Mediengerechte Regeländerungen. Eine Untersuchung der Mediatisierungstendenzen im Sport mit Blick auf die Änderungen der Regelwerke


Master's Thesis, 2014

172 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Dreiecksbeziehung Sport-Medien-Wirtschaft
2.1. Globaler Medien-Sport-Komplex
2.2. Erfolgsgründe des Sports
2.3. Folgen der Sport-Globalisierung
2.4. Intensivierte Beziehungen

3. Mediatisierung
3.1. Mediatisierungsbegriff
3.2. Praktische Beispiele für die Mediatisierung der Gesellschaft
3.3. Geschichte des Mediatisierungsbegriffes
3.4. Stand der Mediatisierungsforschung
3.5. Kommunikationswissenschaftliche Relevanz der untersuchten Thematik
3.6. Mediation vs. Mediatization
3.7. Begriffsunterscheidungen und Begriffsvorlieben
3.8. Mediatisierung als Metaprozess nach Friedrich Krotz
3.9. Mediatisierte Welten
3.10. Phasen der Mediatisierung
3.11. Kritikpunkte am Konzept der Mediatisierung
3.12. Relevanz der Kritikpunkte für die vorliegende Forschungsarbeit

4. Die Mediatisierungsdebatte

5. Mediatisierung des Sports
5.1. Telegenisierung von Sportstätten, -geräten und Wettkampfmodi
5.2. Beispiele für eine Mediatisierung des Sports
5.3. Sport auf der Mediatisierungstreppe
5.4. Mediengerechte Regeländerungen

6. Fernsehsport
6.1. Die beliebtesten Fernsehsportarten – Zahlen und Fakten
6.2. Geschichte des Fernsehsports
6.3. Sportberichterstattung in Deutschland und Österreich
6.4. Traumbeziehung Sport und Fernsehen
6.4.1. Erfolgsgründe
6.4.2. Passive Sportrezeption als Katalysator für Emotion und Passion
6.5. Kampf um Einschaltquoten und Übertragungsrechte
6.6. Wie eine Sportart anderen das Leben schwer macht
6.7. Stand der Mediensportforschung
6.8. Kritik an der Darstellung des Sports in den Medien

7. Empirische Herangehensweise und Methodik
7.1. Untersuchungsdesign
7.2. Die Inhaltsanalyse
7.3. FIFA, NCAA-Football, IIHF, ITF und FIVB
7.4. Bedeutung der Regelwerke
7.5. Forschungsfragen und Hypothesen
7.6. Kategoriensystem und Auswertung
7.7. Indikatoren für eine Mediatisierung des Sports

8. Darstellung und Auswertung der Ergebnisse
8.1. Allgemeine Ergebnisse
8.2. Regeländerungen und Mediatisierung
8.3. Sportarten im Vergleich
8.4. Limitierungen der durchgeführten Untersuchung

9. Ergebnisinterpretation
9.1. Hypothesenprüfung
9.2. Forschungserkenntnisse

10. Conclusiund Ausblick

11. Literaturverzeichnis

12. Anhang
12.1. Abbildungsverzeichnis
12.2. Analysiertes Material

Mediengerechte Regeländerungen

Eine Untersuchung der Mediatisierungstendenzen im Sport mit Blick auf die Änderungen der Regelwerke.

„Npart of the world, nhuman activity, is untouched by the new media. Societies worldwide are being reshaped, for better or for worse, by changes in the global media and information environment. Stoare the everyday lives of their citizens.” (Lievrouw/Livingstone 2009: xxi)

1. Einleitung

Abb. 1: Peter Forsberg-Briefmarke. Dem Schweden wurde nach seinem Goldtreffer im Olympiafinale 1994 eine eigene Briefmarke gewidmet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Jubel und Tränen. Sport löst massenhaft Emotionen aus und lockt Tausende von Menschen in die Stadien oder vor den Fernsehbildschirm. Tage, ja Wochen und teilweise auch Jahre später können Sportfanatiker immer noch über ein bestimmtes Sportereignis diskutieren. Sei es der Kopfstoß von Zinédine Zidane im Fußball-WM Finale 2006, Peter Forsbergs legendärer Shootout-Treffer im olympischen Eishockeyfinale 1994, der seinem Land Olympia-Gold sicherte und ihn zu einem schwedischen Nationalhelden werden ließ, RobertBaggios vergebener Elfmeter im Fußball WM-Finale 1994 oder der wohl unwahrscheinlichste aller Super Bowl-Siege[1], nämlich jener der New York Giants im Februar 2008 gegen die bis dahin noch ungeschlagene Mannschaft der New England Patriots. Sport bewegt und berührt die Herzen. Gewisse Sportmomente verankern sich für immer unauslöschlich in unserer Erinnerung. Besonders die Medien tragen ihren Teil dazu bei, dass Sportfans überall auf der Welt ihre Lieblinge und Idole auch ohne den Besuch im Stadion sehen und anfeuern können.

Für viele von uns ist die Liebe zum Sport etwas Magisches, fast nicht Begreifbares. Oder wie es Nick Hornby (2013: 27) in seinem Buch „Fever Pitch“ erzählt: „Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden.“

Besonders in turbulenten Zeiten, in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels, gewinnt der Sport als ein operational geschlossenes Sozialsystem immer mehr an Bedeutung. Weil er svielfältig ist, schafft der Sport günstige Voraussetzungen für Unterhaltung, Entspannung, Wohlbefinden und Gemeinschaft (vgl. Dimitriou/Sattlecker 2010: 283).

In den letzten Jahrzehnten haben besonders die Medien zur Steigerung des Beliebtheitsgrades von einigen Sportarten beigetragen. Vor allem Spitzensportarten wie Fußball, Formel 1, Skifahren, Skispringen, Tennis, Eishockey in Europa oder aber auch American Football, Baseball und Basketball in Nordamerika sind durch die Medien zu immer noch größerem Ruhm gelangt. Die Medien wissen bestimmte Sportevents gekonnt zu ihrem Vorteil zu nutzen und reißen sich dementsprechend auch um die Möglichkeit, Großsportereignisse wie Fußball-Weltmeisterschaften, Olympische Spiele oder den Super Bowl übertragen zu dürfen. Grund dafür ist die Tatsache, dass besonders die Fernsehsender bei der Übertragung von Sportgroßereignissen die Werbeblöcke um Unsummen an die werbetreibende Wirtschaft verkaufen können. Sentsteht - kurz gesagt - die Dreiecksbeziehung von Sport, Medien und Wirtschaft.

Den Medien wird unter dem Stichwort Mediatisierung eine enorme Macht unterstellt. Durch ihren Bedeutungszuwachs für die Gesellschaft allgemein und für die Werbewirtschaft im Speziellen wird den Medien eine größere Chance der Einflussnahme auf diverse Gesellschaftsbereiche eingeräumt. Ähnlich wie bei den Feldern Politik, Kultur oder Wirtschaft wird den Medien ebensbeim Sport von Seiten der Wissenschaft, aber auch von Seiten der Allgemeinheit mit Begriffen wie Mediatisierung, Telegenisierung, Mediensport, Medienmacht etc. ein immer größer werdender Einfluss zugeschrieben. Viele Autorinnen und Autoren haben mittlerweile Thesen aufgestellt, die besagen, dass sich der Sport bzw. die Sportverbände immer mehr nach den Wünschen der Medien ausrichten bzw. dass diese zumindest versuchen, ihren Sport an gewisse Medienvorgaben anzupassen.

Beispiele hierfür gibt es zur Genüge. Sfindet bekanntlich die Pause während eines Fußballspiels nicht unbedingt deswegen statt, damit sich die Akteurinnen und Akteure von den Strapazen erholen können, sondern, damit im Fernsehen während des Spieles Werbung gezeigt werden kann. Beim American Football wird das Ganze mit der Vielzahl an „TV-Breaks“ auf die Spitze getrieben und gerade bei den größten und bedeutendsten Spielen, wie dem Super Bowl, lassen sich gewisse Werbeblöcke um Unsummen verkaufen.

Shat die Symbiose zwischen Sport und Fernsehen diverse Kreationen neuer Sportarten, Disziplinen und Wettkampfformen zur Folge. Beim alpinen Skisport wurde beispielsweise durch die Aufnahme des „Super-G“ die Anzahl an medial übertragbaren Disziplinen von drei auf vier ausgebaut. Außerdem sollten hier die Einführung von Nacht- und Parallelslaloms für neue Faszination sorgen (vgl. Wendl 2009: 134). Ein weiteres Anzeichen für die Mediatisierung von Sportevents ist der Versuch, ihre Dauer zu verkürzen, um sie skurzweiliger zu gestalten. Das passierte beispielsweise im Tennis durch die Einführung des Tie-Breaks oder beim Skispringen durch die Reduktion der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im zweiten Durchgang. Viele Sportarten sahen sich auch zu Regeländerungen gezwungen, um die Spielzeit medientauglich zu verkürzen (vgl. Wendl 2009: 134f.).

Regelwerke diverser Sportarten stehen im Mittelpunkt dieser Masterarbeit, welche am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg, betreut von Dr. Josef Trappel, erstellt wurde. In öffentlichen Diskussionen wird vielmals behauptet, der Sport orientiere sich zunehmend an medialen Vorgaben, wobei auf das Konzept der Mediatisierung verwiesen wird, welches in der Kommunikationswissenschaft genutzt wird, um die wachsende Orientierung von Handlungszusammenhängen an Erfordernissen der Medien zu kennzeichnen. Für eine empirische Überprüfung der Mediatisierungsthese ist die Analyse von Regeländerungen ein relativ harter Indikator, weil eine Änderung der Regelwerke eine Sportart in fundamentaler Weise beeinflusst, wie Kapitel fünf zeigen wird. Die Hauptforschungsfrage der vorliegenden Arbeit lautet: Inwiefern haben sich die Regelwerke diverser Sportarten in den letzten 20 Jahren geändert und in welchem Maße wurde das durch die Medien bedingt? Durch eine systematische Inhaltsanalyse der international verbindlichen Regeländerungen in den Sportarten Fußball, American Football, Tennis, Eishockey und Volleyball seit den 1990er Jahren wird überprüft, ob diese Änderungen medialen Belangen entgegenkommen oder auf andere Ursachen zurückzuführen sind. Diese Auswahl soll erstens gewährleisten, dass sowohl Winter- als auch Sommersportarten Teil der Untersuchung sind und zweitens, dass sowohl besonders medientaugliche Sportarten als auch Sportarten, welchen medial kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird, in die Analyse miteinbezogen werden. Mit der angedachten Langzeituntersuchung soll auch der von Meyen (2009: 30) aufgestellten Forderung, dass sich Forschungen zur Mediatisierung in erster Linie auf Längsschnittstudien stützen müssten, wenn man Mediatisierung als eine Reaktion in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen versteht, genüge getan werden. Da die Mediatisierungsforschung „Reaktionen“ - sprich sozialen Wandel - untersucht, sind Analysen nötig, die zumindest zwei unterschiedliche Zeitpunkte erfassen.

Zuvor wird jedoch die für diese Untersuchung maßgebende Dreiecksbeziehung zwischen Sport, Medien und Wirtschaft beleuchtet sowie in weiterer Folge das Konzept der Mediatisierung allgemein und bezogen auf den Sport dargelegt. In diesem Prozess wird auch ein von Dohle/Vowe/Wodtke (2009) entwickeltes Modell zur Systematisierung von Mediatisierungstendenzen vorgestellt, welches Indikatoren für die Messung dieser Tendenzen erlaubt. Ein Baustein dieses Modells bezieht sich auf mediatisierte Regeln. Die vorliegende Untersuchung stellt folglich auch nur einen einzelnen Indikator für die Analyse von Mediatisierungstendenzen im Sport dar.

Ziel der Masterarbeit ist es, sich theoretisch mit dem Begriff der Mediatisierung auseinanderzusetzen, die Geschichte des Begriffes der Mediatisierung zu erläutern sowie der Frage nachzugehen, wie sich die Mediatisierung des Sports theoretisch und konkret ausgestaltet. Zu diesem Zweck sollen auch einige Beispiele angeführt werden. Weiters soll die Mediatisierungsdebatte beleuchtet und darüber hinaus die Dreiecksbeziehung von Sport, Medien und Wirtschaft unter die Lupe genommen und besonders auf die Bedeutung des Fernsehens bei Sportübertragungen eingegangen werden. Außerdem soll die Fragestellung, inwieweit Mediatisierungstendenzen im Sport erkennbar sind, anhand der „Regelwerks-Inhaltsanalyse“ empirisch überprüft und beantwortet werden.

