development Center gestalten, in dem systemisches Denken und Handeln sowie die im nächsten Kapitel behandelten Erfolgsfaktoren Berücksichtigung finden. Durch die Teilnahme an einem solchen DC erhalten Gründungsinteressierte die Möglichkeit, ihr Ideenkonzept und ihre Person zu reflektieren und weiter zu entwickeln.
2.4.1 Coaching als Disziplin der Systemtheorie
„Problem talking creates problems. Solution talking creates solutions“ (Steve de Shazer, in: Radatz 2006, 69) Eine Disziplin der Systemtheorie ist systemisches Coaching, eine „Beratungsform auf dem Wege zur Professio- nalisierung“ (vgl. von Bose et al. 2003, 3). Eine systemische Denk- und Handlungsweise im Kontext von Unternehmensgründungen und - leitungen ist für mich unabdingbar, insbesondere bei der Auseinandersetzung der Gründerperson und ihrer sozialen Systeme (siehe hierzu auch Kapitel 3.3.2)
(1) Anlässe und Themen für systemisches Coaching
Anlässe für Systemisches Coaching können rollenspezifisch, aber auch personen- oder organisationsspezifisch sein. Die Klienten - Coachees - sind meist Führungskräfte und Verantwortungs- bzw. Entscheidungsträger. Coaching ist für diese Zielgruppe Beratung, Begleitung, Betreuung und damit individuelle Unterstützung, die eine berufliche und persönliche Standortbestimmung, Feedback, Reflexionsmöglichkeit, Neuorientierung, Selbstfindung oder die Eröffnung neuer Sichtweisen bietet.
Als Entwicklungsinstrument ermöglicht Coaching Leistungssteigerung. Der lösungs- und ressourcenorientierte Fokus zielt auf den bewussten Ausbau und Einsatz von Stärken, somit auf die Offenlegung und Erarbeitung von Fähigkeiten. Als Instrument der Problembewältigung und Bearbeitung von Defiziten findet Coaching ferner Anwendung - zur „mentalen Vorsorge“ oder „Burnout-Prophylaxe“. (vgl. von Bose et al., 6 f.; Schmid 2005, 1 f.; Schmid 2008, 2 ff.)
(2) Einzelcoaching in der Gruppe
Die Nutzung kreativen Potenzials von Gruppen wird oft als Erklärungsansatz für die Entstehung von Kreativität genannt. Gruppen liefern mehr verwertbare Ideen - einen höheren Kreativitätsoutput - verglichen mit der
Summe der Ideen einzelner Individuen, da Gruppenmitglieder wechselseitig angeregt werden, (vgl. Fuglistaller et al. 2008, 89)
„Ich glaube nicht, dass Kreativität die Gabe einer guten Fee ist. Ich glaube, sie ist eine Fertigkeit, die wie Autofahren geübt und gelernt werden kann.“ (Edward de Bono, in: Malek/Ibach 2004, 282)
Kooperative Interdependenz bezeichnet die Konstellation, in der die erfolgreiche Leistung eines Gruppenmitglieds auch die Leistung der übrigen Gruppenmitglieder vorantreibt. Diese sind motiviert, individuelle Ressourcen wie Aufwand, Wissen, Zeit beizutragen, solange ihre privaten Interessen die gleichen sind und gemeinsamen Interessen dienen. (vgl. Wilke/Wit 2002, 505)
Anhaltspunkte, wie aus Vorhandenem Neues und, nach bestimmten Kriterien, Besseres entstehen kann, liefern Kreativitätstechniken, z. B. Brainstorming (vgl. Malek/Ibach 2004, 282). Gruppen ermöglichen diesbezüglich nicht nur das Hervorbringen von Ideen, sondern auch die Sammlung und Nutzung der bei den Gruppenmitgliedern schon verfügbaren Informationen, die aufgrund des persönlichen Spezialwissens, der jeweiligen Befähigung und Vorerfahrung recht unterschiedlich ausfallen können. (vgl. Wilke/Wit 2002, 519) Tom Kelley zählt zu den Kennzeichen von „Hot Groups“, mit Leib und Seele dabei zu sein, das Endergebnis erreichen zu wollen, für das eine fast nicht zu realisierende Deadline gesetzt ist. In diesen „Hot Groups“ gibt es weder Hierarchien noch Ehrfurcht, stattdessen eine Vielfalt an Teilnehmern unterschiedlicher Disziplinen, die in einer flexibel gestaltbaren Umgebung mit Kontakt zur Außenwelt zusammen arbeiten. (vgl. Kelley/Littmann 2001, 71).
Letztlich bildet die Differenz aus potenzieller Leistung und auftretenden Prozessverlusten die tatsächliche Leistung einer Gruppe. Durch eindeutige Kommunikation von Koordinierungsregeln und hoher Aufrechterhaltung der Motivation kann Prozessverlusten wiederum entgegen gewirkt werden. (vgl. Wilke/Wit 2002, 532 f.)
