Psychische Belastungen in Pflegeberufen. Ressourcenorientierte Gesundheitsförderung durch die Betriebliche Sozialarbeit


Bachelor Thesis, 2014

60 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhalt

1. Abkürzungsverzeichnis

2. Vorwort

3. Einleitung

4. Psychische Belastungen
4.1. Unterscheidung psychischer Belastungen
4.1.1. Apersonale Belastungsfaktoren
4.1.2. Interpersonale Belastungsfaktoren
4.1.3. Personale Belastungsfaktoren
4.2. Folgen psychischer Belastungen für Personal und Unternehmen
4.3. Psychische Belastungen erkennen

5. Gesundheitsförderung und Prävention im Kontext der Salutogenese
5.1. Begriffsbestimmung Gesundheitsförderung und Prävention
5.2. Theorie des Salutogenesemodells nach A. Antonovsky
5.3. Salutogenese im Kontext des Arbeitsplatzes – Voraussetzung für erfolgreiche Gesundheitsförderung

6. Aufgabenverteilung für eine ganzheitliche und nachhaltige Gesundheitsförderung
6.1. Rechtliche Grundlagen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes
6.2. Aufgaben der Berufsgenossenschaften, Krankenkassen und Mitarbeiter

7. Betriebliche Sozialarbeit als Hoffnungsträger erfolgreicher und gesunder Unternehmen
7.1. Definition und Geschichte der Betrieblichen Sozialarbeit
7.2. Aufgaben und Themenbereiche der Betrieblichen Sozialarbeit
7.3. Aufgaben der betrieblichen Gesundheitsförderung
7.4. Methoden der Sozialen Arbeit für gelingende Gesundheitsförderung
7.5. Handeln nach dem Empowerment-Ansatz

8. Umsetzung Gesundheitsfördernder Maßnahmen mit Fallbeispiel
8.1. Prozesseinführung und Planung Gesundheitsfördernder Maßnahmen
8.2. Analyse bzw. Erhebung der Mitarbeitergesundheit
8.3. Umsetzung
8.4. Evaluation der Gesundheitsfördernden Maßnahmen

9. Fazit

10. Literaturverzeichnis

11. Anhang
11.1. Gesetzestexte
11.2. Abbildungsverzeichnis

1. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Vorwort

Die Motivation des Verfassers zur Bearbeitung dieses Thema als Bachelor-Arbeit folgt aus den Erfahrungen während der eigenen Ausbildung und anschließenden beruflichen Tätigkeit in der Heilerziehungspflege. Dort war er in und nach der Ausbildung, in der Pflege schwerstmehrfachbehinderter Menschen tätig. In dieser Zeit wurde ihm bewusst, welche Anforderungen die Arbeit physisch, wie auch psychisch stellt und wie viele Kollegen und Auszubildende diesen Anforderungen nicht standhielten. Psychosomatische Störungen, dem im ICD 10 nicht klassifizierten Burn-out-Syndrom bzw. Erschöpfungszustände und Depressionen zwangen die Mitarbeiter zu einem vorzeitigen Berufsausstieg bzw. einer beruflichen Neuorientierung. Bei einigen Betroffenen setzte der Beginn dieser Erkrankung schon wenige Monate nach der Ausbildung ein.

Um den angehenden Fachkräften dieses zu ersparen und sie für ihre Ausbildung und ihrer späteren Tätigkeit zu stärken, nutzte der Verfasser das Projektstudium im fünften Semester um Auszubildenden im schulischen Rahmen Grundwissen der Gesundheitsförderung zu vermitteln. Es wurden Lösungsstrategien in Konfliktsituationen entwickelt, Stress- und Entspannungstechniken thematisiert und rückenschonende Arbeitsweisen gelehrt. In dieser Zeit wurde klar, wie wichtig Kenntnisse der Erhaltung der eigenen Gesundheit sind.

