Arbeitsorganisation im Krankenhaus. Die Hierarchiesysteme in Pflege und Medizin


Akademische Arbeit, 2004

27 Seiten, Note: 1,15


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Organisationsstruktur

3. Hierarchiesystem Pflege

4. Funktionspflege

5. Hierarchiesystem Medizin

6. Kommunikation im Hierarchiesystem Krankenhaus

Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

1.Einleitung

Das Krankenhaus als Institution stellt eine Einrichtung der personenbezogenen Dienstleistung besonderer Art dar, die den gesellschaftlichen Auftrag der pflegerisch-medizinischen Versorgung und Betreuung der Kranken unter den drei Zielsetzungen Professionalität, Humanität und Wirtschaftlichkeit zu erfüllen hat (vgl. von Engelhardt 1999: S.19).

Zur Erfüllung dieser Aufgabe haben sich im Laufe der Zeit drei wesentliche Hauptfunktionskreise (Pflege, Verwaltung und medizinische Versorgung, vgl. Abb.1) im System Krankenhaus herausgebildet, die in direkter und indirekter Weise für die Versorgung und Betreuung der PatientInnen zuständig sind, wobei der medizinische und pflegerische Dienst im Mittelpunkt der patientenbezogenen Dienstleistungen steht. Der Verwaltung als drittes großes Subsystem kommt innerhalb der Organisation Krankenhaus eine herausragende Stellung für die Sicherung der Betriebsabläufe, für die Administration im engeren Sinne und vor allem für die Sicherung der Wirtschaftlichkeit zu. Unterstützt wird der medizinische und pflegerische Bereich zudem durch die Tätigkeiten der übrigen Funktions- und Berufsgruppen[1].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Hauptfunktionskreise im Krankenhaus (vgl. Leuzinger/Luterbach 1994:S.347)

Wie aus der Grafik ersichtlich wird, ist ein spezifisches Merkmal der Krankenhausorganisation die primär berufsständische Gestaltung. Die drei Funktionskreise sind lediglich über die Krankenhausleitung miteinander verbunden, so dass eine Abstimmung der Arbeitsabläufe in der Regel nur über die Spitze der drei Berufsverbände möglich ist. Dies kann als schwerwiegender Nachteil betrachtet werden, da auf Stationsebene, außer der ärztlichen Visite[2], keine formalen Gremien der berufsübergreifenden Zusammenarbeit existieren, obwohl einheitliche Leistungen für den Patienten erbracht werden müssen (vgl. Naegler 1992:S.25, Thielhorn 1999:S.108). So schafft die berufsständische Organisation eine bereichsbezogene Leitungsstruktur, bei der die funktionsbezogenen Managementfunktionen für jeden Bereich getrennt voneinander wahrgenommen werden (vgl. Leuzinger/Luterbach 1994:S.348f). Weiterhin hat dieser Umstand zur Folge, dass berufsübergreifende Konflikte deshalb entweder informell ausgetragen oder auf langen Wegen bis zur Ebene der Krankenhausleitung transportiert werden müssen (vgl. Stratmeyer 2002:S.115).

Die Direktoren der drei Hauptfunktionskreise bilden zusammen im Sinne eines Kollegialmodells die Krankenhausleitung. Dabei sind alle Mitglieder gleichgestellt und gleichberechtigt an allen Entscheidungen beteiligt (bei Dissens entscheidet der Krankenhausträger) (vgl. Leuzinger/Luterbach 1994:S.348). Stratmeyer (2002:S.115f) weist allerdings auf die Vormachtsstellung des medizinischen Dienstes im Vergleich zur Pflege hin, da die Medizin im Wesentlichen Struktur- und Taktgeber im Krankenhaus ist:

Die formal gleiche Stellung der drei Leitungspersonen täuscht über die systemisch wirksamen Machtverhältnisse hinweg. Kernleistung des Krankenhauses war und ist die ärztliche Diagnostik und Therapie (...). Zum Zweck der medizinischen Untersuchung und Behandlung kommen Patienten oder werden eingewiesen (...). Pflege stellt dabei noch immer einen Adnexbereich zur Medizin dar, der erforderlich wird, um ärztliches Handeln vor- und nachzubereiten, sowie Patienten während des Behandlungsprozesses zu begleiten, zu pflegen und zu betreuen “(a.a.O.).

