Zielvereinbarungsgespräche im Krankenhaus. Experteninterviews als Methode, Motivation, Konzeption und Wirkung


Akademische Arbeit, 2007

45 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung
1.1 Zielvereinbarungsgespräch
1.1.1 Terminierung der Zielvereinbarungsgespräche
1.1.2 Zielformulierung
1.2 Voraussetzungen zur Implementierung eines Zielvereinbarungssystems
1.2.1 Konsens
1.2.2 Die Rolle des Betriebsrates
1.2.3 Die Rolle der Unternehmensberater
1.2.4 Kultureller Wandel
1.3 Informationsveranstaltungen und Schulung
1.3.1 Motive zur Implementierung
1.3.2 Projektgruppenkonstellation
1.3.3 Vorbereitungszeitraum
1.3.4 Controlling
1.4 Konzeptionelle Überlegungen
1.4.1 Flexibilität und Individualität
1.4.2 Leistungsbezogenes Entgelt
1.4.3 Rolle der Führungskräfte in der Pflege
1.4.4 Rolle der Pflege
1.4.5 Vorteile und Problemstellungen des Systems

2. Diskussion der Ergebnisse
2.1 Motivation im Zielvereinbarungssystem
2.2 Konzeption
2.3 Die Wirkung des Zielvereinbarungsgesprächs
2.4 Die Frage der Lohngerechtigkeit

2.5 Fazit

3. Anhang

4. Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit hat grundlegend das Zielvereinbarungsgespräch in einem Krankenhaus zur Basis. Zunächst soll auf die Terminierung der Zielvereinbarungsgespräche sowie auf Zielformulierungen eingegangen werden. Daraufhin werden die verschiedenen Voraussetzungen zur Implementierung eines Zielvereinbarungssystems aufgezeigt, sowie die Möglichkeit zu Informationsveranstaltungen und Schulungen erläutert. Auf anschließende konzeptionelle Überlegungen folgt eine Abschlussdiskussion der Ergebnisse.

1.1 Zielvereinbarungsgespräch

Der Ablauf eines Zielvereinbarungsgespräches lässt sich laut eines Unternehmensberaters in verschiedene Phasen einteilen, die in einem Diagramm dargestellt werden. (siehe Anhang M) Die einzelnen Phasen haben fließende Übergänge und sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Nach der Begrüßung sollten kurz aktuelle Ereignisse ausgetauscht werden. Zeichnet sich bereits in dieser Phase ein größerer Kommunikationsbedarf ab, muss ein weiterer Termin vereinbart werden, um diesen Aspekt dann zu besprechen.

In der zweiten Phasen wird über die Zielerreichung des Mitarbeiters gesprochen und der Grad der Erreichung festgelegt. Wurde ein Ziel nicht oder nur teilweise erreicht, müssen die Gründe offengelegt und evtl. Maßnahmen generiert werden: „[...]auch die Hintergründe diskutieren, also warum ist das Ziel erreicht, warum ist ein Ziel nicht erreicht, was war schwierig, was war nicht so schwierig also dieser Part das ist der Zielerreichungsteil.“ (KN E5, Z. 269-271) Die zweite Phase entfällt, wenn das Zielvereinbarungsgespräch zum ersten Mal geführt wird. Im Informationsaspekt sollte die Führungskraft den Mitarbeiter über aktuelle Veränderungen im Krankenhaus informieren und dann zusammen mit dem Mitarbeiter ein Zukunftsbild erstellen und Ziele ableiten. In der Zielvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Unternehmens- und Abteilungsziele, die Ziele des Mitarbeiters diskutiert und anschließend vereinbart. Am Schluss werden die Gesprächsinhalte und die vereinbarten Ziele protokolliert. Mit der Unterschrift erklären sich beide Parteien mit der Zielvereinbarung einverstanden.

Die Experten empfehlen pro Zielvereinbarungsgespräch einen zeitlichen Rahmen von 45 bis maximal 90 Minuten einzuplanen. In der Einführungsphase dauern die Gespräche länger und nehmen mehr Zeit in Anspruch, weil der Umgang mit dem System Übung für Mitarbeiter und Führungskraft erfordert.

