Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz in einer multikulturellen Gesellschaft

Eine Auseinandersetzung mit themenrelevanten Problemen, gesellschaftlichen Hintergründen und didaktischen Aspekten im Rahmen eines interkulturellen Trainings


Dossier / Travail, 2013

26 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Klärung der grundlegenden Begriffe der interkulturellen Erwachsenenbildung
2.1 Der Kulturbegriff
2.2 Interkulturelle Kompetenz
2.3 Der Differenzbegriff

3. Das „Heroes-Projekt“
3.1 Klärung der relevanten Begriffe zum Projekt
3.1.1 Männlichkeit in patriarchalen Kulturen
3.1.2 Die Ehrenkultur
3.2 Gesellschaftlicher Hintergrund des Projekts
3.3 Über das Projekt im Allgemeinen
3.4 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Konzept des Projekts
3.5 Die didaktische Spirale

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

Anhang
1. Leitfaden des Interviews
2. Mitschrift des Interviews

1. Einleitung

Die Globalisierung hat die heutige Gesellschaftsstruktur nachhaltend geprägt. Die kul- turellen Praktiken und Handlungsweisen lösen sich von ihrem ursprünglichen Ort und bewegen sich nun im gesamten Raum, was eine Entgrenzung der Kulturen zur Folge hat. Eine ehemalig einheitlich-kulturelle Gesellschaft diffundiert nun mit zunächst fremd anmutenden Lebenswelten. Um ein gelingendes und friedvolles Zusammenleben in ei- ner Multikulturellen Gesellschaft zu ermöglichen, ist der Erwerb interkultureller Kompe- tenz unabdingbar. Eine Orientierungshilfe bieten dabei Interkulturelle Trainings, die hel- fen Vorurteile abzubauen und das Verhalten anderer Kulturen besser zu verstehen. Um sich vertieft mit anderen Kulturen auseinandersetzen zu können ist es unabdingbar zu- nächst auch die eigene Kultur kritisch zu reflektieren. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt bei der Darstellung des „Heroes-Projekts“, einer Initiative die schon deutschland- weit Anklang gefunden hat. Zunächst werden alle dafür relevanten Begriffe geklärt, um im Anschluss daran, die didaktische Vorgehensweise sowie die Hauptbestandteile und Überzeugungen des Projekts genauer zu beleuchten.

2. Klärung der grundlegenden Begriffe der interkulturellen Pädagogik

2. 1 Der Kulturbegriff

Es gibt sicherlich keine allgemeingültige Definition dafür, was „Kultur“ wirklich bedeu- tet. Dennoch gibt es einige Ansätze, die versuchen den Kulturbegriff zu fassen. Kultur steht in gewisser Weise der Natur gegenüber, denn die Kultur wurde vom Mensch als ein Teil seiner Umwelt selbst gestaltet, im Gegensatz zur Natur, welche uns bereits ge- geben ist. Kultur umfasst also einerseits die vom Mensch geschaffenen sozialen, ma- teriellen und immateriellen Produkte, welche schon vor unserer Geburt bestanden und maßgeblich auf unser Denken und Handeln einwirken. Eine Kultur findet sich immer in- nerhalb einer limitierten Gruppe von Menschen, welchen diese als Identifikationsbasis dient. Die Inhalte einer Kultur werden zwischen den Generationen kontinuierlich wei- tergegeben, sodass sich die Kulturen über einen unglaublich langen Zeitraum immer wieder neu reproduzieren. Wird bei einer Kultur besonderer Wert auf die Betonung des „Ich's“ gelegt, so handelt es sich um eine individualistische Kultur, bei welcher Autono- mie, Leistungsorientierung und Selbstzentriertheit im Vordergrund der Bestrebungen stehen. Von einer kollektivistischen Kultur kann man dann ausgehen, wenn das „Wir“ akzentuiert wird und die eigenen Bedürfnisse denen der Gemeinschaft untergeordnet werden. Gruppensolidarität und -harmonie sind dabei zentrale Werte (vgl. Bierbrauer 1996). Das deutsche Wort „Kultur“ hat seinen Etymologischen Ursprung im französi- schen und stammt von „cultiver“, welches sich durch vier Bedeutungsebenen aus- zeichnet:

