Darstellendes Spiel im Schulunterricht. Ein besonderer Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2014

154 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2... Theoretischer Hintergrund
2.1 Spielend lernen
2.2 Darstellendes Spiel
2.2.1 Definition
2.2.2 Geschichte des Darstellenden Spiels
2.2.3 Darstellendes Spiel in den Lehrplanen
2.3 Personlichkeitsentwicklung
2.3.1 Definition
2.3.2 Personlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen
2.3.3 Personlichkeits- und identitatsbildende Aspekte im DS-Unterricht
2.3.4 Die Bedeutung von Spielleiter und Spielgruppe

3. Methodisches Vorgehen und Methodenkritik
3.1. Probandengruppe
3.2 Beobachtung
3.3 Interview
3.4 Fragebogen

4 Ergebnisse
4.1 Auswertung der Beobachtungen
4.1.1 Ablauf der Unterrichtsstunde
4.1.2 Schuleraktivierung
4.1.3 Kritik
4.1.4 Hilfestellung der Lehrperson
4.1.5 Regeln und Disziplin
4.1.6 Atmosphare im Klassenraum
4.2 Auswertung der Spielleiterinterviews
4.2.1 Ausbildung
4.2.2 Unterrichtsmethoden
4.2.3 Personlichkeitsentwicklung der SuS
4.3 Auswertung der Schulerinterviews
4.3.1 Unterrichtsmethoden
4.3.2 Schuleraktivierung
4.3.3 Personlichkeitsbildende Aspekte
4.4 Datenauswertung der Schulerfragebogen

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang
Anhang 1: Beobachtungen
Anhang2: Schulerinterviews
2.1 Leitfaden Schulerinterview
2.2 Kategorien
2.3 Interviewantworten
Anhang 3: Lehrerinterviews
Anhang4: Schulerfragebogen
4.1 Fragebogen
4.2 Verteilung der Schulerantworten in den Schulerfragebogen

1. Einleitung

Theaterspiel ist eines der machtigsten Bildungsmittel unserer Zeit (vgl. Reiss 2008, S. 13). Das grofie Potential des Schultheaters ist weitestgehend bekannt. Die Erkenntnisse uber den Lernerfolg und die Bildungsprozesse, sowie tausende Theaterkurse konnen dies bestatigen. Dennoch scheint das deutsche Schulsystem nicht angemessen auf diese Erkenntnisse zu reagieren und stagniert stattdessen in seiner Tragheit (vgl. ebd.)

Dabei fordern die Gesellschaftsprozesse unserer Zeit die Ausschopfung von Bildung, da die Forderung kreativer und kultureller Kompetenzen Losungen fur soziale, gesellschaftspolitische und okonomische Probleme bieten kann. Demnach geht es bei der Etablierung des Unterrichtsfaches Darstellendes Spiel (im Folgenden auch: DS genannt) nicht nur um eine Bildungsreform dieses Unterrichtsfaches, sondern um die Zukunft unserer Gesellschaft und ihrer Menschen (vgl. ebd.).

Es reicht heutzutage nicht mehr die Bildung auf pragmatisches, abprufbares Wissen zu beschranken, denn wo soziale und kulturelle Kompetenzen erwunscht sind, muss den Schulerinnen und Schulern (im Folgenden auch: SuS genannt) eine Gelegenheit zu ihrem Erwerb geboten werden (vgl. Liebau et al. 2005, S. 277).

In unserer individualisierten Gesellschaft entwickeln viele Jugendliche den Wunsch nach Identitat und Wichtigkeit. Sie suchen nach Aufmerksamkeit in einer Gruppe. Im Theaterspiel konnen sie die Gruppe, die Offentlichkeit und sich selbst erfahren lernen, wodurch Spurbarkeit, Sinnlichkeit und Korperlichkeit, die im Zentrum des Spielens auf der Buhne stehen, in ihr Bewusstsein gerufen werden (vgl. Klepacki2004,S. 11).

Es wird davon ausgegangen, dass Theaterspiel einen Raum fur Erfahrungen bildet, in dem die SuS Ich-Kompetenzen, Sozialkompetenzen, Methoden- und Sachkompetenzen sowie asthetische Kompetenzen ausbilden konnen (vgl. Liebau et. al. 2005, S. 279). Die SuS machen im Theaterspiel Erfahrungen, die ihre Personlichkeitsbildung fordern konnen, zu ihrer Personlichkeitsentwicklung beitragen und die Personlichkeit in gewisser Hinsicht verandern konnen (vgl. Domkowsky 2008, S. 52).