1.1.1 Terminierung der Zielvereinbarungsgespräche

Die Experten sprechen die Empfehlung aus, Zielvereinbarungsgespräche im Einjahrestakt zu planen: „[...] einmal im Jahr ist es uns der Mitarbeiter wert, dass wir uns mit ihm hinsetzen.“ (KN E3, Z. 136) Die Erfahrungen der Experten belegen, dass eine unterjährige Taktung für alle Gespräche nicht praktikabel ist, besonders wenn es sich um ein größeres Krankenhaus handelt. Jedoch gehen sie auch auf die Flexibilität der Terminierung ein. (siehe 1.4.1) Vor dem Hintergrund, dass ein Zielvereinbarungsgespräch ca. 30 bis maximal 90 Minuten dauern sollte, ist eine engere Taktung in der Praxis kaum umsetzbar. Das Führen der Gespräche im Zweijahrestakt würde die Verbindlichkeit in Bezug auf die Zielerreichung gefährden.

Die Termine für die Gespräche müssen frühzeitig bekannt gegeben werden, damit sich beide Parteien entsprechend darauf vorbereiten können.

1.1.2 Zielformulierung

Die Formulierung der Ziele stellt für den Krankenhausbereich, gerade im Bereich der Pflege eine neue Herausforderung dar. Experten beschreiben, dass sich die beteiligten Personen beim Formulieren der Ziele überfordert fühlen.

Bei der Zielformulierung sollte darauf geachtet werden, dass eine möglichst hohe Identifikation mit den Zielen angestrebt wird: „[...] das die Pflegekräfte [...] zumindest die Möglichkeit haben, ein Ziel selbst zu definieren, damit sie sich in diesem System wieder finden [...].“ (KN E2, Z. 145-147) Dieser Umstand erhöht die Motivation und die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Im Zielvereinbarungsgespräch sollte der Mitarbeiter nach persönlichen Zielen gefragt und entsprechend darauf reagiert werden. Dadurch wird ihm die Möglichkeit geboten, evtl. bisher ungenutzte Ressourcen ins Unternehmen einfließen zu lassen, sowie sich im Rahmen seiner Tätigkeit selbst zu verwirklichen. Experten empfehlen insgesamt nicht mehr als fünf Ziele zu vereinbaren: „[...] nicht zu viele Ziele definiert, weil sonst verzettelt man sich.“ (KN E2, Z. 135) Dabei wird eine Aufteilung der Ziele in Unternehmens-, Abteilungs-, Projekt- und persönlichen oder individuellen Zielen angestrebt. (siehe Anhang N) Die persönlichen Ziele sollten im Kontext des Tätigkeitsfeldes liegen und dürfen die Zielerreichung der anderen Ziele nicht behindern. Eine weitere Schwierigkeit stellt die Abgrenzung zwischen Ziel und Maßnahme dar und sollte in aller Feinheit Beachtung finden.

Bei der Zielformulierung sind Regeln wie beispielsweise die SMART Kriterien zu beachten, damit die Ziele ihrer Funktion erfüllen. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen in Seminaren lernen, Ziele sehr fein zu definieren. Zielsetzungen dürfen nicht zu weit von der alltäglichen Arbeit distanziert sein. Gewiss sollen sie Impulse geben und die Leistung zu sichern bzw. zu erhöhen, jedoch in realistischer Dosierung in Bezug auf das Tätigkeitsfeld und der Qualifikation des Mitarbeiters.

Im Krankenhaus geht es hauptsächlich um Qualität und weniger um Quantität: “[...] das heißt die Schwierigkeit im pflegerischen Bereich, wo es viel um qualitative Ziele geht sozusagen umzuformulieren in eine Leistungsskala [...].“ (KN E5, Z. 336-337) In der Anfangsphase sollten im Bereich der Pflege zunächst quantitative Ziele formuliert werden und es sollte sich erst im zweiten Schritt der Herausforderung gestellt werden, qualitative Ziele zu definieren. Zielformulierung erfordert häufig Kreativität, Ideen und eine Denkweise, die über das tägliche Arbeitsumfeld hinausgeht. Werden Ziele für ein Jahr festgelegt, können sich im Laufe des Jahres Konditionen und Prioritäten verschieben, welches eine Nachverhandlung und Korrektur der Zielformulierung unabdingbar macht. Die vorherige Zielformulierung sollte dabei Grundlage der neuen Zielformulierung sein und sie evtl. ablösen.

