Extracto
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil I
1. Tae-Il Chuns Selbstverbrennung am 13. November 1970
2. Tae-Il Chuns Lebenslauf
3. Die ΒΑΒΟ- und SAMDONG-Arbeiterschaften
4. Verbrennung von Arbeitsgesetzen als Demonstration gegen Arbeitsbedingungen
Teil II
1. Die Arbeiterbewegung um 1970
2. Die Arbeiterbewegungen in der Periode ab 1980
Schlussfolgerungen
Anhang:
Tae-Il Chuns „Testament"
Literatur
Einleitung
Nach einer Statistik des IMF betrug das GDP Südkoreas im Jahr 2014 1449,5 Milliarden US- Dollar (an 13. Stelle weltweit), pro Person 28.739 US-Dollar (an 29. Stelle weltweit). Die großen koreanischen Firmen wie Samsung oder LG bieten den etablierten westlichen Firmen auf den Weltmärkten Paroli. Als Beispiel dafür mag der Kampf zwischen Samsung und Apple um Patent- und Designrechte für Smartphones gelten. Auch auf kulturellem Gebiet ist Südkorea inzwischen ein Schwergewicht. Koreanische TV Dramen und auch koreanische Popmusik (Stichwort K-Pop) sind nicht nur in Asien beliebt. Diese kulturelle Bewegung wird unter dem Begriff Korean Wave (Hanryue) zusammengefasst. Doch hinter dieser äußerlichen Fassade des Erfolgs verbirgt sich eine Vielzahl an Problemen, die in der koreanischen Öffentlichkeit nicht thematisiert werden. Fragen wie, welche Opfer wurden von welchen Bevölkerungskreisen erbracht, um die beispiellose wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen? Haben die Teile der Bevölkerung, die die meisten Opfer gebracht haben, in der Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs auch adäquaten Anteil am geschaffenen Wohlstand erfahren? Wenn nicht, was wurde unternommen, um das Ungleichgewicht zu beseitigen bzw. was sollte in dieser Sache unternommen werden.
Wird nach dem Grund tur das südkoreanische Wirtschaftswachstum gefragt, wird zumeist als Grund die Wirtschaftsentwicklung durch die fünfjährigen Rahmenpläne seit I960 genannt. Diese Art der Entwicklung wurde unter Präsident Jung- Hee Park eingeführt. Der Erfolg wurde auch als „Wunder am Han Fluss“ bezeichnet, der die Hauptstadt Seoul in einen nördlichen und südlichen Teil trennt. Trotz dieser positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung über Jahrzehnte sindjedoch die sozialen Probleme infolge der ungleichmäßigen Verteilung der Früchte des Wachstums geblieben: Auf der einen Seite genießt eine kleine Gruppe der Koreaner einen, auch im Maßstab der etablierten Industrienationen, beachtlichen Reichtum. Auf der anderen Seite leidet die überwiegende Zahl der Koreaner unter der Ungleichheit der Vermögensverteilung. Eine Mittelstandschicht fehlt fast vollständig. Diese Gesellschaftsstrukturen haben im Laufe der Jahre auch den Arbeitsmarkt geformt. Im Rahmen der sogenannten Regierungspolitik der „Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt“ , die seit den 90er Jahren verstärkt betont wird, gab es keinen Platz für die sozial Schwachen. Sie zeugte von völliger Unkenntnis oder Ignoranz der realen Bedingungen. Als Faustformel für die weltweite Verteilung des
Reichtums mag dienen das 1% der Bevölkerung über 99%[1] des gesamten Vermögens verfügen. Dies trifft auch auf Korea zu, als eine Folge der Umverteilung im Zuge des in den 60er Jahren begonnenen Wirtschaftswachstums. Diese ungleiche Verteilung strahlt bis in den koreanischen Justizapparat aus. Eine Art Gewohnheitsprinzip besagt: Wer Geld hat, geht nicht ins Gefängnis, auch bei Vorliegen einer schweren Straftat. Das bedeutet auch, wer kein Geld hat, bekommt auch für leichte Straftaten eher eine Gefängnisstrafe. „Geld ist Alles“ ist im Unterbewusstsein der Koreaner präsent.