2. Dreiecksbeziehung Sport-Medien-Wirtschaft

„The game is about those whplay and those whpay.“ – Celtic Glasgow Trainer Martin O’Neill[2] im BBC RadiFive Live am 24. April 2003 (Boyle/Haynes 2004: 159)

Einer der sichtbarsten Aspekte im modernen (professionellen) Sport sind seine starken Beziehungen zu wirtschaftlichen Unternehmen. Stadien und Arenen tragen die Namen von großen Konzernen, welche die Namensrechte an diesen Spielstätten erworben haben. Unternehmenslogos sind gut ersichtlich auf der Sportkleidung sowie der Ausrüstung der Athletinnen und Athleten erkennbar. Darüber hinaus tauchen solche Logos sowohl in den Anlagen auf, in denen die Sportlerinnen und Sportler spielen, als auch in den Titeln/Bezeichnungen der Events bzw. Ligen[3], in denen sie gegeneinander antreten. Medienunternehmen geben enorme Geldbeträge aus, um Sportveranstaltungen übertragen zu können und die Werbewirtschaft bezahlt dafür, ihre Produkte und Leistungen in den Pausen dieser Ausstrahlungen anpreisen zu dürfen (vgl. Slack 2004: xxii). Auch Städte nehmen sehr viel Geld in die Hand, häufig auf Kosten von anderen/wichtigeren sozialen Projekten, um große Sportereignisse auszutragen oder um professionelle Sportvereine in ihre Gegend zu locken. Star-Athletinnen und -athleten werden für Millionen Dollar, Pfund oder Eurtransferiert[4] und "Sport-Franchises" werden für Summen verkauft[5], die höher sind als das Bruttoinlandsprodukt von manchen Ländern (vgl. ebd.).

2.1. Globaler Medien-Sport-Komplex

In den Vereinigten Staaten von Amerika ist es bereits vor über einer Dekade durchaus häufig vorgekommen, dass bis zu zehn Sportevents gleichzeitig im Fernsehen übertragen wurden. Viele aktuelle Entwicklungen im Sport werden von ökonomischen Überlegungen beeinflusst. Eine beträchtliche Anzahl von Autorinnen und Autoren teilt die Meinung, dass diese Überlegungen auf die Medien und hier speziell auf das Fernsehen zurückzuführen sind (vgl. Bernstein/Blain 2003:1). Sport ist definitiv zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig geworden. Alleine in Großbritannien arbeiteten in den 1990er Jahren rund 400.000 Menschen in einem Beruf, der direkt mit dem Sport zu tun hatte. Für Stadionbesuche, Sportbekleidung, Sportartikel, Sportmedien, Vereinsbeiträge und Ähnliches gaben Britinnen und Briten jährlich umgerechnet etwa fünf Milliarden Euraus. Auch beim Aufwand, den private Unternehmen mittlerweile für das Sportsponsoring betreiben, ist von Milliardensummen die Rede (vgl. Beck 2006: 42).

Abzugrenzen, welche Wirtschaftsbereiche noch zur Sportindustrie[6] gehören und welche nicht, ist praktisch unmöglich. Trotzdem wurden im Laufe der Zeit immer wieder Versuche durchgeführt, um den Wert des kommerziellen Interesses am Sport zu veranschaulichen. Sports. Inc. bezifferte 1986 den Wert des „US Sport Bruttoinlandsproduktes“ (US Gross Domestic Sport Product – USGDSP) mit $ 47 Mrd. 1990 beschrieb die Sporting News den Sport als „$ 63,1 Mrd.-Industrie“. Ein 1995 in Sport Marketing Quarterly erschienener Artikel gab an, dass das USGDSP bereits $ 152 Mrd. betragen würde. (vgl. Slack 2004: xxiii f.). Milanund Chelladurai (2011: 24) nannten 2011 mit Berufung auf das US-amerikanische Handelsministerium drei Schätzungen für das damalige GDSP der USA: Eine konservative Schätzung bei ca. $ 168 Mrd., eine moderate Schätzung bei ca. $ 190 Mrd. sowie eine liberale Schätzung bei ca. $ 207 Mrd.[7]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Marktgröße und Wachstumsraten diverser Sportarten nach geographischen Komponenten aufgeschlüsselt (vgl. Zygband/Collignon 2011: o.S.). CAGR (compound annual growth rate = jährliche Wachstumsrate).

Was Vergleichswerte betrifft, sbezifferten Preuß, Alfs und Ahlert (2012: o.S.) in ihrer Studie über die ökonomischen Dimensionen des Sportkonsums in Deutschland im Juni 2012 das GDSP Deutschlands zwischen € 83 Mrd. und € 112 Mrd. Zygband und Collignon (2011: o.S.) schätzten bei ihrer Analyse des weltweiten Sportmarktes im Auftrag der Unternehmensberatungsfirma A.T. Kearney den Wert der globalen Sportindustrie auf € 350 bis € 450 Mrd. Mit Hilfe einer Länderaufschlüsselung stellten sie auch fest, dass die Sportindustrie schneller wächst als die Gesamtwirtschaft in den gereiften Märkten Europas und Nordamerikas und auch schneller als jene der aufblühenden BRIC-Nationen (Brasilien, Russland, Indien, China).

Obwohl den genannten Studien eine gewisse Subjektivität anzukreiden ist, kann aus ihnen trotzdem etwas Entscheidendes abgeleitet werden. Nämlich, dass es auf jeden Fall eine große kommerzielle Beteiligung am Sport gibt und diese in stetigem Wachstum begriffen ist. Weiters bleibt festzuhalten, dass der Sport in vielen Volkswirtschaften dieser Welt einen beträchtlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert (vgl. Slack 2004: xxiii).

Aus medienökonomischer Sicht hat die in der vorliegenden Masterarbeit behandelte Thematik eine große Bedeutung, da sie genau den Kern der Dreiecksbeziehung von Sport, Wirtschaft und Medien behandelt. Diese drei Teilsysteme bilden eine Art Interessensgemeinschaft, welche von gegenseitiger Einflussnahme und Abhängigkeit geprägt ist. Sport, Medien und Wirtschaft bilden miteinander eine Spirale, in der die Prozesse zu einem großen Teil nach marktwirtschaftlichen Gesetzen und ökonomischen Gesichtspunkten ablaufen, während andererseits trotzdem jedes Teilsystem wieder nach eigenen Prinzipien agiert (vgl. Rehn 2008: 10).

“Dass sich moderner Sport und Medien kaum trennen lassen, ist häufig gesehen und liebevoll-metaphorisch umschrieben worden, sals „histoire d’amour“, „symbiotic relationship“, „mutual relationship“, oder „love-match“. In der neuen Forschung hat sich dieser Eindruck in Begriffen wie „global media-sport complex“ verfestigt und zu der Vermutung geführt, in Teilbereichen des Spitzensports seien infolge zunehmender ‚Medialisierung‘ Tendenzen zu einer Verschmelzung beider kultureller Formen zu erkennen.“ (Werron 2009: 23)

Die Globalisierung dieses „global media-sport complex“ hat für transnationale Unternehmen und ihre Marketing-, Vertriebs- und Werbekanäle enorme Möglichkeiten geschaffen (vgl. Jackson/Grainger/Batty 2004: 208). Seine weltweite Popularität hat den Sport zu einem mächtigen Instrument für die Expansion von internationalen Wirtschaftsinteressen werden lassen. Egal, ob bestimmte Sport-Events dem stetig wachsenden Satellitenfernseh-Publikum aufgedrängt oder tatsächlich von diesem gewünscht werden, die Realität zeigt, dass die Leute den Sportübertragungen vor den Fernsehgeräten beiwohnen. Die Tatsache, dass das internationale Publikum die Live-Übertragungen verfolgt, führt dazu, dass es demographisch quergeschnitten, kommodifiziert und an begierige Werbe- und Marketingkonglomerate verkauft werden kann (vgl. ebd.: 207) Jackson, Grainger und Batty beschreiben das Phänomen kurz und knapp:

„In simple terms, the Olympics, World Cup soccer, the Super Bowl, X-Games and a host of other increasingly global media sporting spectacles are created and produced in order tattract television audiences whose capacity tconsume is sold tprospective promotional agents.“ (Jackson/Grainger/Batty 2004: 207)

Die kommunikationswissenschaftliche Relevanz des behandelten Themas lässt sich dadurch erklären, dass sich der Sport und die Medien mittlerweile kaum mehr trennen lassen und dass der Sport einen überdurchschnittlich wichtigen Bestandteil der medialen Präsenz darstellt.

„Zwischen der medialen Inszenierung und der Praxis des Sports besteht ein wechselseitiges Bedingungsverhältnis, wobei sich der Sport entlang seiner medialen Codierung und die mediale Codierung entlang der sportlichen Ereignisse ausrichten.“ (Axster/Jäger/Sicks/Stauff 2009: 7)

Mediatisierung des Sports bedeutet auch, dass sich gesellschaftliche Ereignisse immer mehr nach den Vorgaben der Medien richten. Shaben sich in den letzten Jahrzehnten sowohl die Sportverbände als auch die Fernsehanstalten einiges einfallen lassen, um den Unterhaltungswert für die vor dem Bildschirm sitzenden Rezipientinnen und Rezipienten zu steigern. Beide Seiten erhoffen sich durch die groß angelegte Darstellung von Sportevents im Fernsehen einen Vorteil. Swünscht sich einerseits jeder Sportverband die mediale Darstellung seiner Wettkämpfe, weil sich daraus finanzielle Vorteile ergeben sollen und andererseits wollen die Fernsehanstalten am Kuchen der Sportberichterstattung mitnaschen, da diese Events hohe Einschaltquoten zur Folge haben und dadurch Werbekunden anlocken (vgl. Wendl 2009: 108). Mittlerweile sind wichtige Sportveranstaltungen ohne die Unterstützung des Fernsehens, welches zugkräftige Sponsoren anlockt, nicht mehr durchführbar (vgl. Kühnert 2004: 17). Diese Zweckehe zwischen der Sportwirtschaft, der Werbewirtschaft und der Medienwirtschaft funktioniert nach folgendem Prinzip:

„Der Sport benötigt Geld und materielle Zuwendungen zur Existenz und gibt daher den Wünschen der Wirtschaft nach. Diese wiederum benötigt die Medien, vor allem das Fernsehen, um Werbebotschaften zu übermitteln. Das Medium sucht sich aus dem Sportfundus das Massenattraktivste heraus, um seine Einschaltquoten und damit die eigenen Werbeeinnahmen zu erhöhen. Einen Nutzen ziehen alsalle Seiten aus dieser Beziehung.“ (Kühnert 2004: 18)

Der Anfang der 1990er-Jahre markiert einen besonderen Aufstieg des globalen Wirtschaftsriesen Fußball. Seit diesem Zeitpunkt konnten zumindest europaweit Unsummen in diverse Stadioneinrichtungen investiert sowie gewaltige Umsatzerlöse erzielt werden. Hognestad (2012: 25) macht besonders die exorbitanten Einnahmen aus den Fernsehverträgen dafür verantwortlich. Wie sehr die diversen Fernsehsender Publikumsmagneten wie National Football League-Spiele oder die Fußball-Weltmeisterschaft wertschätzen, beweisen folgende Zahlen: Die US-amerikanischen Fernsehstationen FOX, CBS, ESPN und NBC waren dazu bereit, der National Football League (NFL) für die Übertragungsrechte an ihren Spielen von 2006 bis 2013 über $ 20 Milliarden zu bezahlen (vgl. Sports Business Daily 2007: o.S.). Mittlerweile wurden die Ende 2013 auslaufenden Verträge erneuert. Die vier genannten Sender zahlen für die NFL-Übertragungsrechte der Saisonen 2014 bis einschließlich 2022 insgesamt knappe $ 40 Milliarden. Diese enormen Summen lassen sich vielleicht dann verstehen, wenn man bedenkt, dass beispielsweise im Herbst 2011 23 der 25 meistgesehenen Fernsehübertragungen in den USA Footballspiele waren (vgl. ESPN 2011: o.S.). Was den Fußball betrifft, skonnte die englische Premier League mit dem Verkauf der Übertragungsrechte an ihren Spielen von 2008 bis 2010 ca. £ 1,7 Mrd. von dem irischen Pay-TV-Sender Setanta[8] und von BSkyB einnehmen (vgl. Dobson/Goddard 2011: 173). Ein weiteres Beispiel: Nach einstimmigen Medienberichten dürften ARD und ZDF zwischen € 150 und € 180 Millionen für die Übertragungsrechte der Fußball-WM 2014 im deutschen Free-TV gezahlt haben (vgl. Mehl 2013: o.S., vgl. Ehrenberg 2013: o.S.). All dies stellt ein Indiz dafür dar, dass besonders American Football und Fußball zu den medientauglichsten Sportarten weltweit gehören.

Alleine im Jahr 2010 konnte die NFL mit dem Verkauf der Übertragungsrechte ihrer Spiele $ 3,8 Milliarden einnehmen (vgl. Blair 2012: 137). Diese hier aufgeführten Zahlen lassen sich hauptsächlich aufgrund von anderen Zahlen generieren: den TV-Publikumsdemographien, insbesondere den sogenannten „Nielsen ratings“. Bei den „Nielsen ratings“ handelt es sich um die Einschaltquotenmessung im amerikanischen Fernsehen durch die Firma Nielsen Media Research USA. Die in Nordamerika sehr populäre NFL kann aufgrund ihrer enorm hohen „Nielsen ratings“ Milliardenbeträge für die Übertragungsrechte an Ligaspielen verlangen. Die Rundfunk-Veranstalter wollen, wie eingangs erwähnt, diese Übertragungsrechte, weil sie damit ihre Werbeblöcke zu guten Preisen verkaufen können (vgl. Blair 2012: 137). Skonnte die NFL für einen 30-Sekunden-Spot während dem Super Bowl XLVIII[9] $ 4,5 Millionen verlangen (vgl. Huber 2014: o.S.). Im Vergleich dazu kosteten 30 Werbesekunden beim ersten Super Bowl (1967) $ 37.500 (vgl. Derler 2014: 5).

