Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Klärung der grundlegenden Begriffe
2.1 Begriffsklärung „Kommunikation“
2.2 Begriffsklärung „Konflikt“
2.3 Begriffsklärung „Nachricht“
3. Das Kommunikationsmodell nach Friedemann Schulz von Thun
3.1 Das vier-Seiten-Modell
3.2 Die vier Ohren einer Nachricht
3.2.1 Das Sach-Ohr
3.2.2 Das Beziehungs-Ohr
3.2.3 Das Selbstoffenbarungs-Ohr
3.2.4 Das Appell-Ohr
3.3 Mögliche Ursachen und Lösungen für Empfangsfehler
4. Betrachtung eines Fallbeispiels
4.1 Analyse eines Fallbeispiels anhand des vier-Seiten-Modells
4.2 Veränderung der Kommunikation im pädagogischen Handlungsfeld durch die Anwendung von „Kommunikationstricks“
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Grundsätzlich gilt: „Sprache verbindet!“, doch manchmal geschieht genau das Gegenteil! Der Gesprächspartner drückt sich nicht klar aus und so hegt man während eines Gesprächs plötzlich den Verdacht, dass der Gegenüber etwas sagt, was er so gar nicht meint. Als Zu- hörer ist man zunächst einmal irritiert. Dann beginnt man das Gesagte zu interpretieren, so passiert es leicht, dass ein zunächst harmloses Gespräch sich wie aus dem Nichts in einen Streit zu entwickeln scheint. So stellt sich die Frage, wie man kommunizieren sollte, damit die zwischenmenschliche Kommunikation auch wirklich gelingt. Gerade in pädagogischen Handlungsfeldern ist es wichtig, angemessen auf den Gegenüber zu reagieren, damit Miss- verständnisse umgangen werden. Das vier-Seiten Modell nach Friedemann Schulz von Thun (2013) legt sehr anschaulich dar, wie Fehlinterpretationen innerhalb der Kommunikati- on erkannt oder vermieden werden können. Die vorliegende Hausarbeit behandelt die Fra- gestellung, ob und inwiefern das Kommunikationsmodell, bei einem Klärungsgespräch im pädagogischen Kontext, Hilfe bietet. Zunächst werden die zentralen Begrifflichkeiten für den zugrundeliegenden Untersuchungsbereich definiert. Anschließend werden die theoretischen Grundlagen des Modells veranschaulicht, sowie mögliche Ursachen und Lösungen für Emp- fangsfehler dargestellt. Diese Grundlagen werden dann im weiteren Verlauf auf ein realisti- sches (aber dennoch frei erfundenes) Streitgespräch innerhalb eines pädagogischen Hand- lungsfeldes übertragen. Diese Gesprächssituation wird darauffolgend analysiert und mögli- che Verbesserungen werden anhand des Kommunikationsmodells veranschaulicht. Die Ar- beit wird durch ein abschließendes Fazit zur Alltagstauglichkeit des Modells innerhalb des pädagogischen Kontextes abgerundet.
2. Klärung der grundlegenden Begriffe
2.1 Begriffsklärung „Kommunikation“
Wir „leben heute in einer Gesellschaft, die im wesentlichen nur durch Kommunikation auf al- len Ebenen und in allen ihren Bezirken funktioniert. Wenn heute von Globalisierung gespro- chen wird, so ist dieser Vorgang internationaler ökonomischer Zentralisierung das Ergebnis weltweit operierender Kommunikationsnetze“ (Retter 2000, S.10). Diese „Netze“ sind von unglaublicher Wichtigkeit und viel weitreichender als man es sich vorzustellen vermag. In dieser Arbeit soll vor allem die Komplexität der Kommunikationsnetze des Alltags, innerhalb der pädagogischen Handlung, betrachtet werden. Im Allgemeinen gilt, dass das Wort „Kom- munikation“ etymologisch vom lateinischen „communicatio“ abstammt, dies bedeutet über- setzt so viel wie „Mitteilung“. Diese Mitteilung setzt sowohl einen Sender, als auch einen Empfänger voraus, zwischen denen eine Nachricht ausgetauscht werden kann. Dies wie- derum