Umsetzung, Vorbereitung und Einführung der standardisierten Notrufabfrage


Akademische Arbeit, 2013

57 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die standardisierte Notrufabfrage
2.1 Ansatz der Qualitätsverbesserung
2.2 Umsetzung in einer Integrierten Regional-Leitstelle
2.3 Musterleitstelle Bodensee-Oberschwaben
2.3.1 Versorgungsgebiet
2.3.2 Ressourcendarstellung
2.3.3 Personalstruktur
2.3.4 Rahmenbedingungen
2.4 Vorüberlegungen und Grundsatzentscheidungen
2.4.1 Argumentationskette
2.4.2 Von der Idee zum Projekt
2.4.3 Produktauswahl
2.4.4 Investitionsargumente
2.4.5 Rahmenprojektplan
2.5 Vorbereitung
2.5.1 Projektstart / Kick-off
2.5.2 Lenkungsausschuss
2.5.3 Kostenkalkulation
2.5.4 Projektplan
2.6 Einführung
2.6.1 Mitarbeiterschulung
2.6.2 Erste Anwendungen
2.6.3 Einsatzcodes
2.7 Qualitätsmanagement
2.7.1 Fallbesprechungen und Evaluation
2.7.2 Alarm- und Ausrückeordnung
2.8 Kritische Systembewertung

3 Fazit und Ausblick

4 Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In dieser Arbeit soll die standardisierte Notrufabfrage mit telefongestützter Hilfeleistung als Instrument zur Qualitätsverbesserung im Rettungsdienst genauer betrachtet werden. Gleichzeitig soll eine entsprechende Musterimplementierung dargestellt werden.

Das in den USA schon seit Jahrzehnten eingeführte und evaluierte System findet im deutschsprachigen europäischen Raum zunehmend Zuspruch. Es ist bisher jedoch weder gesetzlich vorgeschrieben noch flächendeckend eingeführt. Es handelt sich hierbei um i. d. R. softwaregestützte Systeme, die anhand multipler Abfragekombinationen während des Notrufgesprächs den wahrscheinlichsten Diagnosekomplex ermitteln, die dafür erforderlichen geeigneten Rettungsmittel vorschlagen und es den Disponenten ermöglichen, gezielte Erste-Hilfe-Maßnahmen telefonisch einzuleiten. Ziel ist es hierbei, dass alle Disponenten zu einem gleichen Diagnoseschlüssel kommen und kompetent telefonisch Erste Hilfe leisten können.

Dies gilt nicht nur für Bagatellverletzungen, sondern auch für komplexe Notfallsituationen wie ein Herz-Kreislauf-Stillstand oder eine beginnende Geburt. Aber auch bei Brandeinsätzen können dem Anrufer gezielte Hilfe- und Schutzmaßnahmen unverzüglich vermittelt werden.

Aus Sicht des Verfassers können darüber hinaus vielerlei gesetzliche, rechtliche aber auch ethische Anforderungen erfüllt und ein besseres Outcome für die Hilfeersuchenden erreicht werden.

2 Die standardisierte Notrufabfrage

2.1 Ansatz der Qualitätsverbesserung

Auch im Rettungsdienst gibt es verschiedene Ansätze der Qualitätsverbesserung. Im Bereich der qualifizierten Notrufabfrage geht es im Wesentlichen um die Prozessqualität, viel entscheidender aber um die Ergebnisqualität, welche unmittelbar dem Patienten zugutekommt.

Innerhalb der Notrufkette muss zwischen dem eingehenden Notruf und dem dann anfahrenden Rettungsmittel zwingend die Lücke geschlossen werden. Hierbei hilft die standardisierte Abfrage mit den dann folgenden telefonischen Hilfeanleitungen.