1. bewohnen, ansässig sein, dies steht für die Lebenswelt und Ethnie.
2. pflegen, schmücken und verehren sind ein grundlegender Bestandteil von dem, was wir unter Hochkultur verstehen.
3. verehren, anbeten und feiern sind maßgeblich für den Kult(us).
4. bebauen und Ackerbau betreiben werden den biologischen Kulturen zugeschrieben. Diese Begriffe lassen sich jeweils dem engen oder dem erweiterten Kulturbegriff zu- ordnen (vgl. Bolten 2007). Der enge Kulturbegriff wird „immer noch im Sinne Platons als Repräsentant des Schönen, Wahren und Guten verstanden und damit auf die Kunst und Geisteskultur eingeengt“ (Bolten 2007, S. 12). Dieser Kulturbegriff pflegt es zwischen „entwickelten“ Kulturen und „naiven“ Kulturkreisen zu unterscheiden, welche auf die Entwicklungshilfe der „fortgeschrittenen“ Kulturen angewiesen seien. Er kann sich nur durch die Annahme vom „Nicht-kultivierten“ und der Existenz von „Unkultur“ legitimieren und wirkt schon allein deswegen verengend. In den sechziger Jahren kam es allerdings zu politischen Vorbehalten gegen den engen Kulturbegriff, weshalb sich der erweiterte Begriff vermehrt durchsetzen konnte. Kultur soll nicht nur für wenige ausgewählte zugänglich sein, sondern für jedermann (vgl. Bolten 2007). „Freiheit zu in- dividueller und sozialer Selbstentfaltung [erhielt] ein ganz entscheidendes Gewicht in der Werteskala“ des erweiterten Kulturbegriffs (Bolten 2007, S. 13). Er ist nicht mehr, wie der enge Kulturbegriff, auf das scheinbar Außergewöhnliche reduziert, sondern umfasst alle Lebensumstände. Der Kulturbegriff birgt ein gewisses Konfliktpotenzial, denn oftmals wird versucht Lebenswelten räumlich zu bestimmen, wodurch immer auch eine Abgrenzung zwischen den Kulturen bedingt wird (vgl. Bolten 2007). Der wei- te Kulturbegriff versucht sich daher jeglicher Wertung zu enthalten und integriert viel- mehr, als dass er irgendwelche Lebensweisen ausgrenzt, denn „Gesellschaft hat keine Kultur, sondern ist Kultur“ (Bolten 2007, S. 14). Eine Differenzierung in höher- oder minderwertige Kulturen wäre schon allein deshalb unzulässig, weil eine gemeinsame Vergleichsbasis fehlt. Der erweiterte Kulturbegriff lässt sich wiederum in zwei weitere Subkategorien aufschlüsseln. Einmal in den geschlossenen Kulturbegriff, welcher le- diglich als Orientierungshilfe dienen soll (vgl. Bolten 2007). Dieser beinhaltet Vereinfa- chungen und verleitet zur Stereotypisierung, deshalb gilt es zu beachten, dass Kultu- ren nicht als homogene Konstrukte zu verstehen sind, welche man klar voneinander abgrenzen kann, vielmehr sind sie „an den Rändern mehr oder minder stark „ausge- franst“ zu denken“ (Bolten 2007, S. 16). Des Weiteren lässt er sich in den offenen Kul - turbegriff aufteilen, welcher die Kulturen als dynamische Lebenswelten definiert, die von wechselndem Ausmaß und wechselnder Komposition sind. Das heißt die Identitä- ten, also sowohl die Individuen, als auch auf die Kollektive, sind nun viel stärker kohä- siv zu denken. Dies erkennt man in erster Linie daran, dass Menschen heute problem- los über multiple Identitäten verfügen können und sich im Laufe ihres Lebens immer wieder neu definieren (vgl. Bolten 2007).

