Pro und Contra einer Regionalisierung der Erbschaftsteuer in Deutschland


Thèse de Master, 2014

80 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

A.Einführung

B.Hauptteil
1.Die Grundzüge der Erbschaft- und Schenkungsteuer
a.Die deutsche Erbschaftsteuer
b.Die Steuerstruktur der Länder
2.Kriterienkatalog
a.Gerechtigkeitsüberlegung der Erbschaftsteuer
b.Effizienzüberlegung der Erbschaftsteuer
3.Analyse der Erbschaftsteuer
a.Anwendung des Kriterienkatalogs
b.Identifikation eines Reformbedarfs
4.Regionalisierung als Lösungskonzept
a.Vorstellung der Konzepte
a.(1) Vollständige Regionalisierung
a.(2) Regionalisierung im Rahmen einer Niedrigsteuer
b.Kritische Würdigung
b.(1) Vollständige Regionalisierung
b.(2) Regionalisierung im Rahmen einer Niedrigsteuer

C.Fazit

Literaturverzeichnis V

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Steuerspirale

Abbildung 2: Wanderungssaldo der über 64-Jährigen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Persönliche Freibeträge im alten und aktuellen Erbschaftsteuerrecht

Tabelle 2: Erbschaftsteuertarif im alten und aktuellen Erbschaftsteuerrecht

Tabelle 3: Erbschaftsteueraufkommen nach Ländern

Tabelle 4: Vergleich zwischen der aktuellen Erbschaftsteuer und dem Reformmodell Niedrigsteuer

Tabelle 5: Bewertung der Lösungskonzepte einer vollständigen

Regionalisierung und einer Regionalisierung im Rahmen einer Niedrigsteuer

Pro und Contra einer Regionalisierung der Erbschaftsteuer in Deutschland

A. Einführung

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist in den letzten zwei Jahrzehnten in Deutschland immer wieder Bestandteil politischer und gesellschaftlicher Diskussionen gewesen. Die große wirtschaftliche Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Deutschland wird anhand der vom Deutschen Institut für Wirtschafts forschung (DIW) erhobenen Zahlen deutlich. Es schätzt das Erbschaftsvolumen auf durchschnittlich 260 Mrd. Euro jährlich (Bach u. a. 2014: 38). Befürworter der Erbschaftsteuer argumentieren, dass die Erhebung einer Steuer auf Erbschaften und Schenkungen eine Annäherung der Startchancen für Steuerpflichtige ermöglicht. Ebenfalls bewirkt die Besteuerung Chancengleichheit, weil Erbschaften im Sinne von zusätzlichem Einkommen einer Besteuerung zu unterliegen haben (Brunner/Pech 2010: 2). Gegner sehen in der Entrichtung einer Erbschaft- und Schenkungsteuer jedoch eine „Enteignung“ des angehäuften Vermögens. Durch die Weitergabe des Vermögens im Rahmen einer Erbschaft oder Schenkung mindert sich die Höhe des Vermögens um die zu entrichtende Erbschaft- und Schenkungsteuer (Gale/Slemrod 2001: 1 f.). Die geringe Akzeptanz der Erbschaft- und Schenkungsteuer begründet sich weiterhin durch unterschiedliche Bewertungen und Besteuerungen von Vermögensgegenständen. Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt aktuell die Verfassungsmäßigkeit von steuerlichen Verschonungsregeln im Zuge der Unternehmensnachfolge und Übergabe von Betriebsvermögen an. Konkret ist eine fast vollständig steuerfreie Übertragung von Betriebsvermögen möglich. Privatvermögen müssen dagegen vollständig versteuert werden. Diese bislang bestehende Ungleichbehandlung von Privat- und Betriebsvermögen ist laut BFH nicht vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG.

In naher Zukunft wird daher möglicherweise das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz erneut verstärkt in den Fokus der Steuerpolitik rücken. Ein größerer Neuregelungsbedarf könnte sich aus der ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ergeben, die noch dieses Jahr erwartet wird. Die Ausgestaltung einer Erbschaftsteuer bietet viel Platz für zahlreiche Vorschläge und Diskussionsbeiträge. Die Vorschläge reichen von der Abschaffung der Erbschaftsteuer, über ihrer Regionalisierung bis hin zu einer Niedrigsteuer auf Erbschaften (Fichte 2013: 161 f.). Vor der letzten Reformierung der Erbschaftsteuer 2008 hat die FDP den Vorschlag einer Regionalisierung vorgebracht. Eine Regionalisierung bedeutet, die Gesetzgebungshoheit, die bislang beim Bund liegt, auf die Länder zu übertragen. Die Länder bekämen das Recht zugesprochen, eigenständig Erbschaftsteuergesetze erlassen zu dürfen. Sie könnten somit die Höhe der Steuertarife und Freibeträge sowie die Rahmengesetzgebung festlegen. Dieser Lösungsansatz wurde jedoch abgelehnt. Vor dem Hintergrund des ausstehenden Urteils des BVerfG ist erneut zu prüfen, ob eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer zu einem beständigen Steuersystem führt (BT-Drs. 2008: 1-3). Die Konzeption einer Niedrigsteuer beinhaltet niedrige Steuersätze auf Basis einer möglichst breiten Bemessungsgrundlage. In der Ausgestaltung ist eine Teilregionalisierung der Freibeträge und Steuersätze zweckmäßig, weshalb dieser Reformvorschlag ebenfalls in dieser Arbeit thematisiert wird (Houben/Maiterth 2009: 14). In der Vergangenheit wurde die Erbschaftsteuer, infolge einer vorausgegangen Entscheidung des BVerfG, bereits mehrfach reformiert. Grund hierfür war in erster Linie die ungleichmäßige Bewertung der unterschiedlichen Vermögensarten (Bach u. a. 2014: 7). Dadurch wird deutlich, dass bislang kein verfassungsrechtlich unbedenkliches und beständiges Erbschaftsteuerrecht etabliert werden konnte. Diese ungleichmäßige Bewertung der unterschiedlichen Vermögensarten wurde durch die letzte Reformierung des Erbschaftsteuergesetzes 2008 fast vollständig gelöst. Gleichzeitig wurden im Zuge dieser Reform allerdings die steuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen ausgebaut. Die fast vollständige Verschonung des Betriebsvermögens zielt darauf ab, die Unternehmensfortführung durch den Steuerpflichtigen nicht durch eine anfallende Erbschaft- und Schenkungsteuer zu gefährden. Jedoch werden genau diese Vergünstigungen nun als zu weitreichend kritisiert (Wissenschaftlicher Beirat 2011: 7).