Schon in den 60er Jahren griff unter den Arbeitern Unzufriedenheit über die mangelnde Teilhabe am neu entstehenden Wohlstand um sich. Es kam jedoch noch nicht zu einer kollektiven Bündelung und Äußerung des Protestes. Dies geschah erst in den 70er Jahren. Ausgangspunkt der Arbeiterbewegung der 70er und 80er Jahre war der Selbstmord des Schneiders TAE-IL CHUN. Seine letzten Worte „Mein Tod soll nicht umsonst sein“, entzündeten die Proteste, denen sich auch die Studentenbewegung anschloss. TAE-IL CHUN starb am 13. November 1970 im Alter von 22 Jahren an den Folgen seiner Selbstverbrennung. Er hatte als Schneider auf dem traditionellen Pyounghwa Markt gearbeitet. Auf dem Weg zu seinem Selbstopfer schrie er unter anderem: „Das Arbeitsgesetz muss eingehalten werden!“
Das Schicksal des Schneiders TAE-IL CHUN war vielen ein Dorn im Auge, aber auch eine schwere Bürde für die koreanische Arbeiterbewegung. Er hat bei den meisten Arbeitern die Hoffnung auf ein besseres Leben geweckt. In den 60er und 70er Jahren besaßen sie keine Kenntnisse der Arbeitsgesetzgebung und wussten nicht, wie ein Arbeitskampf zu führen war. TAE-IL CHUN war wie ein Signalfeuer für die Arbeiter.
Dieses Buch analysiert den koreanischen Arbeitsmarkt, ausgehend von den Vorgängen um TAE-IL CHUN, dessen Freitod die Arbeiterbewegung der 70er und 80er Jahre entfacht hat. Die zentrale Fragestellung lautet: Wie hat sein Beispiel den Arbeitsmarkt geprägt und was ist sein Vermächtnis?
Teil I
TAE-IL CHUN
Der erste Teil der Arbeit behandelt die Person TAE-IL CHUN und die Hintergründe seiner Selbstverbrennung. Zunächst wird untersucht, wie sein Interesse für die Arbeiterbewegung entstanden ist Aus seinem Lebensweg heraus wird dann sein Opfer vom 13. November 1973 analysiert. Es wird die Frage diskutiert, ob die Tat aus individuellen Gründen erfolgte oder auf sozialen und politischen Gegebenheiten gründete.
1. TAE-IL CHUNS SELBSTVERBRENNUNG AM 13. NOVEMBER 1970
„Die Selbstverbrennung des Tae-Il Chun am 13, November 1970“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Seite 7 der Tageszeitung Kyunghyang vom 14. November 1970
„Ein Schneider des traditionellen Pyounghwa- Marktes hat sich aus Protest gegen die schlech- ten Arbeitsbedingungen selbst verbrannt und ist an den Folgen im Krankenhaus gestorben “
„Am Nachmittag des 13. gegen 14 Uhr hat sich der Schneider Tae-Il Chun ( Wohnsitz in Seoul ,Ssang- mundong 208 Sengbukgu) bei einer geselligen Zusammenkunft an der Vorderseite des traditionellen Pyounghwa Marktes in Uljiro 6, Junggu Seoul, mit Benzin zu verbrennen versucht. Er ist im National Medical Center des katholischen Krankenhaus gegen 22 Uhr gestorben. Er wollte Arbeitsgesetze verbrennen. Als er davon abgehalten wurde, hat er sich gleich selbst angezündet..“
Am 13. November 1970 gegen 14 Uhr haben sich ca. 500 Arbeiter vor der Kukmin-Bank am Pyounghwa- Markt[2] versammelt. Die Mitglieder der SAM- DONGHAE haben sich auf dem Flur im 3. Stock eines in Sichtweite befindlichen Gebäudes vor der Polizei versteckt und beobachten die Situation draußen aufmerksam. TAE-IL CHUN ist unter ihnen. Mit einem Transparent auf dem steht „Wir sind keine Maschinen“ wollen er und seine Mitstreiter aus dem Gebäude auf die Straße gehen. Aber schon im Treppenhaus werden sie von der Polizei aufgehalten, das Transparent wird zerrissen. Die Gruppe muss sich wieder ins Gebäude zurückziehen. Etwa 10 Minuten später kommt Tae-Il Chun alleine auf die Straße In Händen hält er ein Arbeitsrechtsbuch. Flammen beginnen, an seinem ganzen Körper aufzulodern. So rennt er Richtung Kukmin-Bank, wo die anderen Arbeiter stehen und schreit auf dem Weg:
„Das Gesetz zum Arbeitsstandard muss eingehalten werden“
„ Wir sind keine Maschinen!“
„Der Sonntag muss arbeitsfrei sein!“
„Man darf die Arbeiter nicht unmenschlich behandeln!“
Danach ist er hingefallen und hat aus allem Kräften geschrien: „Mein Tod soll nicht umsonst sein!“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine Selbstverbrennung ist zutiefst anormal und unvorstellbar im normalen Alltagsleben. Trotzdem ist es am 13. November 1970 in Seoul passiert. Allen Koreaner sollte sich die Frage nach dem warum stellen.
