Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung & Fragestellung
2. Die EU-Mittelmeerkonferenz von Barcelona
2.1. Die Euro-Mediterrane Partnerschaft
2.2. Inhalte und Ziele der EMP
2.3. Politische Partnerschaft und externe Demokratieförderung der EMP
3. Der arabische Frühling
3.1. Akteure und Ursache des arabischen Frühlings
3.2. arabischer Frühling in Ägypten
4. Ägypten vor dem arabischen Frühling
4.1. Menschenrechte
4.2. Demokratieförderung der EMP
5. Ägypten nach dem arabischen Frühling
5.1. Menschenrechte
5.2. Demokratieförderung der EMP
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung & Fragestellung
Freie Wahlen, Mehrheitsprinzip, individuelle Entscheidung, Gerechtigkeit, Gleichheit, Meinungsfreiheit und die Achtung der Menschenrechte sind Begriffe die meistens in einem Atemzug mit dem politischen System der Demokratie erwähnt werden. Der große Wunsch gerechter am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehen partizipieren zu dürfen, hat sich auch in den Köpfen der arabischen Bürger verankert. Ausgelöst von der Selbsttötung eines tunesischen perspektivlosen Gemüsehändlers namens Mohammed Bouazizi, begann im Frühjahr 2011 zunächst in Tunesien und anschließend Länderübergreifend im arabischen Raum eine Protestwelle mit Forderungen nach Würde, Menschenrechte und Gerechtigkeit: Die arabische Revolution.1 Im Namen der Freiheit und Gerechtigkeit haben Menschen in Tunesien, Ägypten und Libyen ihre autoritären Herrscher abgesetzt, in dem sie sich durch Demonstrationen gegen die Menschenrechtsverletzung, Korruption und die hohe Arbeitslosigkeit auflehnten.
Im Rahmen dieser Hausarbeit wird der Fokus auf das Land Ägypten gesetzt. Zum einen lag meine Auswahl bei Ägypten, weil ich im Laufe meines Studiums so wohl in Erziehungswissenschaften als auch in Orientalistik diverse Arbeiten über dieses Land verfasst habe (u.a. Das Bildungssystem in Ägypten, Inländische und ausländische Akteure des arabischen Frühlings: Ägypten ab 2011 und die Beziehung zwischen EU und Ägypten vor und nach dem arabischen Frühling). Zum anderen eignet sich Ägypten von allen Ländern der Arabischen Liga besonders für diese Untersuchung, da das Land zusammen mit Tunesien als „Mutter der Revolution“ gilt, die Bürger sich öffentlich gegen das politische Regime gewehrt haben und Ägypten für die EU als wichtigster Partner aus dem arabischen Raum gilt. Gerade in Ägypten war das autokratische Regime für die Unterdrückung von oppositionellen Strömungen und freie Meinungsäußerung verantwortlich. Die Demonstranten wendeten sich vor allem gegen das seit 1981 bestehende Regime von Husni Mubarak dem Korruption, Amtsmissbrauch und Menschenrechtsverletzung vorgeworfen werden und das, obwohl die arabische Republik Ägypten laut Artikel 1 der ägyptischen Verfassung seit dem 11. September 1971 ein „ demokratischer Staat“ und „Teil der arabischen Nation“2 ist. Doch kann man den ägyptischen Staat wirklich als „demokratisches System“ bezeichnen? Auch die europäische Mittelmeerpolitik macht die Förderung von demokratischen Strukturen und Werten zur obersten Priorität für die Zusammenarbeit und Beziehung zu Ägypten und das nicht erst seit der Gründung der Union für das Mittelmeer.
Was hat sich in Ägypten 3 Jahre nach dieser vermeintlichen Revolution im Hinblick auf die Demokratiequalität verbessert? Was trägt Europa zur Demokratieförderung bei? Und wo sieht man Veränderungen nach dem arabischen Frühling? Mit diesen Leitfragen und mit der besonderen Berücksichtigung der Menschenrechtsverletzung wird sich die folgende Hausarbeit unter dem Titel: Die Demokratieförderung in Ägypten im Rahmen der Euro-Mediterranen-Partnerschaft unter dem Aspekt der Menschenrechte vor und nach dem arabischen Frühling, beschäftigen. Um die Fragestellung im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Europa zu beantworten, soll zunächst die Entstehung und die Ziele der Euro-Mediterrane Partnerschaft in Bezug auf die externe Demokratieförderung bearbeitet werden. Anschließend wird ein kurzer hberblick über die Akteure und den Verlauf des arabischen Frühlings sowohl allgemein als auch in Ägypten gegeben. Der Hauptteil dieser Arbeit behandelt die Demokratieförderung der EU und die Menschenrechte in Ägypten vor und nach dem arabischen Frühling.