Zielsetzung dieser Arbeit ist die Analyse, in wieweit eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer - im Hinblick auf das noch ausstehende Urteil des BVerfG - eine sinnvolle Alternative darstellt, um das derzeitig möglicherweise verfassungswidrige Erbschaftsteuerrecht verfassungskonform, beständig und gerecht zu gestalten.

Der Hauptteil dieser Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Kapitel 1 beinhaltet die Grundzüge der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Zunächst wird auf die geschichtliche Entwicklung der Erbschaft- und Schenkungsteuer eingegangen, wobei die Vielzahl an Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts in der Vergangenheit im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Anschließend wird die Erbschaftsteuer definiert und in das deutsche, zurzeit geltende Steuersystem eingeordnet, bevor die aktuelle Rechtslage mit den gesetzlichen Änderungen nach der Erbschaftsteuerreform 2008 dargestellt wird. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die neuen Steuerklassen, Freibeträge und Steuertarife gelegt. Den Abschluss des ersten Teils bilden die Betrachtung der Erbschaftsteuer im internationalen Vergleich sowie die Betrachtung der Steuerstrukturen der deutschen Bundesländer. Die Einführung in die Steuerstrukturen der Länder dient als Grundlage für das Verständnis der Reformvorschläge einer Regionalisierung bzw. Teilregionalisierung der Erbschaftsteuer in Deutschland.

In Kapitel 2 wird ein Kriterienkatalog als Maßstab zur Bewertung des gegenwärtigen Erbschaftsteuerrechts herausgearbeitet. Dabei werden Gerechtigkeitskriterien wie das Leistungsfähigkeitsprinzip, der Umverteilungsaspekt und der Vorwurf der Doppelbesteuerung erarbeitet. Zudem werden Effizienzaspekte der Erbschaftsteuer thematisiert. Dieser erarbeitete Kriterienkatalog wird in Kapitel 3 durch den Vergleich zwischen dem bestehenden Erbrecht in Deutschland und der im Kriterienkatalog identifizierten Maßstäbe analysiert. Außerdem wird der sich aus diesem Vergleich ergebende Reformbedarf des deutschen Erbschaftsteuerrechts dargestellt.

In Kapitel 4 werden schließlich zwei Lösungskonzepte, die häufig in der Literatur angeführt werden, für eine Reformierung des Erbrechts vorgestellt. Der erste Vorschlag stellt eine vollständige Regionalisierung der Erbschaftsteuer dar, während der zweite Vorschlag eine Teilregionalisierung der Erbschaftsteuer im Rahmen einer Niedrigsteuer beinhaltet. Zum Vergleich wird die regionalisierte Erbschaftsteuer in der Schweiz ergänzend dargestellt. Abschließend werden beide Konzepte kritisch gewürdigt, um die Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit beider Konzepte zu prüfen. Es werden dazu die möglichen Auswirkungen der Umsetzung diskutiert sowie die im Kriterienkatalog festgelegten Maßstäbe angewendet.

Den Abschluss dieser Arbeit bilden ein Vergleich (inklusive einer Bewertung) beider Reformvorschläge sowie ein Fazit, in dem die dieser Arbeit zugrunde gelegte Forschungsfrage beantwortet wird. Weiterhin wird ein Ausblick auf die zukünftige Entwicklung dieser Steuer gegeben.

B. Hauptteil

„Nothing is certain but death and taxes“ (Bach u. a. 2007: 6). Nichts ist sicher, außer der Tod und Steuern, heißt es im amerikanischen Volksmund. So verhält es sich auch in Deutschland. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer wird in Deutschland auf den Erwerb von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erhoben (Haas/Heil 2012: 1). Ausgangspunkt ist dabei, dass eine natürliche oder juristische Person Eigentümer eines steuerpflichtigen Erwerbs wird (Horschitz 2010: 29). Damit die Steuer nicht umgangen werden kann, umfasst der Steuergegenstand auch Schenkungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG als freigiebige Zuwendung unter Lebenden (Scherf 2011: 387). Wenn in dieser Arbeit von der Erbschaftsteuer gesprochen wird, ist die Schenkungsteuer immer mit inbegriffen (außer diese wird explizit ausgeschlossen).