Ein Projektleiter nennt Beispiele für die Formulierung von individuellen Zielen. Ein Mitarbeiter könnte das Ziel bekommen, das Bestellwesen einer Station zu optimieren oder die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die Abteilungsbesprechungen protokolliert werden.

1.2 Voraussetzungen zur Implementierung eines Zielvereinbarungssystems

Ein Unternehmen muss über bestimmte Voraussetzungen verfügen, wenn ein Zielvereinbarungssystem eingeführt werden soll.

Es muss allen Beteiligten klar sein, dass so ein System einen finanziellen Hintergrund fordert, der nach Entscheidung der Geschäftsleitung geschaffen werden muss. Auf die Frage nach dem Ausmaß der Finanzierung, hat ein Experte eine Beispielrechung aufgeführt: „ [...] wenn ein Arbeitsplatz pro Jahr etwa 50 000 Euro kostet, heißt das für 220 Arbeitstage 227€ pro Tag. Das heißt, wenn man ein Seminar mit 10 Leuten macht an Arbeitszeitkosten 2270€ allein durch die Zeit der Seminarteilnehmer...die Arbeitszeit der Arbeitnehmer ist der größte Kostenblock einer der aber nicht unbedingt ‚ controlled’ wird, was natürlich viel mehr im Blickpunkt steht ist das Beraterhonorar.“ (KN E3, Z. 41-48) Die Kostenberechnung ist fester Bestandteil einer detaillierten Projektplanung. Personalkosten sind für die Arbeitnehmer weniger offensichtlich, können jedoch anhand des aufgeführten Beispiels verdeutlicht werden. Die Vorbereitung der Führungskräfte und Mitarbeiter in Seminaren kostet viel Geld und sollte nicht unterschätzt werden. Neben der Bereitstellung der finanziellen Mittel, müssen auch zeitliche Ressourcen eingeplant werden: „Je mehr Zeit und je mehr Energie man in die Einführung steckt, umso besser wird der Erfolg sein. Wird man die Einführung stiefmütterlich behandeln wird das ganze Projekt im Sande verlaufen.“ (KN E2, Z. 198-200) Das Zitat beschreibt die Bedeutung der Vorbereitung und die Verbindung zum Erfolg mit dem System.

Experten beschreiben als Mindestvoraussetzung die Schulung der Beteiligten in den Bereichen der Gesprächsführung und der praktischen Anwendung des Systems.

Weitere Grundvoraussetzungen bilden die Formulierung einer Unternehmensvision, Strategie und Unternehmensziele. (siehe Anhang N) Es muss insgesamt eine Zielvereinbarungsstruktur geschaffen werden, die dem Krankenhausbetrieb angepasst ist.

1.2.1 Konsens

Um das System in einem Krankenhaus einführen zu können, muss die Akzeptanz des Systems bei den Führungskräften und Mitarbeitern geschaffen werden. Die Beteiligten müssen die Notwendigkeit der Implementierung erkennen und entsprechend ihr Handeln darauf auslegen: „[...] für die Einführung ist die Entschlossenheit der Führung so etwas zu machen und auf der Ebene auf der diese Entschlossenheit da ist, in dem Bereich ist es dann immer sinnvoll die Dinge einzuführen. Also wenn z.B. im Pflegebereich die Entschlossenheit sehr groß ist, kann man bei der Geschäftsführung nicht, rate ich nicht dazu, das flächendeckend einzuführen dann ist eine Teileinführung in der Pflege besser.“ (KN E3, Z. 24- 28) Nach Meinung von ca. 75% der Experten kann auf die Entschlossenheit der Geschäftsführung nicht verzichtet werden, denn sie stellt eine wesentliche Grundvoraussetzung dar. Bis zur Erreichung der Übereinstimmung in der Unternehmensleitung muss Überzeugungsarbeit geleistet werden und nach Überschreitung des zeitlichen Rahmens, Prioritäten gesetzt werden.

Eine Teileinführung ist somit anzustreben, wenn Konsens in einem Bereich fehlt. Zögerlichkeit und Unentschlossenheit, beispielsweise von Chefärzten dürfen zu einem späteren Zeitraum nicht mehr auftreten. Aus oberer Leitungsebene muss das System zur Steuerung eines Unternehmens gesehen werden und sollte langfristigen Charakter haben. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen überzeugt sein, innerhalb einer Projektgruppe die Implementierung eines Zielvereinbarungssystems gestalten zu können.