bedeutet, dass Kommunikation stets zwischen mindestens zwei Personen stattfindet (vgl. Schmidt 2011). Der Sender tradiert in seiner Mitteilung im weitesten Sinne Informatio- nen, „wobei „Übermittlung“ ein formales Strukturmoment, „Information“ ein inhaltliches Mo- ment bezeichnet“ (Retter 2000, S. 11). Menschen haben die unterschiedlichsten Gründe für den Austausch von Informationen. Manche möchten dadurch ihre Bedürfnisse äußern, Be- ziehungen aufbauen oder auch den Diskutant beeinflussen. Um diese Ziele erreichen zu können, muss sich die Nachricht erst einmal ihren Weg vom Sender zum Empfänger bah- nen. Die Übermittlung kennt verschiedene Übertragungswege: Die Nachricht kann durch Sprache, Schrift, Gesang, aber auch durch nonverbale Methoden, wie Blickkontakt, Mimik, Gestik oder beredetes Schweigen übertragen werden (vgl. Becker / Becker 2004). Zentral ist dabei zu wissen, „man kann nicht nicht kommunizieren. Egal was wir tun, in Gegenwart anderer Menschen verhalten wir uns immer. Und unser Verhalten hat eine Wirkung. Auch wenn wir schweigen“ (Schmidt 2011, S. 57). Ob die Wirkung, die beim Empfänger erzielt wird, auch die ist, welche durch das Verhalten erhofft war, hängt davon ab, ob der Empfän - ger die Mitteilung auch richtig verstanden hat. Das Verstehen einer Nachricht ist einerseits von der Beziehung der Gesprächspartner und andererseits von deren Vorerfahrungen aus der Kindheit abhängig (vgl. Becker / Becker 2004). In der Kindheit wird unser Kommunikati- onsstil nachhaltig geprägt. Das soziale Milieu, aus dem man stammt und der von den Eltern übermittelte Habitus bedingen eine gewisse Gangart innerhalb des Kommunikationsverhal- tens. Dass diese Gangarten sich differenzieren können macht die Kommunikation so stör- anfällig. Der Sender muss die Informationen, welche er transferieren möchte codieren, das meint, dass er sie in ein anderes System der Darstellung überträgt. „Codieren [bedeutet], Gesprochenem Sinn verleihen; Decodieren bedeutet, Gesprochenem Sinn entnehmen “ (Retter 2000, S. 11). Insbesondere dann, wenn die Kommunikation konflikthaft verläuft, wird offensichtlich, dass die Decodierung nicht einfach nur der rückläufige Prozess des Codie- rens ist. Nicht zuletzt wegen des sich unterscheidenden Gesprächshabitus der Kommuni- zierenden entsteht eine Diskrepanz zwischen der ursprünglichen Aussage und dem vom Empfänger darin eingelegten Sinn (vgl. ebd.). Aber auch die gleichzeitig verbal und nonver- bal gesendeten Botschaften können differenzieren, sich regelrecht gegenseitig widerspre- chen. Dies bezeichnet man als eine Doppel-Botschaft, welche oft zu Verwirrung und Konflik- ten führt (vgl. Schmidt, 2011).
2.2 Begriffsklärung „Konflikt“
Allgemein versteht man unter einem „Konflikt“ die Kollision zweier disparater Handlungsten- denzen oder Meinungen. Wenn ein Konflikt eskaliert, wird meist der eigentliche Streitgrund aus den Augen verloren und das Gespräch immer mehr personalisiert (vgl. Becker / Becker 2004). Man beginnt die Aussagen des Gegenüber als Angriff gegen die eigene Person zu werten, tritt deshalb in eine Abwehrhaltung, um weniger verletzbar und angreifbar zu sein. Man kann Konflikte in „innere (seelische) und äußere (zwischenmenschliche oder soziale) Konflikte“ (Berkel 2005, S.13) einteilen. Es gibt also sowohl „intrapersonelle“ als auch „inter- personelle Konflikte“. Intrapersonelle Konflikte bestreitet man mit sich selbst. Dies zeigt sich auch in dem Sprichwort, dass in jeder Brust zwei Seelen zu wohnen