Auf Seiten des Sports stehen in diesem magischen Dreieck von Sport, Medien und Wirtschaft eigene Kommunikations- und Medienabteilungen in den Verbänden mit zugehörigen Kommunikations- und Marketingagenturen, welche die Vermittlung von Sportereignissen an die Medien und die Werbewirtschaft besorgen. Für diese Beziehung sind vor allem die Abteilungen und Tochterunternehmen bedeutend, die für den Erwerb von Sportrechten sowie für die Vermarktung von Sportübertragungen zuständig sind. Dann gibt es ein Konglomerat von internationalen Sportverbänden und -veranstaltern, Sportrechteagenturen, werbetreibender Wirtschaft, Werbewirtschaft, Sportartikelindustrie und Sportmanagement mit vorrangig ökonomischen Interessen, welches zwischen den beiden Polen vermittelt (vgl. Hüther/Stiehler 2006: 4).

2.2. Erfolgsgründe des Sports

Warum funktioniert ausgerechnet Sport als mediales Ereignis sgut? Aus welchen Gründen versammeln sich weltweit Milliarden von Menschen vor den Fernsehbildschirmen, um sportliche Großveranstaltungen zu verfolgen? Was genau veranlasst die Fernsehstationen dazu, horrende Summen für die Übertragungsrechte an solchen Ereignissen auszugeben und was löst die Anziehungskraft dieser Medienevents auf eigentlich sportferne Wirtschaftsunternehmen als Sponsoren aus? (vgl. Schauerte 2010: 365) Digel und Burk (2001: 27) geben strukturelle Gründe an, die man in ökonomischen Zusammenhängen als Win-Win-Situation beschreiben würde, denn auf den ersten Blick gibt es bei dieser Zusammenarbeit nur Gewinner:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Positive Effekte der Dreiecksbeziehung Sport, Medien, Wirtschaft. Eigene Darstellung angelehnt an Digel/Burk 2001: 27 sowie Steinbrecher 2009: 179f.

Durch Fernsehpräsenz gewinnt der Sport an Popularität; sie steigert sein Ansehen und eröffnet Finanzquellen. Um Produkt- oder Firmennamen werbewirksam im Umfeld der Sportereignisse zu platzieren, investieren Wirtschaftsunternehmen aller Branchen in den Sport. Dies lohnt sich allerdings nur, wenn die Werbebotschaften durch das Fernsehen auch multipliziert werden (vgl. Kühnert 2004: 18). Das Fernsehen selbst profitierte aufgrund des publikumsattraktiven Programminhaltes sogar über die Werbeeinnahmen und den Imagegewinn hinaus. Stets erwies sich die Sportberichterstattung als Mittel zur Bekanntmachung eines neuen Mediums und trug auch dementsprechend nach dem Radizur Etablierung des Fernsehens bei. Weiters diente der Sport auch als Mittel zur Popularisierung neuer Techniken wie der Verbreitung von Satellitenempfangsanlagen und als Mittel zur Erschließung von neuen Märkten. Die privaten Fernsehanstalten nutzten den Sport zur programmlichen Durchsetzung gegen die öffentlich-rechtliche Konkurrenz und seit einiger Zeit[10] geht das Pay-TV mit exklusiven Sportprogrammen auf Abonnentenfang (vgl. ebd.).

Lamprecht und Stamm (2002: 140-145) listen die stets zunehmende frei verfügbare Zeit als einen Grund für die steigende Popularität des Sports auf. Darüber hinaus spricht der Sport eine einfache und universell verständliche Sprache. Weiters schafft es der Sport mit Hilfe der Medien, Spannung und Emotionen in den von Routine und Sicherheit geprägten Alltag zu bringen. Außerdem bietet der Mediensport Spektakel. Er präsentiert Dynamik, Kampf, Gefahr und Erotik. Er schafft Idole und befriedigt die Schaulust. Zu guter Letzt ist der Mediensport auch eine kollektive Erfahrung, welche für Gesprächsstoff sorgt und ein Gefühl von Zusammengehörigkeit vermittelt.

2.3. Folgen der Sport-Globalisierung

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat der Mediensport im europäischen Raum stetig an Relevanz gewonnen. In der Zeit von 1990 bis 2003 hat sich die Anzahl von Sportfernsehsendern von Null auf 92 erhöht, wobei sich gerade der in 20 Sprachen von 240 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern in 59 Ländern empfangbare Sportspartensender Eurosport zu einem der bedeutendsten Sportkanäle entwickeln konnte (vgl. Dimitriou/Sattlecker 2010: 291). Davon abgesehen lässt sich eine unaufhaltsame Durchdringung fast aller Medienressorts durch den Sport feststellen (vgl. Schierl 2006: 30ff.). Wirtschaftsredaktionen nehmen Sportevents wie die Fußball-Weltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele häufiger als Anlass, um beispielsweise über die ökonomische Nachhaltigkeit zu berichten. Außerdem werden sportspezifische Themen zunehmend in die Politikberichterstattung und in das Feuilleton einbezogen (vgl. Dimitriou et al 2007: 146-150, vgl. Dimitriou/Sattlecker 2010: 291).

In den letzten 10 bis 15 Jahren hat es eine Sponsoring-Entwicklung gegeben, die direkt mit den enormen Geldbeträgen, die vom Fernsehen besonders in die Elitesportarten gepumpt werden, in Zusammenhang steht. Vor allem in Großbritannien, aber auch in Italien und Spanien etabliert sich heute immer mehr das sogenannte „North American sports franchise business model“. In der britischen Fußballlandschaft wird dieses Wirtschaftsmodell zu einem immer zentraleren Bestandteil.

Auch die Globalisierung des Sports wird durch die neu entstehenden Wirtschaftsstrukturen, welche durch die sich stetig intensivierende Vernetzung des Sports mit den Medien hervorgerufen werden, forciert. Zwar haben globale Verbindungen zwischen Medienanstalten und Sport schon seit einiger Zeit existiert, vor allem in Nordamerika, aber durchaus auch in Europa; sz.B. in Italien durch Medienmogul SilviBerlusconi, doch der 1998 gescheiterte Versuch von Rupert Murdoch, den Fußballklub Manchester United für £ 625 Millionen aufzukaufen, läutete auch in diesem Bereich eine neue Ära[11] ein (vgl. Boyle/Haynes 2009: 58f.). Mittlerweile befinden sich bereits 11 der insgesamt 20 britischen Premier League-Vereine in der Hand ausländischer Investoren (vgl. Kurier Online 2013: o.S.). Die Mehrheit dieser Besitzer hat bereits ein „Sports Franchise Model“ nach amerikanischem Vorbild bei Vereinen wie Manchester United (aufgekauft von der in den USA ansässigen Glazer-Familie für £ 831 Millionen), Aston Villa (gekauft von US-Investor Randy Lerner für £ 62,6 Millionen) und Liverpool F.C. (2007 von den beiden amerikanischen Geschäftsleuten George Gillett und Tom Hicks für £ 298 Millionen gekauft und 2010 weiterverkauft an die Fenway Sports Group für £ 300 Millionen) eingeführt (vgl. Boyle/Haynes 2009: 58).

„Sponsorship relationships with global and local companies are at the core of this business as are close links with media organizations as the ‘brand’ is promoted and developed in key markets in Asia and North America.” (Boyle/Haynes 2009: 58)

Ebenshat der Besitzer von Chelsea London - Roman Abramowitsch (der den Verein 2003 um £ 140 Millionen aufkaufte) - eine Marketing-Infrastruktur beim Verein installiert, die darauf abzielt, besonders durch Partnerschaften im asiatischen Raum Einzahlungsströme zu erwirtschaften. Die königliche Familie von Abu Dhabi wiederum versteht ihre Übernahme des Fußballklubs Manchester City als eine Strategie der Werbung für das Emirat beim Wettbewerb mit Dubai, um Touristen in die Golfregion zu locken (vgl. Boyle/Haynes 2009: 59). Solche und ähnliche Spielereien mit Sportvereinen zu Marketingzwecken wären wohl vor 20 bis 30 Jahren noch undenkbar gewesen und ohne die enormen wirtschaftlichen Möglichkeiten, welche durch die in den letzten Jahrzehnten abgeschlossenen Fernsehverträge sowie durch die Globalisierungseffekte, die für diese Sportarten durch die Medien entstanden sind, auch heute nur Feenstaub.

2.4. Intensivierte Beziehungen

Alles in allem wird die besprochene gegenseitige Abhängigkeit von allen Beteiligten inzwischen akzeptiert. Einerseits haben sich die Medien des Sports bemächtigt, andererseits sucht der Sport nach Rezepten, wie er die Medien in den Griff bekommen oder zumindest nutzen kann (vgl. Kühnert 2004: 18).

Abschließend bleibt eines festzuhalten: In den letzten 10 bis 15 Jahren ist es zu einer Intensivierung des Wettbewerbs am Fernsehmarkt gekommen (vor allem auch durch Pay-TV-Anbieter). Dadurch ist es zu einer kontinuierlich anhaltenden Steigerung der Geldbeträge gekommen, die das Fernsehen für besonders medientaugliche Sportarten wie Fußball, American Football, Formel 1, Baseball oder in den Alpenregionen auch für diverse Wintersportarten bereit ist, auszugeben. Kombiniert man das mit dem inhärenten Wert von Live-Sport-Inhalten im digitalen Zeitalter, dann erhält man eine explosive Mischung, die es ermöglicht, jene gerade für die Wirtschaftsbranche sehr wichtige Zuschauergruppe der jungen Männer für die Sponsoren und die Medienorganisationen anzulocken. Diese Kombination hat die Beziehung zwischen den Sponsoren/der Wirtschaft, dem Fernsehen und dem Sport in der letzten Dekade weiter verstärkt (vgl. Boyle/Haynes 2009: 59). Soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook erweitern den ohnehin bereits komplizierten „Mediensport-Komplex“ um eine weitere Ebene. Teilweise wurden in diesem Komplex die analogen Medien, die Übertragungsmedien und die Printmedien von dem digital vernetzten Mediensport bereits überholt oder zumindest herausgefordert (vgl. Hutchins 2011: 239). Durch den Einfluss der sozialen Medien hat sich die vormals starre Hierarchie der Sportmedien etwas gelockert. Die Sportmedienkonsumenten haben jetzt bei der Informationssuche eine Reihe von Auswahlmöglichkeiten. Auch Sportorganisationen und -ligen wollen von diesem Trend profitieren und ergänzen ihre Fernsehübertragungsressourcen mit Auftritten in diversen sozialen Medien (vor allem Facebook und Twitter). Ein Anschauungsbeispiel für diesen Trend stellt die Tatsache dar, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) für die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver mit Alex Huot erstmals einen „head of social media“ ernannte (vgl. Sanderson 2011: 6f.).

Dieser Mediensport-Komplex könnte auch als ein Hybrid konzipiert werden. Ein Netz, welches an sich getrennt angedachte Bereiche miteinander verwebt. Sgesehen wäre der Mediensport als ein Produktionskomplex zu verstehen, in dem nicht nur die Medien und der Sport über gemeinsame Codierungen symbiotisch miteinander verbunden sind, sondern in den auch Sportverbände und -vereine, Spielerinnen und Spieler genauswie Konsumentinnen und Konsumenten, Wirtschaft, Politik, Architektur etc. einbezogen werden (vgl. Axster/Jäger/Sicks/Stauff 2009: 7f.).

Darüber hinaus darf bei diesen Überlegungen nie die Bedeutung des Publikums in der Beziehung von Sport, Medien und Wirtschaft vergessen werden. Dieses verlässt sich auf und nutzt den beständigen Informationsschub der Massenmedien. Das Wissen um das Vorhandensein des Publikums hilft den Sportlerinnen und Sportlern, sich auf das Beobachtetwerden mit Hilfe der Massenmedien einzustellen. In weiterer Folge werden diese mit neuen, spannenden Wettkämpfen versorgt. Sbetont Werron (2009: 38), dass das Sportpublikum nicht nur eine Strukturebene des Sports ist, sondern zugleich eine Form der strukturellen Kopplung von Massenmedien und Sport darstellt.