Zusätzlich besteht der Wunsch, nach dem Bachelor Studiengang der Sozialen Arbeit, zusätzlich den Masterstudiengang Sozialmanagement zu absolvieren. Da diese zusätzliche Qualifikation zu Leitungstätigkeiten in sozialen Organisationen befähigt und große Verantwortung in Personalmanagement zuschreibt, möchte sich der Verfasser hier mit der betrieblichen Gesundheitsförderung auseinandersetzen. Es ist der Wille später ein motiviertes und physisch sowie psychisch gesundes Team zu führen, welches den Sinn seiner Profession verinnerlicht hat, gerne in Berufsfeldern des Sozialwesens bzw. der Pflege arbeitet und den Klienten qualitativ hochwertige Dienstleistungen anbietet. Dies soll gelingen, wenn ein ganzheitliches Gesundheitsförderungskonzept erreicht wird und jeder Mitarbeiter mit seinen Belastungen und Problemen Gehör im Unternehmen findet.

3. Einleitung

Die Pflege von Senioren, geistig sowie körperlich behinderter Menschen oder Kranken ist einer der stressigsten und belastendsten Berufe. Zeitdruck und Personalmangel, durch immer knapper werdende finanzielle Ressourcen, hohes Personalalter, (hervorgerufen durch den demographischen Wandel[1] ), geringe Entlohnung und niedriges soziales Ansehen sind Auslöser hoher krankheitsbedingter Ausfälle in Pflegeberufen.

Die Kaufmännische Krankenkasse Hannover (KKH) erklärt ihn ihrem Pressebericht vom 23. Februar 2011 das etwa ein Fünftel aller Krankmeldungen (21,8%) in Niedersachsen auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind, während Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems zurückgehen.

Durch solche Veröffentlichungen bekommen Prävention und Gesundheitsförderung eine Brisanz wie nie zuvor, es ist um sie sogar ein regelrechter Hype entstanden. Viele Arbeitgeber greifen Gedanken der Gesundheitsförderung und Prävention auf, um letztlich davon zu profitieren.

Doch in wessen Aufgabengebiet fällt die Gesundheitsförderung? Ist es Aufgabe des Arbeitgebers, des Betriebsrates oder der Betriebsmediziner? Oder ist dieser Handlungsbereich eher einer Profession wie der „Sozialen Arbeit“ zu übertragen, die genügend Wissen und Methoden besitzt, um eine betriebliche Gesundheitsförderung zu planen und durchzuführen? Diese Ausarbeitung soll diese Fragen klären und baut sich daher in vier Teile auf.

Im ersten Teil beschäftigt sich die Arbeit mit psychischen Belastungen im Allgemeinen. Darin stellen sich die Fragen, ob zwischen psychischen Belastungen Unterschiede bestehen, wie man ihnen begegnen kann, welche Folgen sie für die Mitarbeiter und das Unternehmen haben und wie diese zu erkennen sind. Der zweite Teil thematisiert das Salutogenesemodell nach Aaron Antonovsky als Ausgangslage menschlicher Gesundheit und damit auch ressourcenorientierter Gesundheitsförderung.

Im dritten Teil wird der Frage nachgegangen, in wessen Aufgabenbereich Prävention und Gesundheitsförderung fällt und wie die rechtlichen Rahmenbedingungen gestaltet sind. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Aufgabe der betrieblichen Sozialarbeit. Dieser soll klären, welche ihrer vielfältigen Methoden sich die Betriebliche Sozialarbeit, für erfolgreiche Gesundheitsförderung zu nutzen machen kann, um danach die Hauptfragestellung dieser Arbeit zu beantworten, ob die Betriebliche Sozialarbeit einen ganzheitlichen Präventions- und Gesundheitsförderungsansatz in einem Betrieb ermöglichen und somit die Leitungsebene entlasten kann? Kann es zu einem eigenständigen Aufgabenbereich eines Sozialarbeiters werden, sich mit Prävention und Gesundheitsförderung in einem Betrieb zu beschäftigen?