Dies wird zudem durch die Codierung der Patientendiagnosen nach medizinischen und nicht nach pflegerischen Diagnosen (ICD[3], ab 2003 DRG`s[4] ) deutlich (a.a.O.) und gibt einen Hinweis auf die ökonomische Relevanz der erbrachten Leistungen. Dieser Umstand legt, laut Stratmeyer (a.a.O.), die Vermutung nahe, dass Pflegeleitungen nur geringe Chancen haben, maßgebliche Veränderungen in der Organisation durchzusetzen.

Unkel (1993, zit. n. Keck/Pröschild 1995:S.31) äußert diesbezüglich, „ dass die Ausbildungsgänge und der Level bei der Ausbildung noch als unbefriedigend angesehen werden kann und dadurch ein intellektuelles und praktisches Ungleichgewicht im Direktorium vorprogrammiert sein kann, (...) “.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen verschiedene Autoren (vgl.Leuzinger/Luterbach 1995:S.348; Keck/Pröschild 1995:S.30), die auf Organisationsebene das Problem der Integration des klinisch (diagnostisch und therapeutisch) selbständigen ärztlichen Dienstes in die Gesamtorganisation sehen. Ihrer Meinung zufolge führen Diagnostik und Therapie innerhalb des Krankenhauses häufig ein „ Eigenleben “ (Leuzinger/Luterbach 1995:S.348).

2. Organisationsstruktur

Organisationsstrukturen im Allgemeinen und Leitungsstrukturen im Besonderen sind Instrumente zur Erreichung der Krankenhausziele. Sie schaffen die formalen Voraussetzungen für eine strukturierte, koordinierte und integrierte Erfüllung der Krankenhausaufgaben. Die jeweilige Art dieser Strukturen schafft die formale Grundlage der Kooperation und Kommunikation unter den als Aufgabenträgern eingesetzten Personen. Die Aufbauorganisation[5] folgt dabei in den allermeisten Fällen den historisch gewachsenen Prinzipien der Aufgaben- und Arbeitsverteilung zwischen den Hauptberufsgruppen, die in der Regel separate Verantwortungsbereiche und Linienstrukturen aufweisen (vgl. Stratmeyer 2002:S.113ff)

Eine traditionelle Organisationsstruktur ist die sogenannte Einlinienorganisationen, die das Krankenhausbild prägt (vgl. Keck/Pröschild 1995:S.43ff) und spezifische Vor- und Nachteile aufweist (vgl. Leuzinger/Luterbach 1994:S.336ff).

3. Hierarchiesystem Pflege

Der Pflegedienst im Krankenhaus ist streng hierarchisch organisiert und weist, für sich betrachtet, die Organisationsform das angesprochene Einliniensystem auf (vgl. Kühnle 2000:S.82; Abb.2). Dabei sind Unterstellungsbeziehung in der Art aufgebaut, dass jeweils nur eine Anweisungslinie zur nachgeordneten Stelle führt, so dass eine Ausführungsstelle nur von einer Instanz Weisungen erhält, dem sog. „ Prinzip der Einheit des Auftragsempfangs “ (Keck/Pröschild 1995:S.43). Dies kommt in dem Organisationsprinzip der Funktionspflege besonders zum Ausdruck.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Einliniensystem (vgl. Keck/Pröschild 1995:S.45)