2. Die EU-Mittelmeerkonferenz von Barcelona
2.1. Die Euro-Mediterrane Partnerschaft
Mit dem Ziel den Mittelmeerraum zu einem Gebiet des Dialogs, der Kooperation und des Austausches zu machen, fand am 27. und 28. November 1995 eine Konferenz in Barcelona statt, bei der alle damaligen 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Zypern und Malta (seit 2004 auch Mitglied der Europäischen Union) sowie die Mittelmeeranrainerstaaten, u.a. Ägypten, Tunesien, Marokko, Algerien, Israel, palästinensische Autonomiegebiete, Jordanien, Libanon, Syrien und die Türkei teilnahmen, um ein Bündnis der Euro-Mediterrane Partnerschaft (EMP) zu gründen.3 Diese Konferenz wird auch „Barcelona Prozess“ genannt. Das Konzept soll eine umfassende Zusammenarbeit und eine gleichberechtigte Teilhabe zwischen der EU und den südlichen und östlichen Mittelmeeranrainern darstellen, ohne jedoch den Partnerstaaten, mit Ausnahme von der Türkei, eine Beitrittsperspektive zu bieten. Die Idee dabei war, die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen der EU und den Mittelmeerdrittländern zu vertiefen und zu intensivieren, damit eine stabile Region hergestellt wird. Die EMP setzte sich als oberste Priorität einen „Raum des Friedens, der Stabilität und des gemeinsamen Wohlstandes im Mittelmeerraum zu etablieren“.4 Es war der Versuch seitens Europa sich den sozioökonomischen und politischen Problemen der Mittelmeeranrainer anzunehmen und sich durch eine interaktive Partnerschaft über Stabilität, Frieden und Menschenrechte auszutauschen. Dabei sollen sich die Leitprinzipien auf eine langfristige, prozessorientierte Perspektive mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte stützen.5
2.2 Inhalte und Ziele der EMP
Die Zusammenarbeit und Partnerschaft gründet sich auf drei geographisch und inhaltlich abgestimmte Bereiche, so genannte Körbe: die politische und sicherheitspolitische Partnerschaft, die Wirtschafts- und Finanzpartnerschaft und als drittes die Partnerschaft der Zivilgesellschaften im sozialen, kulturellen und zwischenmenschlichen Bereich.6
Im Bereich der politischen und sicherheitspolitischen Partnerschaft, geht es zum einen um die Förderung von Frieden und Stabilität und zum anderen um die Beachtung der Menschenrechte und den demokratischen Normen. Dabei soll entsprechend ein politischer Dialog stattfinden, der sich vor allem um die Schaffung von Pluralen Gesellschaften, Bekämpfung von Terrorismus und organisierten Verbrechen, so wie um die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen bemühen soll.7 Jedem Staat soll freigestellt werden, sein eigenes politisches, wirtschaftliches, juristisches und kulturelles System zu entwickeln, in dem jedoch die Menschenrechte klar definiert und festgelegt sind. In dem Begriff „Menschenrecht“ sind Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Religionsfreiheit enthalten. Der politische Austausch soll durch Informationen und Interaktion zwischen den Ländern die Rechte der Menschen gewährleisten. Diskriminierung aufgrund der Nationalität, der Rasse, des Geschlechts oder der Religion soll innerhalb des Staates ausgelöscht werden, in dem die einzelnen Staaten die Vielfalt und den Pluralismus in der Gesellschaft akzeptieren und jegliche Art von Freiheitsberaubung und Diskriminierung bekämpfen.
Der zweite Korb beschäftigt sich mit der Wirtschafts- und Finanzpartnerschaft. Ziel dieses Bereiches ist es den Mittelmeerraum zu einem Gebiet der nachhaltigen sozioökonomischen, wirtschaftlichen Entwicklung zu stabilisieren. Um eine Steigerung der Lebensqualität in diesem Raum zu ermöglichen, sind Gemäß der Barcelona Deklaration die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, die Ausweitung des Handels, eine wirkungsvolle wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Steigerung der finanzielle Hilfe der EU, die Steigerung der Beschäftigungsrate und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung notwendig.8 Das Hauptelement des wirtschaftlich- finanziellen Bereiches ist die schrittweise Errichtung der Freihandelszone bis zum Jahr 2010. Schritt für Schritt sollen der Handel von Agrarprodukten und Dienstleistungen liberalisiert so wie Zölle und Standards angeglichen werden.9
Partnerschaft im sozialen, kulturellen und menschlichen Bereich wird der dritte Korb bezeichnet. Für die wirtschaftliche und politische Entwicklung der Mittelmeerstaaten ist die soziale Stabilität sehr wichtig. Deshalb beschäftigt sich dieser Bereich mit der Sicherheit in den Gesellschaften.10 Wichtig ist dabei der kulturelle Austausch der wegen der zunehmenden Polarisierung zwischen der islamischen und westlichen Welt vorausgesetzt wird. Denn durch Interaktion, Austausch und Dialog zwischen Europa und den arabischen Ländern, sollen die unterschiedlichen Kulturen auf beiden Seiten akzeptiert und eine „verbindende euromediterrane Identität geschaffen werden“.11