1.2.2 Die Rolle des Betriebsrates

Der Betriebsrat, folglich stellvertretend für die Mitarbeitervertretung einer konfessionellen Klinik, hat in Bezug auf die Einführung eines Zielvereinbarungssystems eine bedeutende Rolle. „Die Mitarbeitervertretung sollte von Anfang an dabei sein, auch ein wichtiges Kriterium [...].“ (KN, E4, Z. 110-111) Alle Experten fordern den Einbezug des Betriebsrates bereits in der Projektgruppenarbeit, um die Interessensvertretung der Arbeitnehmer zu sichern. Ein frühes Einbeziehen ist Grundvoraussetzung, weil Arbeitgeber und Betriebsrat im späteren Verlauf die Inhalte der Betriebsvereinbarung beschließen (siehe Anhang D). Experten berichten über Institutionen, wo die Akzeptanz, sowie die Unterstützung des Betriebsrates nicht gegeben ist und der Fortlauf der Implementierung gefährdet wurde.

1.2.3 Die Rolle der Unternehmensberater

Krankenhäuser suchen sich nach Meinung aller Experten Berater, die mit Mitarbeitergesprächen, Führung und Zielvereinbarungen vertraut sind: „[...] externe Moderation lässt sich das auch viel ökonomischer gestalten, weil nicht alles neu erfunden werden muss [...].“ (KN E3, Z. 248-249) Die Rolle der externen Moderatoren wird oft von Unternehmensberatungsgesellschaften übernommen, denn sie besitzen bereits praktische Erfahrungen mit dem Zielvereinbarungssystem. Sie begleiten den Prozess von Beginn an und unterstützen die Projektgruppe, Widerstände abzubauen und Akzeptanz zu fördern. Ein Zielvereinbarungssystem kann nicht als Konzept übernommen werden, sondern muss individuell angepasst werden, welches den Aufwand der Implementierung stark erhöht und in Kooperation mit der Projektgruppe in den Aufgabenbereich des Beraters fällt. Einige Bereiche des Systems können und sollten auch übernommen werden, um ökonomisch mit den finanziellen und zeitlichen Ressourcen umgehen zu können. Der Berater kann in bestimmten Konstellationen die Rolle der Projektleitung übernehmen, wenn z.B. Neutralität erwünscht ist.

Krankenhäuser sollten bei der Auswahl darauf achten, dass eine externe Beratung über einen längeren Zeitraum (ca. zwei Jahre) gesichert werden kann (siehe Anhang O). Der Berater muss von der Thematik überzeugt und intrinsisch motiviert sein. Der Institution sollte verdeutlicht werden, dass ein Berater immer Unterstützer ist und bedingt Einflussmöglichkeiten hat. Experten aus dem Bereich der Unternehmberatung schildern, dass die Nachfrage der Krankenhäuser zum Themenbereich der Zielvereinbarungen in den letzten Monaten stark angestiegen ist und sich als neue Einnahmequelle der Unternehmensberatungen festigt.

1.2.4 Kultureller Wandel

Die Implementierung eines Zielvereinbarungssystems bringt unternehmenskulturelle Veränderungen mit sich: „ [...] ein gewisser Kulturwandel der absolut notwendig ist, aufgrund der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen [...].“ (KN E5, Z. 50-51) Dieser Kulturwandel wird durch Gesetzesänderungen z.B. des TVöDs intensiviert und erfordert ein relativ zeitnahes Reagieren. Experten berichten, dass Krankenhäuser vermehrt in direkter Konkurrenz zueinander stehen und über die Existenz eines Krankenhauses keine Garantie ausgesprochen werden kann. Ein Experte beschreibt, dass Mitarbeiter im öffentlichen Dienst nicht ökonomisch genug denken. Dieses Denken wird in der Zukunft jedoch von allen Beteiligten erforderlich sein. Der Leistungsdruck der Krankenhäuser, wird wie nie zuvor, auf jeden einzelnen Mitarbeiter übertragen. Das Zielvereinbarungssystem stellt Verbindlichkeiten zwischen der Tätigkeit der Arbeitnehmer und der Existenz eines Krankenhauses dar.