2.2 Interkulturelle Kompetenz

„Wenn „Kultur“ die Gesamtheit der Werte- und Deutungssysteme, Traditionen und Handlungsroutinen meint, in denen der Einzelne […] lebt, bringt „Interkulturalität“ zum Ausdruck, dass sich dieses „kulturelle“ in Bewegung befindet.“ (Nick 2002, S. 23). Und durch diese Bewegung kommt es zu einem Aufeinandertreffen und teilweise auch zu einer Vermischung unterschiedlichster Kulturkreise. Das Wort „interkulturell“ setzt sich aus zwei weiteren Wörtern zusammen, aus „inter“ und „Kultur“. Der Kulturbegriff wurde vorausgehend bereits definiert, „inter“ stammt aus dem lateinischen und bedeutet „zwi- schen“. Das heißt, dass es sich bei der Interkulturalität um einen Prozess handelt, der sich zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Lebenswelten vollzieht. Es geht dabei um die Beziehungen der Menschen zueinander und den Interaktionen untereinander (vgl. Bolten 2007). Primär soll beim Erwerb interkulturelle Kompetenz Toleranz und Gelas- senheit gegenüber fremden Lebensarten entwickelt werden (vgl. Auernheimer 1994). Manche Menschen sind von Grund auf „open minded“ gegenüber anderen Kulturkrei- sen, das heißt, dass sie besonders offen und aufgeschlossen für fremde Kulturen sind, während ein Großteil der Menschen eher „close minded“ reagiert und in den eigenen Vorurteilen gefangen ist (vgl. Allemann-Ghionda 2013). Vorurteile bilden sich immer wieder im Rahmen unseres Wahrnehmens, denn das Bilden von Stereotypen hilft und das Unbekannte zu strukturieren und einzuordnen. „Unsere Wahrnehmungsaktivität [besteht] darin […], dass wir jede Erfahrung bereits mit einer Erwartung begleiten“ (Bolten 2007, S. 34). Leider enthalten diese Etikettierungen, die durch bestimmte Er- wartungen entstehen, immer auch Ungenauigkeiten, die dem Einzelnen seine Indivi- dualität absprechen. Im Umkehrschluss kann man daraus aber auch schließen, dass sich unsere Schemata immer mehr ausweiten und immer elastischer werden, je ver- schiedenartiger unsere Erfahrungen sind. Das heißt, dass Interkulturelle Kompetenz sehr stark von der Vielfalt eigener Fremdheitserfahrungen abhängt. Umso mehr Ein- drücke man im Zusammenhang mit einer fremden Kultur erlangen kann, umso weni- ger fremd wird sie einem erscheinen. Denn nur das was, man nicht kennt, fühlt sich wirklich fremd an. Natürlich fällt es leichter das Andere zu akzeptieren, solange das Verhältnis dazu nur sporadisch ist (z. B. in Urlaubsreisen). Geht es allerdings darum sich selbst in einer fremden Kultur eine neue Lebenswelt einzurichten, so fällt diese Ak- zeptanz um einiges schwerer, da es zu einem Bruch mit der eigenen Sozialisationsge- schichte kommt. Denn dann geht es darum eine Akkommodation zu erreichen, das heißt, dass man sich an die Kommunikations- und Interaktionsregeln des Wahllandes anpasst. Im Idealfall wird eine Akkulturation erreicht, welche bedingt, dass man Werte, Normen und Einstellungen der fremden Kultur als seine eigenen deklariert. Dabei han- delt es sich aber um einen langwierigen Prozess, der vielleicht niemals vollkommen abgeschlossen werden kann. Fakt ist aber, dass man das Fremde nicht verstehen kann, wenn man das Eigene nicht reflektiert hat (vgl. Bolten 2007). Natürlich findet man sich in der Welt leichter und problemloser zurecht, wenn man die eigenen Ge- wohnheiten nicht reflektiert. Bei der Gegenüberstellung mit einer fremden Kultur kann einem plötzlich klar werden, dass manches, bisher als allgemeingültig angenommene, nicht zwangsläufig das Richtige sein muss. Diese Feststellung kann den Boden auf dem man steht durchaus ins wanken bringen. Dann ist es besonders wichtig sich auf der Suche nach neuen Orientierungsmustern intensiv mit dem Anderen auseinander- zusetzen um die eigene Identität finden zu können (vgl. Nick 2002). Dabei ist die inter- kulturelle Bildung von besonderer Bedeutung, sie will helfen, dass der „soziokulturelle [...] Horizont eines jeden Individuums erweiter[t]“ wird (Allemann-Ghionda 2013, S. 60). Die handlungsleitende Idee ist dabei die „Anerkennung, Gleichheit und gerechte Be- handlung aller“ (ebd.). Durch die interkulturelle Bildung sollen einige Ziele erreicht wer- den, beispielsweise die Wertschätzung der Mehrsprachigkeit und die Auseinanderset- zung mit den Phänomenen der Diversität. Dabei ist es wichtig, nicht jede fremdartige Handlung auf eine angebliche kulturelle Differenz zu projizieren, sondern vielmehr zu reflektieren, warum uns diese Verhaltensweise so fremd anmutet. Für diesen Verste- hensprozess ist der interkulturelle Dialog von immenser Bedeutung, denn durch die Metakommunikation (das Sprechen über Missverständnisse) können falsche Annah- men über fremdes Verhalten beseitigt werden und bieten somit kein Konfliktpotenzial mehr. Die Vertiefung interkultureller Sensibilität sowie der Abbau von Stereotypen sind ebenso erstrebenswert (vgl. Allemann-Ghionda 2013). Wenn diese Ziele erreicht wer- den, dann kann von interkultureller Kompetenz gesprochen werden. Bei der Betrach- tung der Intentionen der interkulturellen Bildung fällt auf, dass der Erwerb interkulturel- ler Kompetenz nicht als Lernziel, sondern vielmehr als Prozess zu verstehen ist. Grun- didee ist es dabei „das Miteinander von Menschen verschiedener Nationalitäten zu för- dern und zu erleichtern“ (Bolten 2007, S. 10). Die interkulturelle Kompetenz sollte aller- dings nicht als ein selbstständiger Kompetenzbereich angesehen werden, sondern vielmehr als „Fähigkeit, individuelle, soziale, fachliche und strategische Teilkompeten- zen in einer bestmöglichen Verknüpfung auf interkulturelle Handlungskontexte bezie- hen zu können“ (ebd., S. 87).

