Schönheit kommt von außen. Welche Bedeutung kommt den Massenmedien bei der Entwicklung eines Schönheitsideals zu?


Thesis (M.A.), 2014

106 Pages, Grade: 1,7

Anonymous


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Diagrammverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsbestimmung des Arbeitstitels
2.1 Massenmedien und Massenkommunikation
2.2 Schönheitsideal

3 Mediengeschichte

4 Schönheitsideale im Wandel der Zeit
4.1 Steinzeit
4.2 HochkulturÄgypten
4.3 Antike
4.4 Mittelalter
4.5 Renaissance
4.6 Barock
4.7 Rokoko
4.8 19. Jahrhundert
4.9 1920erJahre
4.10 1950er und 1960erJahre
4.11 1980er Jahre
4.12 1990er Jahre
4.13 Heute
4.14 Schönheitsideale fernab der westlichen Kultur

5 Attraktivitätsforschung
5.1 Taille-Hüft-Verhältnis
5.2 Die Faszination am schönen Durchschnittsgesicht
5.3 Gesichtssymmetrie
5.4 Kindchenschema

6 Die Bedeutung der Massenmedien im Alltag
6.1 Das Fernsehen
6.2 Internet und Social Media
6.3 Printmedien

7 Werbung
7.1 Werbemittel Werbeträger
7.2 Werbewirkungsmechanismen
7.3 Werbungdamals undheute

8 Modelle der Werbewirkung
8.1 Stimulus-Response-Modell
8.2 Stimulus-Organismus-Response-Modell
8.3 AIDA-Modell
8.4 Sechs-Stufen-Modell
8.5 Modell der persuasiven Kommunikation
8.6 Uses-and-Gratifications-Approach
8.7 Dynamisch-transaktionales Modell

9 Der Beeinflussungsspielraum der Massenmedien
9.1 Der Mythos der wertfreien Massenmedien
9.2 Medienrealität: Nichtmediales und mediales Welterleben
9.3 Das homogenisierte Schönheitsideal der Massenmedien
9.4 Unterschiede zwischen Frauen- und Männermagazinen
9.5 Die Herabsetzung der Frauen im Film

10 Cultural Studies
10.1 Der Forschungsbereich der Cultural Studies
10.2 Der Medienbegriff der Cultural Studies

11 Körperkonzepte: Was ist ein Körper?

12 Die Gesellschaft schreibt sich in den Körper ein

13 Soziales Handeln
13.1 Schönheitshandeln
13.2 Schönheitshandeln in den Medien
13.3 Negative Folgen des Schönheitshandelns
13.3.1 Fitnesswahn
13.3.2 Kosmetika und Körperpflegemittel
13.3.3 Diät, Schlanksein und Gesundheit
13.3.4 Fett-Hass
13.3.5 Schönheitschirurgie
13.3.6 Alter
13.4 Schönheit als soziales Kapital: Der Halo-Effekt
13.5 Dersoziale Vergleich

14 Entwicklung eigener Identität am Beispiel der Mead'schen Rollentheorie

15 Der Mensch ist ein Herdentier

16 Das Schönheitsideal: individuell oder universell?

17 Bedeutung der Schönheit erklärt anhand der Theorie von Pierre Bourdieu

18 Körperwahrnehmung und Zufriedenheit

18.1 No fat talk: Wie lassen sich die Medien positiv nutzen?

18.2 Schönheit als Teil des Glücklichseins?

19 Medien als Spiegel der Gesellschaft?

20 Wer hat Schuld am Schönheitswahn?

21 Schlussbetrachtung

22 Ausblick

23 Literatur- und Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Inhalt von Frauenmagazinen

Abbildung 2: Stimulus-Response-Modell

Abbildung 3: Stimulus-Organismus-Response-Modell

Abbildung 4: AIDA-Formel

Abbildung 5: Sechs-Stufen-Modell

Abbildung 6: Modell der persuasiven Kommunikation

Abbildung 7:Der Uses-and-Gratification-Approach

Abbildung 8: Erweitertes dynamisch-transaktionales Modell

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Schönheitsideal der westlichen Gesellschaft

Tabelle 2: Bevorzugung für die Taillenweite

Tabelle 3: Bevorzugung für die Hüftbreite

Tabelle 4: Kindchenschema

Tabelle 5: Cover-Themen diverser Zeitschriften

Tabelle 6: Formen der Werbung

Tabelle 7: Körperkonzepte

Tabelle 8: Auswirkung des Schönheitsideals auf Frauen und Männer

Diagrammverzeichnis

Diagramm 1: Themen von Frauen- und Männerzeitschriften (Top 10)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die Modenschau beginnt, und Siebzehnjährige, die nicht mehr wiegen als ein Magermilchjoghurt, schweben an mir vorbei mit ausdruckslosen Engelsgesichtern, auf denen die Zeit noch keine Zeit gehabt hat, Spuren zu hinterlassen (von Kürthy 2006: 42).

Soweit die realitätsferne Idealvorstellung der Modeindustrie, bezogen auf eine schöne Frau. Der Alltag vieler Menschen sieht anders aus. Cellulite machen sich auf den fraulichen Oberschenkeln breit, ein Bierbäuchlein schwappt über den Hosenbund des Mannes, die Brüste hängen - durchaus bei beiden Geschlechtern - und im Spiegel lächeln einem Krähenfüße entgegen. Schön, wer dann noch zurücklächeln kann. Denn hinsichtlich des in den Massenmedien propagierten Schönheitsideals, befinden sich die meisten Menschen fernab vom Weg zum perfekten Körper.

Während die einen, getrieben vom Ehrgeiz, dem Ideal ein Stück näher zu kommen, tagtäglich in Fitnessstudios rennen, um ihre Muskeln auf die Größe von Bowlingkugeln aufzupumpen, dezimieren sich die anderen um die Hälfte ihres Gewichts und schränken die Ernährung auf drei Salatblätter, zwei Weintrauben und fünf Diätpillen ein.

Schönheitsideale sind Teil der Gesellschaft. Die Arbeit und Manipulation am eigenen Körper ist über Jahrhunderte hinweg ein Bedürfnis der unterschiedlichsten Kulturen und Gesellschaften. Wurde Schönheit einst noch als von der Natur gegeben betrachtet, so ist sie heute an Eigenverantwortlichkeit geknüpft. Der schöne Körper gleicht einer Großbaustelle, an der stetige Sanierungsarbeiten vorgenommen werden. Die gesteigerten Erlebens-, Handlungs-, und Lebensmöglichkeiten der westlichen Industriegesellschaft führen dazu, dass dem perfektionierten Körper ein immer größerer Stellenwert beigemessen wird. Die gesellschaftliche Positionierung des Individuums verläuft in erster Instanz über die Optik, der Körper wird demnach als Kapital genutzt, mit welchem am Markt der Schönheit gehandelt wird. Der erfolgreiche Lebensweg hängt dabei in hohem Maße von einem Körper ab, der kontinuierlich den gängigen Schönheitsidealen angepasst wird, so wird es den Gesellschaftsmitgliedern jedenfalls vermittelt. Bedient wird sich dazu aus einem Sammelsurium von körperverschönernden Maßnahmen, wie Kleidung, dekorativer Kosmetik, gesundem Essen, Hygieneartikeln, Diät, Muskelaufbau oder sogar plastischer Chirurgie. Schönheit stellt sich demnach als bestmögliche Annäherung an eine herrschende Norm dar (vgl. Drolshagen 1995: 25). „Der Körper, auch und gerade der Geschlechtskörper [...], [ist] Natur und Kultur zugleich. [...] Der Geschlechtskörper [ist] naturhaft - seine Natürlichkeit ist sozial gemacht“ (Villa 2006: 19).

Man kann sich der Schönheit nicht entziehen, sie ist allgegenwärtig und das Thema zahlreicher Diskurse. Sie begegnet den Menschen tagtäglich auf der Straße, im Fernsehen, auf Werbeplakaten, im Kino oder in Zeitschriften. Die Massenmedien präsentieren der Gesellschaft nahezu ausschließlich das Schöne. Hässlichkeit findet im öffentlichen Leben keinen Platz. Im Fernsehen strahlt die wunderschöne Nachrichtenmoderatorin mit dem Studioscheinwerfer um die Wette, vom Cover des Männermagazins frohlockt ein ohnehin schon schönes und dennoch mit Photoshop bearbeitetes Mädchen und auf diversen Werbeplakaten räkeln sich gut gebaute Männer mit nacktem Oberkörper. Der stetige Aufschwung der Schönheit ist nicht zu leugnen und das Ausmaß ihrer Präsenz deutet auf die zunehmende Bedeutung des Schönen in unserer Gesellschaft hin.