Die Überlebenskette sollte zu jedem Zeitpunkt der Disposition im Mittelpunkt stehen, wie die folgende Grafik zeigt. Die sofortige Einleitung von Reanimationsmaßnahmen verdoppeln oder verdreifachen die Überlebenschance (Dirks 2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: chain of survival (Dirks 2010)

2.2 Umsetzung in einer Integrierten Regional-Leitstelle

Wesentlich für die Umsetzung in einer Integrierten Leitstelle sind die materiellen und personellen Voraussetzungen, um ein SNAS einzuführen. Eine Vernetzung von Arbeitsplätzen mit moderner Einsatzmanagementsoftware wird vorausgesetzt, und dürfte bundesweit auch nicht angezweifelt werden. Grundsätzlich kann eine standardisierte Abfrage in Form von Karteikartensystemen, aber auch EDV gestützt Verwendung finden.

Hier sind Stand-alone-Lösungen oder integrative Lösungen in die vorhandene Einsatzmanagementsoftware des ELS möglich.

2.3 Musterleitstelle Bodensee-Oberschwaben

Anhand der Struktur der Leitstellen Oberschwaben und Bodensee soll nun hier eine mögliche Umsetzung, und Einführung dargestellt werden. Diese zwei Leitstellen sind in einem organisatorischen Umbruchprozess und bieten damit die Möglichkeit einer kompletten Neuorganisation, sodass nicht zwingend an vorhandenen Strukturen festgehalten werden muss und damit die Chance gegeben ist, eine optimale Umsetzung des Projektes zu erreichen.

2.3.1 Versorgungsgebiet

Das Versorgungsgebiet der Leitstellen Bodensee und Oberschwaben umfasst die politischen Gemarkungen der Landkreise Bodenseekreis, Ravensburg sowie Sigmaringen. Angrenzend an den Versorgungsbereich gibt es Schnittstellen mit 7 anderen innerdeutschen Leitstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Versorgungsbereich ILS Bodensee und Oberschwaben

Eine Schnittstelle mit außerdeutschen Leitstellen gibt es nicht. Eine Ausnahme bildet der Bodensee mit internationalem Gewässer. Hier kann es zur Zusammenarbeit mit österreichischen und schweizerischen Rettungsdiensten kommen.

Tab. 1: Strukturdaten der Landkreise BSK, RV, SIG

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.2 Ressourcendarstellung

Um das umfangreiche Versorgungsgebiet entsprechend bedienen zu können, haben die Bereichsausschüsse entsprechend den gesetzlichen Grundlagen Rettungsmittel für die Vorhaltung beschlossen. Für den Brandschutz ist die kommunale Selbstverwaltung zuständig und plant ihre Vorhaltung auf kommunaler Ebene jeweils selbst.

Für die Disposition stehen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den zwei integrierten Leitstellen 82 Fahrzeugressourcen des Rettungsdienstes zur Einsatzplanung zur Verfügung.

Tab. 2: Fahrzeugressourcen Rettungsdienst der ILS Bereiche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinzukommen sämtliche Fahrzeuge der Bereitschaften der Hilfsorganisationen, der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes mit einer Anzahl von weiteren 1287 Kraftfahrzeugen!

2.3.3 Personalstruktur

Entsprechend den Vorgaben des Rettungsdienstgesetztes Baden-Württemberg und den damit verbundenen Richtlinien ist eine Rettungsleitstelle in doppelter Besetzung mit entsprechend ausgebildetem Personal rund um die Uhr zu besetzten.

Die Mindestqualifikation ist mit Rettungsassistent und mittlerer feuerwehrtechnischer Ausbildung, oder vergleichbarer Qualifikation festgelegt. Genaueres regelt hier die Anlage 3 der gemeinsamen Hinweise zur Leitstellenstruktur in Baden-Württemberg (Innenministerium 2007). Die detaillierte Personalstruktur der Leitstellen Oberschwaben und Bodensee ist in der Anlage 1 ausführlich dargestellt.

Im Folgenden werden die Personaldaten statistisch graphisch dargestellt. Auswertkriterium sind das Alter, Arbeitsumfang und die bisherige berufliche Tätigkeit auf Leitstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Altersstruktur Mitarbeiter ILS BSK und OS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Dienstjahre Tätigkeit auf Leitstellen der Mitarbeiter ILS BSK u. OS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Beschäftigungsumfang Mitarbeiter der ILS BSK und OS

2.3.4 Rahmenbedingungen

Als Einsatzmanagementsoftware wird das ELS Produkt DALLES der Fa. Systemhaus Scheuschner GmbH in der Version 2.7.568.0 bei der ILS Oberschwaben, und die Version 2.6.554.0 bei der ILS Bodensee verwendet.