scheinen. Diese zwei Seelen stehen hierbei in Konflikt miteinander, sie müssen sich in einem sogenannten „inner- lichen Streit“ meist auf eine Handlungsalternative einigen und Kompromisse schließen, da- mit man wieder mit sich selbst im Einklang stehen kann. Zwischenmenschliche Konflikte fin- den immer zwischen zwei Personen statt, während von sozialen Konflikten dann die Rede ist, wenn mehr als zwei Personen betroffen sind. Die Interaktion dieser Menschen ist im Konfliktfall von Skepsis, Zweifel und Argwohn, bis hin zu Animosität gekennzeichnet. Das hat zur Folge, dass die Interaktionspartner zunehmend psychisches, aber auch physisches Unwohlsein empfinden. Sie fühlen sich durch den Gegenüber beleidigt und in ihrem Fühlen, Denken und Agieren beeinträchtigt. Die geläufigsten Konfliktkategorien sind der Interes- senskonflikt, Zielkonflikt, Rollenkonflikt, Wertkonflikt und der Beziehungskonflikt (vgl. Mahl- mann / Dulabaum / Rink 2009). „Die Unterscheidung der Konfliktarten dient dem pragmati- schen Zweck, den Konfliktschwerpunkt zu definieren und damit die Energien in eine Rich- tung zu lenken. Sie unterstützt die Anstrengung, die Auseinandersetzung gezielt und kon- struktiv zu führen“ (ebd., S. 52). Beim Beziehungskonflikt ist das Thema und der Auslöser des Streits die Beziehung zwischen den Personen selbst. Diese persönliche Komponente macht die Konfliktsituation besonders explosiv und brisant, aber auch spannend. Ein Kon- flikt bahnt sich meist langsam an, er beginnt mit sich unterscheidenden Meinungen oder Einsichten und befindet sich dabei noch auf der sachlichen Ebene. Kommt es allerdings zu Dissonanzen in der Beziehung der Konfliktpartner, so steigt die Ungeduld der am Konflikt beteiligten, wohl proportional zur Gereiztheit, an (vgl. ebd.). Die „negativen Gefühlslagen verstärken sich wechselseitig, weil sie als Provokation gedeutet werden“ (ebd., S. 59). Je provokanter die Aussagen werden, desto mehr treten die Beziehungsaspekte innerhalb des Konflikts in den Fokus. Meist wird schon längst nur noch ein Konfliktüber den Konflikt ge- führt, da jede Partei die Uneinigkeiten anders deutet. Eine Konfliktbewältigung ist nicht so einfach zu erreichen, denn dafür müsste zunächst einmal Einigkeit über die Ursachen des Streits herrschen, damit auf einer gemeinsamen Basis nach Kompromissen gesucht werden kann (vgl. ebd). Aufgrund dessen ist es grundlegend, eine gewisse „Konfliktfähigkeit“ auszu- bilden, das bedeutet, „Konflikte frühzeitig zu erkennen [und] zu prüfen wie sie mit dem Ziel eines gerechten Ausgleichs reguliert werden können. Das hat seinerseits die Verantwor- tungsbereitschaft und die Handlungsfähigkeit zur Voraussetzung, sowie die realistische Ein- schätzung der Folgen von Handlungsentwürfen“ (Becker / Becker 2004, S. 81-83). Der Be- griff der „Konfliktbewältigung“ ist dafür treffender, als der, der „Konfliktlösung“. Ein Konflikt wird nämlich niemals vollkommen und restlos beseitigt. Er existiert weiterhin, kann aber be- wältigt werden. „Konfliktlösung“ erweckt eher den Eindruck, Konflikte in Luft aufzulösen oder die widerständige Partei verschwinden lassen zu können. Dies ist eine zu radikale Ansicht, von der man sich distanzieren sollte. Wir können sie uns schon allein auf Grund unseres historischen Erbes (Ein Beispiel ist hierfür „Die Endlösung“ unter den Nationalsozialisten) nicht mehr leisten. Deshalb ist es ratsam auf den Begriff der „Konfliktlösung“ zugunsten der „Konfliktbewältigung“ gänzlich zu verzichten (vgl. Berkel 2005).