Doch woher rührt diese Fixierung auf das Äußerliche? Wie ist es zu den bestehenden Schönheitsidealen der zeitgenössischen Gesellschaft gekommen? Ist der Trend nach Verbesserung des individuellen Körpers neu oder gab es schon immer abwegige Schönheitsideale? Wer definiert, was schön ist? Die Massenmedien? Die Gesellschaft? Der Mensch selbst? Die Gene? Und wer gewinnt oder verliert im großen Wettbewerb rund um das Thema Schönsein? Gibt es ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in der Gesellschaft?

Zur Klärung dieser und weiterer Fragen erfolgt in der vorliegenden Arbeit zunächst eine Definition der wichtigsten Begrifflichkeiten des Arbeitstitels. Danach sollen ein kurzer Abriss der Mediengeschichte sowie eine geschichtliche Darstellung der Schönheits­ideale im Wandel der Zeit einen ersten Einblick geben, wie es sich mit der Schönheit vor und nach Aufkommen der Massenmedien verhält. In Kapitel fünf geben verschiedene Ansätze der Attraktivitätsforschung Aufschluss darüber, inwieweit Ideale genetisch vorbestimmt sein können. Die theoretischen Ausführungen zu Massen­medien, Werbung und deren Wirkungsmechanismen münden schließlich in eine praxisorientierte Beleuchtung der Thematik. Es soll gezeigt werden, wie Körper und Identität zu definieren sind und welche Ausmaße und Auswirkungen Schönheitshandeln im gesellschaftlichen Kontext nach sich zieht. Theorien von Herbert Mead, Pierre Bourdieu und Ansätze der Cultural Studies runden diese Überlegungen ab. Des Weiteren wird aufgezeigt, inwiefern sich der Mensch die medialen Einflüsse zu seinem Nutzen machen kann, um ein positiveres Selbstbild zu entwickeln. Denn der schmale Grat zwischen Anpassung und Widerstand, perfekt und normal sowie die stätigen Verbesserungsvorschläge von außerhalb, führen viele Menschen vermehrt in eine Abwärtsspirale aus Unzufriedenheit oder Selbsthass. In den abschließenden Kapiteln werden vorangegangene Überlegungen aufgegriffen, wobei es darum gehen soll, ob Schönheit als Teil des Glücklichseins bezeichnet werden kann und wer letztendlich der Schuldige im Diskurs um den Schönheitswahn ist.

Im Hinblick auf die Tradition der Essener Kommunikationswissenschaften geht es in dieser Arbeit nicht um reine Informationsübertragung zwischen technischen Geräten und deren Rezipienten, stattdessen liegt der Fokus dieser Arbeit auf kommunikativem Handeln, „de[m] sozial verankerte[n] Prozess, in dem entscheidungsoffene, personale oder institutionelle Akteure versuchen, mittels habitualisiertem oder reflexivem, von der jeweiligen Interaktionsgemeinschaft erarbeitetem und verbürgtem Symbol- [und Medien]gebrauch und habitualisierter oder reflexiver [...] Symboldeutung, in direktem oder (medial) vermitteltem Kontakt, eingebettet in konkrete Situationen ihr Handeln zu koordinieren“ (Reichertz 2007: 300).

Das Thema dieser Arbeit - Schönheit kommt von außen. Welche Bedeutung kommt den Massenmedien bei der Entwicklung eines Schönheitsideals zu? - fragt demnach, ob und wie die von Menschen entwickelten Massenmedien in sozialen Prozessen wirken und ob massenmediale Einflüsse tatsächlich das bestehende Schönheitsideal mit beeinflusst haben. Darüber hinaus soll herausgearbeitet werden, welche weiteren Instanzen, Gruppen oder Institutionen auf die Individuen Einfluss nehmen können und welche pathologischen Ausmaße das derzeitige Ideal im Gegensatz zu früheren Gesellschaften und Völkern annimmt.

Als Ausgangslage wird die These vertreten, dass eine direkte, unreflektierte Beeinflussung der Rezipienten durch die Massenmedien als nicht zutreffend angesehen werden kann. Durchaus wird der Mensch gelenkt und beeinflusst, allerdings nicht allein durch mediale Reize, sondern durch ganze Märkte (wie Politik, Wirtschaft oder das soziale Umfeld), die an der Schaffung von Illusionen, Bedürfnissen und Idealen beteiligt sind.

Diese Arbeit soll zur Schärfung des Bewusstseins hinsichtlich der bestehenden Schönheitsideale und den damit verbundenen Manipulationen, Machtfragen und Instrumenten beitragen.

2 Begriffsbestimmung des Arbeitstitels

Zum besseren Verständnis des Arbeitstitels werden zunächst die wichtigsten Begriff- lichkeiten erläutert, um Missverständnisse hinsichtlich der Interpretation auszu­schließen.

2.1 Massenmedien und Massenkommunikation „[Als] Massenmedien [werden] technische Mittel zur Vermittlung von Informationen und Emotionen bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern an ein voneinander getrenntes Publikum [bezeichnet]“ (Gabler Wirtschaftslexikon, a, URL ). Als Beispiele sind hier das Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften sowie das Internet zu nennen, da sie einen Großteil der Bevölkerung erreichen.

Massenkommunikation bezeichnet man nach Gerhard Maletzke als „jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich, durch technische Verbreitungsmittel indi­rekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden“ (Maletzke 1978: 32).

2.2 Schönheitsideal

Was heißt eigentlich schön? Schönheit an sich ist im wissenschaftlichen Sinne schwer definierbar, sie entzieht sich einer korrekten Definition, hat aber den Gegenbegriff der Hässlichkeit und sollte daher in Relation zu eben diesem gesehen werden (vgl. Posch 2009: 21). Im Duden findet sich folgender Definitionsversuch des Wortes schön: „[Schön ist jemand oder etwas] von einem Aussehen, das so anziehend auf jemanden wirkt, dass es als wohlgefällig, bewundernswert empfunden wird.“ Darüber hinaus bedeutet schön „von einer Art, die jemandem sehr gut gefällt, die jemandes Geschmack entspricht“ und als „von einer Art, die Anerkennung verdient, die als positiv, erfreulich empfunden wird [und] so beschaffen [ist], dass Lob durchaus angebracht ist“ (Duden, a, URL).

Ein Ideal wird als „Inbegriff der Vollkommenheit, [...] [als] Idee, nach deren Verwirk­lichung man strebt“ (Duden, b, URL) bezeichnet.

Um zu klären, welche Äußerlichkeiten sich in der westlichen Gesellschaft als aktuelles Schönheitsideal ausmachen lassen, führt die folgende Tabelle einige optische Attribute attraktiver Frauen- sowie Männerkörper auf. Die Beobachtungen obliegen dabei der persönlichen Beobachtung der Verfasserin, orientieren sich an Massenmedien sowie Beobachtungen im Alltag und hegen daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Schönheitsideal der westlichen Gesellschaft

Die Tabelle könnte aufgrund der vielfach bestehenden Schönheitsideale und Schönheitsansprüche um etliche Punkte erweitert werden.

Die gesellschaftliche und fluide Definition von Schönheit resultiert letztlich aus den zahlreichen Auseinandersetzungen um das richtige Aussehen, den Aneignungs­prozessen von Schönheit mithilfe der Diät oder der kosmetischen Chirurgie und aus den sozialen Zuschreibungen, welche die Körperform evoziert, sowie aus den Transformationen des Begehrens, der Schaulust, der körperlichen Scham und kulturellen Erfolgskriterien, kurz, aus dem strategischen Spiel einer Vielzahl sozia­ler Kräfte (Posch 2009: 23).

Äußerliche Schönheitskriterien werden zudem von diversen Persönlichkeitsmerkmalen ergänzt, welche die innere Schönheit ausmachen. Dazu gehören beispielsweise Charisma, Intelligenz, Freundlichkeit, Tapferkeit oder Ehrgeiz.

Ob oben genannte Kriterien sich tatsächlich als universell ausmachen lassen und welche Mechanismen die Entwicklung dieses Ideals ausmachen, soll im Verlauf der Arbeit geklärt werden.