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu uberprufen, welchen Einfluss der DS- Unterricht in der Schule auf die Personlichkeitsentwicklung der SuS haben kann. Sollte sich die oben genannte Hypothese bestatigen, konnte damit ein kleiner Beitrag zur Legitimation einer endgultigen Etablierung des DS-Unterrichts in der Schule geleistet werden.

Die Arbeit ist in zwei Teile untergliedert. Im theoretischen Teil soll ein Uberblick uber die aktuelle Forschungslage zu DS und zur Personlichkeitsentwicklung, insbesondere im Jugendalter gegeben werden.

Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit wird die von der Autorin durchgefuhrte Studie an einer Berliner Schule prasentiert, in der in einem DS-Kurs uber ungefahr drei Monate Daten zur Personlichkeitsentwicklung im DS-Unterricht erhoben wurden.

Da DS eine Form des Spielens darstellt, wird zunachst die Bedeutung des Spielens selbst naher beleuchtet. Spielen ist nicht nur fur das Kind, sondern auch fur den erwachsenen Menschen von Bedeutung, da man uber das Spiel wertvolle Erfahrungen uber sich selbst und fur das Leben gewinnen kann. Demnach soll dem Zusammenhang zwischen Spiel und DS nachgegangen werden, um die Bedeutung von DS fur den Menschen herauszuarbeiten.

Im Folgenden wird der Begriff DS naher erlautert (2.2.1) und ein kurzer Uberblick uber die Geschichte des Unterrichtsfaches gegeben (2.2.2). Im Anschluss werden die Lehrplane der Bundeslander Hessen und Berlin fur DS betrachtet, um einen Einblick uber die Forderungen und Erwartungen an das Schulfach zu bekommen (2.2.3) und um feststellen zu konnen, ob Unterschiede in der Gewichtung des Fachs und den Unterrichtszielen bestehen.

Da die empirische Untersuchung einer Lerngruppe im DS-Unterricht an einer Berliner Schule stattgefunden hat, die vorliegende Arbeit jedoch an der Universitat Kassel, Hessen zur Erlangung des ersten Staatsexamens vorgelegt wird, werden die Lehr- bzw. Rahmenlehrplane beider Bundeslander berucksichtigt. Aufgrund der grofieren Verbreitung von DS in der Sekundarstufe II und der Tatsache, dass sich die folgenden empirischen Untersuchungen auf eine

Lemgruppe in der Q2[1] beziehen, werden vomehmlich die Rahmenlehrplane der Sekundarstufe II betrachtet.

Im weiteren Verlauf beschaftigt sich die Arbeit mit der Personlichkeitsentwicklung (2.3). In Bezug auf das Schulfach DS sollen die personlichkeits- und identitatsbildenden Aspekte des Unterrichtsfaches dargestellt werden (2.3.3). Insbesondere die Funktion von Spielleiter[2] und Gruppe, die einen grofien Einfluss auf die Personlichkeitsentwicklung der SuS haben konnen, wird hier naher betrachtet (2.3.4).

Im empirischen Teil (3.) werden zunachst die in der Studie durchgefuhrten Forschungsmethoden Beobachtung (3.1), Interview (3.2) und Fragebogen (3.3) erlautert und da jede Methode ihre Vor- und Nachteile beinhaltet, einer Methodenkritik unterzogen.

Im Anschluss (4.) werden die Ergebnisse der Datenauswertungen, die zuvor in Kategorien eingeteilt wurden, vorgestellt.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Spielend lernen

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (Friedrich Schiller, 15. Brief).