Die Einführung von Zielvereinbarungen erfordert eine zukunftsorientierte Denkweise: „[...] das dauert eine gewisse Zeit, bis diese Kultur in die Köpfe reingeht.“ (KN E5, Z. 607-608) Den Mitarbeitern und Führungskräften muss in Vorträgen, Seminaren und Workshops schrittweise ein Hintergrundwissen vermittelt werden. Nach dem Durchführen der ersten Zielvereinbarungsgespräche, werden sich nach Meinung eines Experten, kulturelle Veränderungen in der Praxis zeigen.

Ein Interviewpartner führt an, dass besonders Krankenhäuser, die dem TVöD unterliegen, sich stark unter Druck gesetzt fühlen und zu spät auf politische Veränderungen reagieren. Die Implementierung der Qualitätsmanagementsysteme vor einigen Jahren, zeigten Phänomene in gleicher Art und Weise auf.

Die Experten wurden in den Interviews nach Alternativen zum Zielvereinbarungssystem befragt. Keiner konnte ein gleichwertiges Konzept nennen. „Mit den Mitarbeitern muss man in Kommunikation gehen und das funktioniert eigentlich nur, wenn es um die Umsetzung der Unternehmensstrategie und das geht nur über Zielvereinbarungssysteme [...]“ (KN E5, Z. 462-464). Die Konzeption ist unterschiedlich, denn der Leitgedanke, Ziele zu vereinbaren, um sie zu erreichen, stellt dahingehend eine Besonderheit dar. Zielvereinbarungssysteme erfordern kontinuierliche Gespräche über Zielsetzungen, die nicht auszutauschen sind. Nur durch Zielsetzungen in Form von Zielvorgabe oder Vereinbarung können Unternehmensziele und Strategien erfolgreich umgesetzt werden.

1.3 Informationsveranstaltungen und Schulung

Informationsveranstaltungen und Schulungen sind in der Einführungsphase von erheblicher Bedeutung. Für das Krankenhaus bedeutet die Implementierung eine massive Veränderung der Struktur und bedarf einer gezielten Informationsvermittlung und Schulung aller Beteiligten. Die Erfahrungen der Experten haben gezeigt, dass der Informationsbedarf der Mitarbeiter am Anfang sehr hoch ist.

Ist eine gute Kommunikationsstruktur im Krankenhaus vorhanden, so sollte sie genutzt werden. Dieser Tatbestand sollte daran festgemacht werden, ob regelmäßig, mind. einmal im Jahr, gezielt Mitarbeitergespräche mit dem nächst höheren Vorgesetzten stattfinden. Entscheidend ist z.B., ob der Mitarbeiter wie bereits beschrieben, über die Unternehmens- und Abteilungsziele informiert ist und eine Identifikation stattgefunden hat. Mitarbeiter und Führungskräfte sollen eine offene Kommunikation im Rahmen eines kooperativen Führungsstils pflegen. Weist die Kommunikationsstruktur Defizite auf, so müssen Strukturen geschaffen werden und Schulungen im genannten Themenbereich stattfinden. Es kam „[...] immer wieder der Wunsch der Teilnehmer, wir brauchen Unterstützung in der Gesprächsführung, weil da sehr große Angst herrscht [...]“ (KN E5, Z, 188-189).

Es ist Ziel der Informationspolitik, die Mitarbeiter in den Entwicklungsprozess mit einzubeziehen und Ängste abzubauen: „[...] Ängste entstehen ja eigentlich durch mangelnde Informationen [...] “ (KN E3, Z. 80-81). Wenn die Geschäftsleitung, bzw. das Direktorium, Konsens in Bezug auf die Implementierung aufweist, müssen Führungskräfte und Mitarbeiter darüber in Kenntnis gesetzt werden.

