Die Bedeutung des sozialen und kulturellen Kapitals für die Ergebnisse der PISA-Studie


Dossier / Travail de Séminaire, 2013

16 Pages, Note: 1,3

Lena Lindemann (Auteur)


Extrait


Inhalt

Einleitung

1. Kapitalsorten nach Pierre Bourdieu
1.1 Ökonomisches Kapital
1.2 Soziales Kapital
1.3 Kulturelles Kapital
1.3.1 Inkorporiertes Kulturkapital
1.3.2 Objektiviertes Kulturkapital
1.3.3 Institutionalisiertes Kulturkapital
1.4 Kapitalumwandlungen

2. Vorhergehensweise PISA
2.1 Strukturmerkmale
2.1.1 Die sozioökonomische Stellung
2.1.2 Die EGP-Klasse
2.1.3 Indikatoren für die sozioökonomische Stellung
2.2 Prozessmerkmale
2.2.1 Das kulturelle Kapital und seine Indikatoren
2.2.2 Das soziale Kapital und seine Indikatoren

3. Daten und Befunde PISA 2009
3.1 Migrationshintergrund
3.1.1 Ergebnisse Migrationshintergrund und Lesekompetenz
3.2 Häusliche Lernumgebung
3.3 Lesepraktiken und Einstellungen
3.4 Verteilung Bezugsperson nach EGP-Klassenzugehörigkeit
3.5 Bildungsgang und EGP-Klassen
3.6 Institutionelle Bildungswege und EGP-Klassen
3.7 Lesekompetenzniveau und EGP-Klassen

4. Fazit

Einleitung

Durch PISA wurde den Menschen in Deutschland vor Augen geführt, dass ihre Kinder noch einen weiten Weg vor sich haben und dass vor allem die Lesekompetenz zu wünschen übrig lässt. Es ist zudem bekannt, dass die Schuld nicht nur den Schülern gegeben werden kann, sondern das der Kern des Problems vor allem im Elternhaus liegt. PISA erfasst die soziale Herkunft von den Schülern und wertet die Angaben aus. Diese werden dann mit den erreichten Lernständen in Beziehung gesetzt. Seit geraumer Zeit werden nicht nur die Strukturmerkmale, sondern auch Prozessmerkmale angewandt, um sich ein größeres und umfassenderes Bild des Elternhauses zu machen. Hier spielen vor allem das kulturelle und soziale Kapital eine große Rolle. In der vorliegenden Arbeit wird dargestellt, wie PISa versucht, Angaben zu den Kapitalarten zu bekommen und inwiefern diese Einfluss auf die schulischen Leistungen der Schüler haben.

Im Folgenden werden nun zunächst die drei Kapitalsorten von Bourdieu erläutert und die Kapitalumwandlung erklärt. Im Weiteren wird auf die Vorgehensweise bei PISA eingegangen im Hinblick auf die sozioökonomische Stellung, die EGP-Klassifikation, das kulturelle und soziale Kapital. Es werden zudem Beispielsfragen der Fragebögen vorgestellt. Im dritten Teil der Arbeit werden gezielte Ergebnisse und Befunde aufgezeigt, die die vorher beschriebenen Vorgehensweisen von PISA wieder aufgreifen. Die Arbeit schließt mit einem Fazit.

1. Kapitalsorten nach Pierre Bourdieu

Im folgenden Abschnitt werden die verschiedenen Kapitalarten nach Pierre Bourdieu beschrieben. Im Vordergrund stehen dabei das soziale Kapital und die drei verschiedenen kulturellen Kapitalsorten. Zum leichteren Verständnis dieser beiden Kapitalarten wird zuerst das ökonomische Kapital, eine weitere Kapitalform nach Pierre Bourdieu, kurz erklärt. Das symbolische Kapital, eine weitere Form der vier Kapitalarten, ist für das Thema dieser Hausarbeit weniger relevant und wird daher nicht erwähnt.

