Ein Prinz kommt in eine Stadt, in der eine wunderschöne Prinzessin jedem ihrer Freier drei Rätsel aufgibt, die allesamt zu lösen sind. Versagt der Freier, wird er geköpft. Und sie versagen alle - der unbekannte Prinz jedoch besteht vor der Prinzessin. Er gibt ihr die Möglichkeit ihn nicht heiraten zu müssen, wenn sie seine Gegenrätsel lösen könne. Die Prinzessin vermag dies allerdings nicht und muss den Prinz heiraten - soweit die Grundstruktur des Turandotmythos.
Das fünfaktige Märchenspiel „Turandot“ schreibt Carlo Gozzi im Jahr 1762 nach fernöstlicher Vorlage als eines seiner zehn „fiabe teatrali“. Zu deren Bewunderern zählen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Sie setzen Gozzis „Turandot“ in der Bearbeitung von Schiller auf den Spielplan ihres „Deutschen Nationaltheaters“. Kurz nach Schillers Bearbeitung setzt auch in Deutschland ein reges Interesse an dem Stoff ein und die „fiabe“ tragen nicht unwesentlich zur Entstehung der deutschen Romantik bei. Doch auch die Opernbühne entdeckt schnell den dramaturgischen Wert der verwendeten Stilmittel, die Wirksamkeit der eigentümlichen Mischung von Tragik und Komik, der Märchenstruktur und den Elementen der commedia dell’arte. So findet sich diese Theaterästhetik mit großer Entsprechung in Emanuel Schikaneders und Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ und auch das Wiener Volkstheater um Johann Nestroy und Ferdinand Raimund kann den Einfluss der „fiabe teatrali“ kaum leugnen. Opern über die männerhassende Prinzessin komponierten u.a. Franz Danzi, Vincent Lachner, Antonio Bazzini, Ferruccio Busoni und Giacomo Puccini.
So befinden sich Puccini und Busoni in guter Gesellschaft als sie sich als Opernstoff für den Turandot-Mythos entscheiden. In der vorliegenden Arbeit wird nun ein wissenschaftlicher Vergleich zwischen der Vorlage Gozzis und den beiden Opern Puccinis und Busonis vorgenommen. Dabei könnten die Musiktheaterwerke nicht unterschiedlicher sein. Busoni hat Libretto und Musik seiner gleichnamigen Oper in sehr kurzer Zeit fertig gestellt und sich stark an der Gozzischen Vorlage orientiert. Die eigentliche Hauptrolle in Busonis „Turandot“ spielt allerdings gemäß der Operntheorie Busonis das Spiel als solches. Bei Puccini, der mit der Vorlage sehr frei umgeht, tritt dagegen die Liebe als konfliktlösende Kraft ins Zentrum.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Herkunft und Entwicklung des TURANDOT-Stoffs
- 2 Literarische Umsetzung und Wirkung im europäischen Raum
- 2.1 Carlo Lucio Graf Gozzi
- 2.1.1 Carlo Gozzi im Wettstreit mit Carlo Goldoni
- 2.1.2 Carlo Gozzis FIABE DRAMMATICHE
- 2.1.3 Carlo Gozzis TURANDOT
- 2.2 Autoren und Komponisten, die Gozzis FIABE TEATRALI als Vorlagen genutzt haben
- 2.1 Carlo Lucio Graf Gozzi
- 3 Busoni und seine Operntheorie
- 3.1 Illusion und Antiillusion im Musiktheater
- 3.2 Busonis Opernentwurf
- 3.3 TURANDOT als das modellhafte Beispiel für Busonis Operntheorie
- 4 Busoni und die Entstehung der Oper TURANDOT, EINE CHINESISCHE FABEL NACH GOZZI IN 2 AKTEN
- 5 Vergleich zwischen der TURANDOT von Gozzi und Busoni
- 5.1 Stoff
- 5.2 Figurenzeichnung
- 5.3 Dramaturgische Konstruktion
- 6 Puccini und die Entstehung von TURANDOT, DRAMMA LIRICO IN TRE ATTI E CINQUE QUADRI
- 7 Vergleich zwischen der TURANDOT von Busoni und Puccini
- 7.1 Libretto
- 7.1.1 Quellen
- 7.1.2 Stoff
- 7.1.3 Figurenzeichnung
- 7.2 Musikdramaturgische Konstruktion
- 7.3 Exotik
- 7.1 Libretto
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entstehung und Entwicklung des Turandot-Stoffes, von seinen orientalischen Ursprüngen bis zu den Opernversionen von Busoni und Puccini. Der Fokus liegt auf dem Vergleich der verschiedenen Adaptionen und der Analyse der jeweiligen künstlerischen Entscheidungen im Hinblick auf Stoff, Figurenzeichnung und dramaturgische Konstruktion.
- Die Herkunft und Entwicklung des Turandot-Stoffes von seinen persischen Wurzeln bis zur europäischen Bühne.
