Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Die 50er Jahre
3. Lehrerpersönlichkeit
4. Lehrerkompeztenzen
5. Fazit
6. Literatur
1. Einleitung
Es gibt viele verschiedene Lehrerbilder: Der Lehrer kann Belehrender, distanzierter Dogmatiker, der ernste und strenge Schulmeister sein oder aber Freund, Vorbild, Wegbegleiter, Bezugsperson etc.
Dieser Hausarbeit versucht, einen Wandel des Lehrerbildes in den USA der 1950er Jahre anhand zweier thematisch ähnlicher Filme („Der Club der toten Dichter“ und „Mona Lisas Lächeln“) aufzuzeigen. In beiden Filmen treten Protagonisten in den Rollen eines Lehrers/einer Lehrerin auf, die sich strikten Traditionen und altmodischen Lehrplänen ihrer jeweiligen Schule widersetzen und den Schülern stattdessen Werte der Aufklärung wie Emanzipation und selbstständiges Denken vermitteln wollen.
Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Wandel anhand zweier Aspekte zu verdeutlichen: 1) der Lehrerpersönlichkeit und 2) der Lehrerkompetenz. Beide Facetten der Lehrerprofession werden sowohl im aktuellen bildungswissenschaftlichen Diskurs dargestellt, als auch mit ausgewählten Filmszenen geprüft: Inwieweit treten die Protagonisten Keating und Watson als kompetente Lehrer auf? Wo lassen sich Aspekte einer präsenten und „starken“ Lehrerpersönlichkeit in ihrem Handeln wiederfinden? Wo nicht?
Zunächst wird ein kurzer Überblick über den Status des Lehrers in den 1950er Jahren gegeben und dieser vor dem Hintergrund der beiden Filme reflektiert.
2. Die 50er Jahre
In den 50ern, erklärt Gudjons, scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Den „Höllenjob“ Lehrer findet man erst Jahrzehnte später. Schwierige Schüler, Unterrichtsstörungen, Zeitstress, nörgelnde Eltern, Keine Würdigung der Anstrengung, schleichende Resignation, Ärger über Bürokratie und Schulverwaltung tangierten die Lehrer kaum. Die harte Schulrealität, wie man sie heut zum Teil findet, wird erst Jahrzehnte später geschaffen. Von kritischen Momenten des Lehrberufs kann man also wenig sprechen, blickt man auf die 50er Jahre. Es wurde ziemlich traditionell unterrichtet, zumeist frontal. Die Autorität der Lehrer musste nicht persönlich erworben werden, sie war Teil des Amtes und der Rolle. „Gratisautorität“ nennt der Hannoveraner Schulpädagoge Thomas Ziehe dies, so Gudjons.1 War die Schule der 50er Jahre frei von Problemen?
In einer Untersuchung der FU - Berlin wurde ermittelt, dass sich die Erziehungsziele der
westlichen Welt verändert haben. In der Nachkriegszeit stand der Erziehungswert „Gehorsam“ und Unterordnung“ sehr weit oben. In der Gegenwart fällt dieser Wert immer weiter nach unten, während „Selbständigkeit und freier Wille“ bis heute eine Kurve nach oben aufweisen.2
In beiden Filmen werden diese liberalen Tendenzen schon sehr früh, Anfang der Fünfziger von den Protagonisten Mr. Keating und Ms. Watson propagiert. Es kommt jeweils zu einem Konflikt zwischen den neuen freisinnigen und demokratischen Werten der protagonistischen Lehrperson und den traditionellen, alten und konservativen „Gesetzen“ der damaligen Schulwelt. Ein zutiefst hierarchisches Weltbild wird konfrontiert mit der aufklärerischen Idee der Emanzipation.
Laut Strunz wird im Club der toten Dichter eine upper class Schule in Delaware gezeigt, die streng katholisch und konservativ ist. So werden am Anfang zur Feier des Schuljahrbeginns von vier Schülern Tafeln mit den Prinzipien „Tradition“, „Ehre“, „Disziplin“, „Leistung“ in den Versammlungssaal getragen, um das neue Schuljahr einzuleiten, zudem werden Reden gehalten und der neue Lehrer Mr. Keating wird traditionell vorgestellt. Schon hier erkennt man die klassische, traditionelle Schule der 50er Jahre, die Lehrer pochen auf Ordnung und Leistung.