1.1 Ökonomisches Kapital

Bourdieu versteht unter ökonomischem Kapital jegliche Art materiellen Reichtums. Dazu zählen unter anderem Besitz und Vermögen in Form von Waren, Immobilien, Unternehmen, aber auch Geld und Aktien. Ökonomisches Kapital lässt sich mehr oder weniger in Geld umtauschen und ist durch das Eigentumsrecht institutionalisiert.1

1.2 Soziales Kapital

Nach Pierre Bourdieu ist das Sozialkapital „die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind; oder, anders ausgedrückt, es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen.“2 Im Fokus dieser Kapitalform stehen nicht einzelne Personen, sondern die Beziehungen zwischen Personen innerhalb einer Gruppe. Jeder Akteur dieser Gruppe kann das Gesamtkapital aller Mitglieder innerhalb dieser Gruppe nutzen. Als Gruppen versteht Bourdieu beispielsweise Familien, politische Parteien, Clubs, Ehemalige von Eliteschulen oder Adelsgruppen. Die Sozialkapitalbeziehungen können nur aufgrund von immer wieder erneuerten Austauschbeziehungen existieren. Sie stellen die Grundlage des Sozialkapitals dar und verbinden materielle und symbolische Aspekte. Aus den Tauschbeziehungen resultiert gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung.3

Der Umfang des Sozialkapitals, das der einzelne besitzt, hängt demnach sowohl von der Ausdehnung des Netzes von Beziehungen ab, die er tatsächlich mobilisieren kann, als auch von dem Umfang des (ökonomischen, kulturellen oder symbolischen) Kapitals, das diejenigen besitzen, mit denen er in Beziehung steht.4 Je größer das verfügbare Netz an sozialen Beziehungen, desto größer ist sein Ertrag bei der Reproduktion seines ökonomischen und kulturellen Kapitals. Das oben genannte Anerkennen untereinander hat beim Einsetzen des sozialen Kapitals einen positiven Effekt auf die Vermehrung der anderen Kapitalformen.5

1.3 Kulturelles Kapital

Das kulturelle Kapital umfasst drei unterschiedliche Formen. Dazu zählen das inkorporierte Kulturkapital, das objektivierte Kulturkapital und das institutionalisierte Kulturkapital.

1.3.1 Inkorporiertes Kulturkapital

Das inkorporierte Kulturkapital umfasst persönliches Gut wie beispielsweise Wissen, Kenntnisse und Fähigkeiten. Diese Kapitalform stellt einen verinnerlichten Prozess dar, der sich in Form von dauerhaften Handlungsdispositionen ausdrückt. Dieser Prozess kostet Zeit, die der Investor persönlich investieren muss. Das bedeutet, dass die Verinnerlichung von Bildungskapital nicht von anderen Personen durchgeführt werden kann, sondern immer nur vom Investor selbst. Das inkorporierte Kapital ist als Besitz des Investors zu verstehen und ist zum festen Bestandteil dieser Person geworden. Daher kann diese Kapitalform im Gegensatz zu anderen, nicht in durch Schenkung, Vererbung, Kauf oder Tausch kurzfristig weitergegeben werden.6

1.3.2 Objektiviertes Kulturkapital

Hinter diesem Kapitalbegriff stehen Güter, wie beispielsweise Bücher, Gemälde, Schriften und Instrumente, die wie auch ökonomisches Kapital, materiell übertragbar sind. Ein Kauf dieser Güter setzt die Verfügung über ökonomisches Kapital voraus. Nach einem Kauf wird der juristische Eigentumstitel übertragen.

Die Eigenschaften des objektivierten Kulturkapitals können ausschließlich durch seine Beziehungen zum inkorporierten Kulturkapital dargelegt werden. Das heißt, das die Bedeutung der besondern Güter erkannt werden muss. Die Bedeutung kann jedoch nur über Bildungskapital, bzw. der Verfügung über inkorporiertem Kulturkapital, erkannt werden. Das nicht übertragbare, verinnerlichte Kulturkapital wird vorausgesetzt, um die Aneignung von objektiviertem Kulturkapital realisieren zu können. Erst durch die Verfügung des inkorporierten Kulturkapitals kann der Genuss eines Gemäldes oder eines Buches ermöglicht werden.7

1.3.3 Institutionalisiertes Kulturkapital

Das institutionalisierte kulturelle Kapital wird in Form von schulischen oder universitären Titeln dargestellt. Ein Titel oder beispielsweise auch ein Examen ist ein Beleg für vorhandenes kulturelles Kapital. Mit diesem Zeugnis wird dem Träger einen dauerhaften und juristisch garantierten Wert zugesprochen. Mittels eines Titels wird eine Grenze zwischen dem kulturellen Kapital des Autodidakten, der seine Kompetenzen ständig unter Beweis stellen muss, und dem kulturellen Kapital das durch einen Titel anerkannt ist, gezogen.