„Der Sport braucht die Medien und Sponsoren genauswie diese den Sport brauchen.“ (Kühnert 2004: 18) Grundsätzlich weckt nicht das Fernsehen das öffentliche Interesse an einer Sportart, denn dieses berichtet schließlich nur über einen bereits populären, die Zuseherinnen und Zuseher interessierenden Berichtsgegenstand. Aber: Hat eine Sportart erst einmal den Sprung in das Fernsehen geschafft, dann gilt die Popularitätsspirale: „Je mehr Fernsehpräsenz, destmehr Popularität. Je mehr Popularität, destmehr Werbeeinnahmen. Je mehr Werbeeinahmen, destmehr Top-Veranstaltungen. Je mehr Top-Veranstaltungen, destmehr Fernsehpräsenz.“ (Friedrichsen 2006: 144)

3. Mediatisierung

„The mere fact that communication media exist induces social change.” (Schulz 2004: 89)

Sowohl im deutschen Sprachraum als auch international hat sich der Begriff der Mediatisierung in den letzten Jahren zu einem „key“ (Lundby 2009a), alseinem Schlüsselbegriff der wissenschaftlichen Beschreibung des Medien- und Kommunikationswandels entwickelt (vgl. Hepp/Krotz 2012: 7).

„Mediatization describes the process whereby communication refers tmedia and uses media sthat media in the long run increasingly become relevant for the social construction of everyday life, society, and culture as a whole.“ (Krotz 2009a: 24)

Der Terminus Mediatisierung, welcher von Friedrich Krotz, Winfried Schulz, Stig Hjarvard und weiteren (Hjarvard 2004, Krotz 2001a, Schulz 2004) entwickelt wurde, hat in den letzten Jahren in der Medien- bzw. Kommunikationsforschung deutlich an Profil gewonnen. Couldry (2008: 376) sieht darin einen sinnvollen Versuch, unser Augenmerk auf eine bestimmte Transformationslogik bzw. einen bestimmten Mechanismus zu richten, die/der etwas Markantes mit bestimmten Prozessen, Objekten und Bereichen anstellt, nämlich diese zu „mediatisieren“. Auch Hepp und Hartmann (2010: 9) betonen, dass das Konzept der Mediatisierung in den letzten Jahren in der internationalen kommunikations- und medienwissenschaftlichen Diskussion zu einem zentralen wissenschaftlichen Ansatz wurde.

Prinzipiell versucht das Mediatisierungskonzept, die langfristigen Wechselbeziehungsprozesse zwischen dem Medienwandel auf der einen Seite und den sozialen sowie kulturellen Veränderungen auf der anderen Seite einzufangen (vgl. Hepp/Hjarvard/Lundby 2010: 223). Krotz identifiziert Mediatisierung, gemeinsam mit Globalisierung, Individualisierung und Kommerzialisierung, als einen der vier fundamentalen Metaprozesse, welche die Modernität geformt haben und immer noch formen (vgl. Livingstone 2009a: 6). Hepp, Hjarvard und Lundby (2010: 225) betonen ebenfalls, dass der Prozess der Mediatisierung in diversen Bereichen sehr eng mit dem Prozess der Globalisierung verflochten ist. Szeigt beispielsweise eine Rezipienten-Studie über die Mediatisierung von Religion von Petersen (2010), dass amerikanische Fernsehserien mit ihren übernatürlichen Geschichten durchaus kompetent und eindringlich dazu in der Lage sind, die religiösen Vorstellungen von dänischen Teenagern zu beeinflussen.

Hjarvard und Petersen (2013: 2) stoßen ins gleiche Horn, wenn sie betonen, dass es in Addition zu den gegenwärtigen Phänomenen der Kommerzialisierung sowie der Globalisierung von Kultur auch zu einer Mediatisierung von Kultur kommt, welche sowohl die Hochkultur als auch Alltägliches in einen neuen sozialen Kontext stellt. Swird Kultur nicht nur für größere Teile der Gesellschaft zugänglich, sondern auch die Natur der kulturellen Praktiken verändert. Die beiden Wissenschaftler halten fest, dass diverse kulturelle Prozesse vom „modus operandi“ der Medien beeinflusst werden und dass die Medien deswegen zu wichtigen Vermittlern von kulturellen Erfahrungen geworden sind. Dadurch haben die Medien den Status kultureller Institutionen (z.B.: öffentlich-rechtliches Fernsehen, Facebook, etc.) erlangt und sind selbst zu kulturellen Artefakten geworden (vgl. Hjarvard/Petersen 2013: 2).

Nach dieser kurzen Einführung beschäftigt sich das dritte Kapitel dieser Arbeit nun intensiv mit dem Begriff und der Theorie der Mediatisierung. Dabei wird in den nachstehenden zwölf Unterpunkten sowohl geklärt, woher der Begriff der Mediatisierung stammt, seine Geschichte beschrieben als auch erläutert, welche Autoren diesen Begriff geprägt haben. Ferner soll darauf eingegangen werden, welche unterschiedlichen Ansichten die Diskussionen über die medialen Beeinflussungen diverser Gesellschaftsbereiche bereits ausgelöst haben, welche verschiedenen Auffassungen und Theorien zur Thematik existieren und welche kommunikationswissenschaftliche Relevanz das Thema Mediatisierung hat. Weiters sollen Begriffsunterschiede wie „mediation“ vs. „mediatization“ deutlich gemacht oder Begrifflichkeiten wie „medialization“, „mediatization“, „media logic“, „medium theory“, „mediatic turn“, „mediation“ näher beleuchtet und unterschieden werden. Außerdem werden zur besseren Veranschaulichung praktische Beispiele für die Mediatisierung der Gesellschaft, welche nicht aus der Welt des Sports (siehe dazu Kapitel 6.2.) stammen, aufgeführt. Die Frage, welche Phasen der Mediatisierung unterschieden werden können, soll ebensbeantwortet werden. Außerdem soll auch der aktuelle Forschungsstand der Mediatisierungsforschung in der Kommunikationswissenschaft dargestellt, in aller Kürze auch auf die von Friedrich Krotz entwickelte Theorie der Mediatisierung als Metaprozess eingegangen und das von Andreas Hepp und Friedrich Krotz propagierte Konzept der „mediatisierten Welten“ beleuchtet werden.

3.1. Mediatisierungsbegriff

Was ist mit Mediatisierung bzw. der Mediatisierung des Sports eigentlich gemeint? Die Ausgangsüberlegung zur Mediatisierungstheorie ist jene, dass kein Teil dieser Welt, keine menschliche Aktivität von den Medien unberührt bleibt. Die Mediatisierungstheorie geht von einer voranschreitenden Durchdringung des Alltags mit Medien und Kommunikationstechnologien aus (vgl. Steinmaurer 2012: 8). Sonia Livingstone formuliert dies so:

„Societies worldwide are being reshaped, for better or for worse, by changes in the global media and information environment. So, toare the everyday lives of their citizens. National and subnational forms of social, political, and economic inclusion and exclusion are reconfigured by the increasing reliance on information and communication technologies in mediating almost every dimension of social life.” (Livingstone 2009a: 1)

Grundsätzlich kann unter dem Begriff der Mediatisierung ein Ansatz verstanden werden, der sich mit den Wirkungen der Medienkommunikation auf gesellschaftlichen Wandel beschäftigt. Hier sind die Wechselbeziehungen mit dem medialen Wandel von besonderem Interesse (vgl. Jäckel 2011: 254). Nach dem Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft erlangten die Phänomene des Wandels, welche sich aus der Wechselwirkung von Medien und Gesellschaft ergeben, wieder zentrale Relevanz (vgl. Steinmaurer 2003: 103). Mediatisierung verweist auf einen Prozess, durch den die Kernelemente der sozialen und kulturellen Aktivität, wie Religion, Erziehung, Politik, etc. von den Medien beeinflusst und abhängig werden. Als Konsequenz daraus wird die jeweilige kulturelle Aktivität bis zu einem gewissen Grad durch die Interaktion mit diversen Medien vollzogen (vgl. Hjarvard 2012: 30). Im Kontext politischer Kommunikation kann Mediatisierung drei Bedeutungen aufweisen: Erstens, die wachsende Verschmelzung von Medienwirklichkeit und politischer wie sozialer Wirklichkeit. Zweitens, die zunehmende Wahrnehmung von Politik im Zuge medienvermittelter Erfahrungen. Drittens, die Ausrichtung politischen Handelns an die Gesetzmäßigkeiten des Mediensystems (vgl. Sarcinelli 2002: 678f.).

Mediatisierung beschreibt alseinen Vorgang, der sich auf abstrakter theoretischer Ebene als Ausdruck einer Infiltration massenmedialer Logiken und Rationalitätskriterien in nahezu alle Funktionssysteme moderner Gesellschaften begreifen lässt (vgl. Marr/Marcinkowski 2006: 64). Mediatisierung ist eine Theorie, die sich der Aufgabe stellen möchte, zu beschreiben, dass etwas mit unserem Leben passiert, aufgrund der Medien, dass sie etwas bewirken und zwar etwas, das sehr tief in unsere Gesellschaft eindringt. Dementsprechend werden die spezifischen Studien der Kommunikationswissenschaft den Anforderungen nicht mehr gerecht. Nur Studien anzuhäufen, die eine bestimmte Zeitung analysieren, die beschreiben, wie dieses oder jenes Programm produziert wurde oder hinterfragen, wie Zuschauerinnen und Zuschauer einen Film interpretieren, reicht nicht mehr aus, sNick Couldry und Andreas Hepp (2013: 191). Das Konzept der Mediatisierung basiert hauptsächlich auf zugrundeliegenden Annahmen der Kommunikationswissenschaft und der „cultural studies“, unterhält aber durchaus auch Beziehungen zu anderen Theorien und Konzepten, die in der Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie und anderen Disziplinen verwendet werden (vgl. Krotz 2009a: 25).

Das beschriebene Konzept greift auf einer mikrosozialen Ebene tief in das kommunikative Handeln der Menschen ein, weil sich im Zusammenhang damit diese für sie als Individuum fundamentale Tätigkeit und damit auch deren Resultat verändert. Dieser Ablauf braucht Zeit, geschieht ungleichzeitig in verschiedenen Lebensbereichen und muss als unruhiger, komplexer und dialektischer Prozess verstanden werden (vgl. Krotz 2014: 11).

Mediatisierung impliziert aber nicht nur einen Wandel im Grad der medialen Beeinflussung von kulturellen und sozialen Angelegenheiten, sondern überhaupt einen Wandel der Art und Weise, wie wir die Beziehung zwischen Medien und Gesellschaft erfassen. Mediatisierung beinhaltet eine doppelseitige Entwicklung, in welcher sich die Medien einerseits als semi-autonome Institutionen der Gesellschaft herausbilden, in der sie andererseits aber gleichzeitig in jeder Faser menschlicher Interaktion, die in diversen sozialen Bereichen wie Wirtschaft, Familie, Sport oder Politik stattfindet, integriert sind (vgl. Hjarvard 2012: 30). „This provides a new context for understanding media and their social and cultural importance. Media are not outside society exerting an effect on society, but their importance may increasingly be understood by their very presence inside society.” (Hjarvard 2012: 30, H. i. O.)

„Processes of mediatization involve media effects of a special type, namely supra-individual effects that cannot be traced back tindividual media content but are caused by the existence and the meaning of the media.“ (Schrott 2009: 42).

Nach Meinung des Autors lässt sich durchaus behaupten, dass Mediatisierung zunächst als ein Konzept mit besonderem Augenmerk auf die Politik entworfen wurde. Ssoll die Mediatisierung der Politik als Werkzeug verstanden werden, welches dabei behilflich sein soll, die Frage zu beantworten, wgenau die Durchdringung der Medien das Funktionieren des demokratischen Prozesses behindert und wsie dieses Funktionieren verbessert (vgl. Esser 2013: 157). Das Konzept der Mediatisierung konzentriert sich hauptsächlich auf die Massenmedien. Sschildert Schulz (2004: 292) in diesem Zusammenhang, dass es eben ein Kernelement der Massenkommunikation ist, sich der zurzeit aktuellsten und fortschrittlichsten Technologien zu bedienen, sei es Gutenbergs Buchdruck im 15. Jahrhundert oder die Digital- und Multimediatechnologien, welche die gegenwärtige Medienentwicklung bestimmen. Mazzoleni und Schulz (1999: 249) argumentieren, dass das Phänomen Mediatisierung mindestens seit der Einführung des Fernsehens existiert. Für die beiden Wissenschaftler bezeichnet Mediatisierung problematische Begleiterscheinungen bzw. Konsequenzen der massenmedialen Entwicklung.

Historisch-politisch betrachtet erkennen Bösch und Frei (2006: 7) politische Tendenzen, die mit der Ausbreitung der Massenmedien im 20. Jahrhundert einhergegangen sind. Grundsätzliche Entwicklungen in der Medienentfaltung verliefen parallel zu politischen Mobilisierungsschüben. Beispielsweise setzte mit dem Aufkommen der Massenpresse und des Films in den 1890er Jahren in den westlichen Ländern eine Fundamentalpolitisierung ein, welche die Herausbildung von partizipatorischen und demokratischen Strukturen förderte. Auch die Einführung des Radios in den 1920er Jahren oder die Verbreitung des Fernsehens ging mit einer wachsenden Politisierung einher. Diese Demokratisierungsschübe wurden andererseits aber teilweise von Gegenentwicklungen konterkariert, welche ebensneu entstandenen Medien zuzuordnen sind. Dies gilt z.B. für die fließenden Übergänge zur Propaganda in den Kriegen und Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Mediatisierung „bezeichnet insofern keine Einbahnstraße in Richtung Modernisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, sondern einen offenen, und politisch wohl ambivalenten Prozeß [sic].“ (Bösch/Frei 2006: 7)

Dohle und Vowe (2006: 20) bringen es auf den Punkt, indem sie festhalten, dass Mediatisierung folgende Behauptungen aufstellt:

„Die strukturellen Veränderungen in Bereichen wie Politik oder Sport sind mehr als früher auf den Einfluss von Medien zurückzuführen.