1. Die Grundzüge der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Für die Einführung in die Grundzüge der Erbschaftsteuer werden zunächst der verfassungsrechtliche Rahmen sowie die verschiedenen Ausgestaltungsformen der Erbschaftsteuer dargestellt. Der verfassungsrechtliche Rahmen der Erbschaftsteuer umfasst die Sicherstellung des Erbrechts in Art. 14 GG. Die Sicherstellung des Erbrechts untersagt dem Staat zwar nicht die Besteuerung von Erbschaften, allerdings werden dem Staat durch die Vorschiften des Art. 14 GG Grenzen für den steuerlichen Zugriff auf Erbschaften gesetzt. Beispielsweise wären extrem hohe Steuersätze nicht mit dem Erbrechtschutz des Grundgesetzes vereinbar, wenn sie vorrangig das Glätten von Vermögensunterschieden zwischen den Steuerpflichtigen beabsichtigen. Der Grundgedanke einer Erbschaft beruht darauf, eine Vorsorgeentscheidung für die künftige Generation zu treffen. Hohe Steuersätze hätten zur Folge, dass der Erbe einen überwiegenden Teil der Erbschaft in Form von Steuern an den Staat abzuführen hat und der Sinn einer Erbschaft verloren geht (Schelle 1971: 181). Durch die Vorschriften des Art. 14 GG, die dem Staat Handlungsgrenzen in Bezug auf die Besteuerung von Erbschaften auferlegen, wird der wesentliche Grundgedanke der Erbschaft gesichert und dem Staat eine maßvolle Ausgestaltung der Erbschaftsteuer aufgetragen (Hey/Maithert/Houben 2012: 42 f.).

Für die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer können zwei verschiedene Konzepte herangezogen werden. Zum einen kann sie als eine Erbnachlasssteuer und zum anderen als eine Erbanfallsteuer erhoben werden. Die Erbnachlasssteuer besteuert den gesamten Nachlass, also alle materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände des Erblassers (Scherf 2011: 387). Diese Erhebungsform sieht die Übertragung des Vermögens im Rahmen einer Erbschaft als Konsum an, bei dem es sich um die letzte Mittelverwendung handelt (Kraft/Kraft 2014: 251). Bei diesem Besteuerungsverfahren ist die Anzahl der Erben und das Verwandtschaftsverhältnis der Erben zum Erblasser irrelevant. Der Zweck der Erbnachlasssteuer ist es, die Schwächen und Unzugänglichkeiten des Steuersystems nachträglich zu berichtigen. Dazu zählen die bislang nicht erfassten Einkommensteile, Wertzuwächse sowie Hinterziehungen. Diese sind abschließend der Besteuerung zu unterziehen (Scherf 2011: 387). Eine Nachlassteuer passt sich damit gut in ein konsumorientiertes Steuersystem ein (Kraft/Kraft 2014: 251). Die Erbnachlasssteuer wird primär im angelsächsischen Raum - etwa in Großbritannien oder in den USA - angewendet (Tipke 1993: 752). In anderen Ländern wird die Erbschaftsteuer überwiegend als Erbanfallsteuer erhoben. Diese knüpft an den tatsächlichen Erwerb an, der dem Erben oder Beschenkten zufließt. Das Besteuerungssystem erfasst den Erwerb des Begünstigten nach dessen subjektiven Verhältnissen. Dies wirkt sich durch eine Berücksichtigung des Verwandtschaftsverhältnisses zum Erblasser in Form von Freibeträgen oder einem niedrigeren Steuertarif positiv auf die Berechnung der zu zahlenden Erbschaftsteuer aus (Scherf 2011: 387).

Eine Erbschaft oder Schenkung erfolgt meist mit dem Ziel, nahestehenden Personen eine Zuwendung zukommen zu lassen. Zu den Steuerpflichtigen können beispielsweise das eigene Kind bzw. die Kinder, aber auch der Ehe- oder Lebenspartner, Enkel oder enge Freunde gehören. Das Interesse, den Staat durch Erbschaftsteuerzahlungen zu bereichern, ist in der Gesellschaft nur gering vorhanden. Primär möchte der Erblasser oder der Schenker sein Vermögen ohne Besteuerungen an den Erben oder Beschenkten weitergeben, weil eine Besteuerung zu einer Schmälerung des vererbten Vermögens führt. Der Gesetzgeber verfolgt demgegenüber das Ziel, den Vermögenszuwachs mithilfe der Erbschaftsteuer, der durch einen Erbfall oder eine Schenkung entsteht, jeweils wertmäßig zu erfassen und die damit steigende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erben oder Beschenkten zu besteuern (Brüggemann/Stirnberg 2012: 20; Bruns 2014: 192).

Im Folgenden wird zunächst die geschichtliche Entwicklung der Erbschaftsteuer mit Hinblick auf die Vielzahl an gesetzlichen Änderungen dargestellt. Ferner wird die Erbschaftsteuer definiert und in das Steuersystem eingeordnet. Anschließend wird aktuelle Rechtslage mit ihrer inhaltlichen Ausgestaltung nach der letzten Erbschaftsteuerreform 2008 thematisiert. Schließlich beinhaltet das erste Kapitel die

Betrachtung der Erbschaftsteuer im internationalen Vergleich sowie die Betrachtung der Steuerstrukturen der deutschen Bundesländer.

a. Die deutsche Erbschaftsteuer

Die Erbschaftsteuer zählt zu einer der ältesten bekannten Steuern, die schon im Römischen Kaiserreich und im alten Ägypten erhoben wurde (Gebel 2013: Rn. 60 ff.). Die Erbschaftsteuer wird im Falle des Todes einer Person, des sogenannten Erblassers, entweder auf den Nachlass oder beim Erben erhoben. Eine Erbschaft umfasst prinzipiell alle unentgeltlichen Vermögensübergänge unter Lebenden und von Todes wegen (Kraft/Kraft 2014: 251).