Der Erwerb dieser Titel setzt eine Investition von Zeit und somit auch von ökonomischem Kapital - Zeit ist Geld - voraus. Das ökonomische Kapital wird in kulturelles Kapital umgewandelt. Der Prozess setzt sich fort, indem der durch das kulturelle Kapital erlangte Titel bei einer Anstellung auf dem Arbeitsmarkt materielle und symbolische Erträge einbringt. So wandelt sich das institutionalisierte Kulturkapital wiederum in ökonomisches Kapital um.8

1.4 Kapitalumwandlungen

Die hier genannten Kapitalarten, das soziale- und kulturelle Kapital, können mittels ökonomischem Kapital und einer mehr oder weniger großen Anstrengung an Transformationsarbeit erlangt werden. Bestimmte Güter können direkt und unmittelbar erworben werden. Andere wiederum können nur mittels einem bestimmten Beziehungs- oder Verpflichtungskapitals erlangt werden. Dazu kann das Beziehungs- oder Verpflichtungskapital nur genutzt werden, wenn es schon über einen vorherigen, langen Zeitraum bestand.

Ökonomisches Kapital kann in kulturelles Kapital umgesetzt werden indem ein hohes Maß an Zeit investiert wird. Kulturelles Kapital wird teilweise innerhalb der Familie weitergegeben. Die Weitergabe ist vor allem von der verfügbaren und nutzbaren Zeit innerhalb der Familie abhängig. Je höher das ökonomische Kapital der Familie, desto später kann ein Eintritt in die Arbeitswelt erfolgen. Das heißt, dass zuvor eine schulische Bildung oder Ausbildung, und somit auch kulturelles Kapital, erworben wurde.9

2. Vorgehensweise PISA

2.1 Strukturmerkmale

2.1.1 Die sozioökonomische Stellung

Gewöhnlich wird die soziale Herkunft der Schüler mithilfe der sozioökonomischen Stellung der jeweiligen Familie bestimmt. Hierbei wird die relative Position der Eltern in der sozialen Hierarchie ermittelt und über welche finanziellen Mittel sie verfügen. Weiterhin wird analysiert, wie viel Prestige und Macht sie innehaben. Die sozioökonomische Stellung der Eltern wird über die Berufstätigkeit erfasst. Um diese zu ermitteln, wird eine methodische Systematisierung zur Hilfe genommen. PISA verwendet hier die ISCO-88 (International Standard Classification of Oppupation), nach der die Berufe klassifiziert werden. Die ISCO-88 ist eine Weiterentwicklung der vom internationalen Arbeitsamt 1968 entwickelten internationalen Standardklassifikation. In der ISCO-88 gibt es vier Ebenen: 10 Berufshauptgruppen, 28 Berufsgruppen, 116 Berufsuntergruppen und 390 Berufsgattungen. Bei PISA werden die Berufe der Eltern in dieses System eingeführt und somit kann ermittelt werden, wie hoch die sozioökonomische Stellung der Eltern ist.10

Mithilfe von Kategoriensystemen und Berufsrangskalen lässt sich die Stellung der Eltern in der sozialen Hierarchie bestimmen. Diese beruhen auf der Einschätzung der gesellschaftlichen Anerkennung der Berufe. Der bekannteste Index wurde von Triemann (Standard Index of Occupational Prestige Scores, 1977) mit dem Ergebnis entwickelt, dass der Prestigerang von den Berufen unabhängig vom untersuchten Land ist.11