Tisch-besetzt-Zeiten:

Unter Tischbesetztzeiten versteht man die Anzahl der Mitarbeiter, die zu diesem Zeitpunkt einen Abfrage- bzw. Dispositionsplatz in einer Leitstelle besetzen. Bei der Bemessung der bedarfsgerechten Besetzung der Leitstelle mit Disponenten sind drei Grundsätze zu beachten:

- Abfragesicherheit
- Bearbeitungssicherheit
- Mindestbesetzung

Unter Berücksichtigung dieser Punkte ist gewährleistet, dass die uneingeschränkte Leitstellenerreichbarkeit über den Notruf 112 oder die Rufnummer 19222 erfolgt und die daraus resultierende Arbeitsleistung umgesetzt wird. Neben diesen Notrufnummern steht noch eine Vielzahl von Nebenstellen für Serviceleistungen wie Hausnotruf etc. zur Verfügung.

Entsprechend dem Einsatzaufkommen bauen sich die Tischbesetztzeiten bei der ILS Oberschwaben von zwei auf fünf Mitarbeiter auf, und bei beginnender Schwachlast wieder ab. Die folgende Graphik zeigt -in ihrer tageszeitlichen Ausprägung- die Anzahl der eingehenden rettungsdienstlichen Hilfeersuchen- in Deutschland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Mittlere stündliche Meldehäufigkeit in Rettungsleitstellen (Schmiedl 2004)

So zeigt sich hier eine Nachfragespitze werktags zwischen 9.00 Uhr und 11.00 Uhr sowie eine maximale Abflachung in der Nacht zwischen 2.00 Uhr und 6.00 Uhr (Schmiedl 2004). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das Aufkommen am Wochenende aufgrund weniger Krankentransporte deutlich reduziert ist. Daher werden auch in den ILS Bodenseekreis und Oberschwaben die Arbeitsplätze entsprechend angepasst.

Die folgenden Darstellungen zeigen nun die entsprechende Personalverteilung über den Tag bei den Leitstellen Oberschwaben und Bodenseekreis.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Tischbesetztzeiten ILS Oberschwaben Montag - Freitag

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Tischbesetztzeiten ILS Oberschwaben Wochenende / Feiertag

Aufgrund geringeren Einsatzaufkommens gegenüber der Leitstelle Oberschwaben sind bei der ILS BSK Tischbesetztzeiten von regulär zwei Mitarbeitern vorgesehen. Eine Verstärkung erfolgt in der Zeit zwischen 8 Uhr und 14 Uhr mit einem weiteren Disponenten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Tischbesetztzeiten ILS Bodenseekreis Montag - Freitag

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Tischbesetztzeiten ILS Bodenseekreis Wochenende / Feiertag

Eine Unterschreitung von zwei Mitarbeitern ist aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht möglich, wenn auch der Bedarf für diese Besetzung rein rechnerisch aufgrund des geringeren Einsatzaufkommens hier ggf. nicht gegeben wäre.

Für Sonderlagen ist es bei beiden Leitstellen möglich, zusätzlich zu den regulären Tischbesetztzeiten schichtfreies Personal über Funkmeldeempfänger (FME, DME) zu alarmieren um die Leitstellen punktuell personell zu verstärken.

2.4 Vorüberlegungen und Grundsatzentscheidungen

Aufhänger für die grundsätzlichen Überlegungen eine standardisierte Abfrage einzuführen war die Tatsache, dass durch die Zusammenlegung der Leitstelle Ravensburg und der Leitstelle Sigmaringen ein Mitarbeitermix entstand, der den Anforderungen des neuen Bereichs nicht mehr gerecht wurde. So nahmen die bisherigen Mitarbeiter der Leitstelle Ravensburg für sich in Anspruch, dass sie die richtige Vorgehensweise in der Notrufannahme und Disposition hatten. Dasselbe nahmen aber auch die Kollegen der bisherigen Leitstelle Sigmaringen für sich in Anspruch. Das Ergebnis war eine uneinheitliche Bedienung der Notfallsituationen mit entsprechendem Personal und Material.