In Deutschland wurde die Erbschaftsteuer erstmals im 17. Jahrhundert von einigen Ländern (Braunschweig, Lüneburg und Hamburg) erhoben (Gebel 2013: Rn. 60 ff.). Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Erbschaftsteuer in fast[1] allen europäischen Staaten und deutschen Ländern vereinnahmt. Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches wurde das Erbrecht 1906 mit einer progressiven Erb anfallsteuer im Reichserbschaftsgesetz erstmals vereinheitlicht (Reichserbschaftsteuergesetz 1906: 654 ff.). Seitdem existiert die Erbschaftsteuer in Deutschland auf föderaler Ebene (Beckert 2007: 3). Wie dargestellt reichen die Ursprünge der Erhebung einer Erbschaftsteuer weit zurück in die Vergangenheit, wobei diese weit zurückreichende Historie keine Gewährleistung für die Akzeptanz einer Besteuerung von Erbschaften in der Gesellschaft darstellt (Geck 2007: 263). Vielmehr zeigt sich bei genauerer Betrachtung der Historie der Erbschaftsteuer, dass die gesetzlichen Regelungen der Erbschaftsteuer oftmals nicht von Dauer waren. Beispielsweise wurde die Erbschaftsteuer aufgrund wiederkehrender Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) bereits zwei Mal[2] vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt.

Im Laufe der Zeit wurde das Erbschaftsteuergesetz daher immer wieder reformiert. Ein Beispiel für den Wandel, den das Erbschaftsteuergesetz durchlaufen hat, ist die Veränderung im zu veranlagenden Personenkreis. 1919 wurden mit einer allgemeinen Erbschaftsteuer erstmalig Ehegatten und Kinder zur Erbschaftsteuer veranlagt (Reichserbschaftsteuergesetz 1919: 1543 ff.). Circa. 16 Jahre später wurden die Steuerpflichtigen in verschiedene Steuerklassen unterteilt und die Nachlasssteuer wurde abgeschafft, die den gesamten Nachlass des Erblassers ohne die Berücksichtigung von Verwandtschaftsverhältnissen oder der Anzahl der Erben besteuerte (Hey 2007: 2; Scherf 2011: 387). 1995 wurde die Erbschaftsteuer erstmalig vom BVerfG, aufgrund unterschiedlicher Bewertungen einzelner Vermögensarten für verfassungswidrig erklärt (BVerfG 1995: 671; Hey 2007: 2). Seither ist die Erbschaftsteuer immer wieder Bestandteil zahlreicher Debatten. Auch die erforderliche Reform von 1996 wurde im Jahr 2002 vom BFH angezweifelt. Hauptaugenmerk des BFH war dabei ein Einzelfall, der die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer erneut aufwarf. In diesem Fall unterlagen das Betriebsvermögen und der Grundbesitz im Vergleich zu Kapitalvermögen anderen Bewertungsmaßstäben. 2006 entschied das BVerfG, dass das bis dato angewendete Erbschaftsteuergesetz gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (Lindgens 2013: 32). Die letzte Reformierung des Erbschaftsteuergesetzes fand im Jahre 2008 statt und trat am 1.1.2009 in Kraft und ist bis heute rechtskräftig (Halaczinsky/Riedel 2009: 15-17; Lindgens 2013: 32).

Die in Deutschland seit 2009 anzuwendende Erbschaftsteuer ist als eine Erbanfallsteuer ausgestaltet. Die Erbschaftsteuer entfällt auf den tatsächlichen Erwerb, der dem Erben oder Beschenkten unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse zufließt. Die aktuelle Erbschaftsteuer in Deutschland zählt zudem zu den Verkehrssteuern, weil es sich um einen Vermögensübergang auf den Erben oder Beschenkten handelt (Kraft/Kraft 2014: 251). Andererseits kann sie auch als eine Substanzsteuer charakterisiert werden, weil das zum Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Vermögen besteuert wird (Haas/Heil 2012: 1). Ferner wird die Erbschaftsteuer der Personensteuer zugeordnet, aufgrund der Berücksichtigung der individuellen Lebensverhältnisse des Steuerpflichtigen bei der Höhe der Besteuerung, wie beispielsweise die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage sowie der Steuertarif. Der Steuerschuldner hat die Steuer gleichzeitig auch wirtschaftlich zu tragen (Steuerträger), daher zählt die Erbschaftsteuer ebenfalls zu den direkten Steuern. Sie entsteht nur bei bestimmten Vermögensübergängen und wird deshalb nicht laufend veranlagt. Die steuerliche Veranlagung von Erbschaften und Schenkungen basiert auf der Grundlage der Reinvermögenszugangstheorie. Danach werden Erbschaften und Schenkungen zum Einkommen hinzugerechnet und als maximaler Konsum einer Periode ohne Vermögenseinbußen definiert und sind deshalb zu besteuern (Icking 1993: 11 ff.). Die Erbschaftsteuer in Deutschland wird zentralisiert vom Bund geregelt. Das bedeutet, dass der Bund die Gesetzgebungshoheit besitzt und das Erbschaftsteuerrecht nur von ihm erlassen bzw. geändert werden kann. Im Falle der

Gesetzesänderung haben Bundestag und Bundesrat zusammen zu wirken (Horschitz 2010: 29; Beeck 2012: 101). Die Ertrags- und Verwaltungshoheit für die Erbschaftsteuer dagegen besitzen die Länder. Ihnen steht das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer zu (Fuest/Thöne 2012: 266). Sie wird in den Ländern von den Finanzämtern erhoben und von den Landesfinanzbehörden verwaltet (Horschitz 2010: 29; Beeck 2012: 101).[3] Im Rahmen einer dezentral geregelten Erbschaftsteuer (Regionalisierung) besitzen die Länder die Gesetz- und Ertragshoheit. Diese Ausgestaltungsform der Erbschaftsteuer praktiziert gegenwärtig z. B. die Schweiz (ESTV 2013: 1 f.).[4]