Dieser Einfluss ist größer (geworden) als der von anderen relevanten Faktoren.

Der Wandel ist über einen längeren Zeitraum hinweg und länderübergreifend nachweisbar, ist alskein Strohfeuer und kein nationales Spezifikum.“ (Dohle/Vowe 2006: 20)

Die Mediatisierung der Politik beispielsweise bezeichnet folglich ein Erklärungsmuster, einen theoretischen Ansatz, demzufolge die Veränderungen in der Politik mehr als früher auf die Veränderungen der medialen Bedingungen der Kommunikation zurückzuführen sind. Diese Definition enthält eine dreifache Behauptung (vgl. Vowe 2007: 296f.) Die erste Behauptung lautet, dass uns Veränderungen ins Auge springen, wenn wir uns mit Politik beschäftigen. Wir erkennen z.B. einen Wandel im Habitus von Spitzenpolitikern oder beobachten Veränderungen in Parteiapparaten. Hierbei handelt es sich um das Explanandum, die abhängige Variable (AV).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Vowes Kausalmodell der Mediatisierung der Politik. Eigene Darstellung in Anlehnung an Vowe 2007: 297.

Die zweite Behauptung lautet, dass die beschriebenen Phänomene auf Veränderungen in der gesellschaftlichen Kommunikation zurückzuführen sind, genauer darauf, dass den Medien ein größeres Gewicht zukommt (vgl. Vowe 2007: 297). Sstellen die Medien die Ursache dar und werden zur unabhängigen Variable (UV). Die dritte Behauptung gibt an, dass man die Voraussetzungen benennen kann, unter denen die Veränderungen der Medien zu Veränderungen der Politik führen. Vowe (ebd.) nennt hierfür intervenierende Variablen (IV), welche den Zusammenhang beeinflussen (z.B. Organisationsinteressen) und Kontrollvariablen (KV), die ebenswie die unabhängige Variable die abhängige Variable direkt beeinflussen (z.B. Globalisierung). Weiters gibt es noch Konstanten, welche ein Zusammenwirken der Variablen erst ermöglichen. Szum Beispiel ein stabiler Rechtsrahmen (vgl. ebd.).

Bei der Beschäftigung mit Mediatisierung sowie der Forschung dazu fällt auf, dass es durchaus auch vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schwer fällt, exakt zu fassen, was damit gemeint ist. Zunächst gilt es, die Frage zu klären, welche Medien im Zuge der Beschreibung der Mediatisierung angesprochen werden. Hier scheiden sich die Geister durchaus. Man könnte Primärmedien wie beispielsweise Sprache oder Schauspiel im Theater inkludieren, aber auch generalisierte Medien wie Geld, Liebe oder Macht. In der Regel beziehen sich Forscherinnen und Forscher im Zusammenhang mit Mediatisierung aber auf technische Kommunikationsmedien, alsjene Medien, die wir dazu benützen, unsere Kommunikationsmöglichkeiten über das hier und jetzt zu erweitern: Fernsehen, Mobiltelefone, soziale Netze im Internet usw. (vgl. Hepp 2013: 616).

Warum genau brauchen wir ein Konzept wie Mediatisierung? Wenn wir heute 30 Jahre alte empirische Studien darüber lesen, wie Kinder aufgewachsen sind, dann werden wir sehen, dass die Medien bereits in den damaligen Texten eine Rolle spielten. Allerdings gab es vor drei Dekaden noch keine Mobiltelefone, die uns konstant begleiteten. Das Internet existierte nicht als Massenmedium. Computerspiele konnten nicht zu Hause gespielt werden und waren bei weitem nicht skomplex wie die heutigen. Trotzdem waren die Medien bereits damals im Wachstumsprozess einer Person involviert. Musik und Kinbeispielsweise spielten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer eigenen Identität und eines eigenen Lebensstils. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erkannten prinzipiell vier entscheidende Institutionen, welche das Erwachsenwerden beeinflussten: Die Familie, die Alterskohorten, die Schule bzw. die Arbeit und die Medien. Jede der genannten Institutionen musste als eigene, unabhängige Einflussgröße auf die Sozialisation von Kindern und jungen Menschen gesehen werden (vgl. Krotz 2009a: 21).

Doch diese Aussage besitzt heutzutage keine Gültigkeit mehr. Natürlich sind die Familie, die Freunde, die Schule und die Medien noch immer wichtige Bereiche im Sozialisationsprozess. Aber augenscheinlich könnte heute keine der anderen Institutionen mehr verstanden werden, ohne die Medien dabei in Betracht zu ziehen. Heute würde keiner mehr auf die Idee kommen, die Beziehungen zwischen Jugendlichen sowie ihre Kommunikation zu beschreiben, ohne dabei die Medien zum Thema zu machen bzw. zu ihrem Kommunikationsventil. Dasselbe gilt heutzutage für die Familie, welche nicht mehr unabhängig von den Medien betrachtet werden kann (vgl. Krotz 2009a: 22). In den Schulen wird der Umgang mit und die Produktion von Printmedien unterrichtet. Im heutigen Zeitalter des „digital divide“ können Schulen elektronische Medien nicht mehr ignorieren, weil es wichtig für die Kinder ist, mit allen Medienformen vertraut zu sein, um ihre Erfolgschancen innerhalb der Gesellschaft zu verbessern. Außerdem bestehen Schulen weltweit heutzutage darauf, dass die Kinder erstens Zugang zu elektronischen Medien haben und dass sie zweitens diese Medien auch in ihrem Schulalltag nutzen. Zu guter Letzt verweisen die Medien selbst weit mehr auf andere Medien als sie dies vor drei Jahrzehnten getan haben.

Zusammenfassend kann keiner der genannten Faktoren (Schule/Arbeit, Familie, Freunde) ohne den Einfluss, den die Medien auf sie ausüben, verstanden werden. Krotz (2009a: 22) betont, dass wir von neuen mediatisierten Formen der Sozialisation und vom Aufwachsen in einer mediatisierten Gesellschaft sprechen sollten. „We should speak of the mediatized institutions ‚family‘ and ‚school‘, mediatized social relations, mediatized peer groups, and even mediatized media.“ (Krotz 2009a: 22).

Das Thema Mediatisierung steht vor allem deshalb auf der Tagesordnung, weil Massenmedienkommunikation in den vergangen drei Jahrzehnten zu einem „sozialen Totalphänomen“ geworden ist (vgl. Saxer 2012: 64), auf das sich alle gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure einstellen müssen. Für Meyen (2009: 23f.) sind unter Mediatisierung solche Reaktionen in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen zu verstehen, die sich entweder auf den Strukturwandel des Mediensystems beziehen oder auf den generellen Bedeutungsgewinn von Massenkommunikation. „Wie verändern sich das Verhalten und der Alltag von Menschen, Organisationen, Institutionen und Systemen, wenn Akteure davon ausgehen, dass Massenmedien nicht wirkungslos sind?“ (Meyen 2009: 23f.) Diese von Meyen aufgeworfene Frage beschreibt nach Ansicht des Autors sehr gut den grundlegenden Ansatzpunkt der Mediatisierungstheorie.

Hepp, Hjarvard und Lundby (2010: 223f.) werfen einen weiteren Grund für die Notwendigkeit eines Mediatisierungskonzeptes auf: Bisher haben sich zwei Forschungstraditionen der Medien- und Kommunikationswissenschaft, nämlich die „Mediumstheorie“ (medium theory) und die „Rezeptions-, Publikums- und Wirkungsforschung“ (effect research) auf sehr unterschiedliche Arten mit dem Einfluss der Medien auf die Prozesse des sozialen und kulturellen Wandels beschäftigt. Sversteht die Mediumstheorie sozio-kulturellen Wandel als sehr stark durch die Ankunft eines neuen Leitmediums geprägt und konstruiert die Menschheitsgeschichte als eine Aneinanderreihung von mündlichen, geschriebenen, gedruckten und zuletzt elektronischen Kulturen. Ansätze der Medienwirkungsforschung dagegen analysieren eher die kurzfristigen Auswirkungen von bestimmten Medieninhalten auf die soziale Welt. Obwohl beide Theorien zum besseren Verständnis über die Beziehung von Medien, Kultur und Gesellschaft beigetragen haben, haben sie doch ihre Mängel (vgl. Hepp/Hjarvard/Lundby 2010: 223).

Die Mediumstheorie versucht, die Beziehung zwischen einem Medium und seinem sozio-kulturellen Einfluss direkt begrifflich zu fassen und vernachlässigt dabei Fragen nach dem Inhalt des Mediums. Wirkungsforschung theoretisiert nach Meinung von Hepp, Hjarvard und Lundby (2010: 223) den Einfluss bestimmter Medieninhalte zu geradlinig und vernachlässigt dabei Fragen nach der Ausprägung des Mediums oder dem kulturellen Kontext. Darüber hinaus haben es beide Ansätze nicht geschafft, einen Schlüsselfaktor zeitgenössischer Kultur zu konzeptualisieren. Ssind die Medien wie bereits erwähnt nicht mehr länger außerhalb der Gesellschaft anzusiedeln und wollen von außen einen gewissen Einfluss auf die Kultur ausüben. Nein, in unserer heutigen mediendurchtränkten Gesellschaft sind die Medien bereits Teil dieser Gesellschaft. Sie sind bereits ein Teil des Rohbaus unserer Kultur und damit wurden sie sozusagen zur „kulturellen Luft, die wir tagtäglich atmen“. Die Theorie der Mediatisierung stellt nun einen Versuch dar, dieser neuen Situation gerecht zu werden, indem sie auf eine konstruktive Art und Weise auf die Defizite vergangener Forschung einzugehen versucht (vgl. Hepp/Hjarvard/Lundby 2010: 223f.).

„Across the various ways of theorizing mediatization we can see the shared trajectory of thinking about the influence of media in a more complex manner that reflects both the (institutionalized as well as technologically composed) specificity of different media and their contents as moments of influence on other ‚fields‘ or ‚systems‘ of culture and society. The metaphor mostly used tdescribe this is that of the ‘media logic(s)’, pervading other socio-cultural ‘fields’ or ‘systems’.” (Hepp/Hjarvard/Lundby 2010: 224)

Abschließend führt Saxer (2012: 128) noch einmal vor Augen, dass Mediatisierung als Totalphänomen auf dem Mikro-, Meso-, Makro- und Globallevel operiert. Aus diesem Grund durchwirkt Mediatisierung Interaktions-, Organisations- und Funktionssysteme ebenswie Institutionengefüge im Stil von Lebenswelten. Mediatisierung entgrenzt und durchmischt vormals definierte soziale Sphären und Konstellationen.

3.2. Praktische Beispiele für die Mediatisierung der Gesellschaft

Kapitel 3.2. soll dabei helfen, die Theorie durch praktische Beispiele zu veranschaulichen. In diesem Kapitel werden nun einige ganz allgemeine - nicht aus der Welt des Sports stammende - Exempel für die Theorie der Mediatisierung aufgezeigt.

Was die Wissenschaft betrifft, sstolpert man relativ schnell - nämlich bei Betrachtung der herausgegebenen Buchtitel - über ein sich aufgrund der Mediatisierung wandelndes Forschungsfeld. Noch vor einigen Jahrzehnten lauteten klassische Buchtitel in der Kommunikationswissenschaft „Mass Communication and Society“, „Mass Communication and Public Health“, „Television and the Child“, „Television and the Public Sphere“, „Television and the Public“ und sweiter (vgl. Livingstone 2009a: 2). Man kann sagen, dass damals die Buchtitelform immer jene von „Massenkommunikation und …“ oder „Fernsehen und …“ war. Heute untersuchen wir „mediatisierte …“ mit dem Fokus auf dem genannten Verb. Beispiele hierfür wären „Mediatisierte Politik“, „die Mediatisierung der Macht“ oder aber auch „Mediating the Nation“, „Mediating the Family“, „Mediating Culture“, „Mediated Sex“. Laut Sonia Livingstone (ebd.) scheint es fast so, als hätte man sich von einer Sozialanalyse, in der die Massenmedien einen wichtigen Teil unter vielen einflussreichen, aber unabhängigen Institutionen darstellen, deren Beziehung mit den Medien sinnvoll ausgeforscht werden kann, hin zu einer Sozialanalyse entwickelt, in der alles mediatisiert ist. Die Konsequenz davon wäre, dass sich alle gesellschaftlich einflussreichen Institutionen durch die heutigen Mediatisierungsprozesse transformiert haben.