2.3 Begriffsklärung „Nachricht“
Eine Nachricht setzt sich rein formal betrachtet aus aneinandergereihten Zeichen (Lauten) zusammen, welche in der Summe eine grammatikalische Struktur aufweisen. Inhaltlich be- trachtet besteht die Nachricht aus Informationen (vgl. Retter 2000). Diese Informationen werden in verbale Zeichen übersetzt, welche sich im Laufe der Zeit zu signifikanten Symbo- len transformieren. Zeichen werden immer dann zu Symbolen, wenn sie bedeutungshaltig sind. Das Besagt, dass Sprache aus einer Reihe von signifikanten Symbolen besteht, die sich dadurch auszeichnen, dass sie innerhalb eines bestimmten Kollektivs als universal gel- ten und gleich gedeutet werden. Erst das macht die verbale Kommunikation überhaupt so differenziert möglich. Eine Nachricht besteht allerdings nicht ausschließlich aus verbalen Symbolen. „Die <<Nachricht>> ist das ganze vielseitige Paket mit seinen sprachlichen und nicht-sprachlichen Anteilen“ (Schulz von Thun 2013, S. 36). Im englischen bedeutet „messa- ge“ sowohl „Nachricht“ als auch „Botschaft“. Im deutschen muss man zwischen diesen bei- den Begrifflichkeiten allerdings nochmals differenzieren. Eine „Botschaft [ist] die bedeu- tungsvolle Nachricht, das heißt eine Nachricht, der ein besonderer Kontext zu Grunde liegt“ (Retter 2000, S. 18). Das Impliziert, dass jeder Mitteilung (Nachricht) ein bestimmter Sinn eingelegt wird, dessen Verständnis allerdings erst im Kontext der Gesamtsituation möglich wird (vgl. ebd.). Der Sender möchte also durch Kommunikation etwas mitteilen, dafür ver- schlüsselt er seine Informationen in signifikante Symbole, sodass eine Nachricht entsteht. Nun liegt es am Empfänger der Nachricht, dieses Paket an Zeichen zu entschlüsseln. Der Sender hat ausschließlich über den Weg der Rückmeldung (Feedback), die Möglichkeit zu überprüfen, ob seine Sende-Intention mit dem Empfangsresultat konvergiert. Denn es ist eine Grundtatsache des Lebens, dass eine Nachricht zur gleichen Zeit nicht nur eine, son- dern immer viele Botschaften enthält. Diese Fülle an Bedeutungs- und Auslegungsmöglich- keiten macht die zwischenmenschliche Kommunikation so störanfällig und diffizil (vgl. Schulz von Thun 2013). Der Uneindeutigkeit der Nachricht liegt stets eine wörtliche und eine latente Bedeutung zu Grunde. Dass jemand etwas anderes sagt, als er tatsächlich meint, ist äußerst verwirrend und kann leicht zu Empfangsfehlern führen. Die Nachricht ist so der Interpretation des Empfängers ausgeliefert, welche sehr subjektiv und variabel sein kann. „Man könnte geneigt sein anzunehmen, dass die expliziten Botschaften die eigentli- che Hauptbotschaft sind, während die impliziten Botschaften etwas weniger wichtig am Rande mitlaufen. Dies ist keineswegs der Fall. Im Gegenteil - die <<eigentliche>> Haupt- botschaft wird oft implizit gesendet“ (vgl. Schulz von Thun 2013, S. 36). Wenn verbale und nonverbale Anteile einer Nachricht sich gegenseitig widersprechen, so nennt man das eine inkongruente Nachricht, da die Signale in unterschiedliche Richtungen verlaufen. Dies ist für den Empfänger de facto sehr abstrus, da bei der Interpretation das Augenmerk entweder auf die Mitteilungsebene oder auf die Metaebene gelegt werden kann. Was für den Empfän- ger Konfusion bedeutet, hält für den Sender gewisse Vorteile bereit. Er muss sich bei seiner Aussage nicht vollkommen festlegen. Er hat seine latente Absicht nicht explizit geäußert, deshalb ist er in der Lage notfalls zu dementieren: „So habe ich das doch gar nicht gemeint!“. Inkongruente Nachrichten werden vor allem dann gesendet, wenn die Selbstklä- rung des Senders noch nicht vollkommen abgeschlossen wurde und er mit sich selbst nicht ganz im Reinen ist. Sie sind die Verschmelzung aus zwei divergenten Botschaften, die von unterschiedlichen Persönlichkeitsinstanzen ausgehen. Inkongruente Nachrichten fungieren sozusagen als ein Kompromissprodukt für den Sender. Um Missverständnissen innerhalb der Kommunikation vorzubeugen, ist es empfehlenswert, ein Bewusstsein für die Vielseitig- keit einer Nachricht zu entwickeln und das Botschaftengeflecht unter der kommunikations- psychologischen Lupe, nach Schulz von Thun, differenziert zu betrachten (vgl. ebd.).
