Seit langen Jahren wird in der Mediävistik ein ziemlich kontroverser Forschungsstreit über Hartmanns von Aue ´Gregorius` ausgetragen, der nicht zuletzt von der Komplexität und Vielschichtigkeit, ja sogar Mehrdeutigkeit der Erzählung herrührt. Die Ursachen dafür liegen zum einen im Werk selbst, das aus dem höfischen Roman geläufige Erzählmuster mit einem überlieferten Legendenstoff verbindet. Eine genaue Gattungszuordnung wird aber auch dadurch erschwert, dass die heilige Person, die üblicherweise im Mittelpunkt der legendarischen Erzählung steht, hier keinem der historischen Gregor-Päpste zugeordnet werden kann; bei ´Gregorius` handelt es sich also in erster Linie um eine rein fiktionale, literarische Gestalt. Eine der umstrittensten Streitfragen handelt von der Schuld der aus einem Geschwisterinzest geborenen Figur, die später unwissend die eigene Mutter heiratet und dennoch nach 17jähriger härtester Buße Erlösung erlangt und sogar zum Haupt der Christenheit erhoben wird. Moraltheologische Fragestellungen werden vom Dichter selbst im Text explizit thematisiert, der seinen bearbeiteten Erzählstoff somit – zur Zeit der frühscholastischen Theologie – schon von vorneherein problematisiert.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, wie sich ein Zusammentreffen ´höfischer` und ´legendarischer` Erzählmuster in der Struktur des Werks niederschlägt. Abschnitt 2.3, der auf die kontrovers diskutierte Schuldproblematik eingeht, stützt sich dabei ausschließlich auf Christoph CORMEAU`s Dissertation, in der die wesentlichen Eckpunkte dieser Diskussion festgehalten sind.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Entstehung und Überlieferung des Gregorius-Stoffes
- Der 'Gregorius` Hartmanns von Aue - ein Epos zwischen Roman und Legende
- Zur Vorlage Hartmanns und seiner Bearbeitung
- Zur Struktur der Erzählung
- Der Prolog
- Die 'Dichotomie` der Erzählung
- Exkurs: Das literarische Brautwerbungsschema im ´Münchner Oswald' und der 'Alexius'-Legende Konrads von Würzburg im Vergleich mit Hartmanns 'Gregorius'
- Die Schuldproblematik und ihre theologische Bewertung
- Der Geschwisterinzest
- Das illegitime Kind
- Das Verlassen des Klosters
- Die Inzestehe
- Zum Verhältnis von Dichtung und Theologie in Hartmanns ´Gregorius`
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit Hartmanns von Aues 'Gregorius' und analysiert die Verbindung von höfischen Romanelementen und legendarischem Stoff in dieser Erzählung. Die Arbeit untersucht, wie diese Mischung in der Struktur des Werks zum Ausdruck kommt und welche Auswirkungen sie auf die Interpretation der komplexen Schuldproblematik des Protagonisten hat.
- Das Zusammenspiel von höfischen und legendarischen Erzählmustern in Hartmanns 'Gregorius'
- Die Einordnung des Werks in den Kontext der mittelalterlichen Literatur und die Frage nach seiner Gattungszuordnung.
- Die komplexe Schuldproblematik des Gregorius und ihre theologische Bewertung
- Das Verhältnis von Dichtung und Theologie im 'Gregorius'
- Die Rezeption des Gregorius-Stoffes im Mittelalter
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Forschungsstand zur Gregorius-Legende dar und erläutert die Forschungslücke, die diese Arbeit schließen möchte. Im Anschluss wird die Entstehung und Überlieferung des Gregorius-Stoffes behandelt. Die Arbeit geht auf die unterschiedlichen Quellen und Fassungen des Stoffes ein, sowie auf die Rezeption des 'Gregorius` in der mittelalterlichen Literatur.
Der zweite Abschnitt widmet sich Hartmanns 'Gregorius` und analysiert dessen Struktur, seine Vorlage und die Bearbeitung des Stoffes durch Hartmann. Es werden die verschiedenen Elemente der Erzählung herausgearbeitet und mit den entsprechenden literarischen Konventionen der höfischen Literatur und der Legendenliteratur verglichen.
Der dritte Abschnitt konzentriert sich auf die Schuldproblematik des Gregorius und ihre theologische Bewertung. Hier werden die verschiedenen Aspekte der Schuld thematisiert, wie zum Beispiel der Inzest, die illegitime Geburt und die Inzestehe. Die Arbeit beleuchtet die moraltheologischen Fragestellungen, die im Text explizit behandelt werden, und die Bedeutung der frühscholastischen Theologie für die Interpretation der Geschichte.
Schlüsselwörter
Die Seminararbeit konzentriert sich auf folgende Schlüsselwörter: Gregorius-Legende, Hartmann von Aue, höfisches Epos, Legendenliteratur, Schuldproblematik, Theologie, frühscholastische Theologie, mittelalterliche Literatur, Rezeption, Gattungszuordnung.
- Citation du texte
- M.A. Matthias Reim (Auteur), 2004, "Legendarisches" und "Höfisches" in Hartmanns Bearbeitung der Gregorius-Legende, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29363