Ein häufiger Ansatzpunkt der Mediatisierungstheorie findet sich in der Annahme darüber, dass sich die Politik verändert habe und dass nicht zuletzt der Einfluss der Medien dafür verantwortlich zu machen sei. Ein Beispiel hierfür wäre die Beobachtung, dass sich die Politik vordringlich mit jenen Themen beschäftigt, die kurzfristig öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen und nicht mit den Punkten, die langfristig das Leben bestimmen (vgl. Vowe 2007: 295). Heutzutage wird oft die Kritik geäußert, dass die Entstehung ganzer Politikfelder mittlerweile von Marketinggesichtspunkten dominiert wird und nicht von Sachnotwendigkeiten. Auch bei der Auswahl der Spitzenpolitiker spiele die Telegenität der gehandelten Personen eine immer größere Rolle, wodurch Eigenschaften wie Sachkompetenz in den Hintergrund gedrängt werden würden (vgl. ebd.).

Schulz (2004: 88) betont, dass die Medien teilweise oder komplett soziale Aktivitäten und soziale Institutionen ersetzen und sihren Charakter verändern. Zeitgemäßes Beispiel hierfür wären die unzähligen Computerspiele, welche menschliche Spielkameraden und materielle Spielzeuge ersetzen; ebensdas „home banking“ oder „online banking“, welches die Interaktion mit dem Bankangestellten beim Schalter ersetzt. Auch ein gutes Beispiel für Mediatisierung ist die Frage danach, was wir mittlerweile alles als normal akzeptieren. „Various audiences now find it perfectly sensible t‚cover the world in 60 seconds', twatch the war ‚live’, or tsee America’s Most Wanted cast as a music video.” (Altheide 2004: 294)

Sonia Livingstone (2009a: 7f.) hat bei ihrer Forschung bezüglich mediatisierter Kindheit interessante empirische Beobachtungen gemacht. Serzählt die Kommunikationswissenschaftlerin eine Geschichte von 8-jährigen Burschen, die zunächst ihr liebstes Multimedia-Abenteuerspiel am Familiencomputer spielen. Die beiden wählen begeistert ihre Fantasierollen, versuchen diverse Strategien für das Spiel anzuwenden und sie unterhalten (schreiben) sich online mit anderen Spielteilnehmerinnen und Spielteilnehmern.

„But when restricted in their access tthe Internet […] the game spins off int‚real life‘. Now the boys […] choose a character, don their battle dress and play ‘the game’ all over the house, going downstairs tHell, the Volcanoes, and the Labyrinth, and upstairs tThe Town, ‘improving’ the game in the process. This new game is called, confusingly for adult observers, ‘playing the internet’”. (Livingstone 2009a: 8)

Was sich dadurch zeigt, ist, dass die Medien in die enge Beziehung zwischen Kindern und ihrem Spielraum eingedrungen sind. Im Gegensatz zu vielen Soziologen und Psychologen, welche die Medien, das Fernsehen sowie das Internet in ihren Buchinhalten außen vor lassen, behauptet Livingstone (2009a: 8), dass die heutige Kindheit mediatisiert ist. Außerdem können die Teile dieser Interaktion auch nicht mehr unabhängig voneinander verstanden werden. Stattdessen gibt es eine gegenseitige Neuverhandlung der Bedeutung, welche die Kinder, ihre Art zu spielen und die kulturelle Bedeutung des Spieles selbst verändert. Die Medien fügen alsnicht einfach ein neues Element zur Gesamtgeschichte hinzu, sondern transformieren diese vollständig (vgl. ebd.).

Couldry (2008: 376) sieht die Gegebenheiten, dass heutzutage kein Politiker mehr auf die Idee kommen würde, sich für seine Anliegen einzusetzen, ohne dabei in den Medien aufzutreten oder dass eine gut laufende Sozialkampagne ohne jegliche Medienpräsenz heute nicht mehr durchführbar ist, als gute Anschauungsbeispiele für die Mediatisierungstheorie an.

Friedrich Krotz (2001a: 102) nennt die enorme Rolle, welche das Fernsehen in den USA sowohl im privaten Leben als auch in der Öffentlichkeit spielt, als Beispiel für die fortschreitende Mediatisierung. Er schildert seine Beobachtung diesbezüglich bei einem Forschungsaufenthalt an der Indiana University in Bloomington wie folgt:

„Einladungen zum Essen und Besuche, bei denen das Fernsehgerät mitläuft, Fernsehgeräte aller Größen in den Mensen und Aufenthaltsräumen der Universität, wdann Studenten und Studentinnen mit ihren Arbeitsmaterialien vor den Bildschirmen sitzen, Sports Bars, in denen jeder Platz an einem der Tische den Blick auf mehrere Bildschirme ermöglicht […], zahlreiche Fernsehgeräte auf Flughäfen, vor denen sich einzelne oder ganze Gruppen für längere Zeit niedergelassen haben, Geräte in Einkaufsmalls, wdie Männer darauf warten, dass ihre Frauen besorgt haben, was es zu besorgen gilt, Fernsehapparate in Kliniken, Arztpraxen und überall, wman zu warten hat, gelegentlich selbst an Tankstellen, um die Zeit zu verkürzen während das Benzin einläuft.“ (Krotz 2001: 102)

Alles in allem kommt es vermehrt zu einer Entgrenzung zwischen den Medien- und den Nicht-Medien-Aktivitäten; sie verschmelzen immer häufiger. Wir hören zum Beispiel Radiwährend dem Autofahren, lesen die Zeitung in der U-Bahn, schauen fern während dem Abendessen oder haben eine Verabredung im Kino. Je mehr Mediennutzung zu einem integralen Bestandteil des privaten und sozialen Lebens wird, destmehr amalgamiert die Mediendefinition von Realität mit der sozialen Definition von Realität (vgl. Schulz 2004: 89). Hjarvard (2008a: 129) spricht von einer Virtualisierung sozialer Institutionen. Früher waren Behörden mehr an bestimmte Orte gebunden. Früher hat die Politik im Parlament, im Rathaus oder in Konferenzräumen stattgefunden; die Wissens-Ausbildung fand in der Schule sowie später an Universitäten statt; Kunst wurde auf einer Bühne oder in Museen und Ausstellungen dargeboten. Als Konsequenz des Medieneinflusses können Individuen heute an vielen sozialen Einrichtungen teilnehmen, unabhängig von ihrem Standort. Serfolgt die Kontaktaufnahme mit Politik beispielsweise beim Zeitunglesen am Frühstückstisch, beim Radiohören im Autoder via Internet im Büro. Diese Virtualisierung geht Hand in Hand mit einer Domestizierung derselben Einrichtungen. Üblicherweise werden das Zuhause und die Familie immer stärker zu dem Punkt, von dem aus der Zugang zu anderen Institutionen erfolgt. Zeitung, Radiund Fernsehen haben Politik und andere kulturelle Erscheinungsformen ins Haus gebracht; Heimbüros haben bezahlte Arbeitskraft ins Familienleben befördert und durch das Internet ist es nun möglich, von zu Hause aus mit Instanzen sowohl aus dem öffentlichen als auch aus dem privaten Bereich zu interagieren. Einerseits bereichern diese Vorgänge das Zuhause und die Familie als Institutionen, andererseits verändern genannte Möglichkeiten aber auch das Familienleben. Familienmitglieder mögen zwar physisch daheim sein, mental aber ganz woanders (vgl. ebd.).

3.3. Geschichte des Mediatisierungsbegriffes

Für englische Muttersprachler erscheint der Begriff Mediatisierung eher wie eine plumpe Wortneuerfindung (vgl. Livingstone 2009a: 6) Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff „Mittelbarmachung“ (vgl. Sarcinelli 2002: 678). In Wahrheit lässt sich der Begriff auf die deutschen Gesetze der Mediatisierung im frühen 19. Jahrhundert zurückführen, als die Staaten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen von Napoleon Bonaparte mediatisiert wurden (vgl. Livingstone 2009a: 6). Es handelt sich bei der Mediatisierung um eine um 1800 aus dem Französischen übernommene staatsrechtliche Kategorie (vgl. Vowe 2007: 295). Kurz zusammengefasst: Napoleon Bonaparte fügte zwischen dem Gemisch von unabhängigen Städten mit den dazugehörigen Prinzen und Erzbischöfen, die davor nur dem Kaiser Bericht erstatten mussten, eine Zwischenebene von territorialen Autoritäten ein (vgl. Livingstone 2009a: 6). Es wird bei der Mediatisierung im ursprünglichen Sinn alszwischen zwei Herrschaftsebenen eine dritte hineingeschoben, wodurch sich die Machtverhältnisse verrücken (vgl. Vowe 2007: 295).

Man könnte alsmeinen, dass dieser Begriff ja gar nichts mit den Medien zu tun hat, außer vielleicht mit der Vorstellung, dass die Medien zwischen möglicherweise konfliktgeladenen Ebenen agieren. Allerdings, sSonia Livingstone (2009a: 6), stehen die Medien heute nicht nur mehr zwischen wirklich jedem Gesellschaftsteil, sondern - und das ist entscheidend - sie annektieren ein großes Stück der Macht durch das Mediatisieren, das Unterordnen von früher mächtigen Ämtern der Regierung, des Bildungswesens, der Kirche, der Familie usw.

„In earlier societies, social institutions like family, school, and church were the most important providers of information, tradition, and moral orientation for the individual member of society. Today, these institutions have lost some of their former authority, and the media have tsome extent taken over their role as providers of information and moral orientation, at the same time as the media have become society’s most important storyteller about society itself (Hjarvard 2008b: 13).

In Deutschland erlebte der Begriff im technikkritischen Diskurs rund um das Privatfernsehen sowie die Computerisierung seine erste Blüte und wurde dann auch im Zusammenhang mit politischer Kommunikation gebraucht. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch bezeichnet „mediation“ und später „mediatization“ eine Prägung des politischen Handelns durch eine Orientierung an der Medienlogik (vgl. Vowe 2007: 296).

Aber auch kommunikationswissenschaftlich betrachtet ist der Begriff der Mediatisierung weit älter als man zunächst vermuten würde, denn er geht bereits auf die Anfänge einer sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Medienkommunikation und Öffentlichkeit zurück. Ssprach bereits Ernst Manheim 1933 von der „Mediatisierung menschlicher Unmittelbarkeitsbeziehung“, um damit die Veränderungen der Sozialbeziehungen in einer durch die Verbreitung der Medien gekennzeichneten Moderne zu charakterisieren. Postmoderne Informationen als mediatisiert charakterisiert hat Jean Baudrillard 1982 in dem Sinne, dass hinter diesen keine weitere Realitätsebene mehr erfassbar sei (vgl. Hepp/Krotz 2012. 7).

Gegen Ende der 1980er Jahre hat Jürgen Habermas (1988:452) Mediatisierung als einen Teilprozess hin zur Kolonialisierung der Lebenswelt verstanden, da Medien für ihn von außen in die Lebenswelt vordringen. Er dachte dabei aber vor allem an symbolisch generalisierte Medien, wie Geld und Macht (vgl. Hepp/Krotz 2012: 7). Ab den 1990er Jahren tauchte der Begriff dann breiter auf. Zu nennen sind hierfür beispielsweise Kent Asps (1990) Überlegungen zu einer „medialization“ der Gesellschaft, welche in einer „mediarchy“ endet. Asp war damit der Erste, der Mediatisierung mit der Behauptung der Medienlogik in Zusammenhang setzte (vgl. Hepp 2013: 617). Weitere bedeutende Beiträge: GianpietrMazzolenis und Winfried Schulz‘ (1999) Diskussionen der Mediatisierung der Politik als deren Strukturveränderung durch die Medien oder John B. Thompsons (1995) Reflexion über „mediazation of culture“ (vgl. Hepp/Krotz 2012: 8).

Seit Ende der 1990er Jahre bzw. dem Beginn der 2000er Jahre hat sich die internationale Beschäftigung mit Mediatisierung erheblich intensiviert. Zurückzuführen ist diese Tatsache auf die sich in den 1990er Jahren schnell verbreitenden digitalen Medien. Aus diesem Grund ist die systematische Mediatisierungsforschung zu dieser Zeit entstanden (vgl. Krotz 2014: 7). Dafür, dass sich die globale Auseinandersetzung mit dem Begriff intensiviert hat, stehen nicht nur umfassende Theoretisierungen dessen, was eigentlich mit Mediatisierung zu fassen ist (u.a. Hjarvard 2004; Meyen 2009; Schulz 2004, Krotz 1995, 2001a), sondern auch die Aufnahme des Begriffes in entsprechende Handbücher (Mazzoleni 2008; Hjarvard/Finnemann 2009).