3. Das Kommunikationsmodell nach Friedemann Schulz von Thun
3.1 Das vier-Seiten-Modell
Bei einer Nachricht wird stets nur ein Gesichtspunkt explizit formuliert, während die drei wei- teren Aspekte implizit mitschwingen. Um eine Nachricht verstehen und begreifen zu kön- nen, sind Menschen sofort dazu geneigt diese zu interpretieren, dadurch besteht ein großes Konfliktpotential. Das Modell ist durch Bühler (1934) und Watzlawick (1969) inspiriert. Büh- ler differenziert „drei Aspekte der Sprache“ und Watzlawick kennt den Inhalts- und Bezie- hungsaspekt von Nachrichten. Die Mitteilung besteht nach Schulz von Thun aus sogar vier unterschiedlichen Seiten: Die Sachseite, die Selbstoffenbarungsseite, die Beziehungsseite und die Appellseite (vgl. ebd.). Die vier Seiten einer Nachricht sollen anhand eines einfa- chen Beispiels veranschaulicht werden : Eine Mutter sagt zu ihrer 14-jährigen Tochter, die gerade das Haus verlassen möchte, um sich mit Freunden zu treffen: „ Sei heute Abend bit- te bis spätestens 21 Uhr wieder zu Hause, ja? “ Die Sachseite enthält Sachinformationen und immer dann, „wenn es um <<um die Sache>> geht, steht diese Seite der Nachricht im Vordergrund - oder sollte es zumindest“ (ebd., S. 28). Betrachtet man das Obige Beispiel unter der kommunikationspsychologischen Lupe, so steckt darin einmal die reine Sachinfor- mation, also eine Zeitangabe, zu welcher die Tochter zu Hause sein sollte. Allerdings hat jede Nachricht auch eine Selbstoffenbarungsseite, welche Aufschluss über die Person des Senders selbst gibt. Das heißt also, dass der Sender durch seine Nachricht ein Stück seiner Selbst offenbart, sei es durch die bewusste Selbstdarstellung oder die unfreiwillige Selbst- enthüllung. Anhand des Beispiels erfährt man also auch über die Mutter, dass sie offensicht- lich um ihre Tochter besorgt ist, obwohl sie dies nicht explizit sagt. Des Weiteren ist in dieser Nachricht die Beziehungsseite enthalten, aus dieser geht hervor, was der Sender vom Emp- fänger hält und wie er zu ihm steht. Dies zeigt sich oft auch durch nonverbale Zeichen, wäh- rend der Kommunikation. Diese Seite ist besonders empfindlich, da hierbei die Beziehung zum Empfänger zum Ausdruck gebracht wird. Um den Identitätsgrad der Nachricht als an- gebracht zu befinden, ist eine gemeinsame Beziehungsdefinition von Nöten. Es wäre bei- spielsweise unangebracht gegenüber dem eigenen Chef einen zu freundschaftlichen Ton anzuschlagen, diesen würde er sicherlich als unangemessen empfinden. Der Unterschied der Beziehungsseite zur Selbstoffenbarungsseite liegt darin, dass die Selbstoffenbarungs- ebene meist ich-Botschaften enthält, während die Beziehungsseite Du- und Wir-Botschaften aussendet (vgl. Schulz von Thun 2013). Die Aussage der Mutter könnte also auf der Selbstoffenbarungsseite lauten: „Ich bin um dich besorgt.“, während die Beziehungsseite die Person der Tochter betrifft: „Du bist noch zu jung um länger wegzubleiben.“ Diese Seite der Nachricht ist besonders störanfällig, deshalb sollte man als Sender stets reflektiert mit Be- ziehungsbotschaften umgehen. Es ist äußerst selten, dass etwas einfach nur so gesagt wird, meistens ist mit der Nachricht auch eine gewisse Absicht verbunden. Man kann durch seine Aussage Einfluss auf den Empfänger gewinnen. Somit ist es möglich, den Gegenüber direkt oder indirekt zum Tun oder Unterlassen gewisser Handlungen zu veranlassen (vgl. ebd.). Die Mutter möchte ihre Tochter in diesem Beispiel zum Gehorsam auffordern. Die Tochter soll sich nicht verspäten und sich an den Befehl der Mutter halten (vgl. Abb. 1).
3.2 Die vier-Ohren einer Nachricht
Bei einer gesendeten Nachricht sind, wie bereits erklärt, stets alle vier Seiten vertreten. Der Sender muss sie alle beherrschen, damit Kommunikationsstörungen vorgebeugt wird. Aller- dings ist der störungsfreie Ablauf der Kommunikation nicht allein vom Sender abhängig. Auch der Empfänger leistet dafür seinen Beitrag. Im Gegensatz zu richtigen Paketen, die wir bei der Post abgeben können, entspricht der abgesendete nicht immer dem empfange- nen Inhalt (vgl. Schulz von Thun 2013). „Je nachdem auf welcher Seite er [(der Empfänger)] besonders hört, ist seine Empfangstätigkeit eine andere“ (ebd., S. 48). Der Empfänger ist schon biologisch mit nur zwei Ohren mehr als unzureichend ausgestattet, eigentlich bräuch- te er vier, um auf jeder Seite gleichermaßen gut hören zu können! Der Mensch hört zwar prinzipiell mit allen vier Ohren gleichzeitig, aber sie sind niemals gleich groß ausgebildet. Deshalb ist die Nachricht stets einer Interpretation unterzogen. Dieser Vorgang ist beson- ders dann problematisch, wenn der Empfänger auf eine Seite reagiert, welche der Sender ursprünglich gar nicht ansprechen wollte.
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