Nach Klärung dieser Fragestellung möchte ich den letzten Teil nutzen, um den Ablauf einer Gesundheitsförderungsmaßnahme theoretisch darzustellen, ihn mit einem realen Praxisbeispiel zu beschreiben und dadurch den Nutzen für Unternehmen und sonstige Betriebe zu verdeutlichen.

Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich mich, in einigen Fällen, für die männliche Schreibweise entschieden. Ich weise jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die männliche Schreibweise die weibliche Schreibweise stets miteinbezieht.

4. Psychische Belastungen

Im alltäglichen Sprachgebrauch sind Begriffe wie Belastung und Beanspruchung meist negativ besetzt, dabei kommt es lediglich auf die Art und Menge eben jener an, die entscheiden, ob psychische Ressourcen ab- oder aufgebaut werden. Denn im medizinischen Kontext wiederum sind Belastungen ein positiver Begriff, denn, ausgewogene Belastungen und Beanspruchungen führen zu einem Ausbau psychischer Ressourcen

Im Folgenden wird nur von psychischen Belastungen gesprochen, dabei sind jedoch auch die auf eine Belastung folgende Beanspruchung und die auf eine Beanspruchung folgende Stressreaktion gemeint (vgl.: Nagel; Petermann, 2012, S.51-51).

Eine kurze Unterscheidung:

Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. (Definition nach der DIN EN ISO 10075 - 1 (1a) in Joiko, Schmauder, Wolff. 2010, S.9-10)

Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien. (Definition nach DIN EN ISO 10075-1; ebenda)

Damit bildet sich das aus Arbeitsmedizinischer Sicht entstandene Belastungs-Beanspruchungs-Konzept. Äußere Reize (Belastungen) wirken auf das Individuum ein. Der Körper reagiert auf diese Reize (Beanspruchung). Eine Folge psychischer Belastungen kann Stress sein (vgl.: Münzberger 2005). Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept entsprang einer Idee der Mechanik. So ist es in der Mechanik so, dass das Belasten eines Materials (bspw. durch Druck), zu einer Beanspruchung des Materials (bspw. Verformung, Zerbrechen) führt. So auch bei der menschlichen Psyche: Andauernder Zeitdruck in der Pflege (Belastung) führt zu Fehlbelastungen sowie Abbau psychischer Ressourcen und lässt den Menschen nach andauerndem Zeitdruck ermüden (Beanspruchung). Daher wird im Folgenden von psychischen Belastungen gesprochen, um die Ursachen von Fehlbeanspruchung, nicht jedoch gänzlich von Beanspruchung, zu minimieren und sie auf eine gesunderhaltende Konstante zu bringen (vgl.: Nagel; Petermann, 2012, S.51-51).

4.1. Unterscheidung psychischer Belastungen

Psychische Belastung ist kein einheitlicher Begriff. Schlechte Lichtverhältnisse, Lärm, Konflikte oder Mobbing stellen für Arbeitnehmer eine erhöhte psychische Belastung dar. Daher müssen die Arten der psychischen Belastungen getrennt voneinander betrachtet werden, auch wenn diese meist ähnliche Folgen für die Betroffenen aufweisen. Die Wissenschaft unterscheidet nach den Ursachen drei Gruppen von psychischen Belastungen:

Apersonale Belastungsfaktoren (Belastungen des physikalischen Umfeldes)

Interpersonale Belastungen (Belastungen des sozialen Arbeitsumfeldes)

Personale Belastungen (innere Belastungen einer Person)

