Die Frage, ob die Grundrisse der verschiedenen römischen Amphitheater als mathematische Ellipsen konstruiert sind, oder ob sie aus Kreisbögen unterschiedlichen Halbmessers erzeugt sind, beschäftigt seit geraumer Zeit die Fachwissenschaft. Im Vordergrund stehen dabei die konstruktiven Prinzipien des Flavischen Amphitheaters (Kolosseum) in Rom.
Seit dem Jahr 1999 liegen sehr präzise Vermessungen des Kolosseums vor, die Anlass geben, die früheren Forschungen zu überdenken. Die Mehrzahl der Autoren, deren Arbeiten auf diesen neuen Vermessungen basieren, tendieren zwar generell zu der Annahme von Wilson Jones, legen jedoch andere Entwurfsprinzipien bzw. Parameter für die Konstruktion der Kreisbögen und deren Anzahl vor. Allerdings weisen sie mehrfach auf den Umstand hin, dass die Rechenergebnisse aus dieser Vermessung einen letztlich eindeutigen Schluss (Kreisbogenlösung oder Ellipse?) nicht zuließen. Demgegenüber gibt es aber auch Autoren, welche die mathematische Ellipse als Grundrissprinzip des Kolosseums vertreten bzw. für plausibel halten.
Die in den bisherigen Veröffentlichungen interpretierten Vermessungsergebnisse, sowie die dort herangezogenen Grundlagen erscheinen mir jedoch für eine abschließende Beurteilung nicht ausreichend. Ich werde in dieser Arbeit versuchen, einerseits durch eine erweiterte Analyse dieser Vermessungsergebnisse, andererseits durch eine Darstellung der Kenntnisse antiker Mathematiker über die Eigenschaften der Kegelschnitte und hier insbesondere der Ellipse, der Entscheidung der Frage: „Ellipse oder Oval aus Kreisbögen“? näher zu kommen.
Eine zweite Frage zum Grundriss der Amphitheater betrifft die Achsen (ich bevorzuge den Begriff „Strahlen“), nach denen der Verlauf der äußeren Erschließungstreppen bzw. der Substruktionsgewölbe erfolgt. Treffen sie sich, wie beim Kolosseum, auch bei den anderen Amphitheatern in wenigen diskreten Punkten oder verlaufen sie durch den Ellipsenmittelpunkt, sind sie gar mathematische „Normalen“ zu der Außenkurve (also Geraden, die rechtwinklig auf den Kurventangenten stehen) oder folgen sie Vereinfachungen, die aus der Praxis der Vermessung resultieren? Auch hierüber glaube ich in der nachfolgenden Untersuchung einige Aspekte beitragen zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung, Stand der Forschung
- Vermessene Amphitheater
- Vermessungsergebnisse (Ellipsen oder Sequenz von Kreisbögen?)
- Ist die Arena auch dann elliptisch, wenn die Theaterumfassung eine Ellipse ist, und wie verlaufen dann die Strahlen?
- Stand des Wissens zu den Ellipsen im Altertum
- Pro und Contra (Ellipsen oder Kreisbögen, Lage der Strahlen?)
- Wie konnten die römischen Agrimensoren Ellipsen und Strahlen abstecken?
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die geometrischen Grundlagen römischer Amphitheater. Ziel ist es, die Frage nach der Konstruktion der Grundrisse zu klären: wurden Ellipsen oder Kreisbögen verwendet? Zusätzlich wird die Anordnung der Erschließungstreppen und Substruktionsgewölbe analysiert.
- Geometrische Konstruktion römischer Amphitheater (Ellipse vs. Kreisbögen)
- Analyse von Vermessungsergebnissen verschiedener Amphitheater
- Mathematische Kenntnisse der Römer im Bezug auf Kegelschnitte
- Verlauf der Erschließungstreppen und Substruktionsgewölbe
- Vergleich historischer und moderner Vermessungsmethoden
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung, Stand der Forschung: Die Einleitung beleuchtet den bisherigen Forschungsstand zur Frage, ob römische Amphitheater auf der Basis von Ellipsen oder Kreisbögen konstruiert wurden. Der Fokus liegt auf dem Kolosseum, wobei frühere Studien von Wilson Jones (1993) und neuere, präzisere Vermessungen aus dem Jahr 1999 gegenübergestellt werden. Die bisherigen Ergebnisse liefern keinen eindeutigen Schluss, was die Notwendigkeit einer vertieften Analyse untermauert. Die Arbeit beabsichtigt, durch erweiterte Analyse bestehender Vermessungsdaten und durch Berücksichtigung des antiken mathematischen Wissens über Kegelschnitte, insbesondere die Ellipse, zur Klärung beizutragen. Eine zweite Forschungsfrage befasst sich mit der Anordnung der Erschließungstreppen und Substruktionsgewölbe und deren geometrischer Beziehung zur Gesamtkonstruktion.