Spielen hat fur den Menschen eine weit grofiere Bedeutung, als im Alltag angenommen wird. Besonders in der politischen Stromung des Idealismus wurde die Bedeutung des Spiels bereits hervorgehoben. Friedrich Schiller, der Teil dieses Diskurses war, stellt beispielsweise die These auf, der Mensch konnte nur uber den Spieltrieb vernunftig werden (vgl. ebd.). Nach heutiger Auffassung wird dies vor allem in der Kindheit deutlich. ,,Die Fahigkeit zu spielen [ist] eine absolute Notwendigkeit fur die kindliche Entwicklung, ist etwa das Durchspielen von Moglichkeiten eine unabdingbare Voraussetzung fur die

Problembewaltigungsstrategie“ (Koch und Streisand 2003, S. 280). Das freie Spiel nimmt in der Kindheit einen wichtigen Raum ein, der weit uber die Bedeutung einer Freizeitbeschaftigung und zur Uberwindung von Langeweile hinausgeht. „Anhand des Kinderspiels lasst sich exemplarisch illustrieren, dass hier Kultur vielfach nachgeschaffen wird und zugleich die kulturelle Umgebung der spielenden Kinder in ihrem Spiel erkennbar wird“ (Seredynski 2012, S. 123).

Die Frage jedoch, was Spiel eigentlich bedeutet, kann nicht befriedigend beantwortet werden, da die Definitionsversuche zu weitlaufig sind und keine klare Erlauterung bieten konnen. Man kann jedoch festhalten, dass Spielen nicht eindeutig nur dem Kind zugeordnet werden kann. Man kann alle erdenklichen Tatigkeiten aus dem Alltag des Lebens auch spielen und sich in alle menschlichen Haltungen spielerisch hineinversetzen. Deshalb gibt es auch im Prinzip keine Grenze fur die Vielfalt der moglichen Verhaltensweisen beim Spielen (vgl. Scheuerl 1974, S. 207).

Anstelle einer Definition kann man dem Spiel jedoch gewisse Merkmale zuordnen, die z.B. in der Zweck- und Zielhaftigkeit liegen. ,,Das Spiel mag keinen aufieren Zweck als der Zerstreuung, Erheiterung oder Anregung dienen“ (Koch & Streisand 2003, S, 280). Das Spiel hat einen Selbstzweck und einen ungezwungenen Charakter, innerhalb dessen es jedoch einen zweckvollen Rahmen haben kann (vgl. Renner 2008, S. 50). Der Versuch es als Gegensatz zu Arbeit, Ernst oder Wirklichkeit zu definieren, ,,scheitert an der Widerspruchlichkeit des Phanomens: Denn das S[piel] erfordert bisweilen harte Arbeit, kann zutiefst ernst werden und kennzeichnet meist etwas, was wirklich stattfindet“ (Koch & Streisand 2003, S.279).

,,Fur die Padagogik ist das S[piel] ein wichtiges Ausdrucksmittel der Personlichkeit; in den Lerntheorien wird vor allem sein Beitrag zur Entwicklung der Identitat und der Ich-Funktionen hervorgehoben“ (ebd., S. 280). Das Kind schafft hier Modellsituationen um darin Erfahrungen zu verarbeiten. ,,Dieser kreative und kognitive Gesichtspunkt des Spielens tragt zur Bereicherung des Ichs durch Erwerb von Erfahrungen, Kenntnissen und Geschicklichkeit bei“ (Krause 1976, S. 12).

Kinder begegnen im Spiel Aufgaben in deren Bewaltigung sie Gelegenheit haben sich auszuprobieren und uber sich hinauszuwachsen wodurch sie eine Selbstbestatigung erfahren. „In der Ubernahme von Anregungen, in der kritischen Auseinandersetzung mit sich, den Partnern und ihrer Umwelt uben sie eine Art Selbsterziehung“ (ebd., S. 15). Besonders in Bewegungsspielen wachsen kontinuierlich das Einfuhlungsvermogen und der Bezug zum Partner, da ein kooperierendes Miteinander eine Grundvoraussetzung fur ein (kommunikatives) Spiel ist (vgl. ebd., S. 84).

Um ein Spiel mit Spielpartnern und fur das Spiel benotigte Regeln durchfuhren zu konnen, bedarf es der Ausbildung sozialer Kompetenzen.

Es wird vermutet, dab vor allem durch Illusions- oder Als-Ob-Spiele (auch Symbolspiele, Fiktionsspiele oder Phantasiespiele genannt), also Spiele, die sich wie das Rollenspiel mit einem konkreten Wirklichkeitssegment und mit der Abbildung/Gestaltung realer Interaktionen befassen, aufgrund der hier stattfindenden modellhaften Auseinandersetzungen ein Zuwachs an sozialer Kompetenz denkbar ist (Weintz 1998, S. 260).