4.1.1. Apersonale Belastungsfaktoren

Apersonale Belastungsfaktoren oder auch umgebungsbedingte Belastungsfaktoren sind die Art von Belastungen, die durch die Umgebung des Betroffenen entstehen. In der Pflege ist dies der unmittelbare Arbeitsplatz; sowohl in stationärer als auch in ambulant Tätigkeit können daraus Belastungen entstehen, Dabei spielen viele umgebungsbedingte Faktoren eine Rolle. Wenn das Arbeitsumfeld zu kalt, zu warm, geruchsintensiv, zu grell beleuchtet oder zu laut ist, wirkt sich dies unmittelbar auf den Organismus und das Wohlbefinden des Personals aus. Dieser Aspekt wiederum senkt die Schwelle für weitere Belastungen und erhöht die Stressempfindlichkeit. Umgekehrt kann jedoch eine belastungsarme Umgebung die Schwelle der Belastbarkeit erhöhen und Stressempfindungen abmildern (vgl. Poppelreuter; Mierke 2012, S.35).

Die unterschiedlichen umgebungsbedingten Faktoren wirken sich auch unterschiedlich auf die Mitarbeiter aus. Das richtige Klima am Arbeitsplatz ist einer der wichtigsten Faktoren für die Leistung und die Gesundheit der Pflegenden. Das Klima wird durch drei Einflussgrößen bestimmt: Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur und Luftbewegung. Geringe Luftfeuchtigkeit (unter 30% relative Feuchte) führt zu trockenen Nasenschleimhäuten, Austrocknung von Mund und Rachenraum sowie der Augen (Poppelreuter; Mierke 2012, S.41).

Besonders in den Sommer- und Wintermonaten stellt die Temperatur am Arbeitsplatz ein erhöhtes Belastungsrisiko dar. Durch mangelnde Möglichkeiten der Verdunklung und des Sonnenschutzes erreichen Räumlichkeiten schnell unangenehme Temperaturen über 26 °C die zu Schläfrigkeit, Konzentrationsschwäche und Trägheit führen. Zu kalte Temperaturen führen wiederum zu vermehrtem Bewegungsdrang, Konzentrationsmangel, Rheumaerkrankungen und Erkältungen. Ideale Voraussetzung sind Temperaturen zwischen 17 °C und 22 °C. Diese optimalen Temperaturen belasten weder psychische noch physische Körperfunktionen und tragen zu konzentrierten Arbeitsabläufen bei (Poppelreuter; Mierke 2012, S.40-41).

Letzter Faktor für das Raumklima ist die Luftbewegung. Eine unzureichende Belüftung begünstigt Sauerstoffmangel und somit Übermüdung sowie Konzentrationsschwäche. Empfehlenswert sind Frischluftzufuhren von 30 m3 pro Person/Stunde und eine Luftzirkulation von 0,1 bis 0,15 m/s (Poppelreuter; Mierke 2012, S.42). Zudem schwächen ausreichende Lüftungsmöglichkeiten unangenehme und störende Gerüche ab, welche ebenso dem Konzentrationsvermögen zusetzten können. Neben dem Klima, welches eine Einflussgröße der umgebungsbedingten Belastungen darstellt, sind zwei weitere Faktoren eine Herausforderung für das Pflegepersonal. Zum einen die Beleuchtung, die sich auf das Wohlbefinden und damit auf die Leistungsfähigkeit sowie die Arbeitsqualität des Mitarbeiters auswirkt. Das Auge ist das wichtigste Sinnesorgan, da es 25% des menschlichen Energiehaushaltes in Anspruch nimmt und gleichzeitig 80% unserer Nerven durch optische Reizes stimuliert. Eine mangelhafte Beleuchtung, sowohl zu wenig als auch zu viel Licht, wirkt nicht nur psychisch belastend, es erhöht das Sicherheits- und Unfallrisiko. Optimal ist eine Beleuchtung zwischen 500 und 1000 lx (lx; Lux, Beleuchtungsstärke) (vgl.: Rudow, Bernd 2011, S.133-136)

Doch nicht nur die Augen nehmen Reize auf, auch Nase und Ohren können durch schlechte bzw. gute Reize das Wohlbefinden der Mitarbeiter steigern bzw. mindern. So kann Lärm (Schalldruckpegel über 65 Dezibel) am Arbeitsplatz belästigen und die Gesundheit schädigen. Lärm wirkt störend und verstärkt Stressempfindungen, wodurch die Konzentration und die Leistungsfähigkeit abnehmen können (vgl.: Rudow, 2011, S.123-127).