3 Mediengeschichte

Um den Einfluss der Massenmedien auf das bestehende Schönheitsideal auszumachen, muss zunächst geklärt werden, ab welchem Zeitpunkt die verschiedenen Medienformen innerhalb der Gesellschaft zum Tragen kamen und inwiefern sie sich etablieren konnten. So lassen sich anschließend Vergleiche ziehen, inwieweit die Beschäftigung mit dem eigenen Körper und damit verbundene Schön­heitsideale jeweils vor und nach Etablierung der Massenmedien aussehen.

Die Massenmedien sind aus heutiger Sicht ein eher spätes Phänomen der Mensch­heitsgeschichte. Technische Mittel zur massenhaften Verbreitung von Nachrichten gibt es über Jahrtausende nicht, und Kommunikation erfolgt weitestgehend in Face-to- Face-Situationen. Alternativ wird mittels akustischer oder optischer Zeichen wie Trommeln oder Rauch kommuniziert.

Schriftzeichen ermöglichen zwar die Speicherung und Konservierung von Botschaften und Wissen, beispielsweise auf Stein, Holz oder Papyrus (vgl. Haarmann 2011: 57-63), deren Vervielfältigung gestaltet sich allerdings als enorm aufwändig und zeitintensiv. Will man im Mittelalter wichtige Nachrichten von einem Hof zum anderen überbringen, müssen oftmals große Distanzen zurückgelegt werden, ein tagelanger Ritt zu Pferd ist keine Ausnahme. Während die westliche Gesellschaft heute aus einem topaktuellen Netzwerk verschiedenster Medien besteht, das über Belange und Trends der ganzen Welt berichtet, muss der mittelalterliche Zeitgenosse sich weitestgehend an seinem direkten Umfeld orientieren. Trends und Mode-Neuheiten verbreiten sich nur langsam über die Mauern des jeweiligen Hofes hinaus, zudem ist Mode nur für das reiche Volk von Relevanz und somit schichtabhängig.

Die Anfänge des Buchdrucks lassen sich auf das elfte Jahrhundert in Asien datieren (vgl. Universität Mannheim, URL), aber erst im 15. Jahrhundert erfindet Johannes Gutenberg den modernen Buchdruck (vgl. Haarmann 2011: 113-123), der die weitaus schnellere Erstellung großer Auflagen und somit die Verbreitung von Wissen und Nachrichten für die Menschen ermöglicht. Zunächst kommen nur gebildete Personen in den Genuss gedruckter Bücher, da das mangelnde Lesevermögen der unteren Gesellschaftsschicht keine Rezeption eben dieser ermöglicht. Ende des 18. Jahrhunderts bewirkt die kontinuierliche Weiterentwicklung der Drucktechnologie erschwingliche Preise, so dass Zeitungen für jedermann bezahlbar werden. Der New York Herald gilt als das erste Magazin, das 1835 versucht, vollkommen objektive Informationen zu übermitteln (vgl. Ridgewood Library, URL). Da medienübermittelte Informationen aber niemals völlig wertfrei sind, ist der Leser natürlich bereits durch die Themenwahl des Autors, die verwendeten Wörter sowie mögliche hinzugefügte Bilder gelenkt.

Eine noch bessere Informationsübermittlung für besonders eilige Anliegen ermöglichen im 19. Jahrhundert die Telegrafie und schließlich auch die Erfindung des Telefons (Stöber 2003: 156-174). Die zügige Nachrichtenübertragung mittels besagter technischer Innovationen trägt auch zum Erfolg der Printmedien bei, die noch schneller an wichtige Meldungen gelangen. So bedingt eins das andere. Trends, neue Vorbilder und Produkt-Neuheiten gelangen nahezu flächendeckend bis zu den Endverbrauchern. Um 1840 entwickelt der Forscher William Henry Fox Talbot das erste Negativ­Verfahren und es entstehen die ersten Portrait- sowie Reise- und Reportage­Fotografien (vgl. Kemp 2011: 1-7), die den Menschen erstmals ein quasi unver­fälschtes, konserviertes Abbild ihrer Selbst aufzeigen. Durch diese Reproduzierbarkeit menschlicher Körper, ist es den Menschen möglich, sich erstmals aus der Perspektive anderer zu sehen, was wiederum auch Mängel sichtbarer macht, die ab diesem Zeit­punkt festhaltbar und vergleichbar werden. Dieser Umstand trägt selbstverständlich zur zunehmenden Bedeutung von Körperlichkeit bei.

1920 geht in den USA die erste kommerzielle Radiostation in regelmäßigen Betrieb (vgl. Krug 2010: 8-9) und wenige Jahre später starten schließlich die ersten Fernseh­Versuchssendungen in den USA und in Europa. Erst um 1950 ist das System so aus­gereift, dass ein größeres Publikum regelmäßigen Sendungen beiwohnen kann. 1952 existieren in den USA bereits 15 Millionen Teilnehmer, in Deutschland rund 300 (vgl. Hickethier/ Hoff 1998: 60-84). Die Begeisterung für ein Gerät, das ganze Familien zu Hause versammelt, wächst zunehmend. Trotz der mageren Nachkriegsjahre steigt die Anzahl der Apparate schließlich auch in Deutschland rapide an, die Kaufkraft wächst und Werbefachleute erkennen das große Potenzial des Fernsehens.

1991 entsteht das World Wide Web, welches schließlich den Weg für Online-Jour- nalismus sowie Social Media ebnet (vgl. Clark, URL). Heute ist die Nutzung des mobilen Internets sogar auf einem Smartphone möglich und nichts Außergewöhnliches mehr. Integrierte Kameras dienen zur Dokumentation des eigenen Lebens, das auf Portalen wie Instagram, Facebook oder Twitter ausgebreitet werden kann. Selbstdar­stellung wird mittels Technik immer einfacher und kann einem Massenpublikum leicht zugänglich gemacht werden.

All diese technischen Möglichkeiten erwirken, dass Neuerungen, Trends und Informationen viel schneller bis zum Verbraucher gelangen. Die Mediengeschichte entwickelt sich nicht nur hinsichtlich der immer herausragenderen Technik weiter, sondern auch hinsichtlich des Tempos ihrer Verbreitungsmöglichkeiten. Inwiefern die Massenmedien hinsichtlich dieser Entwicklungen Einfluss auf Schönheitsideale nehmen können, soll in den folgenden Kapiteln geklärt werden.

4 Schönheitsideale im Wandel der Zeit

Gern wird heutzutage behauptet, dass Frauen und Männer und sogar schon Kinder unter immer beträchtlicherem medialen Druck stehen, dass krankhafte Schönheits­ideale von den Werbemachern diktiert werden und früher alles anders und besser war. Aber ist dem wirklich so? Wie stand es um die Schönheitsideale, als es noch keine Massenmedien gab? Und verhielten sich die Menschen damals gesünder und rationaler? Um zu erfahren, wie sich das Schönheitsideal auf die Menschen auswirkt, muss zunächst ein Blick darauf geworfen werden, wie das Schönheitsideal sich im Laufe der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende in anderen Kulturen veräußert hat. Schönheit war zu keiner Zeit etwas Privates, sondern ein religiöses, wirtschaftliches oder soziales Mittel, um sich in der Gesellschaft zu positionieren. Fest steht, dass Schönheit seit jeher eine elementare Rolle für die Menschen spielt, denn „Schönheit ist ein Interaktionsprozess“ (Posch 1999: 15), der durch Lebensbedingungen und Kultur bedingt ist. Kultur soll verstanden werden als

ein System, das als ein Satz von Regeln und Annahmen unserem Verhalten in so­zialer Hinsicht zugrunde liegt, und das vom Einzelnen nicht willkürlich verändert werden kann, ein Regelsatz, der nicht voll bewusst ist, da seine Besonderheit eben darin besteht, das als normal, natürlich und richtig erscheinen zu lassen, was diese Kultur festsetzt. Kultur ist gewissermaßen der blinde Fleck, den die soziale Wahr­nehmung besitzt und der - eben deswegen - das Verhalten von Menschen sehr wirksam bestimmt (Karmasin 2011: 94).