Allgemein sollten Seminare in zwei unterschiedlichen Schulungsbereichen durchgeführt werden. Im ersten Bereich sollen Systemschulungen stattfinden, in den Informationen über das Zielvereinbarungssystem vermittelt werden. In Diskussionen werden Fragestellungen der Beteiligten aufgegriffen, welche in die Arbeit der Projektgruppe einfließen. Der zweite Bereich umfasst den Trainingsbereich, wo in Rollenspielen mit anschließender Videoanalyse das vorher Gelernte geübt wird. Die Führungskräfte müssen sehr gut vorbereitet sein, damit sie als positive Multiplikatoren des Systems richtig wirken können. Es werden Themen angesprochen, „[...] die eine persönliche Auseinandersetzung am eigenen Verhalten auch nötig machen[...]“ (KN E3, Z. 188). Gemeint ist das Verhalten in Bezug auf den Umgang mit Kritik, die Fähigkeit der Selbsteinschätzung der Leistung oder der korrekte Umgang mit Konfliktsituationen. In Ziel- und Strategieworkshops wird ein praktischer Umgang mit Zielformulierungen geschult und die Ausrichtung des Unternehmens herauskristallisiert.

Die Experten haben in den Interviews folgende Informationswege genannt, die genutzt werden sollten:

- Thematisieren in Team-, Abteilungs- und Leitungssitzungen
- Artikel in der Hauszeitung
- Intranet
- Gesprächs- und Diskussionsrunden
- Vorträge, Informationsveranstaltungen
- Betriebsvereinbarung (im späteren Verlauf)
- Persönliches Anschreiben
- Aushänge am „schwarzen Brett“
- Informationsmärkte
- Seminare/ Workshops

Als Grundregel sollte der verbale Dialog zwischen den Positionen immer Vorrang haben, um die persönliche Kommunikation zum Mitarbeiter zu verstärken, sowie die einseitige und alleinige Informationsweitergabe zu vermeiden. Der Informationsempfänger bekommt so die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen und Anregungen zu geben. Eine offene Kommunikation beugt Konflikte vor und führt zu einer Steigerung der Zufriedenheit im Unternehmen.

1.3.1 Motive zur Implementierung

Im Interview wurde nach Motiven und Motivationen der Krankenhäuser gefragt, ein Zielvereinbarungssystem zu implementieren. Im Rahmen des Qualitätsmanagements sollte ein Führungsinstrument eingeführt werden. Ein Beweggrund auf die Managementmethode „Führen über Ziele“ zurückzugreifen. Die Leitungen der Krankenhäuser erkennen die positiven Erfolge und Effekte des Systems, wie Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Kommunikation, Existenzsicherung, Erreichen der Unternehmensziele etc., die bereits in anderen Unternehmen aus nahestehenden Branchen erzielt wurden. Sie sind bestrebt diese Vorteile auf den Krankenhausektor zu übertragen.

Ein Experte merkt an, dass viele Krankenhäuser extrinsisch motiviert sind, d.h. ihre Motivation auf z.B. Gesetzesänderungen des TVöD beruht. Dieser Tatbestand reicht allerdings nicht aus, um dauerhaft mit einem Zielvereinbarungssystem zu arbeiten. Führungskräfte und Mitarbeiter sollten intrinsisch motiviert sein, d.h. aus eigenem Interesse an der Konzeption heraus, um Kontinuität zu sichern.

1.3.2 Projektgruppenkonstellation

Die Experten empfehlen, dass die Projektgruppe mit Mitarbeitern und Führungskräften aus dem Haus zu besetzen ist. Die Projektleitung kann von einem externen Berater oder von einer Führungskraft aus der Klinik übernommen werden. Es sollten möglichst alle Berufsgruppen eines Krankenhauses vertreten sein. Alle Interviewpartner gaben den Hinweis, die Mitarbeitervertretung, bzw. den Betriebsrat, in die Projektgruppe von Anfang an mit einzubeziehen (siehe 1.2.2). Generell sollte die Projektgruppe mit Verantwortlichen der Pflege, Medizin und der Verwaltung besetzt sein. Know-how und eine kritische Auseinandersetzung sind zudem Kriterien, zur aktiven Mitarbeit in der Projektgruppe.