Das aktuelle Erbrecht wird in Deutschland durch die verfassungsrechtliche Maßgabe geprägt, dass alle Vermögensarten zu Marktpreisen zu bewerten sind. Diese Bewertung des Vermögens hat sich an dem gemeinen Wert zu orientieren. Der gemeine Wert wird definiert als Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einem Verkauf erzielt werden könnte. Falls der aktuelle Preis für einen Vermögensgegenstand nicht bekannt ist, erfolgt die Ermittlung durch ein geeignetes Bewertungsverfahren (Fichte 2013: 151 f.). Die letzte Reform der Erbschaftsteuer hatte zur Folge, dass Grund- und Betriebsvermögen mit höheren Wertansätzen bewertet werden. Außerdem wurde die sogenannte Arbeitsplatzklausel eingeführt, nach der Betriebsvermögen zu 85 % steuerfrei vererbt werden kann. Das primäre Lenkungsziel des geltenden Erbrechts ist die Erhaltung der Arbeitsplätze und die Existenz vererbter oder verschenkter Unternehmen zu sichern. Die Klausel greift aber nur, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Der Betrieb muss zum einen mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigen. Weiter muss der Erbe oder der Beschenkte den Betrieb mindestens fünf Jahre lang bzw. sieben Jahre lang, wenn er die volle Steuerbefreiung erhalten möchte, weiterführen sowie die Arbeitsplätze erhalten (Lindgens 2013: 32; Fichte 2013: 147 f.). Nur bei der Erfüllung aller Voraussetzungen bleibt der Wert des vererbten Vermögens in Höhe eines Verschonungsabschlags von 85 % bzw. 100 % steuerfrei (BFH 2012: 902). In dieser Zeit darf weder der Betrieb aufgegeben werden, ein Verkauf wesentlicher Betriebsbestandteile stattfinden noch der Verkauf ohne Reinvestition des Verkaufserlöses erfolgen (Lindgens 2013: 32). Diese Arbeitsplatzklausel steht heute jedoch in der Kritik. Der Bundesfinanzhof hat wiederholt Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des aktuell geltenden Erbschaftsteuergesetzes geäußert. Seine Zweifel hat er in Form eines Vorlagebeschlusses vom 27. September 2012 dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt. Die Inhalte dieses

Vorlagebeschlusses werden in Kapitel 3 inhaltlich vorgestellt. Der Gesetzgeber reagierte bisher auf den Vorlagebeschluss lediglich mit einem Amtshilferichtlinien­Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 29. September 2013 (AmtshilfeRLUmsG 2013: 1809 ff.). Das AmtshilfeRLUmsG enthält Änderungen zur Ermittlung der bereits bestehenden Verwaltungsvermögensquote. Zum einen fallen gemäß der neuen Richtlinie nun Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geld- und andere Forderungen unter den Begriff des Verwaltungsvermögens. Zum anderen darf für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen von 85 % das Verwaltungsvermögen höher als 50 % des Betriebsvermögens sein. Für die vollständige Steuerbefreiung darf das Verwaltungsvermögen nicht größer als 10 % sein (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG). Bedingung ist jedoch, dass die Schulden das Verwaltungsvermögen nicht übersteigen und sich das Verwaltungsvermögen auf mindestens 20 % des Unternehmenswerts beläuft. Durch die Änderungen des AmtshilfeRLUmsG wurde zudem das Schlupfloch für Cash-Gesellschaften geschlossen. Gesellschafter von Cash­Gesellschaften können nicht mehr von den Steuervorteilen für Unternehmensvermögen profitieren. Unter Cash-Gesellschaften werden Gesellschaften verstanden, deren Vermögen allein aus Barvermögen bestehen. Somit besitzen sie kein Betriebsvermögen, welches die Änderung aber zu mindestens 50 % für die Inanspruchnahme der Begünstigungen voraussetzt. Auch die Steuervorteile für mittelständische Unternehmen, die einen erhöhten Forderungs- oder Barvermögenbestand (Cash-Bestand) aufwiesen, wurden durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz aufgehoben (Immes/Weith 2014: 19-20). Weiterhin wurden mithilfe des AmtshilfeRLUmsG die Anforderungen für die Inanspruchnahme einer steuerlichen Privilegierung des Betriebsvermögens verschärft. Eine Beseitigung der Ungleichbehandlung von Privatvermögen und Betriebsvermögen ist allerdings bisher noch nicht erfolgt. Der Vorlagebeschluss, den der BFH dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt hat, verspricht jedoch eine baldige verfassungsrechtliche Prüfung des aktuell geltenden Erbschaftsteuerrechts, sodass der Gesetzgeber zu einer weitreichenden Reformierung gezwungen ist (Riedel 2014: 11).

Im Zuge der letzten Reformierung 2008 wurden weiterhin die Freibeträge in allen Steuerklassen angehoben. Die Erhöhung des Freibetrags in der Steuerklasse I für Enkel ist im Vergleich zu Großeltern stärker angestiegen. Zwischen der Steuerklasse II und III werden ab 2009 keine Unterschiede mehr gemacht. Es erhalten beide Klassen einen Freibetrag i. H. v. 20.000 Euro. Die zusätzlich zum Freibetrag gewährten Versorgungsfreibeträge sind auch nach der Reform gleich geblieben. Für Ehegatten beträgt der Versorgungsfreibetrag 256.000 Euro. Der Versorgungsbeitrag für Kinder ist nach dem Alter klassifiziert und kann zwischen 10.300 und 52.000 Euro betragen. Die beschriebenen Freibeträge werden in der folgenden Tabelle 1 nochmals überblicksartig dargestellt.

Tabelle 1: Persönliche Freibeträge im alten und aktuellen Erbschaftsteuerrecht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: § 16 ErbStG.