4.1 Steinzeit

Die Steinzeit umfasst einen sehr großen Zeitraum, sie begann vor 2,6 Millionen Jahren und endet vor etwa 4.000 Jahren (vgl. Hoffmann 2011: Kap.1, o.S.). Im Zeitalter der Jäger und Sammler basiert das Leben auf viel Bewegung. Die Versorgung durch Nahrung kann nie garantiert werden, sondern hängt vom jeweiligen Jagderfolg der Männer ab. Frauen beschäftigen sich unterdessen mit der Erziehung der Kinder und dem Sammeln von Früchten. Demnach ist die mehr oder minder ausgeprägte Körper­fülle keine bewusste Entscheidung, sondern schicksalsabhängig. Als einer der bedeu­tendsten Funde gilt die Figur Venus von Willendorf. Fälschlicherweise wird sie mitsamt ihrer ausladenden Rundungen lange als Inbegriff des damaligen Schönheitsideals betrachtet, dabei stellt sie ein Symbol der Fruchtbarkeit dar (vgl. Renz 2006: 88-89). In der Jungsteinzeit, die sich etwa von 5.500 bis 2.200 vor Christus erstreckt, sind bereits etliche Waffen und Hilfsmittel entwickelt, die den Menschen eine bessere Anfertigung von Kleidung und Wohnstätten ermöglichen. Kleidung aus Fellen und Leder wird mittels knöcherner Nadeln genäht und dient dem Körper als Wärmemittel, um nicht zu erfrieren (vgl. Hoffmann 2011: Kap. 4, o.S.).

4.2 Hochkultur Ägypten

Das Alte Ägypten besteht von 2920 bis 332 vor Christus (vgl. Mularczyk 2004a, URL) und dient bereits als perfektes Beispiel dafür, dass ein hoher Stellenwert von Schönheit in der Gesellschaft keine neue Entwicklung ist. Die Ägypter haben sich die Schönheit zum Lebenskonzept berufen, diese soll für sie Ewigkeitswert haben und eine untrenn­bare Einheit aus körperlicher und geistiger Schönheit bilden. Das Ritual der Einbalsa­mierung dient demnach der Konservierung der Schönheit für die Ewigkeit (vgl. (vgl. Mularczyk 2004b, URL). Als Relikt aus dem alten Ägypten symbolisiert Nofretete das damalige wie auch heutige Schönheitsideal perfekt: Große Augen, volle Lippen, hoch­sitzende Wangenknochen. Auch Wandmalereien aus damaligen Zeiten zeigen schlanke Frauen mit hochsitzenden Brüsten und ebengenannten Gesichtsmerkmalen. Doch nicht nur Frauen schmücken, bemalen und verzieren ihren Körper, auch Männer sind ganzkörperenthaart, tragen schwarze Langhaar-Perücken, schminken sich und kleiden sich meist spärlich durch einen Lendenschurz (vgl. Renz 2006: 17ff). Männer wie auch Frauen bedienen sich, aus heutiger Sicht, weiblich konnotierter Verschönerungstaktiken.

4.3 Antike

Die griechische Klassik umfasst etwa den Zeitraum von 460 bis 430 nach Christus. Das Römische Reich kann etwa auf 850 vor Christus bis 400 nach Christus datiert werden (vgl. Egli/ Rütsche 1998: 148). In der Antike soll ein Frauenkörper nicht zu dick und nicht zu dünn sein, kleine feste Brüste haben und dazu ein ausladendes Becken, so sieht die Idealvorstellung der Griechen und Römer aus. Während die Römer Fett­leibigkeit dennoch als Zeichen des Wohlstands anerkennen, gilt ein dicker Mann bei den Griechen als verweichlicht. Schöne Körper erfüllen ihren Zweck aber nicht aus­schließlich zur Darstellung des sozialen Stellenwertes einer Person, sondern spielen auch für den Sex eine große Rolle. Schöne Frauen werden oft als Gespielinnen mächtiger Männer auserkoren und kommen so in den Genuss mancher sozialen Vorteile (vgl. Renz 2006: 19-20). Der männliche Körper spielt aber, verglichen mit Geist und Seele, eine eher untergeordnete Rolle, denn die antike Gesellschaft legt größeren Wert auf Intellekt und philosophische Denkweise (vgl. Thommen 2007: 27).

4.4 Mittelalter

Im Mittelalter, das etwa vom fünften bis zum 15. Jahrhundert dauert, zeigen sich Mode und Menschen widersprüchlich (vgl. Renz 2006: 21). Einerseits wird der Körper feindlich betrachtet, besonders die Kirche propagiert diese Sichtweise, andererseits besteht ein Hang zu Ausschweifungen, Orgien und Genuss. Die Schönheitsideale opulenter und farbenprächtiger Gewänder sowie nüchterne, fade Bekleidung existieren praktisch nebeneinander, die Kluft zwischen armen und reichen Menschen ist sehr groß. Abgesehen vom Hofadel leben die Menschen in sehr einfachen Verhältnissen und verfügen nicht über das nötige Geld, sich zahlreiche und teure Kleider zu kaufen. Harte körperliche Arbeit entspricht dem normalen Tagesablauf des gemeinen Volkes, oft herrscht Nahrungsknappheit. Demnach liegt nahe, dass gegessen wird, was da ist. Der Schönheitsfokus liegt stark auf dem Gesicht der Frauen. Weiße Haut, schmale Augenbrauen, rosige Wangen, rötliche, kleine Münder und lange gelockte Haare sowie eine hohe Stirn sind in Mode. Ein Bäuchlein kann man verhüllen, ein nicht perfektes Antlitz lässt sich nicht vertuschen, was dazu führt, dass sich die Frauen im 15. Jahrhundert die Haare am Haaransatz ausrupfen, um dem Ideal möglichst nahe zu kommen. Es zeigt sich, dass sinnlose, schmerzhafte, der Natur widersprechende Schönheitsideale schon früh Anklang finden (vgl. Renz 2006: 21).

4.5 Renaissance

Die Renaissance vollzieht sich als europäische Kulturepoche hauptsächlich vom 14. bis zum 16. Jahrhundert (vgl. Egli/ Rütsche 1998: 148) und strebt nach einer Wieder­geburt der kulturellen Leistungen der griechischen und römischen Antike. Die Menschen werden sich ihrer Freiheit bewusst und nehmen sich als Individuen wahr. Diese Einsicht regt das Konkurrenzdenken an. Innerhalb kürzester Zeit entstehen grandiose Bau- und Kunstwerke, dies beflügelt auch den Aufschwung. Die aus der Antike überlieferte Proportionslehren-Schrift De architectura von Vitruv rückt wieder in den Fokus, sie besagt, dass der wohlgeformte Mensch perfekt in die Form von Kreis und Quadrat passt (vgl. Renz 2006: 22-23). In Anlehnung an die Antike, wird auf eine stimmige Kostümierung geachtet, die in ihren Farben und Formen zusammenpassen soll. Die Männer tragen das Wams, ein in Falten gelegtes Kostüm mit stark ge­bauschten Ärmeln, dazu trägt man diverse Arten von Hüten. Zu jedem Kostüm der Damen passen mehrere, auswechselbare Ärmel, die Taille rutscht etwas höher, riesige, berüschte Halskrausen werden um den Hals getragen, Körperformen entwickeln sich wieder etwas rundlicher, das liegt auch daran, dass es den Menschen wirtschaftlich besser geht. Zum Aufhellen des Gesichts benutzen die Menschen Pasten aus Bleiweiß und Quecksilber und schädigen dabei nachhaltig ihre Gesundheit. Als Beispiel für eine schöne Frau lässt sich Leonardo da Vincis Mona Lisa benennen (vgl. Egli/ Rütsche: 148-149).

4.6 Barock

Mit dem Barock, der sich vom 17. Jahrhundert bis Anfang des 18. Jahrhunderts erstreckt (vgl. Egli/ Rütsche 1998: 149), folgt eine weitere undankbare Mode-Epoche für die Frauen, die sich nunmehr in enge Korsagen schnüren, um ihre Körper zu formen und eine Wespentaille zu erhalten. Quetschungen der inneren Organe und Luftnot sind Begleiterscheinungen, die die Damen in Kauf nehmen. Hinzu kommen für beide Geschlechter auffällige Perücken, opulente, schwere Kleidung aus Brokat, hoch­hackige Satinpumps und dick aufgetragenes Puder im Gesicht. Rundlichere Körper sowie Hüft- und Wadenpolster der Männer symbolisieren Macht und Sinnesfreude. Ausgedehnte Festmähler stehen für den Status des Herrschers. Dennoch sind die Menschen nicht fett, wie es oft anhand der gemalten Frauen von Rubens behauptet wird. Rubens selbst hatte ein Faible für fette Damen, aber ähnlich wuchtige Frauen lassen sich in der zeitgenössischen Kunst nur selten finden (vgl. Renz 2006: 24-25).