1.3.3 Vorbereitungszeitraum

Die Experten sollten in den Interviews eine Einschätzung geben, wie lange ein Krankenhaus zur Vorbereitung einplanen sollte. Der Vorbereitungszeitraum umfasst die Zeitspanne von der Entscheidung ein solches System implementieren zu wollen, bis zum Führen der ersten Gespräche im ersten Zyklus. Über 50% der Experten gaben an, dass ein Krankenhaus ca. ein Jahr Vorbereitungszeit einplanen sollte: „[...] in einem Krankenhaus die haben im Dezember 06 mit der Projektarbeit begonnen [...] und werden im Dezember 07 das letzte Gespräch geführt haben.“ (KN E3, Z. 87-89) Der Vorbereitungszeitraum hängt von der Größe des Krankenhauses und von der bisherigen Kommunikationsstruktur ab. Experten beschreiben die Schwierigkeit, Termine für die Seminare zu gestalten, weil Führungskräfte und Mitarbeiter aus der alltäglichen Arbeit genommen werden müssen. Diese Problematik wurde vor allem beim ärztlichen Personal festgestellt. Seminare müssen frühzeitig geplant werden und im Dienstplan berücksichtigt werden. Zudem verlängert sich der Vorbereitungszeitraum, wenn Institutionen auf die Arbeit eines externen Beraters verzichten oder die Implementierung oberflächlich behandeln. Entscheidend ist, in welchem Umfang die Projektarbeit bzw. die Aufgabe der Projektleitung Berücksichtigung im Stellenplan findet.

Der Vorbereitungszeitraum kann sich verlängern, wenn Entscheidungsträger unterschiedlicher Auffassung sind. “[...] es geht immer einher zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat [...]“ (KN E2, Z. 81-82) Es sollte nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Thematik zu einer Entscheidung über die konzeptionellen Bedingungen kommen, um die Implementierung nicht zu blockieren. (siehe 1.2.1)

1.3.4 Controlling

Mit dem Zielvereinbarungssystem muss eine Verbindlichkeit in Bezug auf die Zielerreichung hergestellt werden, um Erfolge zu sichern. Die Erfahrungen eines Experten haben gezeigt, dass sich im Vorfeld zu wenig Gedanken über das Controlling gemacht werden. In der Implementierungsphase müssen Mitglieder der Projektgruppe entscheiden, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter dieses System verweigern. „Es heißt ja immer, es ist eine Zielvereinbarung. Ziele die vereinbart sind, sind freiwillig, aber immer geht das natürlich nicht. Wenn ein Krankenhaus anstrebt, zertifiziert zu werden, dann muss auch das Ziel als vorgeschriebenes Ziel zugelassen sein [...] es gibt einfach auch Ziele, die müssen vorgeschrieben sein oder wenn ein MA in einem Bereich [...] große Defizite hat, dann muss auch angeordnet werden können dein Ziel ist du bildest dich in diesen Bereichen weiter, immer ist die Freiwilligkeit nicht gegeben [...]“ (KN E1, Z. 216-223). Es muss in der Konzeption über die Freiwilligkeit und über die Auswirkungen gesprochen werden, die sich aus dem Nichterreichen der Ziele ergeben können. Eine zentrale Stelle, beispielsweise die Personalabteilung eines Krankenhauses, sollte die Gesprächsprotokolle verwalten und reagieren, wenn Gespräche nicht geführt wurden oder Protokolle unvollständig sind. Die zuständige Stelle sollte den Grund für die Ablehnung herausfinden und die vorher vereinbarten Konsequenzen, beispielsweise in Form eines Erinnerungsschreibens an die beteiligten Gesprächsteilhaber, einleiten.

Es muss eine Evaluation der zuerst geführten Zielvereinbarungsgespräche erfolgen. Dazu können Fokusgruppen eingerichtet werden, in den Erfahrungen ausgetauscht werden. Die Erfahrungen und Erkenntnisse münden dann in die Arbeit der Projektgruppe.

[...]

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Zielvereinbarungsgespräche im Krankenhaus. Experteninterviews als Methode, Motivation, Konzeption und Wirkung
Hochschule
Hochschule Osnabrück
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
45
Katalognummer
V292732
ISBN (eBook)
9783656897828
ISBN (Buch)
9783656906759
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zielvereinbarungsgespräche, krankenhaus, experteninterviews, methode, motivation, konzeption, wirkung
Arbeit zitieren
Dipl. Pflegewirt (FH) Thomas Lücht (Autor:in), 2007, Zielvereinbarungsgespräche im Krankenhaus. Experteninterviews als Methode, Motivation, Konzeption und Wirkung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292732

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