- Der Vergleich der Turandot-Versionen von Gozzi, Busoni und Puccini.
- Die Analyse der jeweiligen Operntheorien von Busoni und der Einfluss auf seine Adaption.
- Die Rolle der Exotik in den verschiedenen Adaptionen.
- Der Einfluss der Commedia dell'arte auf Gozzis Werk.
Zusammenfassung der Kapitel
1 Herkunft und Entwicklung des TURANDOT-Stoffs: Der Text verfolgt die lange Geschichte der Turandot-Sage, beginnend mit ihren vermutlich persischen Ursprüngen und ihrer ersten schriftlichen Fixierung im Werk von Nizami. Die Entwicklung des Stoffes wird über verschiedene Fassungen und Adaptionen nachvollzogen, wobei die Veränderungen in der Figurenzeichnung und der Handlung hervorgehoben werden. Der Fokus liegt auf dem Weg des Stoffes von einer persischen Liebeserzählung zu einem europäischen Bühnenstück, und die Bedeutung der kulturellen Übertragung und Adaption für die spätere Entwicklung wird untersucht. Die unterschiedlichen Versionen werden verglichen und die Kontinuität und Veränderung bestimmter Motive analysiert, wie z.B. der Rolle der weiblichen Protagonistin und der Konfrontation zwischen Liebe und Tod.
2 Literarische Umsetzung und Wirkung im europäischen Raum: Dieses Kapitel analysiert die Einführung des Turandot-Stoffes in den europäischen Kulturraum, beginnend mit den Übersetzungen und Adaptionen des 17. und 18. Jahrhunderts. Der Fokus liegt auf der Rolle von François Pétis de La Croix und François Galland bei der Verbreitung der Geschichte, und die Unterschiede in ihren Versionen werden aufgezeigt. Der Einfluss der "1001 Nacht" auf spätere Adaptionen wird untersucht. Die erste europäische Bühnenfassung, La Princesse de la Chine, wird vorgestellt. Besonders wird die Bedeutung des Stoffes als literarisches Motiv der weiblichen Unabhängigkeit und der Ambivalenz von Liebe und Hass analysiert. Der Vergleich mit anderen literarischen Motiven wie den Amazonen der griechischen Mythologie oder Brünnhilde verdeutlicht die übergreifende Bedeutung des Themas.
2.1 Carlo Lucio Graf Gozzi: Dieses Kapitel widmet sich dem Leben und Werk von Carlo Gozzi und seinen Auseinandersetzungen mit Carlo Goldoni, seinen Hauptkonkurrenten. Es wird der Gegensatz zwischen Gozzis märchenhaftem Antirealismus und Goldonis realistischen Stücken herausgearbeitet, sowie Gozzis Bemühungen, der Commedia dell'arte entgegenzuwirken. Die Entstehung und die charakteristischen Merkmale seiner "Fiabe teatrali", insbesondere "Turandot", werden analysiert. Das Kapitel beleuchtet auch den Kontext der Entstehung von Gozzis Fabeln und seine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und literarischen Strömungen seiner Zeit.
3 Busoni und seine Operntheorie: Dieses Kapitel konzentriert sich auf Ferruccio Busonis Operntheorie, insbesondere auf seine Konzepte von Illusion und Antiillusion im Musiktheater. Busonis Opernentwurf wird detailliert erklärt und seine "Turandot" wird als exemplarisch für seine theoretischen Ansätze dargestellt. Es wird analysiert, wie Busonis Verständnis von Oper seine Adaption des Turandot-Stoffes beeinflusst hat und welche innovativen Elemente er in seine Oper eingebaut hat.
4 Busoni und die Entstehung der Oper TURANDOT, EINE CHINESISCHE FABEL NACH GOZZI IN 2 AKTEN: Der Abschnitt konzentriert sich auf den Entstehungsprozess von Busonis Oper "Turandot". Er untersucht Busonis Herangehensweise an die Vorlage Gozzis, die künstlerischen Entscheidungen und die Herausforderungen bei der Umsetzung der Geschichte in die Opernform. Das Kapitel analysiert den kreativen Prozess von der Adaption des literarischen Stoffes bis zur Gestaltung der musikalischen Struktur.
5 Vergleich zwischen der TURANDOT von Gozzi und Busoni: Dieses Kapitel vergleicht die Turandot-Versionen von Gozzi und Busoni, indem es die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Bezug auf den Stoff, die Figurenzeichnung und die dramaturgische Konstruktion untersucht. Die Analyse fokussiert auf die unterschiedlichen Schwerpunkte und Interpretationen des Ursprungsmaterials durch die beiden Künstler. Das Kapitel dient der differenzierten Darstellung der jeweiligen Adaptionen.