4.7 Rokoko

Im 18. Jahrhundert (vgl. Renz 2006: 25) führt man die Mode des Barock fort, kehrt sich aber etwas von der Schwülstigkeit der vorangegangenen Epoche ab. Die Mode wird, passend zum kultivierteren Verhalten, verspielter und zierlicher. Alles soll leicht und duftig wirken. Pastellige, porzellanartige Farben dominieren die Kleider. Als besonders schön gelten Frauen, wenn sie hochkomplizierte, gepuderte und eingedrehte Frisuren haben, die zusätzlich noch mit Schleifen, Blumen und Schmuck verziert sind. Auch die Männer pudern ihre Gesichter dick mit Mehl ein und legen Rouge auf. Die enorme Zeit, die man damit verbringt, sich auszustaffieren, ist für das heutige, schnelllebige Zeitalter undenkbar (vgl. Renz 2006: 25).

4.8 19. Jahrhundert

Die Mode des 19. Jahrhunderts ist sehr abwechslungsreich und unterliegt verschie­densten Strömungen, die Nutzung der ersten Nähmaschinen trägt zur schnellen und günstigen Produktion vielfältiger Kleidung bei (Renz 2006: 27).

1800 bis 1820 entwickelt sich der Empire-Stil. In der Männermode dominiert der Frack, die Farben sind dunkel, die Materialien aus Leinen oder Baumwolle. Zudem tragen die Männer gern Zylinder, Hosenträger und Stiefel. Die Frauen treten häufig in langen, unter der Brust geschnürten Gewändern auf die Straßen, die an das antike Griechenland erinnern. Dazu tragen sie flache Schuhe, Hüte mit langen Federtuffs oder Leinenhauben und allerlei Accessoires wie Fächer oder lange Handschuhe. Schlank, sportlich und jugendlich sollen die Körper der Männer und Frauen sein. Dennoch dürfen die Damen ihre Weiblichkeit zeigen und verhelfen sich mittels Wachs-

brüsten zu einem üppigen Dekolleté. Eine leicht gebräunte Haut wird salonfähig (vgl. Renz 2006: 26-29).

Die anschließende Epoche des Biedermeiers dauert von 1830 bis etwa 1850. Die Männermode ändert sich kaum, lediglich Schuhe oder Westen werden etwas dezenter. Die Frauenmode nähert sich wieder den wuchtigeren Gewändern an. Die Damen tragen lange Röcke, die mittels Unterröcken an Volumen gewinnen und die Taille wird wieder in Mieder und Korsagen geschnürt.

Die Gründerzeit, eine Phase enormen, wirtschaftlichen Aufschwungs erwirkt einen Durchbruch in der Mode sowie des Wohn- und Lebensstils. Ein Anfangsdatum der Gründerzeit ist schwer bestimmbar. Meist wird der Zeitraum von 1850 bis 1873, dem großen Börsenkrach, angegeben. Die Männer tragen vermehrt Sakko oder Smoking und enge, gestreifte Hosen, auf dem Kopf trägt man neben dem Zylinder auch die Melone. Die Frauenmode erfährt einen großen Wandel. Die weiten Röcke werden durch sehr enge Kleider abgelöst, der Hintern wird aufgepolstert, die Brust durch Mieder nach oben gepusht. Die Schuhe sind zunehmend spitzer und haben zum Teil hohe Absätze (vgl. Die Mode im 19. Jahrhundert, URL).

4.9 1920er Jahre

Die sogenannten goldenen 20er Jahre sind durch die belastenden Folgen der Nach­kriegszeit, aber ebenfalls durch einen großen Fortschrittsglauben und Vertrauen in neue Technologien gekennzeichnet. Das Idealbild der Frau ist in den 20er Jahren das einer etwas burschikoseren Frau. Cocktailkleider haben weite Schnitte und verdecken die Taille. Große Brüste sind demnach hinderlich und werden mit einem Leibgürtel flachgepresst. Auch abseits der Mode zeigen sich die Frauen emanzipierter, sie rauchen auf offener Straße, zeigen Bein und gehen zur Wahl. Vierzig Prozent der Frauen arbeiten nach dem ersten Weltkrieg, diese Tatsache ist natürlich einer der Gründe, warum Frauen erstmals auch Hosen tragen und sich die Haare aus praktischen Gründen kurz schneiden lassen (vgl. Posch 1999: 39). Die erste Schlank­heitswelle aus den USA findet schnell Anhänger, die Damen wollen einen gesunden und straffen Körper präsentieren. Dank der Printmedien erreichen Bilder der ersten weiblichen Hollywood-Stars die Menschen in Europa, an denen die Frauen beginnen sich zu orientieren (vgl. Die Mode der 20er Jahre, URL).

4.10 1950er und 1960er Jahre

Nach den von Nahrungsknappheit geprägten Jahren des zweiten Weltkriegs sind in den Fünfzigerjahren wieder üppige Formen modern in Deutschland, da sie Wohlstand und Gesundheit versprechen. Die Emanzipationsbewegung der 1920er Jahre gerät in

Vergessenheit. Die erste Ausgabe des Playboy-Magazins kommt im Jahr 1953 in den USA auf den Markt und revolutioniert den Zeitschriftenmarkt (vgl. Watts 2009: 70). In Deutschland erscheint das Magazin erst ganze zwei Jahrzehnte später. Verstaubte Hausmütterchen weichen den ersten attraktiven, sexy inszenierten Frauen in Zeit­schriften und Werbung. Marilyn Monroe wird als erste nackte Frau auf einem Cover abgebildet und avanciert mit ihrer Sanduhr-Silhouette, ihrem runderen Körper und dem großen Busen zur Traumfrau der Männer und zum Vorbild vieler Frauen. Ihre Kleider­größe beträgt 40/ 42 (vgl. Drolshagen 1995: 62). In Zeitschriften findet man sogar Artikel zur Gewichtszunahme, um den Figuren der Hollywood-Stars näher zu kommen. Heute eine undenkbare Werbekampagne. Durch einen gut sitzenden BH, enge Ober­teile und Make-up versuchen die Frauen darüber hinaus Idolen wie Sophia Loren oder Gina Lollobrigida nachzueifern. Nur drei Jahre nach Marilyn Monroes Tod kommt man etwas ab vom kurvigen Ideal. Das Model Twiggy setzt mit ihrer dürren Figur neue Maßstäbe, der Triangel-Bikini legt noch mehr Haut frei und in der Gesellschaft setzt sich zunehmend der Trend des dünnen Körpers durch (vgl. Drolshagen 1995: 98-99).

4.11 1980er Jahre

In den 1980er Jahren schwappt die Aerobic-Welle aus den USA nach Deutschland und löst einen Boom aus. Toupierte Haare, viel farbenfrohes Make-up, exzentrische, bunte Kleidung und große Schulterpolster erwirken Aufmerksamkeit und fordern einen wohlgeformten Körper. Weibliche Rundungen oder Hüftspeck gelten als dick. In Buch­handlungen erscheinen innerhalb weniger Jahre hunderte von Diätbüchern, Zeitschrif­ten bringen zahlreiche Artikel zur Gewichtsreduktion heraus, Drogerien verkaufen etliche Diätartikel (vgl. Wolf 1991: 91). Die extreme Fokussierung auf den Körper zieht auch einen Ansturm auf die Schönheitschirurgie nach sich. Die Methode des Fett- absaugens wird entwickelt (vgl. Drolshagen 1995: 125).

4.12 1990er Jahre

In den 1990er Jahren wird der Grundstein zum heutigen Size Zero-Ideal gelegt, Kate Moss prägt dank ihres ausgemergelten Körpers den Begriff des Heroin Chic. Der extreme Fitness-Trend legt sich unter den Frauen, der Fokus auf den schlanken Körper bleibt erhalten. Die Maße 90-60-90 werden als Ideal propagiert und durch das Phänomen des Supermodels in Form von Claudia Schiffer, Cindy Crawford und Elle MacPherson verkörpert. Die Männer legen weiterhin großen Wert auf Muskeltraining, dieser Trend führt zu einem Boom der Fitnessstudios. Markus Schenkenberg lächelt in Unterhosen von Werbeplakaten und auch Parfum- und Kosmetikwerbung setzt zu­nehmend auf gut gebaute, halbnackte Männer, die man zuvor niemals in solcher Auf­machung hat sehen können (vgl. Etcoff 2001: 253).