Für die eine emotionsfreie Untersuchung des Vorgangs bietet sich das journalistische Vorgehen an, die 6 W-Fragen zu stellen:
1. Was geschah?
Ein Mann hat sich selbst verbrannt.
2. Wer ist beteiligt?
Chun Tae-Il
3. Wo geschah es?
Auf dem traditionellen Pyounghwa-Markt in Seoul.
4. Wann geschah es?
Am 13. November 1970.
5. Wie geschah es?
Die Person ist mit lodernden Flammen auf der Kleidung aus einem Gebäude gekommen.
6. Warum geschah es?
Die Person verlangte die Einhaltung der Arbeitsgesetze.
2. TAE-IL CHUNS LEBENSLAUF
Wer war TAE-IL CHUN?
Was sind die Hintergründe seiner Selbstverbrennung?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tae-Il Chun: Tae-Il Chun Stiftung (http://www.chuntaeil.org)
TAE-IL CHUN wurde am 26. August 1948 in Daegu/Südkorea geboren und ist am 13.November 1970 in Seoul gestorben. Ab dem Jahr I960 besuchte er die Namdaemun Grundschule im Herzen von Seoul und wechselte im Jahr 1963 auf die Höhere Zivilschule Chongok in Daegu. Den Besuch der höheren Schule musste er aber abbrechen. Er wuchs bei seinen Eltern zusammen mit 2 Schwestern und einem Bruder auf. Als Beruf ist Schneider eingetragen.
Wer war TAE-IL CHUN?
TAE-IL CHUN wuchs unter ärmlichen Verhältnissen auf. Die Familie konnte sich seinen Besuch der höheren Schule nur kurz finanziell erlauben. Im Jahr 1964 nahm er eine Anstellung als Aushilfe bei einem Bekleidungshersteller auf dem Pyounghwa Markt an. 1965 wurde er mit 17 Jahren Nähmaschinenhelfer bei Samilsa. Im Jahr 1966 wechselte er als Nähmaschinenbediener zu Tongilsa und wurde 1967 Schneider bei Hanmisa.
Woher kam sein Interesse für die Arbeiterbewegung und wann fing es an?
Im Jahr 1965 kam TAE-IL CHUN als Nähmaschinenhelfer mit jungen Arbeiterrinnen zusammen und beobachtete ihre schwierigen Arbeitsbedingungen wie niedrige Löhne, schlecht eingerichtete Arbeitsplätze und ein Übermaß an Arbeit. Dieses Milieu erwies sich als Nährboden für seinen Kampfgeist. Besonders prägte ihn das Erlebnis, als eine Arbeiterin, die wegen Überarbeit eine Lungenentzündung als Arbeitskrankheit erlitt, einfach entlassen wurde. Weil er sich ihr die Kranke einsetzte, wurde auch er entlassen. Das war im Sommer 1966.