Weiterhin gibt es den ISEI (International Socio-Economoc Index of Occupational Status), welcher den sozioökonomischen Status einer beruflichen Tätigkeit misst. ISEI kann außerdem den sozioökonomischen Status vom Berufsprestige trennen. Er besagt, dass Schul- und Berufsausbildung über Berufe in Einkommen und Chancen zur Teilhabe an Macht umgesetzt wird, „da Berufe bestimmte Qualitäten voraussetzen und zu bestimmten Einkommen führen, sind sie als Vermittler zwischen Bildungsabschlüssen und Einkommenslagen zu betrachten.“12 Durch den ISEI wurde bekannt, dass bei verschiedenen Berufen der sozioökonomische Status und das Berufsprestige nicht parallel verlaufen.13

2.1.2 Die EGP-Klassifikation

Das Erikson-Goldthorpe-Portocarero-Modell (EGP) ist ein Kategoriensystem, welches Berufe nach mehreren Gesichtspunkten ordnet. Es erfasst bspw. die Art der Tätigkeit, die Stellung im Beruf, Weisungsbefugnisse oder den zur Berufsausübung benötigten Qualifikationen. In Deutschland gibt es insgesamt sechs Klassen. Das EGP ist theoretisch besser fundiert als der sozioökonomische Status oder das Berufsprestige und lässt Beschreibungen konkreter Personengruppen zu. Da PISA mit den ISCO-88 Kodes arbeitet, wurde ein Rekodiersystem entwickelt, damit die EGP- Klassifikation erzeugt werden kann. Des Weiteren ist das EGP besonders gut für Schuluntersuchungen geeignet, da es unabhängig von Einkommens- und Bildungsmaßen ist.14

2.1.3 Indikatoren für die sozioökonomische Stellung

Um die soziale Herkunft der Schüler zu ermitteln, wurden drei Fragebögen entworfen: Der internationale Schülerfragebogen, der deute Schülerfragebogen und der deutsche Elternfragebogen. Da nicht alle Eltern deutsch sprechen, wurde der Fragebogen in die Sprachen übersetzt, die in Deutschland am meisten vertreten sind. In den Fragebögen werden unter anderem die Berufstätigkeit der Eltern und der relative Wohlstand der Familie erfasst. Nach den Angaben lässt sich dann feststellen, in welchem familiären Verhältnis die Schüler leben.15

2.2 Prozessmerkmale

2.2.1 Das kulturelle Kapital und seine Indikatoren

Schon in den 60er Jahren wies Pierre Bourdieu darauf hin, dass der Bildungserfolg stark mit der Teilhabe an der herrschenden Kultur zusammenhängt. Der Zugang zu Bildungseinrichtungen ist von

[...]


1 Vgl. Schwingel (2003), S.88.

2 Bourdieu (1992), S.63.

3 Vgl. Schwingel (2003), S.92.;Vgl. Jurt (2008), S. 77-78

4 Bourdieu (1992), S. 64.

5 Vgl. Schwingel (2003), S.92.

6 Vgl. Baumgart (2008), S.219-222.

7 Vgl. Baumgart (2008), S.222.; Vgl. Jurt (2008) S. 75-76.

8 Vgl. Baumgart (2008), S.222-224.; Vgl. Jurt (2008) S. 76-77.

9 Vgl. Baumgardt (2006), S. 226-230.

10 Vgl. Baumert, Maaz, 2006, S.15.

11 Vgl. Baumert, Maaz, 2006, S.12f.

12 Baumert, Maaz, 2006, S.16.

13 Vgl. Baumert, Maaz, 2006, 16f.

14 Vgl. Baumert, Maaz, 2006, S.17ff.

15 Vgl. Baumert, Maaz, 2006, S.19f.

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Die Bedeutung des sozialen und kulturellen Kapitals für die Ergebnisse der PISA-Studie
Université
University of Vechta  (ISBS – Institut für soziale Arbeit, Bildungs- und Sportwissenschaften)
Cours
BWM - 2.1 Erziehungs- und Bildungsprozesse in Schulen
Note
1,3
Auteur
Année
2013
Pages
16
N° de catalogue
V296083
ISBN (ebook)
9783656959236
ISBN (Livre)
9783656959243
Taille d'un fichier
427 KB
Langue
allemand
Mots clés
bedeutung, kapitals, ergebnisse, pisa-studie
Citation du texte
Lena Lindemann (Auteur), 2013, Die Bedeutung des sozialen und kulturellen Kapitals für die Ergebnisse der PISA-Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/296083

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