Die gesamte Kommunikation ist streng vertikal organisiert, was die Vorteile bietet, dass es eindeutige, formale Kommunikationswege gibt, Zuständigkeiten, Verantwortung und Kompetenzen klar abzugrenzen sind (vereinfacht die Kontrolle) und die Einheitlichkeit der Entscheidungen durch den Alleinentscheid des Vorgesetzten gewahrt ist. Nachteile dieses Systems sind unter Umständen die quantitative und qualitative Überlastung des Vorgesetzten mit Auswirkungen auf die Entscheidungsqualität, Kommunikationswege werden zu langen Instanzwegen (Bürokratisierung) und Überbetonung der formalen Autorität führt zu geringem Entfaltungsspielraum mit abnehmender Motivation und Arbeitszufriedenheit[6] der unteren Hierarchieebenen (a.a.O.) sowie Rivalität unter den Berufsgruppen (vgl. Grahmann/Gutwetter 2002:S.137ff; Keck/Pröschild 1995:S.43; Leuzinger/Luterbach 1994:S.336).

In Anlehnung an das beschriebene Einliniesystem ergibt sich folgende Leitungspyramide bei der Organisation der Pflegeeinheiten nach Stationen (sprich Funktionspflege) für das Pflegepersonal:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Leitungspyramide bei der Organisation der Pflegeeinheiten nach Stationen (vgl. Keck/Pröschild 1995:S.47)

Nach Keck und Pröckschild (1995:S.48) ist das Pflegepersonal in dieser Leitungspyramide grundsätzlich in allen Fragen der Krankenpflege dem Pflegemanagement in disziplinarischer Hinsicht unterstellt. Das Tätigkeitsspektrum einer leitenden Krankenschwester (Klinikleitung; Abb. 3) umfasst die Gesamtverantwortung für den Pflegedienst. Dies beinhaltet in erster Linie die Organisation und Überwachung der erforderlichen Pflegestandards, Dienstform und Dienstplangestaltung, Beachtung des Arbeitsschutzes, Pflegedokumentation sowie eine Überwachungs- und Überprüfungspflicht des untergeordneten Personals (vgl. Brenner 1992:S.306f). Unkel (1993, zit. n. Keck/Pröschild 1995:S.30f) erkennt allerdings in dem Aufgabenbereich der Pflegedienstleitung weder eine primär pflegebezogene Managementfunktion, noch beinhaltet dieser den Kontakt zur Basis im Sinne einer „ akzeptierten Fachkraft “ (a.a.O.):

Die Pflegedienstleitung hat sich immer stärker zur zweiten Säule der Verwaltung entwickelt. Ihre Aufgaben bestehen zum größten Teil in der Administration und Organisation, wo auch tatsächlich eine enge Zusammenarbeit mit der Verwaltung unumgänglich ist(...). Mit der Dauer ihrer Tätigkeit als Leitung verliert sie direkt proportional ihre ursprüngliche Qualifikation als Krankenschwester- oder pfleger und damit den Kontakt zur Basis. Das wäre kein Negativum für eine echte Managementfunktion, da diese sogar objektiver und effektiver ist, wenn sie nicht durch zuviel fachliches Detailwissen überfrachtet wird. Die Pflegedienstleitung versteht sich aber eben und zuerst als krankenhausinterne berufsständige Vertretung ihres Krankenpflegeberufes, was sie aber nur noch im theoretischen Bereich sein kann (...) . Ihr Input in Entscheidungsprozessen des Direktoriums wird stärker von organisatorischen, verwaltungsadaptierten und berufspolitischen Aspekten bestimmt sein denn von pflegerisch-medizinischen oder gar übergeordneten Managementzielen. “ (a.a.O.).

Als krankenhausspezifische Besonderheit ist das Weisungsrecht der MedizinerInnen dem Pflegepersonal gegenüber zu sehen.