Keatings Unterricht versucht mit den traditionellen Werten zu brechen. In verschiedenen Szenen greift er zu unkonventionellen Methoden, um die Schüler zum selbständigen Denken zu führen. Keating ist den pädagogischen Vorstellungen der 50er Jahre weit voraus. So führt Keating die Schüler in das epikuräische „Carpe diem“ ein, welches das neue Motte der Schüler wird. Er lässt die Schüler auf die Tische steigen, um ihnen eine neue Perspektive auf die Dinge zu ermöglichen. „Haben sie den Mut ihren eigenen Weg zu suchen“ heißt es bei Keating. Sie sollen wie es bei Thoreau steht, „das Mark des Lebens in sich aufsaugen“ In einer weiteren Szene fordert er die Schüler auf „ein barbarisches Jawp“ auszuschreien, ein animalischer Aufschrei, der in ihnen steckt. In einer Sportstunde lehrt Keating seine Schüler ihren eigenen Gehrhythmus tu finden, ohne sich von anderen Menschen dabei beeinflussen zu lassen. Der Schüler Neil Perry folgt Keatings „carpe diem“ und traut sich seinem tiefen Berufswunsch des Schauspielers nachzugehen. Sein strenger Vater verbietet seinem Sohn dies. Neil erschießt sich letztlich, da er keinen Ausweg aus der Klemme zwischen Lebenswunsch und Pflicht sieht, erklärt Strunz.
Die anderen Lehrer werden als Individuen kaum sichtbar. Sie bilden die geschlossene Gruppe der traditionellen Altlehrer. Diese behindern den Helden beim guten Handeln. Eine vernünftige und vorwertweisende Erziehung scheitert an den Pädagogen und Eltern, am Setting der 50er Jahre.
Strunz kritisiert, Weirs Film sei ein spätgeborener Abkömmling der 68er Jahre, dessen hochgegriffene Erziehungsziele an der Realität des Schulalltags, der ohne ein gewisses Maß an Nötigung nicht zu machen ist, scheitert.3
Auch Kathhrine Watson kommt Anfang der 50er Jahre als Lehrerin an eine neue Schule, das Wellesley-Mädchen-College. Auch sie bricht mit den konservativen Wertvorstellung der 50er und muss sich gegen Lehrer sowie Schüler behaupten. Birgit Roschy führt aus, dass Katherine Watson mit ihrem Unterricht die intelligenten reichen Mädchen vom konservativen Musterbild der Kinder-Küche-Kirche- Kariere wegzulotsen ersucht.4 Das Heiraten ist im traditionsbewussten Wellesley wichtiger als ein Studium bzw. die Emanzipation der Frau.
In der ersten Vorlesung scheitert Kathrine Watson. Ihre Schülerinnen kennen das gesamte Lehrbuch auswendig und wissen auf jede Frage die adäquate Antwort und verhöhnen sie. In der zweiten Unterrichtsszene zeigt Ms. Watson den Schülerinnen Dias von moderner Kunst, die einen großen interpretatorischen Spielraum eröffnen und die nicht im Lehrbuch behandelt werden. „Versuchen wir unseren Geist für eine neue Idee zu öfnen“ postuliert Ms, Watson. Hier beginnt die Kritik an den 50er Jahren, die Lehrerin regt zum selbständigen und emanzipatorischen Denken an.
Bei einer Exkursion in ein Kunstatelier ermöglicht Ms. Watson den Schülerinnen einen Blick auf ein in Stein gehauenes, großes Relief eines modernen Künstlers. Sie erklärt, dass sie nicht verlangt, dass Schülerinnen eine Arbeit darüber schreiben, sie sollen sich nur Gedanken machen. Das freie und nicht zielgerichtete Genießen von Kunst widerstrebt dem klassischen Unterrichtsverständnis der 50er.
Die protagonistische Gegenspielerin zu Ms. Watson ist die fundamentalistische Hausfrauenideologin Betty, die Katherine, vehement kritisierend, ihre Ehelosigkeit und damit Ehrlosigkeit vorhält. In einer Unterrichtsszene kommt Betty nach mehrmonatiger Pause, nach Hochzeit und Flitterwochen zurück in den Unterricht von Ms. Watson. Dieses Fehlen von verheirateten Schülerinnen wird von der Schule und den alteingesessenen Lehrern gebilligt, nicht aber von Frau Watson. Sie kritisiert Bettys Fehlen scharf. Sie droht sogar damit Betty durchfallen zu lassen.
In einer weiteren Unterrichtssequenz zeigt Ms. Watson Bilder von zeitgenössischer Werbung, die das derzeitige Frauenideal transportieren. Sie kritisiert mit heftiger Ironie und fast resegnativ das Frauenideal der 50er, das Ideal des Wellesley-Colleges.