3.4. Stand der Mediatisierungsforschung

„The question of how far the power of traditional authorities has in fact been annexed by the media is an empirical one, as yet unresolved.” (Livingstone 2009a: 7)

Die Theorie der Mediatisierung ist in den letzten Jahren seit ihrer Einführung und Übersetzung ins Englische aus dem deutschen und skandinavischen Forschungsraum heiß debattiert worden. Mediatisierungs-Theoretikerinnen und -Theoretiker befassen sich vor dem Hintergrund einer breiten Palette von Wissenschaftstraditionen mit dem Thema der Mediatisierung. Dies inkludiert Mediatisierung aus der Sichtweise der historischen Soziologie nach John B. Thompson (1995; Hepp 2011), der Sichtweise der Medienlogik nach Altheide und Snow (1979) oder der Sichtweise der Mediumtheorie nach McLuhan (1964) und Innis (1951) oder Krotz (2009a) (vgl. Sawchuk 2013: 48f.).

Was den Stand der Mediatisierungsforschung betrifft, sbemerkt Sonia Livingstone (vgl. 2009b: ix) 2009, dass sich sowohl die Gesellschaft als auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erst mit der zunehmenden Bedeutung der Medienmacht anfreunden müssen. Ihrer Ansicht nach müssen sich Forscherinnen und Forscher weltweit der Idee der Mediatisierung erst srichtig annehmen. Zeh und Hopmann (2013: 226) betonen, dass die theoretische Arbeit zur Thematik Mediatisierung durchaus bereits etwas angereichert ist, dass jedoch die Versuche, Mediatisierung empirisch zu überprüfen, nur vereinzelt zu finden sind. Strömbäck (2011: 423) spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem erstaunlichen Mangel an systematischer empirischer Forschung zur Mediatisierung der Politik. Hjarvard (2013: 8) spricht 2013 immer noch davon, dass der Begriff Mediatisierung heute zwar in zahlreichen Kontexten verwendet wird, um den Einfluss der Medien auf diverse Phänomene zu beschreiben, dass aber aus wissenschaftlicher Sicht noch recht wenig getan wurde, um den Begriff zu definieren und ihn in ein theoretisches Konzept zu formen. Wie bereits in Kapitel 3.3. erwähnt, haben sich Forscherinnen und Forscher erst in den letzten Jahren damit beschäftigt, ein Konzept zu entwickeln, welches zum besseren Verständnis von Mediatisierung als sozialem und kulturellem Prozess beitragen soll. Beispiele hierfür sind Hepp 2012, Hjarvard 2008a, Krotz 2009a, Schulz 2004 (vgl. ebd.).

Bereits 2002 hat Gabriele Siegert (2002: 235) festgehalten, dass sich sowohl die Mediatisierung der Politik als auch jene der Ökonomie zu einem Teilgebiet der Medienökonomie entwickeln kann. Ihrer Ansicht nach gilt es nicht nur mehr, zu hinterfragen, welche Auswirkungen ein ökonomisiertes Mediensystem auf die öffentliche Kommunikation hat, sondern auch, welche Konsequenzen eine Mediatisierung auf die Ökonomie hat.

Grundsätzlich stehen Forschungen über soziale Effekte als Resultat der Modernisierung der Massenmedien sowie der Medienorganisation schon seit Jahrzehnten auf der Forschungs-Agenda. Allerdings sind Untersuchungen über die „Mediengesellschaft“ oder die „Mediendemokratie“ als Resultat der Mediatisierung erst in den letzten Jahren zu einem beliebten Analysethema in der Massenkommunikationsforschung geworden. Hier ist es notwendig, anzumerken, dass die Untersuchungen zum Thema in englischsprachigen Ländern sich von ihrem Zugang her häufig von jenen der deutschsprachigen wissenschaftlichen Gemeinschaft unterscheiden und deswegen auch oft zu anderen Ergebnissen bezüglich dem Einfluss der Massenmedien auf moderne Gesellschaften und Demokratien kommen (vgl. Schrott 2009: 42f.). Alles in allem haben Forschungsarbeiten, die Mediatisierungsthemen anschneiden, in der westeuropäischen Massenkommunikation (z.B.: Hjarvard 2008a, Krotz 2007, Marcinkowski 2005, Schulz 2004) einen deutlichen Anstieg erlebt, besonders im deutschsprachigen Raum (vgl. Schrott 2009: 43).

Was empirische Studien über die mediale Beeinflussung betrifft, sversucht ein Großteil der Arbeiten, welche sich mit dem Thema Mediatisierung beschäftigen, die Mediatisierungstendenzen innerhalb der Politik zu analysieren (vgl. Sarcinelli 2009: 143). Hier zu nennen sind beispielsweise Vowe (2006), Strömbäck (2008), Strömbäck und Esser (2009) oder Michailidou und Trenz (2010). Aber auch anderen Gesellschaftsbereichen wird in Bezug zur Mediatisierung wissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt. Sfinden sich empirische Studien zur Mediatisierung von Konflikten (Cottle 2006a), von Religionen (Hepp/Krönert 2009 sowie Hjarvard 2008c), von Konsum (Jansson 2002) oder von Migration (Hepp et al. 2011) (vgl. Hepp/Krotz 2012: 8). Was Untersuchungen zur Mediatisierung des Sports betrifft, ssind v.a. die noch näher zu beleuchtende Studie von Dohle et al. (2009) sowie Marschik und Müllner (2010) zu nennen.

Sehr gering ist die Zahl der empirischen Versuche, die Mediatisierungsthese zu überprüfen. Beispiel für die Überprüfung der Theorie der Mediatisierung der Politik wäre Kepplinger (2002), der erforscht hat, wie sich die Beziehung zwischen dem deutschen Bundestag und den Medien im Zeitraum von 1951 bis 1995 verändert hat, indem er untersucht hat, wie das Parlament arbeitet und wie die Medien darüber berichten (vgl. Zeh/Hopmann 2013: 226). Green-Pedersen (2010) und Elmelund-Prӕstekӕr et al. (2011) nahmen unter die Lupe, wie dänische Parlamentsmitglieder die Medienvertreter über die Jahre hinweg wahrnahmen. Dabei haben sie aufgezeigt, dass Politikerinnen und Politiker heutzutage die Medien als unabhängigere Akteurinnen und Akteure im politischen System verstehen als noch vor 20 Jahren (vgl. ebd.). Reunanen, Kunelius und Noppari (2010) haben führende Politikerinnen und Politiker Finnlands mittels Fragebögen und Interviews dazu befragt, wie sie die Medien sehen und ob der Journalismus dazu in der Lage ist, ihre Entscheidungen zu beeinflussen.

Die zentrale Frage rund um das Konzept der Mediatisierung lautet: „Wie und unter welchen Umständen beeinflussen oder verändern die Massenmedien die gesellschaftlichen Strukturen?“ Schrott (2009: 42) wirft ein, dass es praktisch unmöglich ist, diese Frage endgültig zu beantworten, dass allerdings in der Kommunikationswissenschaft eine Diskussion darüber, wie diese Frage überhaupt beantwortet werden kann, dringend notwendig ist.

Als relevante Vorarbeit zum vorliegenden Arbeitsthema ist die Studie über Regeländerungen zur Überprüfung von Mediatisierungstendenzen von MarcDohle, Gerhard Vowe und Christian Wodtke aus dem Jahr 2009 mit dem Titel „2 Millimeter Unterschied“ zu nennen. Auch die von Dohle und Vowe 2006 entwickelte „Mediatisierungstreppe“ des Sports stellt für diese Masterarbeit einen wichtigen Ausgangspunkt dar.

Besonders aktuellere Arbeiten haben dafür gesorgt, dass das Spektrum an untersuchten Gesellschaftsbereichen weiter ausgedehnt wird. Sbeschäftigt sich beispielsweise Skey (2014) mit der Beziehung der Medien zum Thema der Nationalstaatlichkeit. Eskjӕr (2013) behandelt die Frage, inwieweit Mediatisierung die moderne Konsumgesellschaft verändert und geht darauf ein, dass zeitgenössische ethische Konsumption stark von Praktiken der neuen Medien abhängt. Have und Stougaard Pedersen (2013) beleuchten unter dem Titel „sonic mediatization of the book“ die kulturellen Veränderungen, welche die steigende Anzahl von Hörbuchnutzern bewirkt haben. Kammer (2013) widmet sich der Mediatisierung des Journalismus, während Encheva, Driessens und Verstraeten (2013) die Mediatisierung von Subkulturen hinterfragen, indem sie eine Analyse der medialen Tätigkeiten von Graffitisprühern und Skatern durchführen.

3.5. Kommunikationswissenschaftliche Relevanz der untersuchten Thematik

„The concept of ‚mediatization' is doing heavy duty these days at several levels of communication analysis, many spheres of communication organization and various facets of political communication. A burgeoning literature of ‘mediatization-in-politics’ has produced well-defined, well-analyzed and research-serviceable versions of the concept. […] Major works have treated mediatization as a prime axis on which the modern political communication process revolves.” (Blumler 2014: 31, H. i. O.)

Dass die theoretische Diskussion über die Mediatisierung der Gesellschaft bzw. diverser Gesellschaftsbereiche seit der Publikwerdung dieses Begriffes ein enormes Ausmaß angenommen und in der Kommunikationswissenschaft zu einer lebhaften Debatte geführt hat, lässt sich wohl sehr gut daran erkennen, dass man alleine mit der Wiedergabe der unterschiedlichsten bereits ausgearbeiteten Begriffsdefinitionen und Beantwortungen der Frage, was nun „Mediatisierung“ genau sei, dutzende Seiten füllen könnte. Alleine die Tatsache, dass die wissenschaftliche Fachzeitschrift „Communication Theory“ dem Thema Mediatisierung im August 2013 eine eigene Ausgabe gewidmet hat, beschreibt und unterstreicht die kommunikationswissenschaftliche Relevanz der Thematik[12]. Im einleitenden Editorial dieser Ausgabe beschreiben Nick Couldry und Andreas Hepp (2013: 192), dass bis Mitte der 2000er Jahre drei Ansätze die Medienforschung dominierten. Sstellten die Textanalyse, die Publikumsforschung sowie die Frage nach der politischen Ökonomie der Medienproduktion den Großteil der Kommunikationsforschung dar. Allerdings konnten diese Herangehensweisen auch miteinander die zentralen Fragen darüber, warum die Medien von sgroßer Bedeutung sind und diese sogar immer weiter zunimmt, nicht beantworten.

Stig Hjarvard (2012: 33) ist der Meinung, dass in Anbetracht der steigenden Fragmentierung des Feldes der Medien- und Kommunikationswissenschaft ein Fokus auf die Mediatisierung dazu beitragen könnte, die Verwucherung der Medien in diversen kulturellen und gesellschaftlichen Faktoren besser zu verstehen. Grundsätzlich betont Michael Meyen (2009: 26), dass die Mediatisierung zu einem Schüsselbegriff des Faches werden wird und auch zu einem Bedeutungszuwachs der Medien- und Kommunikationswissenschaft führen könnte, da Mediatisierung erstens den sozialen Wandel beschreibt, zweitens den Medien in diesem Prozess die Hauptrolle zuschreibt und drittens, weil dieser Begriff eventuell mit Konstrukten wie Globalisierung, Ökonomisierung und Kommerzialisierung konkurrieren kann.

Die Frage, ob heutzutage sgut wie jeder Gesellschaftsbereich irgendwie von den Medien beeinflusst wird, stellt sich laut Sonia Livingstone (2009a: 10) eigentlich nicht mehr. Die entscheidende Aufgabe ist es, herauszufinden, ob das auch von Bedeutung ist. Genau dieser Frage soll die vorliegende Masterarbeit auf den Grund gehen, indem sie überprüft, ob sich der Einfluss der Medien im Bereich des Sports bzw. noch konkreter in den Regelwerken verschiedener Sportarten manifestiert. Wie bedeutend Regeländerungen aufgrund medialer Interessen im Prozess der Mediatisierung des Sports sind, zeigt auch, dass diese Art der Mediatisierung auf einer von Dohle und Vowe (2006: 20-24) 2006 entwickelten Mediatisierungstreppe für den Sport der siebten von acht Stufen zuzuordnen wäre (siehe Kapitel 5.3.). Dies bedeutet, dass mediatisierte Regeln, sprich Regeln, die aufgrund medialer Einflüsse verändert werden, den Sport mitten im Kern treffen.

Mediatisierung enthält alsdie Frage, in welchem Maße Veränderung diverser Sportbewerbe auf Veränderungen der medialen Bedingungen zurückzuführen sind. Die Mediatisierungstheorie liefert auch gleich eine Antwort auf die gestellte Frage, nämlich „stärker als früher und stärker als andere Faktoren“ (vgl. Vowe 2007: 297). Allerdings ist diese Antwort zunächst nicht mehr als eine Behauptung, die auf den Prüfstand gehört. Erst wenn die Prüfung ergäbe, dass ein zunehmender Anteil der Regeländerungen der unter die Lupe genommenen Sportarten auf Medieneinflüsse zurückzuführen ist, hätte sich der Mediatisierungsansatz bewährt (vgl. ebd.).

3.6. Mediation vs. Mediatization

„[…] The argument here is that the media dmore than mediate in the sense of ‚getting in between‘ […] powerful interests. Rather, they alsalter the historical possibilities for human communication by reshaping relations not just among media organizations and their publics but among all social institutions – government, commerce, family, church, and sforth.” (Livingstone 2009b: xx).