Die Einzelarbeit in der Gruppe ist als systemisches Beratungssetting weit verbreitet. Als Teilnehmer seine Ideen in der Gruppe zu präsentieren
und zu diskutieren ist mit der Vorstellung verbunden, was die Anderen darüber sagen. Dies ermöglicht Feedback und neben Lob auch konstruktive Kritik. Das Beratungsgeschehen eines Einzelnen in der Gruppe löst bei den Zuschauern bzw. Zuhörern intensive Prozesse aus. Dazu gehören Emotionen und empathisches Mitempfinden, die eigene Handlungsimpulse und Lösungsideen auslösen. Die Gruppe kann darüber hinaus aktiv beteiligt werden, z. B. durch die systemische Methode des Reflecting Teams (siehe Kapitel 4.4.2). (vgl. Klein 2009, 1 f.)
(3) Die Zehn Gebote für die Haltung des Coaches
Die Basis einer systemischen Arbeitsweise bilden die „Zehn Gebote Systemischen Denkens“, die Fritz B. Simon in der „Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus“ aufstellte (s. Anh. 5):
1. Mache dir stets bewusst, dass alles, was gesagt wird, von einem Beobachter gesagt wird!
2. Unterscheide stets das, was über ein Phänomen gesagt wird, von dem, über das es gesagt wird!
3. Wenn du Informationen (be)schaffen willst, triff Unterscheidungen!
4. Trenne in deiner inneren Buchhaltung die Beschreibung beobachteter Phänomene von ihrer Erklärung und Bewertung!
5. Der Status quo bedarf immer der Erklärung!
6. Unterscheide Elemente, Systeme und Umwelten!
7. Betrachte soziale Systeme als Kommunikationssysteme, d. h., definiere ihre kleinsten Einheiten (Elemente) als Kommunikationen!
8. Denke daran, dass die Überlebenseinheit immer ein System mit seinen relevanten Umwelten ist!
9. Orientiere dein Handeln an repetitiven Mustern!
10. Betrachte Paradoxien und Ambivalenzen als normal und erwartet! (Simon 2007, 11 2 ff.)
Aus den Zehn Geboten einer systemischen Denkweise lassen sich fünf wichtige Haltungsgrundlagen eines systemischen Coaches ableiten.
Der Kunde und seine Situation sind stets sehr ernst zu nehmen. Von Coaches wird aktives Zuhören verlangt. Aktives Zuhören beinhaltet das Hinterfragen von Sachverhalten mit den richtigen Fragen und auch die Wiederholung von Verstandenem unter Verwendung der Wörter und Ausdrucksweisen, des Tempos und des Sprechrhythmus des Kunden. Aus dem inhaltlichen Teil sollten sich Coaches immer raushalten und eigene
Meinungen oder Hypothesen zu einer gegebenen Situation oder einer Lösungsidee zurückhalten. Um alternative Denk- und Lösungsprozesse zu öffnen, stellen Coaches systemische, offene, sogenannte W-Fragen. An den richtigen Stellen im Coachingprozess sind diese Fragen durch ihre Lösungsorientierung effizient. Coaches müssen über die Situation des Klienten und deren Details einen Überblick bewahren und sollen sich auch Aussagen notieren, um sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgreifen zu können. (vgl. Achouri 2009, 39 f.; Lauterbach 2003, 97 ff.; Radatz 2006, 109 ff.)
Eine treffende Zusammenfassung dieser Haltungsgrundlagen von systemischen Coaches liefert Sonja Radatz:
1. Systemische Coaches vermitteln dem Kunden und dessen Situation gegenüber Wertschätzung
2. Systemische Coaches hören sehr gut (aktiv) zu
3. Systemische Coaches halten ihre eigene Meinung zurück und vermeiden Ratschläge
4. Systemische Coaches stellen kreative Fragen
5. Systemische Coaches behalten komplexe Zusammenhänge im Kopf oder auf dem Papier
(Radatz 2006, 109)
Eine besonders hohe Sensibilität des Coaches führt meines Erachtens zu besonders guten Coaching-Ergebnissen.
3 Erfolgsfaktoren und Anforderungen an Gründungen
Das dritte Kapitel dieser Arbeit zeigt wesentliche Erfolgsfaktoren und Anforderungen an Gründungen auf (3.1). Diese werden näher erläutert, um Implikationen für das zu entwickelnde Konzept zu liefern (3.2 - 3.4). Abschließend werden Möglichkeiten und Grenzen für die Beurteilung individueller Gründerpotenziale diskutiert (3.5).