So wurde auch eine telefonische Anleitung zur Ersten Hilfe entweder gar nicht oder nur rudimentär durchgeführt. Das galt für alle eingesetzten Disponenten.

Im Zuge der Integration des Rettungsdienstes des DRK Kreisverbandes Bodensee e. V. in die bisherige DRK Rettungsdienst Ravensburg-Wangen gGmbH kam mit der Leitstelle Bodensee eine weitere Leitstelle im Rettungsdienstverbund hinzu. Dieser Verband wird seit 01.01.2011 als DRK Rettungsdienst Bodensee-Oberschwaben gGmbH geführt.

Um eine Redundanz in der Einsatzabwicklung zu erhalten, ist es das Ziel, den bisherigen Betrieb der Leitstelle Oberschwaben und die Leitstelle Bodensee so technisch zu ertüchtigen, dass gegenseitig auf einer gemeinsamen technischen Plattform gearbeitet werden kann. Anrufe aus dem Bereich Bodensee können in der ILS Oberschwaben und Anrufe aus dem Bereich Oberschwaben in der ILS Bodensee bearbeitet werden.

Um dieses zu realisieren, sind aber einheitliche klar definierte Strukturen vorzugeben. Diese Struktur wird mit einer einheitlichen standardisierten Abfrage er-wartet. Ebenso die einheitliche Qualität in der Anleitung zur Ersten Hilfe, da diese Schritt für Schritt vom Programm vorgegeben wird.

In einem Kurzworkshop wurden die grundlegenden Strukturbedarfe für Änderungen festgehalten und visualisiert. Wichtig ist, dass alle noch offenen Strukturprozesse in die Überlegung einer Systemänderung mit einfließen können. Das Ergebnis ist in Anlage 2 abgebildet.

Unter diesen Vorüberlegungen hatte die Geschäftsleitung den Auftrag erteilt, ein Projekthandbuch zu erstellen und die Kosten für den investiven Bereich sowie für die Folgekosten darzustellen. Aufgrund der vorliegenden Argumente hat sich die oberste Leitung für die Einführung einer standardisierten Abfrage entschieden.

2.4.1 Argumentationskette

In Baden-Württemberg wird das Qualitätskriterium für den erfolgreichen rettungsdienstlichen Einsatz ausschließlich an der Erfüllung der sogenannten Hilfsfrist gemessen. Sämtliche zusätzliche Maßnahmen außerhalb des Regelrettungsdienstes wie Helfer-vor-Ort-Gruppen, First Responder oder auch bereits telefonische Anleitung zur Ersten Hilfe haben auf das bisherige System der Qualitätsbeurteilung keinen Einfluss. Ob dies der richtige Ansatz ist soll hier nicht erörtert werden.

Entsprechend der Rettungskette stellt sich die momentane Situation so dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Rettungskette (Kuhn: 2013)

Bei einem Notfallereignis wird vom Ersthelfer der Notruf abgesetzt, ggf. dann eine Absicherung der Notfallstelle vorgenommen. Je nach Ausbildung des Helfers werden dann lebensrettende Maßnahmen ergriffen, die aber in ihrer Qualität sehr unterschiedlich sein können. Die Rettungsleitstelle setzt die entsprechenden Rettungsmittel in Bewegung.

Ganzheitlich betrachtet entsteht aber ein Bruch der sich wie folgt darstellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Rettungskette wird unterbrochen (modifiziert nach Kuhn: 2013)

Vom Zeitpunkt der Notrufmeldung bis zum Eintreffen der Rettungsmittel entsteht ein therapeutisches Vakuum. Dieses gilt es mit telefonischer Anleitung zur Ersten Hilfe oder Hinweise auf Gefahren etc. zu schließen.

Ziel muss es sein, dass es im Hilfeleistungsprozess zu keinem Zeitpunkt zu einem Bruch der Kette kommt und somit das bessere Outcome des Patienten nicht gefährdet wird (Schlechtriemen 2009: 7).