Die Ubernahme von Rollen ist ein grundlegendes Merkmal des Spiels und eine entscheidende Grundlage fur soziales Handeln. Das Spiel bietet die Moglichkeit, ohne mogliche Folgen in der Realitat, Verhaltensweisen auszuprobieren und kann somit dazu beitragen die gemachten Erfahrungen in ein adaquates Rollenverhalten in der Wirklichkeit zu ubertragen (vgl. ebd.). Durch die spielerische Ubernahme von Verhaltensweisen in der Kindheit lernt der Mensch welche Erwartungen an bestimmte Rollen geknupft sind. ,,So werden etwa im kindlichen Rollenspiel familiare Strukturen nachvollzogen“ (Serdynski 2012, S. 123).

Analog zum Spiel werden auch im Theater bestimmte Erwartungen an eine Rolle geknupft. Durch diese Erwartungshaltungen treten bereits bei der ersten Annaherung erste Bilder und Vorstellungen uber die Beschaffenheit und Verhaltensweisen der Figur auf (vgl. Bidlo 2006, S. 140 f. ). Kinder erfahren ihre Welt spielerisch, fullen sie mit Sinn und bewaltigen Probleme im Spiel. Kinder benutzen ihre Phantasie um Geschichten zu erfinden, Figuren zu erschaffen und ihnen Leben einzuhauchen, ahnlich wie es auch im Theaterspiel geschieht (vgl. ebd., S. 20). Zwischen dem kindlichen Spiel und dem Theaterspiel gibt es also eine Reihe an Strukturmerkmalen, die sich uberschneiden, wie Weintz (1998, S. 265) darstellt:

- ,,Dysfunktionalitat und Zweckfreiheit (wenn auch in eingeschrankterem Sinne),
- Quasi-Realitat, Nicht-Ernsthaftigkeit und Als-Ob-Vereinbarung
- Fokussierung, Abstrahierung, Verdichtung und Verfremdung der Realitat,
- Pendeln zwischen Realitat und Fiktion, zwischen Kompensation und Antithese, zwischen Anpassung und Abweichung,
- Kommunikativ-interpersonaler Charakter,
- Spannungsverhaltnis zwischen Regel und Freiraum,
- Wunscherfullung, Sublimierung und kathartische Reinigung von seelischen Zwangen,
- Ruckgriff auf Symbolsprache,
- Neugierde, Spielfreude und Forschungsdrang der Spieler,
- Selbstdistanzierung, SelbstentauBerung und Objektivierung.“

Trotz der bemerkenswerten Ubereinstimmung zwischen dieser Strukturmerkmale fuhrt das Theaterspiel jedoch aufgrund seiner Ausrichtung auf eine offentliche Presentation, die mit Spielvorbereitungen und Proben einhergeht, weit uber das Spielen hinaus (vgl. ebd., S. 271). Die Theaterpadagogik will mehr als nur Spiel sein. ,,Sie ist als S[piel] (play) eine die Wirklichkeit und das Selbst entfaltende elementare Lebensbewegung, die immer dann gefragt ist (...), wenn Grenzen oder Differenzen zu uberbrucken (...) [oder] auszuloten sind“ (Koch und Streisand 2003, S. 280). Das Fach Darstellendes Spiel bietet einen Raum in der Schule, um die zahlreichen Kompetenzen, die im Spiel erlangt werden konnen, auszubilden und die Personlichkeit zu entfalten..

2.2 Darstellendes Spiel

2.2.1 Definition

Darstellendes Spiel oder auch DS ,,ist eine Bezeichnung fur das Schulfach Theater, welches die traditionellen Unterrichtsfacher des Lernbereichs ^ Asthetische Bildung, Kunst und Musik erganzt“ (ebd., S, 67). Darstellendes Spiel bezieht sich einerseits auf die Darstellende Kunst und wird somit dem kunstlerischen Anspruch und der Tradition des Theaters gerecht. Andererseits wird durch das Wort Spiel die Abgrenzung zur Produktionsorientierung des professionellen Theaters und der Laiencharakter der Spieler betont (vgl. ebd., S. 68).