Der Erbschaftsteuertarif ist gleichbleibend als doppelte Progression ausgestaltet. Für enge Familienangehörige ist der Steuertarif am geringsten. Je weiter das Verwandtschaftsverhältnis auseinanderliegt, desto höher steigt der Erbschaftsteuertarif an. Diese sogenannte Verwandschaftsprogression wird in die Steuerklassen I, II und III unterteilt. Für die einzelnen Steuerklassen gilt somit, dass mit einem steigenden Erbe auch der Steuersatz steigt. Die Steuersätze in der Steuerklasse I bleiben nach der Reform unverändert (Fichte 2013: 149 ff.). Im Zuge des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes wurden die Steuersätze der Steuerklasse II auf 15 bis 43 % gesenkt, weil sie im Vergleich zu fremden Dritten als für zu hoch erklärt wurden (Klümpen-Neusel 2010: 97). Die Tabelle 2 zeigt eine Gegenüberstellung der Erbschaftsteuertarife im alten und geltenden Erbschaftsteuerrecht, unterteilt in die drei Steuerklassen.

Tabelle 2: Erbschaftsteuertarif im alten und aktuellen Erbschaftsteuerrecht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: § 19 ErbStG.

Auch der bisherige Stufendurchschnittstarif bleibt unverändert. Dementsprechend wird beim Überschreiten einer Wertgrenze nicht nur der darüber liegende Teil höher besteuert, sondern die gesamte Bemessungsgrundlage wird mit dem höheren Steuersatz besteuert. Folglich kommt es in diesem Überschreitungsbereich zu einem scharfen Anstieg der (Grenz-)Steuerlast (Fichte 2013: 149 ff.).

Das Erbschaftsteueraufkommen ist in Deutschland mit 4.633 Mrd. Euro (2013) sehr gering. In anderen europäischen Staaten verhält es sich mit dem Aufkommen ähnlich. Dennoch erheben viele europäische Staaten eine Erbschaftsteuer. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer in Deutschland lag im Jahr 2013 bei lediglich 0,75 % in Relation zum Gesamtsteueraufkommen (Statistisches Bundesamt 2014c). Eine Betrachtung der Erbschaftsteuer in anderen Ländern zeigt, dass Staaten wie Portugal, Österreich und Schweden die Erbschaftsteuerin den letzten Jahren abgeschafft haben. Grund für das Abschaffen der Erbschaftsteuer in diesen Ländern war primär das geringe Steueraufkommen. Andere Staaten, wie beispielweise Estland, Lettland oder Zypern, haben bislang noch keine Erbschaftsteuer erhoben (Schulte 2010: 260).

Ein internationaler Vergleich der Belastung von Vermögensübertragungen durch die Erbschaftsteuer ist zunächst schwierig. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat eine Studie zu diesem Thema in Auftrag gegeben. Diese Studie vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aus dem Jahr 2004 untersuchte die Steuerbelastung von Erbschaften und Schenkungen in Deutschland im Vergleich mit anderen Staaten.[5] Ziel der Untersuchung war es, einen quantitativen

Steuerbelastungsvergleich aufzustellen. Die Autoren stellten in ihrer Studie fest, dass die Ausgestaltungen der Erbschaftsteuer in Europa bezüglich der steuerlichen Bemessungsgrundlage, des Steuertarifs und der Bewertung des vererbten Vermögens im Betrachtungszeitraum sehr unterschiedlich waren. International ließ sich daher kein einheitliches Muster feststellen. Um einen quantitativen Steuerbelastungsvergleich aufstellen zu können, ist es notwendig, die effektive Erbschaftsteuerbelastung ermitteln zu können. Hierfür muss das Zusammenwirken der Einflussfaktoren Bemessungsgrundlage, Steuertarif und Bewertung des vererbten Vermögens untersucht werden. Diese Einflussfaktoren können im Einzelfall unterschiedliche Gewichte aufweisen. Diese resultieren daraus, dass sich die Einflussfaktoren auch gegenseitig beeinflussen können. Diese Wechselwirkungen zwischen den Einflussfaktoren sind entsprechend bei der Gewichtung der Einflussfaktoren zur Bestimmung der effektiven Erbschaftsteuerbelastungen zu berücksichtigen. Da die Gewichte der einzelnen Einflussfaktoren dementsprechend für jedes der betrachteten Länder unterschiedlich ausfallen können, ist es schwierig, eine allgemeingültige Aussage über die Unterschiede der Erbschaftsteuerbelastung und damit zur Position Deutschlands im internationalen Vergleich zu treffen. In Bezug auf die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen weist Deutschland im Vergleich zu den anderen Staaten ähnliche Regelungen auf. Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland aufgrund steuerlich vorteilhaften Bewertungsvorschriften, Steuervergünstigungen sowie hohe Freibeträge für Ehegatten und für Kinder international eine gute Position ein. Die aus der progressiven Gestaltung des Steuertarifs resultierenden hohen Steuertarife bei der Übertragung großer Vermögen verschlechtern allerdings die Position von Deutschland im Ländervergleich (Scheffler/Spengel 2004: 973-974). Abschließend ist zu sagen, dass aufgrund der verschiedenen Ausgestaltungen der Erbschaftsteuer ein internationaler Vergleich kaum möglich ist. Das mit der Erbschaftsteuer generierte Aufkommen ist in allen betrachteten Staaten überwiegend gering. In der Vergangenheit haben daher viele europäische Länder die Erbschaftsteuer abgeschafft, weil sie erkannt haben, dass die mit den Einnahmen verbundenen Kosten kaum gerechtfertigt werden können.

b. Die Steuerstruktur der Länder

Deutschland ist ein föderativer Staat, was bedeutet, dass es aus kleineren Einheiten wie Bund, Ländern und Gemeinden besteht. Voraussetzung eines föderativen Staates ist die hinreichende Finanzautonomie und Finanzausstattung der verschiedenen Ebenen. Sie sollen daher ausreichend Eigenverantwortlichkeit besitzen und unabhängig sein. Das Funktionieren einer bundesstaatlichen Ordnung ist ebenfalls abhängig von der Ausgestaltung der Finanzverfassung und des Finanzausgleichs (Brümmerhoff2011: 704­723; Scherf 2011: 453). Gemäß BVerfG müssen Bund und Länder hinsichtlich der verfügbaren Gesamteinnahmen fähig sein, für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben die entsprechenden Ausgaben tätigen zu können (BVerfG 1980: 329).