Der Rettungsdienstplan für Baden-Württemberg sieht diese lückenlose Versorgung bereits vor, setzt ihn aber in diesem Punkt nicht konsequent in den Leitstellen um. Hier heißt es: „…Ein funktionierender Rettungsdienst erfordert eine lückenlose Versorgung des Notallpatienten bis zur Aufnahme in eine für die weitere Versorgung geeignete Klinik …“ (Sozialministerium 2001).

Zeitgleich werden mit der Einführung einer solchen Systematik die Forderungen der ERC Richtlinien aus 2010 umgesetzt, die eine Anleitung bei Reanimationen vorschreiben sowie erweiterte Maßnahmen vorsehen (Hackstein 2011b; Dirks 2010: 516-517).

Auch immer anspruchsvollere Events in der Schadensbeurteilung machen es nötig viel differenzierter als bisher Spezialkräfte alarmieren zu können (Kröger 2012: 3).

Durch diese zunehmenden komplexeren Aufgaben erfährt die Leitstelle Perspektiven für die zentrale Schaltstelle des Rettungsdienstes, fern ab von den reinen Tätigkeiten einer Alarmierungszentrale (Schlechtriemen 2007: 47-57).

Untersuchungen zeigen, dass mit SNAS die logistischen Informationen in der deutlichen Mehrzahl der Fälle optimaler abgefragt wurden und mit weniger Fragen zu klären sind. Die Qualität der Abfrage zu Einsatzort und Ortszusätzen ist signifikant höher als bei Vergleichsgruppen ohne standardisierte Abfrage. Dies gilt auch für die Kriterien des Bewusstseins und der Atmung (Sellin, S. M.: 21-25).

Die Anfrage beim DRK Landesverband Baden-Württemberg ergab, dass innerhalb des Bundeslandes keine Leitstelle ein standardisiertes Abfragesystem einsetzt (Knödler 2012). Aus dem reinen Planungsinstrument der Hilfsfrist zur Zuordnung von Standorten der Rettungsmittel hat sich hier fälschlicherweise ein Qualitätskriterium entwickelt, das der Ergebnisqualität eines Hilfesuchenden keine Rechnung trägt. Um dem Disponenten auch rechtliche Sicherheit im Rahmen seiner Tätigkeit zu geben, müssen Protokolle standardisiert und Handlungsabläufe vordefiniert sein. Nur so wird der Mitarbeiter bereit sein, ohne direkten Patientenkontakt tätig zu werden (Richter 2012).

2.4.2 Von der Idee zum Projekt

Aufgrund der bereits ausgeführten Grundsatzüberlegungen und der Notwendigkeit sowie dem Wunsch für die Bevölkerung in der Region die therapeutische Lücke zu schließen hat sich die Idee entwickelt, hierzu ein Tool zu implementieren.

Auf der Suche in der Literatur wurde schnell klar, dass die Vorstellung der Verantwortlichen für diesen Bereich mit einer standardisierten Notrufabfrage das Instrument darstellen könnte, um einerseits eine einheitliche Abfragekultur zu schaffen und damit verbunden bei gleichem Lagebild bei unterschiedlichen Disponenten dieselben Rettungsmittel zu entsenden, und andererseits damit auch die Lücke in der Rettungskette zu schließen. Berichte in den Medien tragen die Idee und fördern den Wunsch nach schneller Umsetzung (Augsburger Allgemeine 2012).

Den Weg einer standarisierten Abarbeitung von Einsätzen gehen inzwischen einige Leitstellen, jedoch meist ohne technische Unterstützung. Oft durch Eigeninitiative entwickelte Papiere die jedoch dasselbe Ziel verfolgen (Gehring 2009; Hackstein 2011a). Bereits 2008 wurde in der Zeitschrift Rettungsdienst das Thema der standardisierten Notrufabfrage thematisiert mit dem Ergebnis, dass hierdurch Stresspotential abgebaut und Hilfe verbessert werden kann (Hackstein 2008: 39).