4.13 Heute

Und heute? Auch nach zahlreichen Versuchen von Kampagnen wie Dove, dass Schönheitsideal wieder mehr in Richtung natürlicher Rundungen zu verschieben, hält sich hartnäckig der westliche Size-Zero-Look. Noch nie in der Geschichte waren die Frauen so dünn wie heute (vgl. Posch 1999: 48). Abgesehen von einer perfekten, schlanken Figur, muss der Körper sportlich, schön und fit sein, das gilt für Frauen sowie für Männer. Muskeln gelten als sexy. Wer nicht von der Natur verwöhnt wurde, kann den Schönheitschirurgen besuchen. Schönheit ist machbar geworden. Das Ideal wird sich stetig weiterentwickeln und ändern, denn „knappe Güter sind begehrenswerter als im Überfluss verfügbare Güter“ (Posch 2009: 25).

4.14 Schönheitsideale fernab der westlichen Kultur

Fernab der westlichen Kultur, herrschen heute viele Schönheitsideale, die ebenfalls große Extreme darstellen. Besonders in naturverbundenen Kulturen, die ohne mediale Netzwerke auskommen, existieren oft Ideale, die den Schönheitsidealen der westlichen Bevölkerung enorm widersprechen.

Während Europäer einem festen, knackigen, apfelförmigen Po nacheifern, gilt in Uganda ein großer Po als perfekt. Und nicht nur der Po darf groß sein. Weibliche Mitglieder des Hima-Stammes werden Monate vor ihrer Hochzeit in sogenannte Fett­hütten gesperrt, in denen sie gemästet werden. Der Gedanke an das Märchen von Hänsel und Gretel drängt sich auf, in dem Hänsel von der bösen Hexe dick gefüttert wird. Und er ist durchaus berechtigt, denn das Dicksein ist natürlich zweckgebunden. Die zukünftigen Bräute nehmen jeden Tag etwa 5000 Kalorien zu sich, um ihrem Zukünftigen zu gefallen. Denn bei den Hima gilt der Grundsatz: je dicker die Frau, desto wohlhabender der Mann. Die Frau fungiert also als symbolisches Prestigeobjekt (vgl. Red 2014, URL).

Die Giraffenhalsfrauen des Padaung-Volkes im thailändischen Myanmar erhöhen Jahr für Jahr die Anzahl schwerer Messingringe um ihren Hals. Sie tragen die Ringe von Kindheit an und erlangen mit jedem weiteren Ring mehr Ansehen. Obwohl der Hals­schmuck im Alter bis zu 10 Kilogramm schwer werden kann und eine Höhe von etwa 40 Zentimetern erreicht, können die Frauen die Ringe niemals ablegen, da ihre Hals­muskeln aufgrund der Überdehnung nicht mehr imstande sind, sich selbst zu halten (vgl. Padaung, URL).

In Ecuador lebt der Indianerstamm Los Colorados, ein sehr farbenfrohes Volk, das sich nicht nur bunt kleidet, sondern die eigenen Körper auch mit roter oder schwarzer Farbe koloriert. Die Männer bemalen ihre Haare zudem mit roter Farbe, die sie aus Früchten eines heiligen Baumes gewinnen. Von den roten Haaren versprechen sich die Stammesmitglieder Glück und Schutz vor bösen Geistern sowie Erfolg bei den Frauen (vgl. Galileo, URL).

Das Schönheitsideal der Surma in Äthiopien beruht auf einer Notwendigkeit, die noch aus Kriegszeiten rührt: Surma-Frauen schmücken sich seit jeher mit Lippentellern aus Holz oder Ton, die sie in ihre überdehnten Unterlippen legen, um Räuber abzuschrecken und für den Menschenhandel nicht mehr attraktiv zu sein. Aus der Not entwickelte sich eine Tugend und die Frauen nehmen die Teller nur in Abwesenheit der Männer heraus. Kurz vor der Hochzeit erhalten die Frauen ihren ersten, etwa drei Zentimeter dicken Teller und dehnen ihre Lippe durch kontinuierliche Nutzung von immer und immer größeren Tellern. Der Brautpreis erhöht sich mit dem Durchmesser des Tellers und ist demnach nebst des Schönheitsideals ein Statussymbol des Volkes (vgl. Surma, URL).

Im Regenwald sowie in den Bergen Nordbrasiliens und Südvenezuelas leben die Yanomami. Sie tragen anstelle von Kleidung lediglich Schnüre um den Körper, mithilfe derer sie Gegenstände transportieren und ihre Geschlechtsteile schützen. Körperver­schönerung spielt bei den Yanomami eine große Rolle, sie schmücken sich im Gesicht gern mit Blumen oder kleinen Federn, die sie durch Ohren oder Nasenseptum stecken (vgl. Die Yanomami, URL).

Diese vielfältigen Beispiele für höchst unterschiedliche Schönheitsideale veranschaulichen, dass es kein universelles Standard-Ideal gibt, das allen Völkern der Welt zuteilwird. Zu sehr hängen die jeweiligen Ideale von gesellschaftlichen Bedingungen, der Umwelt oder etablierten Bräuchen ab. Trotzdem behaupten Attraktivitätsforscher, dass es tatsächlich Teilmengen im Bereich der Schönheit gibt, die alle Menschen verbinden.

5 Attraktivitätsforschung

Die Grundkomponenten der menschlichen Schönheitsobsession kommen laut der Attraktivitätsforschung aus der Evolution. Gewisse Forschungskriterien weisen darauf hin, dass Schönheit demnach nicht nur Luxus ist, sondern in erster Linie ein evolutionäres Lebenserhaltungsprinzip, da sie als ein Indikator für Gesundheit und gute Gene gesehen werden kann. Angenommen wird, dass gewisse körperliche Merkmale von allen Menschen als mehr oder weniger gleich schön empfunden werden, sogar bereits von Kindern und Babys. Im Folgenden werden die Überlegungen, Studien und Ergebnisse einiger Forschungshypothesen erläutert.

5.1 Taille-Hüft-Verhältnis

Der Waist-to-Hip-Ratio (WHO) beschreibt dem Namen nach das angeblich perfekte Verhältnis von Taille und Hüfte bei Frauen. Der ideale Quotient sollte laut wissen­schaftlicher Studien des Attraktivitätsforschers Devendra Singh bei etwa 0,7 liegen. Dieser Wert wird berechnet, indem man den Taillenumfang durch den Hüftumfang dividiert. Singh führte in den 90er Jahren zahlreiche Studien zum besagten Thema durch und ermittelte letztendlich „[d]ie magische 0,7“ (Renz 2006: 94).

Einst hoch gepriesen als Formel für die weibliche Schönheit, werden jüngst aber etliche Stimmen laut, die Zweifel an Singhs Forschungsergebnissen hegen. Kritisiert wird, dass nicht das Taillen-Hüft-Verhältnis der Frauenfiguren in den Studien an sich, sondern nur die Taille und die Körperfülle verändert wurden. Dementsprechend ist es durchaus möglich, dass die Figur mit der schmalsten Hüfte in den Umfragen am schlankesten und deshalb am ansprechendsten wirkte (vgl. Renz 2006: 96).

Im Hinblick auf die Erkenntnisse aus Kapitel vier wird ersichtlich, dass die Allgemeingültigkeit dieses Wertes nicht uneingeschränkt richtig sein kann. Tatsächlich bekommt die Taille mit einem Wert von 0,7 die besten Werte in Umfragen, die mit Versuchsteilnehmern aus westlichen Kulturen durchgeführt werden, aber in Kulturen fernab der westlichen Zivilisation wird oftmals ein Taille-Hüft-Quotient um die 0,9 bevorzugt (vgl. Renz 2006: 96).