Da diese Apersonalen Belastungsfaktoren durch Räumlichkeiten und Ausstattung des Arbeitsplatzes bedingt sind, ist es Aufgabe der Unternehmensführung (§4 ArbSchG), den Arbeitsplatz so wenig belastend wie möglich einzurichten. So sollte das Arbeitsumfeld im Sommer genügend Möglichkeiten des Sonnenschutzes, ausreichend Fenster bzw. Belüftungsanlagen und im Winter angenehme Licht- und Wärmequellen bieten. Bei Lage des Arbeitsumfeldes an unmittelbaren Lärmquellen wie z.B. viel befahrenen Straßen, Fabrikanlagen etc., sollte durch Isolierung und Lärmschutz der Geräuschpegel gesenkt werden.

4.1.2. Interpersonale Belastungsfaktoren

Interpersonale Belastungsfaktoren, oder auch psychosoziale Belastungen, entstehen da, wo Menschen zusammenkommen bzw. arbeiten und im kollegialen Sinne voneinander abhängig sind – dies ist in der Pflege besonders ausgeprägt, da in der Regel im Team gearbeitet wird. Die häufigste, zwischenmenschliche Belastung ist der Konflikt. Weitere extreme und gravierende Belastungen sind Mobbing und sexuelle Belästigung. Während Konflikte der persönlichen Motivation, der Arbeitszufriedenheit und der Produktivität schaden, führen die beiden anderen Arten Belastungen bis zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit und zum vorzeitigen Ausstieg aus dem Arbeitsleben (Poppelreuter; Mierke 2012, S.51).

Der Konflikt ist per se kein rein negativ besetzter Begriff, Sozialwissenschaftlich kann er - organisatorisch gesehen - sogar helfen, Strukturen- und Funktionsfähigkeiten zu verbessern, Ideen zu produzieren, Interessen und Kreativität zu stimulieren und die Gelegenheit geben, dass Mitarbeiter ihre Fähigkeiten austesten können(vgl.: Weinert, 2004, S.679). Negativ wird ein Konflikt erst dann, wenn dieser bereits längere Zeit latent besteht, in der Eskalationsstufe (Konfliktstufen werden nach Fortschritt und Vehemenz in Stufen unterschieden) fortgeschritten ist und/oder die Kräfte der Mitarbeiter strapazieren. Auch die Konfliktarten sind heterogen und können unterschiedlichste Ursachen haben. Beispiele dafür sind:

Interessenkonflikte (der Konflikt liegt hier in unterschiedlichen Wünschen oder Bedürfnissen einzelner Personen oder Gruppen)

Zielkonflikte (Konflikt aus der Auseinandersetzung über das richtige Ziel)

Strategie- oder Beurteilungskonflikte (Auseinandersetzung über die richtigen Wege zur Erreichung eines Ziels)

Ressourcen- oder Verteilungskonflikte (Auseinandersetzungen über die richtige Ressourcenverteilung)

Beziehungskonflikte (Streit über die richtige Gestaltung der Arbeitsbeziehung in Organisationen)

Rollenkonflikte (Auseinandersetzung über die richtige Interpretation und Gestaltung bzw. um das richtige Verständnis und Einnehmen der Berufsrolle)

Strukturkonflikte (Streit über formale, organisatorische Festlegungen oder Prozeduren)

Regelkonflikte (Auseinandersetzungen über die Nichteinhaltung von Regeln)

Wertkonflikte (auch als ideologische Konflikte bezeichnet, weil sie sich an Anschauungen, Werten und Normen entzünden)

(vgl. Mahlmann, 2009, S.50-82)