Dieser berufsübergreifende Umstand hat eine enge Verzahnung der pflegerischen Organisationsstruktur mit dem ärztlichen Sektor zur Folge. Demnach haben Ärzte gegenüber dem Pflegepersonal in allen diagnostisch-therapeutischen Fragen ein Weisungsrecht und nehmen die Gesamtleitung der jeweiligen Struktureinheit wahr (a.a.O.).

4. Funktionspflege

Das Prinzip der Arbeitsteilung im Krankenhaus schlägt sich auch in der Organisation der Pflegetätigkeit nieder und kommt in der Methode der tayloristisch orientierten Funktionspflege zum Ausdruck (vgl. Elkeles 1993:S.115).

Bei der Funktionspflege handelt es sich um eine streng hierarchische, tätigkeitsorientierte Organisationsform, bei der die komplexen Aufgabenbereiche der Pflege in Einzeltätigkeiten (Funktionen) aufgesplittet und entsprechend delegiert werden. Diese Einzeltätigkeiten werden dann jeweils von einer Pflegeperson bei allen Patienten der Station bzw. der Pflegeeinheit durchgeführt. Kennzeichnend für dieses System sind die sogenannten Pflegerunden oder Durchgänge, in denen es zu geübter und routinierter Ausführung sowie vermeintlich schneller Ausführung der Einzeltätigkeit kommen soll (vgl. Schlettig/v.d. Heide 1995:S.68).

Nach Elkeles (1993:S.92) lässt sich das arbeitsorganisatorische Wesen der Funktionspflege folgendermaßen bestimmen. Es gilt:“

- durch horizontale Arbeitszerlegung und inhaltliche Entmischung möglichst gleichartige Aufgabenelemente herzustellen und

- durch vertikale Arbeitsteilung in planende und ausführende Verrichtungen für die Mehrzahl der Beschäftigten den Entscheidungs- und Kontrollspielraum weitgehend zu minimieren “ (a.a.O.).

[...]


[1] Zu nennen sind hier die med.-techn. Berufe, therapeutische Gesundheitsberufe (Krankengymnastik, Logopädie), Sozialarbeiter, Seelsorger, hauswirtschaftliche und technische Berufe.

[2] Diese ist allerdings stark arztzentriert und bietet keinen entsprechenden Rahmen zur Planung der gemeinsamen Ablaufplanung (vgl. Grahmann/Gutwetter 2002:S.14; v. Engehardt/Hermann 1999:S.43f).

[3] ICD= Internationale Classification of Diagnosis

[4] DRG= Diagnosis Related Groups

[5] Aufbauorganisation: Struktur von Institutionen oder org. Einheiten und deren Strukturierung, z.B. Gliederung und Koordinierung von Abteilungen, Instanzen, Stellen, Aufgaben- und Kompetenzzuteilung, Bestimmung der Führungsspanne usw. (vgl. Knebel/Schneider 1993, zit. n. Zietschmann 2000:S.44).

[6] Gerade diesen Punkt spricht Grossmann (1993:S.308-310) an. Seiner Meinung nach wird in vielen Sachfragen pflegerische Leitung autoritativ wahrgenommen. In Bezug auf Arbeitsfähigkeit, Motivation, inhaltliche Entwicklung der Arbeit und Personalentwicklung besteht ein Leitungsdefizit.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Arbeitsorganisation im Krankenhaus. Die Hierarchiesysteme in Pflege und Medizin
Hochschule
Universität Bremen  (Studiengang Lehramt Pflegewissenschaft)
Note
1,15
Autor
Jahr
2004
Seiten
27
Katalognummer
V288367
ISBN (eBook)
9783656885061
ISBN (Buch)
9783656905592
Dateigröße
1013 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
arbeitsorganisation, krankenhaus, hierarchiesysteme, pflege, medizin
Arbeit zitieren
Dipl.-Berufspädagoge Marcus Eckhardt (Autor:in), 2004, Arbeitsorganisation im Krankenhaus. Die Hierarchiesysteme in Pflege und Medizin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/288367

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