Im 17. August 1966 wurde er dann als Schneidergehilfe bei Hanmisa angestellt und am Ende des Jahres selbst zum Schneider befördert. Sein Vorgänger war nach Streit mit dem Chef entlassen worden.
Die Position eines Schneiders hatte große Bedeutung für TAE-IL CHUN. Er glaubte, so anderen Arbeitern helfen zu können. Seitdem er die wahre Lage der Arbeiter auf dem Pyounghwa Markt vor Augen hatte, überlegte er, wie sich die Situation der sozialen schwachen Arbeiter verbessern ließe. Um anderen helfen zu können, benötigte er eine angemessene Position. Das war die Position Schneiders.
Schneider war in der Hierarchie derjenige, der für die Arbeiter mit dem Chef den Lohn aushandelte, und auch ein Mitspracherecht bei der Festlegung der sonstigen Arbeitsbedingungen besaß. Aber die meisten Schneider stellten sich nicht auf die Seite der Arbeiter sondern vertraten die Interessen der Arbeitgeber TAE-IL CHUN hatte die Wichtigkeit dieser Position erkannt und bewusst mit der Absicht angestrebt, die Arbeiter gegenüber dem Arbeitgeber zu unterstützen.
Im Jahr 1968 bekam er durch Zufall das Gesetz zum Arbeitsstandard in die Hände, das zum Schutz der Arbeiter erlassen worden war. Nachdem er den Gesetzestext einschließlich der Kommentare mehrmals gelesen hatte, erkannte TAE-IL CHUN, dass die reale Situation der Arbeiter nicht den Minimalforderungen genügte, die das Gesetz garantierte. Um diese Situation zu verbessern und dem Gesetz Geltung zu verschaffen, gründete er im Juni 1969 einen Zusammenschluss Betroffener, die BABO-Arbeiterschaft. Diese Organisation gilt als die erste Arbeiterbewegung auf dem Pyounghwa Markt. Mit dieser Gründung wollte TAE-IL CHUN die anderen Arbeiter über den Inhalt des Arbeitsgesetzes aufklären und die Kluft zwischen den realen Arbeitsbedingungen und der Intention des Gesetzes verringern.
3. DIE ΒΑΒΟ- UND SAMDONG-AR- BEITERSCHAFTEN
Die BABO-Arbeiterschaft (=Dummeleute-Arbeiter- schaft) wurde im Jahr 1968 von TAE-IL CHUN gegründet. Im Juni 1969 hielt die Organisation ihre Gründungsversammlung in einem chinesischen Restaurant in der Nähe der Duksu-Mittelschule im Zentrum von Seoul ab. Das Ziel der Arbeiterschafts war die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Es ist überliefert, dass TAE-IL CHUN den Namen BABO aufbrachte. Der Vorschlag wurde ohne Gegenstimmen angenommen.
Wie kam TAE-IL CHUN auf den Gedanken, eine solche Bezeichnung zu wählen?
Der Name selbst drückt schon Protest aus, Protest gegen die eigene Behandlung. Die meisten Arbeiter wurden von ihrem Arbeitgeber als Dummköpfe angesehen und auch entsprechend behandelt und ausgebeutet. Obwohl ihnen von Rechts wegen eine menschliche Behandlung zusteht, werden sie von der überwiegenden Zahl der Arbeitgeber wie Maschinen behandelt, ungerecht und sogar misshandelt. Trotz dieser erniedrigenden Bedingungen erhebt kaum jemand der Betroffenen seine Stimme gegen diese Missstände. Aus diesem Grunde bezeichnet er die Arbeiter selbstkritisch als Dummköpfe. Die Bezeich nung soll sie aufrütteln und zugleich motivieren, gegen das ihnen täglich widerfahrende Unrecht zu kämpfen und die Bezeichnung dadurch hinter sich zu lassen.