Ob ein Konflikt nun als Chance oder als Untergang eines Teams verstanden wird, hängt mit der Konfliktart und der Eskalationsstufe zusammen. Im prekärsten Fall folgt dem Konflikt ein utilitaristisches Dilemma, bei dem einem Gruppen- bzw. Teammitglied eine schädliche Absicht unterstellt wird (vgl. Fischer; Wiswede 2002, S.630ff). Dieses utilitaristische Dilemma kann im schlimmsten Fall zu Mobbing führen, welches einen extremen Stressor im Arbeitsumfeld darstellt (vgl.: Litzcke ; Schuh 2007 S.4). Der Begriff Mobbing leitet sich aus dem Englischen „to mob“ ab und bedeutet so viel wie „angreifen“, „pöbeln“, „bedrängen“. „Mobbing meint, dass eine größere Anzahl von Mitarbeitern eine kleinere i.d.R. aber nur eine Person ablehnt, jagt oder verfolgt, mit dem Ziel, die Person aus dem Arbeitsumfeld auszustoßen. „[…] Deshalb werden Prozesse der Aussonderung bis hin zum Psychoterror in Gang gesetzt (Kreft; Milenz. 2008 S.607-608).“ „Vom Mobbing am Arbeitsplatz spricht man, wenn eine Person von einer oder mehreren von 45 operativ beschriebenen Handlungen belästigt wird und zwar mindestens einmal in der Woche während mindestens eines zusammenhängenden halben Jahres (Leymann 1993 S.5).“

Typische Mobbinghandlungen sind:

Angriffe gegen die Arbeitsleistung

Angriffe gegen den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses, destruktive Kritik

Angriffe gegen soziale Integration am Arbeitsplatz

Angriffe gegen das soziale Ansehen im Beruf

Angriffe gegen das Selbstwertgefühl, Angst/Ekel erzeugen,

Angriffe gegen die Privatsphäre

Angriffe gegen die Gesundheit oder das Versagen von Hilfe

(vgl.: Litzcke; Schuh 2007 S.125-128).

Mindestens genauso gravierend wie die Mobbinghandlungen sind die Mobbingfolgen. Mobbingopfer klagen nach länger anhaltendem Mobbing über diverse unspezifische Symptome, die meist psychosomatisch und psychisch bedingt sind. Beispiele dafür sind Schmerzen des Bewegungsapparates sowie des Verdauungstraktes, Albträume, Konzentrationslosigkeit, Depressionen, apathisches Verhalten, Schlafstörungen, Aggressionen, Antriebslosigkeit usw. Da die Gedanken der Betroffen meist um das Thema Mobbing kreisen und sie davon nahezu „beherrscht“ werden, wächst in ihnen der Druck. Die Konsequenzen, die die Betroffenen sehen, sind meist ein Wechsel der Arbeitssituation durch Versetzung oder Kündigung bis hin zu völligem Ausstieg aus dem Arbeitsleben. Dieser durch das Mobbing verursachte ungeheure Druck auf das Individuum und die gravierenden, wirtschaftlichen Folgen eines Berufsausstiegs können sich für die Betroffenen zu einer so erheblichen Existenzangst verdichten, dass diese nicht mehr weiter zu leben vermögen. Suizidale Handlungen sind demnach zwar seltene, aber doch existierende extreme Folgen des Mobbings. Die handelnden Akteure (die Mobber) ahnen meist nichts von den möglichen Auswirkungen oder Folgen ihrer Handlungen, haben daher kaum Gewissensbisse und Schuldgefühle (vgl.: Leymann 2006, S.108-122).