6 Puccini und die Entstehung von TURANDOT, DRAMMA LIRICO IN TRE ATTI E CINQUE QUADRI: Ähnlich wie Kapitel 4 konzentriert sich dieser Teil auf die Entstehung von Puccinis "Turandot", seine Quellen und sein Umgang mit dem Stoff. Die Schwerpunkte liegen auf den Entscheidungen des Komponisten bei der Umsetzung in Bezug auf Musik und Libretto, und auf der Berücksichtigung historischer und kultureller Elemente. Die Analyse des künstlerischen Prozesses unter Einbeziehung der Quellen und des Entstehungskontextes wird beleuchtet.
7 Vergleich zwischen der TURANDOT von Busoni und Puccini: Der letzte Abschnitt vergleicht Busonis und Puccinis "Turandot"-Opern. Es wird der Fokus auf die Unterschiede im Libretto, der Musikdramaturgie und dem Aspekt der Exotik gelegt. Die verschiedenen Interpretationen des Stoffes und der Figuren werden analysiert und kontrastiert. Dieser Vergleich zielt darauf ab, die unterschiedlichen künstlerischen Ansätze beider Komponisten und deren Auswirkungen auf die Gesamtwirkung ihrer Opern herauszuarbeiten.
Schlüsselwörter
Turandot, Gozzi, Busoni, Puccini, Oper, Operntheorie, Märchen, Exotik, Figurenzeichnung, Dramaturgie, Libretto, Musikdramaturgie, Commedia dell'arte, Antirealismus, Illusion, Antiillusion.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Die Entstehung und Entwicklung des Turandot-Stoffes"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Entstehung und Entwicklung des Turandot-Stoffes von seinen orientalischen Ursprüngen bis zu den Opernversionen von Busoni und Puccini. Im Mittelpunkt steht ein Vergleich der verschiedenen Adaptionen und die Analyse der künstlerischen Entscheidungen bezüglich Stoff, Figurenzeichnung und dramaturgischer Konstruktion.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Herkunft und Entwicklung des Stoffes von seinen persischen Wurzeln bis zur europäischen Bühne, vergleicht die Turandot-Versionen von Gozzi, Busoni und Puccini, analysiert die Operntheorien von Busoni und deren Einfluss auf seine Adaption, untersucht die Rolle der Exotik in den verschiedenen Adaptionen und beleuchtet den Einfluss der Commedia dell'arte auf Gozzis Werk.
Welche Personen und Werke werden untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Werke und die Operntheorien von Ferruccio Busoni und Giacomo Puccini und deren Adaptionen der Turandot-Geschichte. Sie beleuchtet Carlo Gozzis "Turandot" als wichtige literarische Vorlage und analysiert den Einfluss von Autoren wie François Pétis de La Croix und François Galland auf die Verbreitung des Stoffes im europäischen Raum. Die Arbeit bezieht sich auch auf die persischen Ursprünge der Sage, beispielsweise Nizami.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel, die die Herkunft und Entwicklung des Turandot-Stoffes, die literarische Umsetzung im europäischen Raum (mit besonderem Fokus auf Gozzi), Busonis Operntheorie und seine Turandot-Oper, einen Vergleich zwischen Gozzis und Busonis Versionen, Puccinis Turandot und einen abschließenden Vergleich zwischen Busonis und Puccinis Opern behandeln. Jedes Kapitel bietet eine Zusammenfassung.
Welche Aspekte werden im Vergleich der verschiedenen Turandot-Versionen untersucht?
Der Vergleich der verschiedenen Versionen konzentriert sich auf den Stoff selbst, die Figurenzeichnung (insbesondere Turandot), die dramaturgische Konstruktion, die musikalische Gestaltung (bei den Opernversionen), das Libretto, die Musikdramaturgie und den Aspekt der Exotik. Die Arbeit analysiert die unterschiedlichen Schwerpunkte und Interpretationen des Ursprungsmaterials.
Was sind die Schlüsselwörter der Arbeit?
Die Schlüsselwörter umfassen Turandot, Gozzi, Busoni, Puccini, Oper, Operntheorie, Märchen, Exotik, Figurenzeichnung, Dramaturgie, Libretto, Musikdramaturgie, Commedia dell'arte, Antirealismus, Illusion und Antiillusion.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit richtet sich an ein akademisches Publikum, das sich für die Entstehung und Entwicklung des Turandot-Stoffes, die Operngeschichte und die vergleichende Literatur- und Musikwissenschaft interessiert. Sie ist für die akademische Forschung und Analyse konzipiert.
Wo finde ich weitere Informationen?
Weitere Informationen finden sich in den einzelnen Kapiteln der Arbeit (siehe Inhaltsverzeichnis). Die Arbeit bietet detaillierte Analysen der einzelnen Werke und ihrer Zusammenhänge.
- Citation du texte
- M.A. Georgine Maria-Magdalena Balk (Auteur), 2003, Turandot bei Carlo Gozzi, Ferruccio Busoni und Giacomo Puccini, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29726