„Mona Lisas Lächeln“ ähnelt sehr stark dem „Club der toten Dichter“, auch hier wird das konservative Denken der 50er Jahre kritisch inszeniert. Die Schüler werden dazu angehalten um das hohe Ideal der Emanzipation zu kämpfen, vorgefertigte Rollenerwartungen sollen kritisch hinterfragt werden, das traditionelle gesellschaftliche Leben seiner Zeit wird in einigen wenigen Unterrichtsszenarien scharf kritisiert, so Roschy.5
3. Lehrerpersönlichkeit
Ein wichtiger Faktor für das Gelingen oder Nicht-Gelingen eines Lehr-Lern-Prozesses stellt die Persönlichkeit der jeweiligen Lehrkraft dar: Je nachdem, wie engagiert oder lustlos, humorvoll oder ernst/streng/humorlos, schülernah oder distanziert sie ist, fallen sowohl die Unterrichtsqualität, als auch der Lernerfolg bei den Schülern aus.
Unter „Lehrerpersönlichkeit“ wird im Folgenden in Anlehnung an Helmke „relativ überdauernde, stabile Merkmale der Lehrperson [verstanden] (traits), was jedoch ihre Veränderung durch Lernen, Training und Fortbildung nicht ausschließt.“6
Lehrerpersönlichkeit und Lehrerkompetenzen lassen sich bei der Beantwortung der Frage, was ein guter Lehrer ist, nach Helmke und Krapp/Weidenmann nicht strikt voneinander trennen, was sich vor allem an der gegenwärtigen Forschungsrichtung innerhalb der Bildungswissenschaft ablesen lässt: „Man sucht heute nicht mehr nach allgemeinen, berufs- und unterrichtsfremden Persönlichkeitseigenschaften von Lehrpersonen, sondern lenkt den Blick auf Kompetenzen und Orientierungen, die einen inhaltlichen Bezug zum Geschäft des Unterrichtens aufweisen.“7
Krapp/Weidenmann konstatieren, dass der Lernerfolg neben einem Persönlichkeitsparadigma auch von einem Prozessparadigma (Welche Verhaltensweisen und Fertigkeiten weist ein Lehrer aus?) und einem Expertenparadigma (Welches und wie viel Wissen weist ein Lehrer auf?) abhängt.8
Um für diesen Projektbericht eine klarere Struktur zu gewährleisten, werden im Folgenden Lehrerpersönlichkeit und Lehrerkompetenz dennoch getrennt behandelt. Unter diesem Punkt werden solche Persönlichkeitsmerkmale thematisiert, die sich nicht unter dem Begriff „Kompetenz“ subsumieren lassen und somit unter dem Persönlichkeitsparadigma gesehen werden müssen. Hierunter fallen:
− Humor
− Engagement
− „Lehrerhaftigkeit“
− Vorbildwirkung
− Sprache/Stimme
− soziale Sensibilität
− Begeisterungsfähigkeit
− Freundlichkeit und Warmherzigkeit − beruflicher Idealismus
Einiger dieser Aspekte sind Skalen in dem Test „Fit für die Schule“, in dem - gestützt auf eine Analyse der Anforderungen an die Lehrerpersönlichkeit - interessierten Lehramtsstudenten ein Fragebogen offeriert wird, der die Eignung für den Lehrerberuf ermitteln soll.9
Zu „Humor“: Obwohl Humor schwer fassbar ist, ist seine Wirkung auf das Lernen verschiedentlich Gegenstand empirischer Untersuchungen.10 Ruch, Professor für Persönlichkeitspsychologie, beschreibt Humor einerseits als heitere gelassene Haltung gegenüber den Widrigkeiten des Lebens, andererseits beschreibt er Humor als einen Sammelbegriff für alles, das uns zum Lachen bringt.11 Humor schaffe eine geistige Flexibilität und fördere die Kreativität.
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1 Vgl. www.gew-bw.de
2 Vgl. Strunz (1995), S, 95.
3 Vgl, Strunz (1995), S. 92 ff.
4 Vgl. www.Stern.de
5 Vgl. www.Stern.de
6 Helmke 2009a, S. 105.
7 Ebd., S. 113.
8 Vgl. Krapp und Weidenmann 2001, S. 298ff.
9 Vgl. Helmke 2009, S. 163.
10 Vgl. ebd., S. 120.
11 Vgl. ebd., S. 121.