Vermessene Amphitheater: Dieses Kapitel beschreibt die verwendeten Vermessungsdaten. Verlässliche Grundrisse liegen nur für das Kolosseum (extrem genaue Vermessungen von 1998/99) und das Amphitheater von Nîmes (genaue Vermessung von 1986) vor. Daten anderer Amphitheater (Arles, Verona, etc.) werden aufgrund von Ungenauigkeiten nicht berücksichtigt. Die Bedeutung der Vermessung auf Geländehöhe und nicht auf der Höhe der Kranzgesimse wird betont, um die Auswirkungen von z.B. Erdbeben auf die Ergebnisse zu minimieren.
Vermessungsergebnisse (Ellipsen oder Sequenz von Kreisbögen?): Dieses Kapitel analysiert, ob die äußere Umfassung römischer Amphitheater einer mathematischen Ellipse oder einer Folge von Kreisbögen folgt. Vitruvs Beschreibung des halbkreisförmigen Theaters wird als Referenz herangezogen, wobei dessen Methode der innen-nach-außen Konstruktion für die Lage der radialen Strahlen, nicht aber zwangsläufig für die äußere Form relevant ist. Die Arbeit betont die Notwendigkeit einer Außen-nach-Innen-Absteckung für Ellipsen, um Vermessungsfehler zu minimieren. Am Beispiel des Kolosseums wird eine Ellipse mittels affiner Abbildung aus einem Kreis konstruiert und mit den Vermessungsdaten verglichen, wobei eine hohe Übereinstimmung festgestellt wird.
Schlüsselwörter
Römische Amphitheater, Geometrie, Vermessung, Ellipse, Kreisbögen, Kegelschnitte, Agrimensoren, Kolosseum, Nîmes, Vitruv, antike Mathematik, Vermessungsergebnisse.
Häufig gestellte Fragen zu: Geometrische Konstruktion Römischer Amphitheater
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die geometrischen Grundlagen römischer Amphitheater. Der Fokus liegt auf der Frage, ob deren Grundrisse auf der Basis von Ellipsen oder Kreisbögen konstruiert wurden. Zusätzlich wird die Anordnung der Erschließungstreppen und Substruktionsgewölbe analysiert.
Welche Amphitheater werden untersucht?
Die Analyse konzentriert sich hauptsächlich auf das Kolosseum (mit sehr präzisen Vermessungen von 1998/99) und das Amphitheater von Nîmes (genaue Vermessung von 1986). Daten anderer Amphitheater werden aufgrund von Ungenauigkeiten nicht berücksichtigt.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit analysiert vorhandene Vermessungsdaten und vergleicht diese mit mathematischen Modellen, insbesondere der Ellipse. Dabei wird die Bedeutung der Vermessung auf Geländehöhe betont, um die Auswirkungen von z.B. Erdbeben zu minimieren. Es wird auch das antike mathematische Wissen über Kegelschnitte, insbesondere die Ellipse, berücksichtigt.
Welche Ergebnisse werden präsentiert?
Am Beispiel des Kolosseums wird eine Ellipse mittels affiner Abbildung aus einem Kreis konstruiert und mit den Vermessungsdaten verglichen, wobei eine hohe Übereinstimmung festgestellt wird. Die Arbeit untersucht, ob die äußere Umfassung römischer Amphitheater einer mathematischen Ellipse oder einer Folge von Kreisbögen folgt. Vitruvs Beschreibung des halbkreisförmigen Theaters dient als Referenz.
Welche Rolle spielt Vitruv?
Vitruvs Beschreibung des halbkreisförmigen Theaters wird als Referenz herangezogen. Seine Methode der innen-nach-außen Konstruktion ist für die Lage der radialen Strahlen relevant, aber nicht zwangsläufig für die äußere Form der Amphitheater. Die Arbeit betont die Notwendigkeit einer Außen-nach-Innen-Absteckung für Ellipsen, um Vermessungsfehler zu minimieren.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass eine detaillierte Analyse der Vermessungsdaten und des antiken mathematischen Wissens notwendig ist, um die Frage nach der Konstruktion der Amphitheatergrundrisse (Ellipse vs. Kreisbögen) eindeutig zu beantworten. Die Ergebnisse deuten auf eine elliptische Konstruktion hin, zumindest beim Kolosseum.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Römische Amphitheater, Geometrie, Vermessung, Ellipse, Kreisbögen, Kegelschnitte, Agrimensoren, Kolosseum, Nîmes, Vitruv, antike Mathematik, Vermessungsergebnisse.
- Citation du texte
- Prof. Dr. Rolf Nill (Auteur), 2015, Römische Amphitheater: Geometrie und Vermessung, literarische und mathematische Grundlagen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/294411