Eine weitere extreme und unangenehme Belastung im zwischenmenschlichen Kontext ist die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz durch das Kollegium oder durch die Klientel. Nach der Legaldefinition des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) liegt eine sexuelle Belästigung vor, „wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen oder Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts, unerwünschtes Zeigen oder Anbringen pornographischer Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere, wenn ein von Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird ( §3 Abs.4 AGG in: Nomos S. 36)“. Sexuelle Belästigung kann zwar jeden treffen, meist aber sind die Opfer weiblich, zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt und stehen in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis, wie beispielsweise einer bestehenden Probezeit, Praktikanten- bzw. Ausbildungsverhältnisverhältnisses oder als Aushilfe im Betrieb. Sie besitzen demnach kaum Kenntnisse über bestehende Gepflogenheiten im Betrieb und haben noch kein festes soziales Verhältnis zu den Kollegen (vgl.:Poppelreuter; Mierke 2012, S.91-93). Sexuelle Belästigungen sind für die Betroffenen nicht nur unangenehm und peinlich, sie können sich auch negativ auf das gesundheitliche Befinden auswirken. Psychische Probleme, wie Angst, Ekel, Schuld- und Schamgefühle, Misstrauen gegenüber anderen Beschäftigten und ein durch die Belästigung geschwächtes Selbstvertrauen gehen meist mit psychosomatischen Beschwerden einher, welche sich in Depressionen, Magenbeschwerden, Schlaf- und Essstörungen, häufigen, meist chronischen Kopfschmerzen, bis hin zu Ablehnung des eigenen Körpers führen. Am Arbeitsplatz verursacht die Angst vor Übergriffen, Unkonzentriertheit und Unsicherheit, welche die Arbeitsatmosphäre beeinträchtigt und zu weiteren Konflikten im Kollegium führen kann (vgl.: Ducret, 2003, S. 8-27)

4.1.3. Personale Belastungsfaktoren

Personale Belastungsfaktoren bzw. emotionale Belastungen sind die Art von Belastungen, die weder das physikalische Umfeld einer Person noch das soziale Miteinander im Betrieb betreffen. Emotionale Belastungen entfalten ihre Dynamik innerhalb einer Person.

Besonders die Pflege von Menschen mit Behinderungen, mit Krankheiten oder die Pflege von Senioren ist geprägt von sozialen Kontakten, welche die Mitarbeiter psychisch belasten können. Eine Ursache dieser Belastungen ist die sog. „emotionale Arbeit“. Bei dieser muss die Beschäftigte positive Emotionen wie beispielsweise Lächeln, ausdrücken, auch wenn dies Person nicht positiv gestimmt ist oder auch durch spezifische Bedingungen der Tätigkeit mit negativen Emotionen konfrontiert wird (Bsp.: ärgerliche Angehörige/ Betreuer o.ä.)(vgl.: Mohr; Rigotti 2009 S. 160). Ebenfalls kommen weitere zwischenmenschliche Belastungen in Berufen im Gesundheits- und Dienstleistungswesen vor, beispielsweise die Konfrontation mit Leid und Tod. Da besonders im Bereich der Altenpflege und der Pflege geistig behinderte Menschen mit der Zeit eine Bindung zwischen einer pflegebedürftigen Person und der oder dem professionell Hilfe Leistenden entsteht, kann bspw. eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder der Tod, äußerst belastend auf das Pflegepersonal wirken (vgl.: Viersen; Petzold 2005, S.130-133).

Auch Über- und Unterforderung, belasten die menschliche Psyche. So können quantitative Überforderung (Zeitdruck, Akkord, Vielzahl an Aufgaben) und qualitative Überforderung (Unklarheiten und Schwierigkeiten im Arbeitsablauf) zu weiterem Zeitdruck führen und die Wahrnehmungskapazität und kognitive Fähigkeit überfordern. Es entstehen Ängste den Aufgaben nicht gerecht zu werden, welche sich in Erschöpfungszuständen (bspw. Burn-Out) nach längerfristiger Überforderung zeigen. Aber auch Unterforderung kann den Menschen stressen, ihn psychisch belasten und negative psychische Reaktionen oder Fehlbeanspruchungen bewirken. Quantitative Unterforderung äußert sich in zeitlicher Monotonie oder bei unzureichender Aufgabenstellung. Qualitativ führt inhaltliche Monotonie und eine Nichtausnutzung der persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu Unterforderung (vgl.: Poppelreuter; Mierke, 2005, S. 22-23). Eine weitere emotionale Belastung, welche zwar nur in indirekter Verbindung zum Arbeitsplatz steht, sind kritische Lebensereignisse wie Krankheit, Tod von Kind, Ehepartnerin oder –partner, Eltern, Scheidung, hohe Hypotheken und Schwangerschaft, um nur einige zu nennen. Treten kritische Lebensereignisse zeitgleich mit psychischen Belastungen im Arbeitsleben auf, ist die Gefahr psychischer Erkrankungen hoch.