TAE-IL CHUN wurde in der ersten Sitzung zum Vorsitzenden der BABO Arbeiterschaft gewählt. Er legte folgenden Leitfaden für die Tätigkeit seiner Arbeiterschaft vor[3]:
1. Wir kämpfen für die 30.000 Arbeiter des Py- ounghwa Marktes, dass ihre Arbeitsbedingungen den Vorschriften des Arbeitsgesetzes angeglichen werden. Das Gesetz sieht einen Regelarbeitstag von 8 Stunden pro Tag und die Sonntagspause vor. Aber entgegen den gesetzlichen Regelungen verlangen die Arbeitgeber tägliche Arbeitszeiten von 14 oder sogar 15 Stunden pro Tag, Arbeit bis spät in die Nacht und Sonntagsarbeit. Solche gesetzeswidrigen Zustände müssen unbedingt korrigiert werden.
Ein Beispiel: Es gibt Aushilfen, die gerade von der Grundschule gekommen sind. Sie können wegen der langen Arbeitszeiten keine Ausbildung mehr machen und leiden wegen der Arbeitsbedingungen an vielen Krankheiten. Sie befinden sich noch in der Wachstumsperiode, leiden aber unter Wachstumsstörungen, da sie monatelang kein Sonne zu sehen bekommen.
2. Um die Ziele zu erreichen, müssen wir eine starke BABO-Organisation aufbauen.
Die Organisation ist die einzige Stütze für diejenigen, die kein Geld besitzen und keine Ausbildung absolviert haben. Diese Organisation soll durch ihre Ziele und die Vermittlung der Kenntnis über das Arbeitsgesetz die Arbeiterbewegung stabilisieren. Die Organisation soll durch die Werbung neuer Mitglieder ausgeweitet werden. Als Verbindungsglied zwischen den Mitgliedern soll ein Büro eröffnet werden. Es ist beabsichtigt, dieses Büro später zu einer Arbeitergewerkschaft zu entwickeln.
3. Wir müssen die Arbeitsbedingungen untersuchen: Es gibt einen zuständigen Beamten des Arbeitsamtes, um die Einhaltung des Arbeitsgesetzes zu beobachten. Die Arbeitsbedingungen auf dem Pyounghwa Markt sollen untersucht werden und die Ergebnisse den Aufsichtsbeamten vorgelegt werden, mit dem Ziel, Verbesserungen zu erzwingen. 4 ber die Forderungen der Arbeiter nicht mehr leichthin zurückweisen.
Die erste Arbeiterbewegung auf dem Pyoung- hwa Markt, durch jüngere Arbeiter unter Führung von TAE-IL CHUN gegründet, arbeitete nicht zufriedenstellend. Gründe dafür, gab es viele, wie Schwierigkeiten bei der Versammlung der Mitglieder, Spott und Hohn von Anderen, Betrug durch Arbeitsamt, Aufsichtsbeamte, negative Presseberichte sowie der Wunsch seiner Familie, zum Lebensunterhalt beizutragen. Für TAE-IL CHUN war es eine große Belastung, wenn andere Arbeiter sich über sein Engagement für bessere Arbeitsbedingungen lustig machten. Nachdem er sich selbst aus Protest gegen die ungerechten Arbeitsbedingungen geopfert hatte, haben die anderen Schneider ihn nach seinem Tod kritisiert: ,,Obwohl er tot ist, gibt es keine Änderung. Sein Opfer war unsinnig.“5
Es sollte nicht übersehen werden, das TAE-IL CHUNs Selbstopfer, das im wirklichen Sinne den Arbeitern gewidmet war, im Gegensatz zu der Meinung eben dieser Arbeiter stand. TAE-IL CHUN hat damals über diese Situation an einen guten Bekannten in einem Brief geschrieben: „...ich leide so sehr darunter, wenn man sich über mich lustig macht. Das ist ziemlich brutalfür mich...“ 6 Dieser Satz lässt uns seinen seelischen Schmerz fühlen.
Letztendlich hatte sein Arbeitskampf gegen die Ungerechtigkeit mit der gegründeten BABO-Arbeiter- schaft keinen Erfolg. Demzufolge konnte er nicht mehr auf dem Pyounghwa Markt arbeiten. Naturgemäß wollten die meisten Arbeitgeber keine Arbeiter haben, die andere Arbeiter gegen sie aufhetzen. Daher musste er lange Zeit harte körperliche Arbeit, wie auf Baustellen, verrichten.