Ergänzt wurde die Euro-Mediterrane Partnerschaft im Jahr 2004 durch die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP), die vor allem auf die neuen Nachbarn im Osten nach der EU-Erweiterung zielt. Aufgrund von Frankreich, Spanien und Italien wurde diese auf die südlichen Mittelmeeranrainer der EMP ausgeweitet. Die ENP verfolgt jedoch dieselben Ziele wie die EMP. So zählt also primär die Demokratieförderung und die Förderung nach Menschenrechte in den Drittländern zu ihren Aufgaben.12
2.3 Politische Partnerschaft und externe Demokratieförderung
Für die EU-Außenpolitik steht seit Jahren die politische Transformation von autoritärer in demokratische Systeme in den südlichen Mittelmeerstaaten an oberste Stelle. Der Rahmen bietet, wie in den letzten Kapiteln erwähnt, die EMP und die ENP. In völkerrechtlich bindenden Abkommen zwischen der EU und ihren Partnerländern wurde die Förderung nach Demokratie und Menschenrechte vertraglich fixiert.13 Doch wie sieht es in der politischen Praxis aus? Während auf theoretischer Ebene die Demokratieförderung in jeglichen Verträgen und Partnerschaften fest verankert ist, werden die politischen Instrumente die für die Demokratieförderung notwendig sind kaum eingesetzt. Die EU hielt sich bis jetzt bei der politischen Einmischung im Mittelmeergebiet sehr zurück, obwohl gerade dieses Gebiet durch die staatliche Repression und den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen Grund genug gäben die EU zur Aktivität anzuspornen.14 Zum Vergleich wird die externe Demokratieförderung in Mittel- und Osteuropa stärker und konsequenter betrieben als im Mittelmeerraum. Das Interesse der EU bezüglich der externen Demokratieförderung geht auf die Sicherheitspolitik zurück. Für die EU ist es vom größeren Vorteil von vielen Demokratiestaaten umgeben zu sein, da durch Demokratie auch externe Konflikte friedlicher lösbar sind.15 Deshalb stellt sich die Frage, weshalb sich die EU bei der Demokratieförderung im MDL so sehr zurückhält. Denn bevor der arabische Frühling ausgebrochen ist, tolerierte die EU die Autokraten in ihren Nachbarländern jahrelang.
Anette Jünemann, eine Politikwissenschaftlerin, die sich vor allem mit den Forschungsschwerpunkten Internationale Beziehungen, Europäische Integration, EU- Außenbeziehungen, Mittelmeerpolitik und Demokratisierungspolitik beschäftigt hat, setzt sich in ihrem Bericht: „Die externe Demokratieförderung im südlichen Mittelmeerraum: Ein rollentheoretischer Erklärungsansatz für die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in den EU-Außenbeziehungen“ kritisch mit der externen Demokratieförderung und dessen Umsetzungsproblemen auseinander und stellt diese in Verbindung mit der EU als „Zivilmacht“ oder „normative power".16 Jeder Staat entwickelt ein außenpolitisches Rollenkonzept, das sowohl seine eigenen Vorstellungen wie Weltbilder, Werte und Normen als auch die Rollenerwartungen in den internationalen Beziehungen mit sich trägt. Eine außenpolitische Orientierung ist unter anderem das Rollenkonzept der Zivilmacht.17 Das Zivilmachtkonzept stehe im Gegenzug zur klassischen Machtpolitik und ziele langfristig auf die Zivilisierung des Internationalen Systems. Dies bedeute den Verzicht auf den Einsatz militärischer Mittel, die Förderung der Vernetzung des Internationalen Systems, so wie der wichtigste Beitrag zur Zivilisierung: und zwar die weltweite Förderung von Demokratie und Menschenrechten.18 Selbst die wirtschaftlich-finanzielle Zusammenarbeit der EU mit den Drittländern wurde an die Achtung der Menschenrechte und die Fortschritte im politischen Reformprozess angepasst.19
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1 Vgl. Jünemann/Zorob 2013, S. 9.
2 Vgl. Egyptian Government Portal Suggestions & Complaints section 2011.
3 Vgl. Heese 2009, S. 22.
4 Vgl. Ebd.
5 Vgl. Jünemann 2005, S. 360.
6 Vgl. Heese 2009, S. 24.
7 Vgl. Schumacher 2002, S. 241.
8 Vgl. Schumacher 2002, S. 283.
9 Vgl. Heese 2009, S. 27.
10 Vgl. ebd.
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. Jünemann 2009, S. 154.
13 Vgl. Ebd., S. 151.
14 Vgl. Jünemann 2009, S. 152.
15 Vgl. ebd.
16 Vgl. ebd. S. 159.
17 Vgl. Maull 2001, S. 282.
18 Vgl. Jünemann 2009, S. 160.
19 Vgl. ebd.