Im direkten Verhältnis zum Arbeitsleben können emotionale Belastungen wie Ängste entstehen. So belasten nach einer Umfrage im Jahr 2013 Ängste wie Verschlechterung der Wirtschaftslage, Anstieg der Lebenshaltungskosten, Arbeitslosigkeit, schwere Erkrankungen oder die Möglichkeit eines Pflegefalls im Alter über die Hälfte der Deutschen (vgl.: www.ruv.de). Da besonders Pflegefachkräfte und Pflegehelfer ein relativ geringes Einkommen haben, können die o.g. Ängste regelmäßiger Begleiter im Berufsalltag sein.

4.2. Folgen psychischer Belastungen für Personal und Unternehmen

Die Folgen starker psychischer Belastungen sind für die Mitarbeiter in vier Kategorien einzuteilen und in kurz- und langfristige Folgen zu unterscheiden. Zu den Kategorien gehören (vgl.: Udris & Frese, 1999):

Somatische Folgen

Kognitiv-emotionale Folgen

Individuelle Verhaltensfolgen

Individuelle soziale Folgen

Kurzfristige somatische Folgen durch Belastungen äußern sich in erhöhter Herzfrequenz und erhöhtem Blutdruck, Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin (Stresshormone), gestörter Abbau physiologischer Erregung, Veränderung immunologischer Marker im Blut und unzureichende Aktivierung. Sind die Belastungen langanhaltend, führen sie zu langfristigen, chronischen Folgen wie psychosomatischen Beschwerden, Schmerzen des Bewegungsapparates bis hin zu völliger Erwerbsunfähigkeit.

Kurzfristige kognitiv-emotionale Folgen sind Anspannung und Nervosität, Frustration, Ärger und Ermüdungs-, Monotonie-, und Sättigungsgefühle. Langzeitfolgen reichen dabei über Unzufriedenheit und Resignation bis hin zu Depressionen und Burn-Out-Zuständen.

[...]


[1] Demographischer Wandel bezeichnet Veränderungen in der Zusammensetzung von Gesellschaften, insbesondere der sog. Altersstruktur. So zeichnen sich bspw. moderne Gesellschaften dadurch aus, dass einerseits die Geburtenrate (Fertilität) niedrig ist und die Sterberate (Mortalität) seit einigen Jahrzehnten höher ist, als die Geburtenrate. Gleichzeitig steigt aber die Lebenserwartung der Bevölkerung, wodurch der Anteil der älteren gegenüber den jüngeren Menschen zunimmt (Schubert; Klein 2011 S.63).

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Details

Title
Psychische Belastungen in Pflegeberufen. Ressourcenorientierte Gesundheitsförderung durch die Betriebliche Sozialarbeit
College
University of Applied Sciences Braunschweig / Wolfenbüttel; Salzgitter
Grade
2,0
Author
Year
2014
Pages
60
Catalog Number
V295677
ISBN (eBook)
9783656935636
ISBN (Book)
9783656935643
File size
1633 KB
Language
German
Keywords
betriebliche Sozialarbeit, Salutegenese, gesundheitsförderung
Quote paper
Lars Günther (Author), 2014, Psychische Belastungen in Pflegeberufen. Ressourcenorientierte Gesundheitsförderung durch die Betriebliche Sozialarbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295677

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