Das Informationsportal Beautycheck rief 2007, zur erneuten Überprüfung der Ergeb­nisse, eine Untersuchung mit über 34.000 Versuchspersonen ins Leben. Es galt zunächst 243 gemorphte Figur-Varianten und später hundert echte Frauenfiguren hinsichtlich ihres Taille-Hüft-Quotienten zu bewerten (vgl. Beautycheck 2001a, URL).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Bevorzugung für die Taillenweite. Geschlechtsunterschiede (in Prozent). Befragte Personen: 34.015; Prozentzahlen gerundet (vgl. Beautycheck 2001a, URL)

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Tabelle 3: Bevorzugung für die Hüftbreite. Geschlechtsunterschiede (in Prozent). Befragte Personen: 34.015; Prozentzahlen gerundet (vgl. Beautycheck 2001a, URL)

Eine mittlere Hüftbreite erhält bei den Befragten mit fünfzig Prozent den Vorzug. Die männlichen Befragten sehen die schmalere Hüfte als etwas attraktiver an, im Gegen­satz zu den weiblichen Befragten. Frauen geben der etwas breiteren Hüfte mit immerhin 32 Prozent einen Vorzug, im Gegensatz zu den Männern.

Die Ergebnisse zu der anschließenden Studie mit den hundert fotografierten, echten Frauen decken sich mit den Untersuchungen zu den gemorphten Figuren. Der durch­schnittliche Waist-to-Hip-Ratio, der sich aufgrund der Daten ermitteln lässt, stimmt nahezu perfekt mit 0,7 überein. Weit wichtiger als der Quotient scheint aber zu sein, dass das Taille-Hüft-Verhältnis generell möglichst klein ist, die diesbezügliche Aus­wertung schneidet minimal besser ab. Dennoch ist der Effekt als solcher sehr klein und es sind etliche Frauenfiguren als höchst attraktiv eingeschätzt worden, obwohl sie vom als ideal geltenden Wert 0,7 abweichen.

Es gibt demnach einen schwachen Zusammenhang zwischen dem Waist-to-Hip-Ratio und der Attraktivität, allerdings kann er nur im Hinblick auf das Empfinden der westlichen Bevölkerung als wahr bezeichnet werden, da ferne Kulturen andere Ideale wählen. Etwas besser würden die Daten sogar durch den Zusammenhang zwischen einem möglichst kleinen Taille-Hüft-Quotienten und der empfundenen Schönheit der Figur erklärt werden (vgl. Beautycheck 2001a, URL). Der genetische Faktor bezüglich der Figur-Präferenz scheint dennoch aufgrund der Ergebnisse anderer Kulturen ausgeschlossen werden zu können. Interessant ist demnach, welche Mechanismen in der westlichen Gesellschaft zu diesem einheitlichen Figur-Ideal führen.

5.2 Die Faszination am schönen Durchschnittsgesicht

Die Durchschnittshypothese besagt, dass attraktive Gesichter aufgrund ihrer durch­schnittlichen Gesichtsproportionen als schön wahrgenommen werden. Die Wissenschaftlerin Judith Langlois führte Ende der 80er Jahre erste Versuche zu besagter Hypothese durch und fand heraus, dass mit steigender Anzahl an ineinander gemorphten Bildern auch der Attraktivitätsgrad des abgebildeten Gesichts steigt (vgl. Renz 2006: 44).

Die Forscher der Internetseite Beautycheck wollten auch diesem Phänomen auf den Grund gehen und stellten das Langlois'sche Experiment nach. Dazu morphten sie 64 Frauengesichter und 32 Männergesichter zu jeweils einem Durchschnittsgesicht. Je mehr Originalgesichter zu einem gemorphten Gesicht verschmolzen, desto attraktiver wurde es beurteilt (vgl. Beautycheck 2001b/ e, URL). Damit stützen sie einerseits Langlois Ergebnisse, andererseits ermittelten sie aber auch, dass die Nutzung attraktiver Gesichter in einem gemorphten Gesicht zu einem besseren Abschneiden des finalen Gesichtes führt. Gemorphte Durchschnittsgesichter sind dementsprechend attraktiv, aber der Grad der Attraktivität hängt ganz klar von der Auswahl der Gesichter ab, die hineingemorpht werden. Die finalen Gesichter bleiben unattraktiv, wenn sie aus unattraktiven Durchschnittsgesichtern gemorpht werden, ebenso bleiben Gesichter attraktiv, wenn das gemorphte Ausgangsmaterial aus attraktiven Durchschnitts­gesichtern besteht. Die Durchschnittshypothese kann anhand dieser Erkenntnisse widerlegt werden, da nicht ausschließlich die Anzahl der verschiedenen Gesichter in einem Durchschnittsgesicht relevant ist.

Um dem wahren Grund für die übermäßige Attraktivität der gemorphten Gesichter auf die Spur zu kommen, wandelten die Forscher von Beautycheck das Experiment ab und versuchten zu eruieren, ob die Bewertung hinsichtlich der Schönheit vielleicht durch die morphingbedingte Makellosigkeit der Haut zustande kommt. Sie morphten bei beiden Geschlechtern drei unattraktive und drei attraktive Gesichter zu fünfzig Prozent in Richtung des Durchschnittsgesichts, wobei sie nur Proportionen anglichen und die Hautbeschaffenheit unverändert ließen. Diese Versionen wurden dann von Versuchs­personen mit dem Originalgesicht verglichen. Die unattraktiven Gesichter schneiden nach ihrer Annäherung an die Durchschnittsgesichter besser ab. Die attraktiven Gesichter werden nach der Annäherung an die Durchschnittsgesichter nicht als attraktiver bewertet.

Festzuhalten ist also, dass ein Durchschnittsgesicht zwar schöner als die unattraktiven Gesichter ist, aber eben nicht schöner als die attraktiven Gesichter. Nun wurden darüber hinaus, zwecks Beweisbarkeit, zwei Gesichterpaare hergestellt, die sich in ihren Proportionen glichen, um lediglich die Gesichtsoberflächen in ihrer Beschaf­fenheit vergleichen zu können. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass die junge, ebenmäßige, makellose Haut für einen höheren Attraktivitätswert verantwortlich ist und eben nicht die durchschnittlichen Gesichtsproportionen. Die Durchschnittshypothese lässt sich folglich in ihrer Anwendung auf Gesichter-Proportionen widerlegen (vgl. Beautycheck 2001b/ e, URL).

5.3 Gesichtssymmetrie

Symmetrie gilt seit der Antike als Merkmal des Schönen. Schon malende Kinder wählen meist symmetrische Figuren, so zeichnen sie beispielsweise Häuser mit einer mittigen Tür sowie einem Fenster rechts und links oder sie malen in beide oberen Ecken eines Bildes einen Vogel. In zahlreichen Versuchen wurden Gesichter in der Mitte gespiegelt, aber diese Neuschöpfungen wurden von Versuchsteilnehmern nie als sonderlich attraktiv wahrgenommen. Dann entschied man sich für die Morphing­Technik und verschmolz ganze Gesichter auf die Art mit dem zugehörigen Spiegelbild. Diese Ergebnisse wurden als harmonischer und lebendiger wahrgenommen (vgl. Renz 2006: 49-54). In Tests mit drei- bis sechsmonatigen Kleinkindern wurde die These, dass symmetrische Gesichter attraktiver sind, bestätigt, denn die Kinder widmeten den symmetrischen Kunstgesichtern weit mehr Aufmerksamkeit als den natürlichen Gesichtern (vgl. Siemens 2004, URL). Symmetrie spielt also definitiv eine gewisse Rolle bei der Einschätzung von Schönheit.

5.4 Kindchenschema

In der zeitgenössischen, westlichen Kultur sollen Frauen möglichst weiblich, Männer typisch männlich aussehen. Doch was bedeutet diese Klassifikation in Bezug auf Gesichtsmerkmale?

Von besonderer Bedeutung sind hier die Proportionen der Gesichter, die enorm vom geschlechtsspezifischen Hormonhaushalt abhängen. Die weiblichen Gesichts­proportionen bleiben aufgrund ihres niedrigen Testosteronspiegels kindlicher als die der Männer. In der Attraktivitätsforschung spricht man von der Neotenie-Hypothese, auch Babyfaceness-Theory genannt. Frauen sind demnach besonders hübsch, wenn sie folgende kindliche Merkmale besitzen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Kindchenschema (vgl. Beautycheck 2001c, URL).