2.3 Der Differenzbegriff

Der Differenzbegriff, welcher einer historischen Veränderlichkeit unterworfen ist, hat im Laufe der Geschichte schon immer eine bedeutsame Rolle gespielt. Differenz bedeutet eben auch Ungleichheit und das wiederum bedeutet zugleich eine Über- und Unterord- nung der Menschen. Folglich implizierte die Differenz also eine ungleiche Verteilung von Rechten, Wohlstand und Bildung an die Gesellschaft, während „Gleichheit“ das maßgebliche Kriterium für Recht und Gerechtigkeit war. Gerade in der Französischen Revolution galt der Grundsatz, dass alle Menschen von Natur aus gleich geboren sind und ihnen daher auch die gleichen Rechte zustehen. In der griechischen Polis war der größte Teil der Bevölkerung (darunter Sklaven, Frauen und Ausländer) von Gleichheits- rechten ausgeschlossen, um die bestehende Hierarchie zu legitimieren. Im Mittelalter bedeutete „gleich“ Standesgleich. Diese Sozialordnung war von Gott gegeben und konnte deshalb auch nicht angezweifelt werden. Für die Menschen in niedrigeren Schichten gab es keine Chancen diese Standesgrenzen zu überwinden. Gegenüber dem Adel und dem Klerus waren die restlichen der Bevölkerung als „personae mino- res“ abgegrenzt. Das Fundament für die Gleichberechtigung bildeten damals die früh- christlichen Gemeinden, welche den Glauben an die Gleichheit vor Gott pflegten (vgl. Prengel 2006). Da der Differenzbegriff in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Gleichheit steht, müssen hier beide Begriffe definiert werden, denn „ohne die Gleichheit eines Kriteriums, […] sind genaue Angaben über Verschiedenheit nicht möglich“ (Prengel 2006, S. 32). Gleichheit bezieht sich niemals auf einen einzelnen Gegenstand allein, sondern auf die Verbindung zwischen mehreren. Menschen oder Gegenstände sind immer nur in ein paar Attributen gleich und in anderen wieder unterschiedlich. Daraus lässt sich ableiten, dass Gleichheit stets partiell und niemals totalitär ist, denn „absolu- te“ Gleichheit würde „Identität“ bedeuten (vgl. ebd.). „Im Identitätsbegriff kommt die weitestgehende Form der Übereinstimmung zum Ausdruck“ (ebd., S. 30). Realistisch gesehen beschreibt der Gleichheitsbegriff eine Form der Kongruenz von verschiede- nem in einigen Merkmalen. Der „Begriff der Gleichheit [ging allerdings] immer mehr zu- rück und geht in den neuen Gedanken der Gleichberechtigung über“ (ebd., S. 45). Bei dem Gedanken der Gleichberechtigung wird die Verschiedenheit und Individualität der Menschen anerkannt, was aber keine ungleiche und somit ungerechte Behandlung zur Folge hat. „Verschiedenheit spricht die gegebene Mannigfaltigkeit der Welt, der Perso- nen und Sachen, sowie deren unaufhörliche Veränderlichkeit an“ (ebd., S. 30). Diese unglaubliche Vielfalt an Unterschieden können wir allerdings nur eingeschränkt perzi- pieren, da unsere Wahrnehmung nicht in der Lage ist die vollkommene Vielfältigkeit an Eindrücken zu fassen. Die Unterschiede, die wir feststellen können, machen wir an ein paar wenigen Charakteristiken fest und sind das Ergebnis eines impliziten Prozesses des Vergleichens. In der Pädagogik gibt es vier Ansätze, die sich mit dem Differenzbe- griff auseinandergesetzt und Hypothesen aufgestellt haben.