Aufgrund der für den Verfasser nicht nachvollziehbaren Qualitätskriterien in Form von Hilfsfristberechnungen für den Rettungsdienst wurde eine Initiative gestartet und bei der zuständigen Behörde – dem Innenministerium – vorgesprochen. Hier räumte man durchaus ein, dass die Hilfsfrist bezogen auf die Ergebnis-qualität nicht ein angemessenes Mittel zur Beurteilung derer sei, hätte aber auch alternativ keine messbaren Kriterien, die diese abbilden könnten.

Auf die standardisierte Notrufabfrage angesprochen, war das Ministerium bereit, sich hier zu engagieren und einen Versorgungsforschungsauftrag an eine Universität zu vergeben, um zu prüfen, ob nach einer Einführung einer standardisierten Abfrage mit telefonischen Erste Hilfe Hinweisen eine Ergebnisqualitätsverbesserung erreicht werden kann.

2.4.3 Produktauswahl

Grundsätzlich sollte die Software in das vorhandene Einsatzleitsystem DALLES integriert werden können, alternativ aber auch als eine vom Einsatzleitsystem unabhängige Software Verwendung finden. Außerdem soll das Programm sowohl medizinische Notfälle als auch feuerwehr-technische Einsätze abbilden können. Hilfeanleitungen müssen auch für beide Bereiche zur Verfügung stehen.

Nach intensiven Recherchen zu möglichen Softwarelösungen zum Thema konnten leider nur zwei Anbieter gefunden werden, die eine Software anbieten, die den Rahmenanforderungen entsprechen.

Diese sind die Firmen:

- NOAS Notrufabfragesysteme GmbH, Deutschland, Egling-Deining
- Priority Dispatch Corporation, USA, Salt Lake City

Es wurden für die Auswahl von der Geschäftsleitung diverse Kriterien für das Produkt aufgestellt, um eine Entscheidung treffen zu können:

- Technisch problemlose Implementierung im Realbetrieb
- Realanwendung des Produktes in mehr als 4 Leitstellen
- Fachlich wissenschaftliche Begleitung der Protokolle
- Auswertungstool zur Qualitätssicherung
- Produkt länger als 5 Jahre am Markt
- Größe des Unternehmens (Investitions- und Bonitätsschutz)
- Finanzieller Investitionsaufwand

Technisch problemlose Implementierung im Realbetrieb:

Die Firma NOAS konnte ihr Produkt lediglich in der Leitstelle Wuppertal im Realbetrieb zeigen. Hier wurden jedoch vom zuständigen Mitarbeiter Einschränkungen bezüglich der Unbedenklichkeit der Implementierung angedeutet. Es gebe nach zwei Jahren Betrieb immer noch teilweise Schwierigkeiten die noch nicht behoben werden konnten. Ob diese an der Schnittstelle oder an NOAS selbst lag ist nicht bekannt.

PDC hat im deutschsprachigen Raum ihr Produkt in den Leitstellen Tirol, St. Pölten sowie Berlin erfolgreich implementiert. Der Verfasser konnte sich jeweils vor Ort ein Bild machen. Technische Schwierigkeiten waren keine beschrieben worden.

Realanwendung des Produktes in mehr als 4 Leitstellen:

Die Firma NOAS hat bisher nur die Leitstelle Wuppertal an ihr System angebunden. Weitere Leitstellen gibt es im Real- aber auch im Testbetrieb nicht. PDC betreibt seine Software in den Leitstellen Tirol, St. Pölten, Hamburg, Berlin, Wiesbaden, weltweit mit ca. 4500 Lizenzen.

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Ende der Leseprobe aus 57 Seiten

Details

Titel
Umsetzung, Vorbereitung und Einführung der standardisierten Notrufabfrage
Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule  (Fachbereich Gesundheit und Pflege)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
57
Katalognummer
V299769
ISBN (eBook)
9783656965237
ISBN (Buch)
9783668143913
Dateigröße
2543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
umsetzung, vorbereitung, einführung, notrufabfrage
Arbeit zitieren
Klaus Schliz (Autor:in), 2013, Umsetzung, Vorbereitung und Einführung der standardisierten Notrufabfrage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299769

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