3.1 Von den Erfolgsfaktoren zum Anforderungsprofil „Das Unternehmerbild vom Alleskönner und Gesamtmatador ist passé“ (Faltin 2008, 69). Zahlreiche empirische Studien zeigten in der Vergangenheit immer wieder unterschiedliche Kriterien auf, die als Erfolgsfaktoren von Gründungsunternehmen gelten. Begriffe wie Produktqualität, Service oder Image gehören zu den sich häufig wiederholenden Faktoren. (vgl. hierzu bspw. Bindewald 2004, 57 ff.; Gleißner 2001, 235 ff;Jacobsen 2003, 47 ff.; Schwarz et al. 2006, 1 73 ff.; s. Anh. 6-12). Diese werde ich in dieser Arbeit nicht näher erläutern. Der größte gemeinsame Nenner lässt sich im Ideenkonzept und der Gründerperson(en) als Erfolgsfaktoren Nummer 1 wiederfinden. (vgl. Faltin 2008, 63 ff.; Röpke 2002, 170 ff.) Auch ich halte sie für das Fundament einer jeden Gründung, letztlich auch für jedes etablierte Unternehmen. Einer regelmäßigen, intensiven Auseinandersetzung mit beiden Themen muss demzufolge sowohl im Vorgründungsprozess als auch im späteren Unternehmensalltag besondere Aufmerksamkeit zukommen.
In der heutigen arbeitsteiligen Welt unterscheiden sich die modernen Anforderungen an die Kompetenzen von Gründerpersonen deutlich vom traditionellen Anforderungsprofil für das Wissen von Gründern. Faltin (2008, 64 ff.) fasst diese wie folgt zusammen (s. Darst. 3-1):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Fältln (2008), 164 ff.
Darst. 3-1: Moderne und traditionelle Anforderungen an Gründer
Diese Gegenüberstellung von modernen und traditionellen Anforderungen macht deutlich, dass der Unternehmer von heute kein „Alleskönner“ mehr sein muss (vgl. Faltin 2008, 63). Es geht viel mehr um die Reflexion und Weiterentwicklung von Konzept und Person und die strategischen Gestaltung eines schlüssigen Unternehmens. Auch Röpke zeigt im folgenden Prozess (s. Darst. 3-2) vom Selbst, über die Idee und Chance zur Innovation, dass die Person und das Ideenkonzept den Ausgangspunkt für die Hervorbringung neuer Produkte und Dienstleistungen bilden. (vgl. Röpke 2002, 170 ff.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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Darst. 3-2: Vom Selbst zur Innovation
Anforderungskataloge, die notwendige Qualifikationen aufzählen, können nur Genies erfüllen. Zwar lässt sich der Idealtypus der Gründerperson beschreiben, er lässt sich in der realen Welt jedoch kaum finden. (vgl. Faltin 2008, 65) Der bekannte Managementtheoretiker Fredmund Malik fragt daher zu Recht:
„Wie ist es zu schaffen, gewöhnliche Menschen - weil wir letztlich nie genug Talente haben werden - zu befähigen, außergewöhnliche Leistungen zu erbringen?“ (Malik 2006, 36)
Anknüpfend an diese Frage werde ich die identifizierten Erfolgsfaktoren Ideenkonzept (3.2) und Gründerperson (3.3) näher erläutern. Auch die Wirtschaftlichkeit (3.4) einer Gründungsidee werde ich mit Bezug zur Einkommenserzielung durch eine selbstständige Tätigkeit, die den Lebensunterhalt deckt, ergänzend betrachten.
3.2 Das Ideenkonzept
„Die Entwicklung einer Idee kann man ganz bewusst und systematisch angehen“ (Karl Vesper). Der Ausgangspunkt jeder Unternehmensgründung ist eine überzeugende Geschäftsidee (vgl. Wollny, 1998, 23). Grundsätzlich kann diese Idee eine Dienstleistung, ein Produkt oder eine Mischform aus beiden sein, die der Gründer am Markt anbieten möchte (vgl. Plümer 2006, 18). „Die Idee kann durchaus einfach sein“ (Faltin 2008, 27). Dennoch ist es in der herrschenden ungezügelten Marktwirtschaft erforderlich, sich von anderen abzuheben (vgl. Riddersträle/Nordström 2008, 21). Gefragt ist auch nach der Gründung ein konsequentes Ideen-Management (vgl. von Collrepp 2007, 8). Produkte und Dienstleistungen werden sich immer ähnlicher, so dass nur die Menschen im Unternehmen sie unverwechselbar machen können (vgl. Riddersträle/Nordström 2000, 29). „Funky Business erfordert eine konstante Suche nach Unterscheidungsmerkmalen“ (Riddersträle/Nordtröm 2000, 28).
[...]
[1] Selbstständigkeit im Zuerwerb wird eine selbstständige Tätigkeit in Teilzeit und in Kombination mit einer nicht auf Erwerb gerichteten Haupttätigkeit bezeichnet. Die Selbstständigkeit im Nebenerwerb ist ebenfalls eine Tätigkeit in Teilzeit, jedoch in Kombination mit einer abhängigen Erwerbstätigkeit. (vgl. Statistisches Bundesamt 2008, 5)
[2] Siehe hierzu auch das systemtheoretische Kapitel 2.4.1
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