1. Differenzhypothese: Diese besagt, dass Differenzen zwischen den Menschen und Kulturen kompensiert und somit behoben werden müssen. Hier spricht man von einer kompensatorischen Pädagogik, welche aber heute schon weitestgehend als überholt gilt.
2. Differenzhypothese: Sie betrachtet soziokulturelle und sprachliche Differenz als voll- kommen normal und sogar als Chance. Fremde Kulturen werden zwar als „anders“ be- trachtet aber niemals als defizitär. Diese Hypothese vertritt die Interkulturelle Pädago- gik.
3. Diversitätshypothese: Soziokulturelle und sprachliche Differenz werden zwar berück- sichtigt, aber zugleich werden andere Formen von Differenz, wie z. B. Religion, Indivi- dualität, Gender, betrachtet. Dies wird der Pädagogik der Diversität (Vielfalt) zugeord- net.
4. Egalitätshypothese: Dort treten die kulturellen Differenzen in den Hintergrund, sie werden lediglich beachtet, wenn es darum geht Diskriminierung zu bekämpfen. Denn Ziel dieser pädagogischen Richtung ist die vollkommene Gleichbehandlung (vgl. Alle- mann-Ghionda 2013). Begegnet uns ein Fremder, so wird fast schon reflexartig unter- schieden, ob unser Gegenüber Mitglied der Eigengruppe (engl. Ingroup) ist, was ein Zusammengehörigkeitsgefühl auslöst, oder einer Fremdgruppe (engl. outgroup) ange- hört, welche als „die Anderen“ betrachtet werden. Denn zunächst schätzen wir den Mensch nur anhand seiner äußeren Merkmale als Angehörigen einer Kultur ein und nicht als Individuum (vgl. Bierbrauer 1996). Man kann unter vier Differenzlinien unter- scheiden. Einmal die Kultur und Ethnie, welche sozial bestimmte Unterschiede, wie Ab- stammung, Kultur, Religion und Herkunftssprache beinhaltet. Zweitens das Ge- schlecht, sowie Gender und sexuelle Orientierung des Menschen. Drittens die Klasse, Schicht und das soziale Milieu, was am sozioökonomischen Status und dem Bildungs- niveau festgemacht werden kann. Zuletzt kann man Differenzen an individuellen, kör- perlichen, mentalen sowie seelischen Zuständen festmachen. Daraus lässt sich fol- gern, dass „jede Person […] ein Geschlecht [hat und], eine soziale Herkunft, [die Per- son] fühlt sich zu einer bestimmten kulturellen beziehungsweise ethnischen und sprachlichen, oft auch religiösen Gruppe zugehörig […] ist körperlich und mental unter- schiedlich ausgestattet und fähig“ (Allemann-Ghionda 2013, S. 59). Aus dieser komple- xen Heterogenität der Menschen ergibt sich eine Intersektionalität der Differenzlinien, was oftmals zu Diskriminierungen führen kann (vgl. ebd.). Viel wichtiger wäre es des- halb die radikale Pluralität der Individuen und Lebensweisen anzuerkennen und ihnen Wertschätzung zu schenken. Denn jedem sollte seine Eigenart zugestanden werden. „Die Wertschätzung der Pluralität bedeutet nicht eine Haltung der Indifferenz sondern Wertschätzung von Differenz“ (Bolten 2007, S. 49).