Während er ohne feste Arbeit anstrengende Aushilfsarbeiten verrichten musste, verfestigte sich sein Entschluss, sich auch weiterhin für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf dem Pyounghwa Markt einzusetzen. Im September 1970 tauchte TAE-IL CHUN mit diesem Entschluss wieder auf dem Pyounghwa Markt auf. Er konnte dort wieder als Schneider arbeiten, weil er in Vergessenheit geraten war. Er hatte sich zwischenzeitlich unauffällig verhalten und auch mehrfach den Arbeitgeber gewechselt. Seine erste Aktion nach der Rückkehr war die Gründung der SAMDONG-Arbeiterschaft. Das war am 16. September 1970.
Die SAMDONG-Arbeiterschaft stellte keine neue Organisation dar. Sie ging faktisch aus der Umbenennung der BABO-Arbeiterschaft hervor. Die Ziele der SAMDONG-Arbeiterschaft waren: Schutz der minderjährigen Arbeiter und Verbesserung der allgemeinen Arbeitsbedingungen durch gemeinsames Handeln. Die illegalen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen des Pyounghwa Marktes sollten offen gelegt und bekämpft werden.
Als erste Aktion wurde eine Untersuchung der wahren Sachlage auf dem Pyounghwa Markt durchgeführt. Aufgrund dieser Untersuchung wurde am 6. Oktober 1970 eine „Bittschrift zur Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für die Arbeiter in den Bekleidungsverarbeitungsbetrieben des Pyounghwa Marktes“ an den Arbeitsamt gerichtet. Der genaue Inhalt der Bittschrift lautete7: 126 Arbeitern des Pyounghwa Marktes wurden befragt. Davon arbeiteten 120 Arbeiter (95%) 14 bis 16 Stunden pro Tag. 96 Arbeiter ( 77%) litten unter Bronchitis oder Lungentuberkulose. 102 Arbeiter (81%) hatten Schwierigkeiten beim Essen wegen neurologisch bedingter Ga- stroenteropathie. Die meisten der Befragten gaben an, sie könnten ihre Augen bei hellem Licht nur unter Beschwerden öffnen. Auch litten sie unter Ophthalmie mit Augenschleim. Die vorgeschriebenen Untersuchungen des Gesundheitszustandes wurden äußerst mangelhaft durchgeführt. Zumeist wurde die Prüfung des Gesundheitszustandes durch gewissenlose Ärzte nur auf dem Papier bescheinigt, Röntgenaufnahmen wurden ohne Film gemacht.
Über diese erste Aktion der SAMDONG-Arbeiter- schaft wurde am 7. Oktober 1970 beispielsweise in der KUNGHANG-Zeitung berichtet.
[...]
[1] Http://blog.naver.com/sree9999/220245204760
[2] Der PYOUNGHWA Markt ist ein Markt für Bekleidungsgroßhandel und Textilfertigung im Bezirk DONGDAEMUN sowie am Fluss COUNGGAE in Seoul. In der Anfangszeit haben Flüchtlingen aus Nordkorea dort US- Uniformen eingefärbt und verkauft. Nach dem Krieg ging daraus am Fluss COUNGGAE ein großer Straßenmarkt hervor. Ca. 60% der Verkäufer stammten aus Nordkorea. Während der Wirtschaftswachstumsperiode in den 70er Jahren entstanden viele kleine Betriebe, die mit billigen Arbeitskräften betrieben wurden.
[3] Im Jahr 1995 wurde überdas Wirken vonTae-ll Chunein Kinofilm gedreht. Hauptpersonen des Films sind Tae-Il Chun und ein Student, der vom Staat wegen seiner Mitarbeit in der Studentenbewegungen verfolgt wird. Der Film schildert die sozialen Probleme Koreas realistisch.
- Citar trabajo
- Miae Park (Autor), 2015, Über den Arbeitskampf des Tae-Il Chun, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298567
Así es como funciona
Comentarios