Menschen reagieren auf die Merkmale des Kindchenschemas mit positiven Emotionen, egal, ob es sich beim Merkmalsträger um eine Frau, Tierbabys oder um kindliche Zeichentrickfiguren handelt[1] (Renz 2006: 56).

Die Forschergruppen spalten sich rund um das Thema des Kindchenschemas in zwei Lager, so sagen die einen, dass es in der Entwicklungsgeschichte des Menschen für Männer ein Vorteil war, junge Frauen als Fortpflanzungspartnerinnen zu bevorzugen, da sie eher gesund seien und noch eine lange Periode der Fruchtbarkeit vor sich hätten. Die anderen sagen, dass Kennzeichen der Reife, zum Beispiel hohe Wangen­knochen und markantere Wangenpartien, ein Frauengesicht attraktiv machen, weil diese Merkmale Geschlechtsreife signalisieren.

Zur Überprüfung des Kindchenschemas erstellten die Forscher von Beautycheck mehrere Varianten verschiedener Gesichter erwachsener, attraktiver Frauen, die unter­schiedlich hohe Merkmale des Kindchenschemas beigesetzt bekamen. Die Gesichts­oberfläche wurde nicht verändert. 90,5 Prozent der Versuchsteilnehmer empfanden Gesichter mit Merkmalen des Kindchenschemas als stark attraktivitätssteigernd, nur

9,5 Prozent empfanden die originalen Gesichter am attraktivsten. Die Gesichter mit einem Kindchenanteil von zehn bis fünfzig Prozent bekamen die beste Wertung. Das Ergebnis dieser Studie zeigt, dass selbst attraktive Frauen durch kindliche Gesichts­anteile noch schöner werden (vgl. Beautycheck 2001c, URL). Auch im Rückblick auf die Erkenntnisse aus Kapitel 4 wird deutlich, dass das Schönheitsideal des Gesichts über alle Epochen mehr oder minder konstant blieb. Obwohl Mode und Körperstaturen sich wandelten, galten große Augen, volle Lippen, rosige Wangen und ebenmäßige Haut als schön.

6 Die Bedeutung der Massenmedien im Alltag

Um den Einfluss der Massenmedien auf das bestehende Schönheitsideal auszu­machen, muss zunächst beleuchtet werden, inwieweit der Mensch tagtäglich mit den verschiedenen Medienformaten in Berührung kommt und auf welche Inhalte er dabei trifft.

6.1 Das Fernsehen

In der westlichen Kultur ist in nahezu jedem Haushalt mindestens ein Fernseher vorhanden. Laut dem Statistik-Portal Statista haben im Jahr 2013 34,67 Millionen Men­schen einen Fernseher im Haushalt, 25,81 Millionen sogar zwei Geräte, 1,97 Millionen mehr als zwei Geräte und lediglich 0,49 Millionen Menschen besitzen keinen Fern­seher (vgl. Statista 2013b, URL). Unabhängig von Einkommen oder sozialem Status leistet sich demnach so gut wie jeder Mensch einen Fernseher.

Aufgrund der ansteigenden Anzahl an Sendern und den immer vielfältigeren Sendun­gen, stieg der Fernsehkonsum in den letzten Jahren ebenfalls kontinuierlich an. Eine Auswertung von Media Control zeigt, dass sich die tägliche Zeit vor dem Fernseher, bei den Zuschauern ab vierzehn Jahren, auf ganze 242 Minuten im ersten Halbjahr 2013 beläuft (vgl. Schmucker 2013, URL). Ein-Personen-Haushalte steigerten ihre Zeiten vor dem Gerät sogar von 233 Minuten im Jahr 1994 auf 311 Minuten im Jahr 2004. Das macht einen Anstieg von 33,1 Prozent aus (vgl. Iskandar Hanfeld 2005 nach Reichertz 2007: 24) Setzte das Programm vor rund fünfzehn Jahren zur späten Stunde noch aus und wurde durch Bilder von fahrenden Zügen über Bahnschienen ersetzt, kann man heutzutage vierundzwanzig Stunden täglich Programm empfangen. Eine gewisse Omnipräsenz wird deutlich.

Im Jahr 2011 gaben die Zuschauer noch folgende Gründe für ihren Fernsehkonsum an: Neunzig Prozent schalteten primär zur Informationsgewinnung ein, für 85 Prozent spielte zusätzlich die Unterhaltung eine Rolle, 71 Prozent sahen Entspannung in ihrem Tun, 52 Prozent wollten mitreden können, auch zum gemeinsamen Zeitvertrieb (35 Prozent) wurde der Fernseher eingeschaltet und bei 34 Prozent der Zuschauer läuft der Fernseher lediglich im Hintergrund (vgl. Statista 2011c, URL).

Es wird deutlich, dass das Fernsehen das alltägliche Leben in jeglicher Form begleitet. Der Zuschauer richtet seine abendliche Aktivität nach Programmen (Bsp: gemeinschaftliches Ansehen der Sendung The Voice of Germany), das Fernsehprogramm begleitet soziale Abläufe (Jahreszeiten und Festivitäten) und es bezieht sich zudem auf alle erdenklichen Bereiche der Lebenswelt (vgl. Reichertz 2007: 24-25) „[Das Fernsehen] greift mit seinen Beiträgen und Formaten aktiv in das gesellschaftliche Leben ein“ (Reichertz 2007: 25). Fernsehsender bringen eigene Polit- Shows, tragen zur Verbrechensaufklärung bei, helfen Liebenden zueinander zu finden oder weniger attraktiven Frauen zu einem neuen Aussehen (Extrem schön! - Endlich ein neues Leben!) und treten sogar abseits des Fernsehbildschirms in Erscheinung, indem sie Projekte und Festivals sponsern oder sich für den guten Zweck einsetzen. Das Fernsehen hat nicht nur die Wissensspeicherung sowie die Wissensübertragung verändert, sondern auch die Art der Rezeption aufseiten der Rezipienten (vgl. Reichertz 2007: 26). „[Das] Fernsehen [...] [ist eine] global agierende Organisation mit eigenen Interessen und beachtlichen ökonomischen Ressourcen und politischen Mitteln [...]“ (Reichertz 2007: 26).

Während in der Anfangszeit des Fernsehens noch die Gegenüberstellung des häuslichen Lebens und der Welt draußen thematisiert wurde, geht es heutzutage mehr um die Darstellung von Spannungsverhältnissen zwischen dem Innen und Außen des Selbst. ,„Bearbeitet vs. ,unbearbeitet‘, ,kontrolliert‘ vs. ,unkontrolliert‘, ,aktiv‘ vs. ,passiv‘ [. ]. Das Fernsehen [. ] lässt das Selbst zum Projekt des Selbst-Managements werden“ (Seier/ Surma 2008: 178, Hervorhebung im Original). Das bedeutet, eine schlichte Darstellung eines durchschnittlichen Familienlebens im Fernsehen reicht nicht mehr aus, um Quoten zu erzielen. Wenn die Mutter der Familie sagt, sie verzich­tet am Abend auf Schokolade, handelt es sich dabei um ein Vorhaben, eine mehr oder weniger willkürliche Entscheidung, die keine Zuschauer anlockt. Wenn aber der Ver­zicht auf Schokolade an eine ganze Reihe von Nebenbedingungen geknüpft ist, dann wird aus dem Vorhaben ein Projekt und das Fernsehen lebt von Projekten. Es geht dann plötzlich um gesunde Ernährung, weniger Alkohol, die Familie wird eingebunden, ein Experte zu Rate gezogen und schließlich werden daraus Abnehm-Shows wie Biggest Loser oder Extrem schwer. Die Nutzung von zusätzlichen Medien innerhalb

[...]


[1] Disney-Figuren, Manga-Comics

Excerpt out of 106 pages

Details

Title
Schönheit kommt von außen. Welche Bedeutung kommt den Massenmedien bei der Entwicklung eines Schönheitsideals zu?
College
University of Duisburg-Essen
Grade
1,7
Year
2014
Pages
106
Catalog Number
V288975
ISBN (eBook)
9783656892823
ISBN (Book)
9783656892830
File size
4535 KB
Language
German
Keywords
schönheit, bedeutung, massenmedien, entwicklung, Marketing, Kommunikation, Schönheitsideal, Medien, Kommunikationswissenschaft
Quote paper
Anonymous, 2014, Schönheit kommt von außen. Welche Bedeutung kommt den Massenmedien bei der Entwicklung eines Schönheitsideals zu?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/288975

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