„‘mediation‘ is a concept ttheorize the process of communication in total; ‚mediatization‘, in contrast, is a more specific term ttheorize media-related change.“ (Hepp 2013: 616)

Livingstone (2009a: 3) bemerkt in der Kommunikationswissenschaft eine stärker werdende Konfusion bezüglich ähnlich klingender Begriffe für den durch die Medien beeinflussten sozialen Wandel, gepaart mit einer Tendenz dazu, immer neue zu kreieren. Die im Fach der Kommunikationswissenschaft neu entwickelten Konzepte formen sich um die Begriffe „mediation“, „mediatization“, „medalisation“, „mediazation“, „remediation“, the „mediatic turn“ und weitere. Besonders die beiden Begriffe „mediation/Mediation“ und „mediatization/Mediatisierung“ werden oftmals verwechselt bzw. annähernd gleichbedeutend verwendet.

In Kapitel 3.6. sollen nun die Begriffe „Mediation“ und „Mediatisierung“ trennscharf unterschieden werden, um sdie beiden Konzepte besser voneinander differenzieren zu können, woraufhin in Kapitel 3.7. weitere Begriffsdefinitionen und -unterscheidungen beleuchtet werden sollen. Außerdem soll dargestellt werden, warum einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Verwendung des Begriffes „Medialisierung“ der Verwendung von „Mediatisierung“ vorziehen würden. Wenn „Mediatisierung“, wie in Kapitel 3.1. festgehalten, die Begleiterscheinungen des Prozesses der massenmedialen Entwicklung beleuchtet, dann ist dieser Begriff vom Ausdruck der „Mediation“ zu unterscheiden, welcher sich viel neutraler auf irgendeine Form des Eingreifens, Vermittelns oder das Schlichten zwischen unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren oder Institutionen bezieht (vgl. Mazzoleni/Schulz 1999: 249).

„Mediation“ bezeichnet den konkreten Akt der Kommunikation mit der Hilfe eines Mediums, wobei die Wahl des Mediums sowohl den Kommunikationsinhalt als auch die Beziehung zwischen dem Empfänger und dem Sender beeinflussen kann. Der Prozess der „Mediation“ selbst verändert in der Regel aber nicht Kultur und Gesellschaft. Im Kontrast dazu bezieht sich „Mediatisierung“ auf eine lang andauernde kulturelle und soziale Transformation, bei der sich die gesellschaftlichen Institutionen und die Interaktionsmodi als Konsequenz des wachsenden Medieneinflusses verändern werden (vgl. Hjarvard 2012: 32). „Mediation“ ist alsein nützlicher Ansatz bei der Beschreibung von allgemeinen Charakteristika eines jeden Medienkommunikationsprozesses.

Prominent sind diese beiden Konzepte durch die Erforschung der ständig wechselnden Beziehung von Medien und Politik geworden. „Mediation“ und „Mediatisierung“ waren die beiden Konzepte, welche benutzt wurden, um diesen Beziehungswandel zu beschreiben (vgl. Strömbäck 2008: 229). Der Begriff der „Mediation“ ist in der kommunikationswissenschaftlichen Literatur in den 1970er und 1980er Jahren immer häufiger aufgetaucht, nämlich dann, als mehr und mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Annäherung der Massenmedienforschung an die interpersonelle Kommunikationsforschung innerhalb eines kulturellen Kontextes gefordert haben (vgl. Lievrouw 2009: 309). Strömbäck (2008: 229) stellt fest, dass die meisten Beobachterinnen und Beobachter bei der Frage der „Mediation“ sowie der „Mediatisierung“ der Politik sehr kritisch sind. Swird die derzeitige Situation, in der Politik „mediiert[13] / medial vermittelt“ und „mediatisiert“ ist, verglichen mit einem goldenen Zeitalter (über dessen genauen Zeitpunkt sich in Wahrheit keiner bewusst ist), in dem die Politik noch getreu ihren Idealen gehandelt hat, die Bürgerinnen und Bürger noch politisch engagiert waren und die Medien die Art und Weise, wie politische Kommunikation sowie die Demokratie funktionierten, noch unterstützt bzw. gefördert und nicht untergraben haben. Am offensichtlichsten erkennt Strömbäck (2008: 229) diese Tendenz in den pessimistischen Ausführungen von Habermas (1984) und Bourdieu (1999).

Kurz gefasst dreht sich „Mediation“ um Kommunikation und die gegenseitige Interaktion mit der Hilfe eines Mediums und „Mediatisierung“ dreht sich um die Rolle der Medien im kulturellen und sozialen Wandel. Aus diesem Grund plädiert Hjarvard (2012: 32) auch für eine Neukonzentrierung der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit weg von der „Mediation“ hin zur „Mediatisierung“, denn dieser Wechsel könnte ein erneuertes Interesse an fundamentalen Fragen darüber, wie die Medien Modelle von Macht, Interaktion und Selbstdarstellung beeinflussen, hervorrufen.

Nick Couldry und Andreas Hepp (2013: 197) beschreiben den Unterschied zwischen „mediation“ und „mediatization“ folgendermaßen: Während „mediation“ auf den Kommunikationsprozess generell verweist und damit die Tatsache meint, dass Kommunikation allgemein immer vor dem Gedanken, dass es sich dabei um eine permanente Entwicklung der Bedeutungszuschreibung handelt, stattfindet, ist „mediatization“ eine Kategorie, die entwickelt wurde, um Wandel zu beschreiben. Mit Hilfe dieser Betrachtungsweise wird es möglich, beide Konzepte auf die folgende Art und Weise miteinander zu verlinken:

Mediatisierung reflektiert, wie die allgemeinen Konsequenzen der unzähligen Mediationsprozesse sich durch das Entstehen neuer Medienarten bzw. neuer Medienvorgänge geändert haben. Das Konzept der „Mediation“ beschreibt auch bei dieser Betrachtungsweise weiter einen fundamentalen Moment in der Kommunikationsentwicklung als symbolische Interaktion, nämlich das Durchschreiten von technologie-basierenden Infrastrukturen der Transmission und Distribution (kurz Medien). Im Kontrast dazu verweist „Mediatisierung“ viel spezieller auf die Rolle bestimmter Medien im auftauchenden sozio-kulturellen Wandel (vgl. Couldry/Hepp 2013: 197).

Um wieder auf die Politik zurückzukommen, sbezieht sich „Mediation“ als „mediierte Politik“ auf eine Situation, in der die Medien die wichtigste Informationsquelle sowie das wichtigste Kommunikationsvehikel zwischen den Regierenden und den Regierten darstellen. In einer solchen Situation benötigen die Menschen die Medien zur politischen und gesellschaftlichen Informationsbeschaffung. Ebenswie andere mächtige Eliten sind auch Politikerinnen und Politiker von den Medien abhängig, wenn es darum geht, Informationen über die Meinungen der Leute zu bekommen oder die potenzielle Wählerschaft bestmöglich zu erreichen. Die Medien „mediieren“ alszwischen der Bürgerschaft auf der einen und den Institutionen der Meinungsbildung auf der anderen Seite (vgl. Strömbäck 2008: 230). Politik kann alsdann als „mediiert“ bezeichnet werden, wenn Politik durch die Massenmedien kommuniziert wird und wenn die medial vermittelte Darstellung der Realität einen Einfluss darauf hat, wie die Menschen Realität wahrnehmen. Im Gegensatz zur Mediatisierung (von Politik) handelt es sich bei der Mediation von Politik um ein wesentlich älteres Phänomen, welches vermutlich[14] existiert, seit sich Medien mit öffentlichen Ereignissen beschäftigen (vgl. ebd.).

[...]


[1] Manche würden hier auch den Sieg der New York Jets in Super Bowl III (damals noch AFL-NFL Championship Game genannt) im Jahr 1969 nennen. Durch den Sieg der New York Jets gegen die Baltimore Colts gelang es erstmals einem Team der weniger angesehenen „American Football League“ (AFL) über ein Team der „National Football League“ (NFL) zu triumphieren. Dieser Sieg war maßgebend für die spätere Fusion der beiden Ligen und etablierte die Teams der AFL als gleichwertige Konkurrenten der NFL-Teams.

[2] Martin O’Neill war von 2000 bis 2005 Celtic Glasgow Trainer und ist seit 2013 Trainer der irischen Nationalmannschaft.

[3] Beispiele hierfür wären u.a. „tipp3-Bundesliga powered by T-Mobile“, „Beko Basketball-Bundesliga“, „A1 Beachvolleyball Grand Slam Klagenfurt“, „Admiral Basketball Bundesliga“, „DKB Handball-Bundesliga“, „Barclays Premier League“, „Lega Nazionale Professionisti Serie A TIM“, „Erste Bank Eishockey Liga (EBEL)“.

[4] Besonders im Fußball sind hohe Ablösesummen mittlerweile Usus: Cristiano Ronaldo wechselte 2009 für die stolze Summe von € 94 Millionen von Manchester United zu Real Madrid. Im Sommer 2013 ließ sich Real Madrid Gareth Bale von Tottenham Hotspur € 91 Millionen kosten. Brasiliens Jungstar Neymar da Silva Santos soll dem FC Barcelona sogar € 95 Millionen wert gewesen sein (vgl. Handelsblatt 2014: o.S.).

[5] So hat das American Football-Team der Cleveland Browns 2012 um über eine Milliarde Dollar den Besitzer gewechselt (vgl. Schefter 2012: o.S.). Im Vergleich dazu listet der Internationale Währungsfonds derzeit 17 Länder mit einem Bruttoinlandsprodukt von unter einer Milliarde Dollar (vgl. International Monetary Fund 2013: o.S.).

[6] David Andrews (2004: 3) verurteilt den Begriff „Sportindustrie“ als irreführend, da die Produktion und der Konsum von Gütern, welche im Bezug zum Sport stehen, sich über eine Vielzahl von Wirtschaftssektoren erstreckt. So u.a. Fertigerzeugnisse, Bekleidungssektor, Biomedizin, Reise und Verkehr, Konstruktion und Ausbildungssektor.

[7] Milano/Chelladurai 2011: 27 liefert eine genaue Auflistung darüber, wie sich das Gross Domestic Sport Product (GDSP) zusammensetzt.

[8] Setanta, welches zwei der sechs für den genannten Zeitraum zur Verfügung gestellten Übertragungspakete um £ 392 Millionen gekauft hat, konnte nach zwei Jahren der dreijährigen Vertragslaufzeit seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Aus diesem Grund wurden die 46 noch ausstehenden Matches der Saison 2010 für £ 90 Millionen an ESPN vergeben.

[9] Super Bowl XLVIII wurde am 2. Februar 2014 im MetLife Stadium in East Rutherford, New Jersey ausgetragen.

[10] Im deutschsprachigen Raum bot beispielsweise der Bezahlfernsehsender Premiere ab der ersten Hälfte der 1990er Jahre diverse Live-Sport-Übertragungen (Boxen, Fußball, Eishockey) in seinem Programm an.

[11] Gerrard beleuchtet in seinem 2004 erschienen Artikel „Media Ownership of Teams: The Latest Stage in the Commercialisation of Team Sports“ diese neue Entwicklung, die dazu geführt hat, dass immer mehr Sportteams weltweit von Medienkonglomeraten aufgekauft wurden und beschäftigt sich auch mit der Frage, welche Auswirkungen das haben kann.

[12] In Kürze wird auch das von Knut Lundby (2014) erstellte erste Handbuch zur Mediatisierungsforschung auf den Markt kommen. Darüber hinaus wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft vor drei Jahren ein gefördertes Schwerpunktprogramm namens „Mediatisierte Welten. Kommunikation im medialen und gesellschaftlichen Wandel“ ins Leben gerufen (vgl. Krotz 2014: 7).

[13] Laut dem großen Fremdwörterbuch der Brockhaus Enzyklopädie lautet neben „vermitteln“ „mediieren“ das passende Verb zum Nomen „Mediation“: „mediieren <aus gleichbed. spätlat. mediare> (veraltet) 1. in der Mitte teilen. 2. vermitteln“ (Brockhaus 1999: 852).

[14] Die Entstehung dieses Phänomens genau zu datieren ist laut Strömbäck (2008: 230) aufgrund der fehlenden empirischen Untersuchungen nicht möglich.

Excerpt out of 172 pages

Details

Title
Mediengerechte Regeländerungen. Eine Untersuchung der Mediatisierungstendenzen im Sport mit Blick auf die Änderungen der Regelwerke
College
University of Salzburg  (Fachbereich Kommunikationswissenschaft)
Author
Year
2014
Pages
172
Catalog Number
V295630
ISBN (eBook)
9783656934783
ISBN (Book)
9783656934790
File size
2474 KB
Language
German
Keywords
mediengerechte, regeländerungen, eine, untersuchung, mediatisierungstendenzen, sport, blick, änderungen, regelwerke
Quote paper
Josef Schopf (Author), 2014, Mediengerechte Regeländerungen. Eine Untersuchung der Mediatisierungstendenzen im Sport mit Blick auf die Änderungen der Regelwerke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295630

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