Die Theorie des Föderalismus richtet sich nach dem Subsidiaritätsprinzip. Dieses besagt, dass nach Möglichkeit die unterste und dezentralste Ebene für die Aufgabenerfüllung zuständig sein soll. Für den Fall, dass diese Ebene ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen kann, muss die nächsthöhere und zentralere Ebene die Aufgaben erfüllen. Ferner gilt das Prinzip der Konnexität gemäß Art. 104a Abs. 1 GG. Demnach steht es Bund und Ländern frei, darüber zu entscheiden, wie und mit welcher Intensität sie ihre Aufgaben erfüllen. Die damit verbundenen Kosten müssen sie allerdings selbst tragen. Das heißt, dass diejenige Gebietskörperschaft für die Ausgaben aufkommen muss, die die zugrunde liegenden Aufgaben erfüllt (Brümmerhoff 2011: 705).

Der Grundsatz der Länderzuständigkeit gemäß Art. 30 GG regelt die Verteilung der Aufgaben zwischen den Gebietskörperschaften. Soweit das Grundgesetz es nicht anders bestimmt, sind die Ausübung staatlicher Befugnisse, die Erfüllung staatlicher Aufgaben und die Ausführung der Bundesgesetze Ländersache (BMF 2013: 7 ff.; Härtel 2012: 544). Die Finanzierung dieser Aufgaben und der politische Gestaltungsspielraum der Gebietskörperschaften sind abhängig von ihrer finanziellen Ausstattung. Daher ist es für Bund und Länder wichtig, wie das Steueraufkommen verteilt wird. Bezüglich der Erbschaftsteuer regelt Art. 106 GG, dass das daraus resultierende Steueraufkommen den Ländern zusteht (Andel 1998: 519). Das höchste Aufkommen aus der Erbschaftsteuer erzielen Bundesländer mit einer hohen Einwohnerzahl. Dazu zählen Nordrhein­Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Allein diese drei Bundesländer erhalten 60 % der Gesamteinnahmen aus der Erbschaftsteuer. Grund hierfür ist zum einen, dass in diesen drei Bundesländern die Hälfte der deutschen Bevölkerung wohnt und zum anderen, dass in diesen Regionen viele Familienbetriebe ansässig sind (Funk 2008: 4).

Der Vergleich von Aufkommens- und Bevölkerungsanteilen zeigt, dass auch das Pro­Kopf-Aufkommen in diesen drei Bundesländern überdurchschnittlich hoch ist. Allerdings liegen beim Pro-Kopf-Aufkommen Hamburg, Berlin und Bremen an den ersten Stellen. Der Bundesdurchschnitt liegt im Jahr 2013 bei 57 Euro pro Kopf. Werden nur die neuen Bundesländer betrachtet, fällt auf, dass der Durchschnitt mit lediglich 6,20 Euro sehr gering ist. Zu den aufkommensschwachen Ländern gehören somit vor allem die neuen Bundesländer: Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg­Vorpommern. Das Aufkommen der aufkommensschwächsten Länder entspricht zusammen 1,7 % des Gesamtaufkommens aller Bundesländer. Grund hierfür ist das geringe Vermögen, das in den neuen Bundesländern vorhanden ist. Insgesamt fällt auf, dass die Erbschaftsteuer fast nur in Westdeutschland anfällt. Der Anteil in Ostdeutschland ist dagegen nur geringfügig. Das Beschriebene wird in der folgenden Tabelle 3 zusammenfassend dargestellt.

Tabelle 3: Erbschaftsteueraufkommen nach Ländern 2013

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an BMF (2014); Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2014).

Die Gesetzgebungskompetenzen für die Zuordnung der öffentlichen Aufgaben auf die Gebietskörperschaften werden durch die Verfassung bestimmt. In Art. 70 Abs. 1 GG werden, sofern das Grundgesetz dem Bund nicht die Gesetzkompetenz zuspricht, die

Gesetzgebungskompetenzen den Ländern zugeordnet (Härtel 2012: 544). Allerdings liegen die Gesetzgebungskompetenzen fast vollständig beim Bund, weil in Art. 71 ff. GG die Zuständigkeit vorwiegend auf den Bund übertragen wird (Seiler 2013: 1234). Die konkurrierende Gesetzgebung, die in Art. 74 GG geregelt ist, gestattet es dem Bund, von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen. Die Gesetze, die der Bund erlässt, treten dann vor die von den Ländern erlassenen Gesetze (Hüther/Hafemann 2012: 351). Demzufolge ist es möglich, dass eine Gebietskörperschaft per Gesetzesbeschluss eine Steuerart zwar gestalten kann, aber die Steuereinnahmen ihr entweder nicht zufließen oder sie die Höhe der Steuereinnahmen nicht beeinflussen kann. Dazu gibt es drei grundlegende Systeme, die die Verteilung der Einnahmen unter den Gebietskörperschaften bzw. die Zuordnung von Ertrags- und Gesetzgebungshoheit regeln: Trennsysteme, Zuweisungssysteme und Zuschlags- bzw. Verbundsysteme.