3. Das „Heroes-Projekt“

3.1 Klärung der relevanten Begriffe zum Projekt

3.1.1 Männlichkeit in patriarchalen Kulturen

„Männern mit Migrationshintergrund wird eine stärkere Traditionsverbundenheit, eine Verwurzelung mit ihren nicht-westlichen und (darum) als rückständig geltenden Her- kunftsländern nachgesagt“ (Baur 2008, S. 61). Allerdings ist die Einstellung, dass allein die ethnische Zugehörigkeit vormoderne Männlichkeitsideale bedingt, zu naiv und be- schränkt gedacht. Natürlich ist es so, dass in patriarchalen Kulturen, welche fälschli- cherweise ausschließlich mit dem Islam verbunden werden, die Rollenteilung zwischen den Geschlechtern sehr klar definiert ist. Die Frau ist für den häuslichen Bereich zu- ständig, während der Mann sich um den öffentlichen Bereich und die Erwerbstätigkeit kümmert. Männer müssen hart sein und materiell orientiert, während Frauen sensibel und bescheiden sein müssen. Oftmals wird dieses System von der nachfolgenden Ge- neration einfach unreflektiert reproduziert. Der absolute gehorsam gegenüber dem Va- ter und die Neigung zur Gewaltbereitschaft bei der Konfliktlösung sind durch kulturelle Dispositionen konstituiert (vgl. Baur 2008). Auch der Kollektivismus fordert eine bedin- gungslose Loyalität gegenüber der Familie. Denn durch die Geburt ist die kollektivisti- sche Gesellschaft zu einer geschlossene „Wir-Gruppe“ verbunden, welche vom Mann geschützt werden muss (vgl. Allemann-Ghionda 2013). Diese Sorge um die Familie übt allerdings einen immensen Druck auf den Mann aus, da dessen Ansehen mit dem der Familie verknüpft ist. Er muss die Ehre der Familie und somit auch seine eigene vertei- digen und ist nicht nur deshalb die letzte Instanz beim Treffen von Entscheidungen (vgl. Baur 2008).

3.1.2 Die Ehrenkultur

Das Ehrkonzept ist in sehr vielen Gesellschaften auf ähnliche Weise verbreitet. Rein oberflächlich betrachtet würde man es vorschnell ausschließlich den islamistischen Kulturen zuschreiben. In Wirklichkeit aber ist das Ehrkonzept auch in Vorderasien, Nordafrika und auch in dörflichen Regionen Italiens, Spaniens und Griechenlands ver- treten. Des weiteren findet man es in Pakistan, Afghanistan und sogar in christlichen Gemeinden Lateinamerikas, woran man sehr deutlich erkennen kann, dass es sich hierbei nicht allein um ein islamistisches Phänomen handelt. Ehre hat nur peripher mit Religion zu tun. Ehrenkulturen sind meist patriarchal und von Männern dominiert. Frau- en werden den Männern in ihrer Wertigkeit grundsätzlich untergeordnet (vgl. Oberwitt- ler/Kasselt 2011). Ehre ist ein Zeichen der Wertschätzung durch andere Menschen und ebenso Achtung, die dem Gegenüber durch Worte und Handlungen entgegengebracht wird.

[...]

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz in einer multikulturellen Gesellschaft
Sous-titre
Eine Auseinandersetzung mit themenrelevanten Problemen, gesellschaftlichen Hintergründen und didaktischen Aspekten im Rahmen eines interkulturellen Trainings
Université
University of Augsburg
Note
1,0
Auteur
Année
2013
Pages
26
N° de catalogue
V298539
ISBN (ebook)
9783656951162
ISBN (Livre)
9783656951179
Taille d'un fichier
533 KB
Langue
allemand
Mots clés
interkulturell, Erwachsenenbildung, Kulturbegriff, Differenzbegriff, interkulturelle Kompetenz, Kompetenz, Projekt, Projektarbeit, Fallstudie, Gesellschaftlicher Hintergrund, Männlichkeit, patriarchale Kultur, Ehrenkultur, didaktische Spirale, Konzept, Pädagogik, Jugendarbeit, Kultruprojekt, Ehre
Citation du texte
Sonja Trenker (Auteur), 2013, Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz in einer multikulturellen Gesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298539

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