Die Zuordnung der Ertrags- und Gesetzgebungshoheit bei der Erbschaftsteuer richtet sich nach dem Trennsystem. Charakteristisch für Trennsysteme ist ein hoher Grad an Steuerautonomie. Hierbei kann zwischen freien und gebundenen Trennsystemen unterschieden werden. Freie Trennsysteme erlauben es einer Gebietskörperschaft, die Art und Höhe der Steuern eigenständig festzulegen, während gebundene Trennsysteme hingegen ein geringeres Maß an Steuerautonomie aufweisen. Die gebundenen Trennsysteme können weiterhin in drei verschieden ausgestaltete Systeme unterschieden werden. Diese sind Systeme mit festgelegter Steuerart, Systeme mit fixierter Steuerart, Bemessungsgrundlage und Durchführungsregeln sowie Systeme, in denen der Gebietskörperschaft nur das Aufkommen aus der Steuer zusteht. Im Falle der Erbschaftsteuer richtet sich die Verteilung der Ertrags- und Gesetzgebungshoheit nach dem gebundenen Trennsystem, bei dem alles vorgegeben ist und den Ländern lediglich das Aufkommen aus der Steuer zufließt (Scherf 2011: 461-462). Folglich wird den Bundesländern im Rahmen der Erbschaftsteuer lediglich die Ertragshoheit zugesprochen. Die Gesetzgebungshoheit und die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer werden zentral geregelt und obliegen dem Bund. Somit besitzen die Länder für die Erbschaftsteuer keine Steuerautonomie (Fuest/Thöne 2012: 266).

Für die Einführung in die Steuerstruktur der Länder ist die Anreizproblematik, die durch den Länderfinanzausgleich entsteht, relevant. Im Folgenden werden dazu die Auswirkungen des Länderfinanzausgleichs auf die Anreize für die Finanzpolitik der Länder betrachtet. Der Prozess des Länderfinanzausgleichs kann in vier Stufen unterteilt werden. Zunächst werden die Steuererträge auf die Gebietskörperschaften und weiter die

Gesamt-Steuereinnahmen der Länder auf die einzelnen Länder verteilt. Im nächsten Schritt müssen Länder mit einer überdurchschnittlichen Finanzkraft,[6] gemessen am Länderdurchschnitt, einen Teil ihrer Steuereinnahmen an die finanzschwachen Länder abgeben (Fuest/Thöne 2009: 25). Anschließend erfolgt über die

Bundesergänzungszuweisungen eine Erhöhung des Niveaus durch Zuweisung finanzieller Mittel vom Bund an die Länder (Schick 2004: 230-231). Die Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern und auch unter den Ländern wird häufig als undurchschaubar, ungerecht und ineffizient beurteilt. Das System des föderalen Finanzausgleichs wird vor allem als komplex eingestuft, weil die Einnahmen der Länder intransparent sind. Demnach ist es für Bürger nicht erkennbar, welche Einnahmen das Land aus eigener Kraft generiert, welcher Teil der Einnahmen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs an andere Länder abfließt oder was es von anderen Ländern erhält. Weiterhin wird der Länderfinanzausgleich sowohl von finanzstarken als auch von finanzschwachen Ländern als ungerecht kritisiert. Finanzschwache Länder fühlen sich durch Faktoren benachteiligt, die sie nicht mithilfe der Landespolitik beeinflussen können - wie beispielsweise eine hohe Staatsverschuldung, die aufgrund der vorherigen Regierungen entstanden ist (Fuest/Thöne 2009: 20-22). Es fehlt den finanzschwachen Bundesländern aber auch an Anreizen, ihre bisherigen Steuerquellen weiter auszubauen, weil sie bei zu niedrigem Steueraufkommen Anspruch auf Hilfe aus dem Länderfinanzausgleich haben. Mit einem Ausbau ihrer eigenen Steuerquellen müssen sie die damit entstehenden Kosten selbst tragen und hätten einen geringeren Anspruch an den Ausgleich (Fuest/Thöne 2012: 271-291). Aber nicht nur finanzschwache Länder empfinden den Länderfinanzausgleich als unfair. Auch finanzstarke Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg fühlen sich benachteiligt. Sie zahlen in den horizontalen Finanzausgleich ein und müssen die Mehreinnahmen, die sie beispielsweise durch zusätzliche Gewerbeansiedlungen im Bundesland erwirtschaften, an die finanzschwachen Länder abgeben. Aus ökonomischer Sicht ist aber vor allem die Anreizproblematik der Länder von Bedeutung. Im Rahmen des Finanzausgleichs wird das Steueraufkommen unter den Ländern so verteilt, dass sich letztlich die finanziellen Mittel ausgleichen. Dies hat zur Folge, dass es den Ländern an Anreizen fehlt, das lokale Steueraufkommen zu steigern. Denn mit zusätzlichem Steueraufkommen steigen die Einzahlungen in das Finanzausgleichssystem und verringern die Ansprüche an den

[...]


[1] Bis auf wenige Ausnahmen.

[2] 1995 und 2006. Details folgen in diesem Kapitel.

[3] J Eine detaillierte Beschreibung der Steuerstrukturen in Deutschland erfolgt in Kapitel 1b.

[4] In Kapitel 4 wird die Erbschaftsteuer der Schweiz näher beleuchtet.

[5] Es wurden 15 Staaten untersucht.

[6] Steueraufkommen pro Kopf.

Fin de l'extrait de 80 pages

Résumé des informations

Titre
Pro und Contra einer Regionalisierung der Erbschaftsteuer in Deutschland
Université
Justus-Liebig-University Giessen
Cours
Öffentliche Finanzen
Note
2,0
Auteur
Année
2014
Pages
80
N° de catalogue
V294081
ISBN (ebook)
9783656917236
ISBN (Livre)
9783656917243
Taille d'un fichier
810 KB
Langue
allemand
Mots clés
contra, regionalisierung, erbschaftsteuer, deutschland
Citation du texte
Carmen Zajons (Auteur), 2014, Pro und Contra einer Regionalisierung der Erbschaftsteuer in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/294081

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