Der Terminus Darstellendes Spiel, der die Verankerung von Theater in der Schule beschreibt, ist in den 1970er Jahren entstanden, um das padagogische Theater in der Schule gegenuber dem professionellen Theater abzugrenzen (vgl. ebd.) und wird haufig synonym zu anderen Ausdrucken wie zum Beispiel ,,Schultheater, Theater (in der Schule), (...) Darstellen und Gestalten, Schulspiel, szenisches Lemen usw. verwendet“ (Klepacki & Zirfas 2013, S. 24). DS-Lehrer Dieter Linck (2005) stellt jedoch klar, dass die oben genannten Synonyme nicht in der schulischen Realitat existieren, „Das (Schul-)Fach, das ,Theaterspiel‘ zum Inhalt hat, wird in allen Bundeslandern ,Darstellendes Spiel‘ genannt; entsprechend heifit auch der Fachverband der Lehrer ,Bundesverband Darstellendes Spiel‘ (BV DS)“ (Linck 2005, S. 87).

Ebenso vielfaltig wie die verwendeten Begriffe sind auch die Organisationsformen des Theaters in der Schule, die sowohl als Wahlfach, Arbeitsgemeinschaft oder in Form von (klassenubergreifenden) Projekten vorzufinden sind (vgl. Klepacki & Zirfas 2013, S. 24). Die vielfaltigen Erscheinungsformen dieses Fachs lassen erkennen, dass Darstellendes Spiel noch nicht uberall in den Facherkanon aufgenommen wurde. ,,Eigentumlich fur den Status des Theaters in der Schule ist dabei, dass der Bereich einerseits uber weite Strecken noch durch den strukturell schwierigen Status eines ,Nicht-Fachs‘ gekennzeichnet ist und sich andererseits durch ein hohes Mafi an padagogischem Zuspruch auszeichnet“ (ebd., S. 25).

In vielen Bundeslandern ist DS jedoch bereits nicht mehr nur als Wahlfach oder Arbeitsgemeinschaft anzutreffen, sondern wurde auch in der Sekundarstufe I in den normalen Stundenplan integriert und wird mit Leistungsuberprufungen und Benotungen auf Grundlage von Lehr- bzw. Rahmenlehrplanen unterrichtet (vgl. Koch & Streisand 2003, S. 68). In der Sekundarstufe II ist das Fach sogar bereits flachendeckend in Deutschland etabliert (vgl. Jurke et al. 2008, S. 5).

Im DS-Unterricht steht die Erarbeitung eines Theaterprojektes im Fokus, mit dem Ziel einer Auffuhrung. Im Verlauf der Arbeitsphase sollen die Teilnehmer die Gestaltung eines Theaterstuckes, die Zeichensysteme und die moglichen Ausdrucksmittel des Theaters erlernen und sich mit dem Verhalten der Menschen und gesellschaftlichen Rollen auseinander setzen (vgl. ebd.). ,,Im DS haben Selbstausdruck, Entwicklung von Wahrnehmungsfahigkeit und Selbstbewusstsein, Gruppenprozesse und Kooperationsvermogen eine entscheidende Bedeutung“ (ebd.).

Theater in der Schule kann folglich unterschiedliche Zwecke erfullen und wird in verschiedenen Formen unterrichtet. Darstellendes Spiel, das insbesondere die Kompetenzforderung der SuS zum Ziel hat, hat jedoch den Anspruch als vollwertiges Fach verstanden und auch uber die Sekundarstufe II hinaus in der Schule etabliert zu werden.

2.2.2 Geschichte des Darstellenden Spiels

Das Theaterspiel in der Schule kann auf eine jahrhundertealte Tradition zuruckblicken. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts konnte eine Etablierung des humanistisch gepragten Schultheaters zunachst in lateinischer, spater dann auch in deutscher Sprache beobachtet werden, in dem das Theaterspiel vor allem ,,die Beredsamkeit schulen und moralisch wirksam werden“ sollte (Klepacki & Zirfas 2013, S. 26).

Gegen Mitte des 16. Jahrhunderts dominierten das protestantische Schulspiel sowie das katholische Jesuitentheater, wahrend sich im 17. und 18. Jahrhundert eigene schuldramatische Werke und das Kinder- und Jugendschauspiel der Aufklarung entwickelten, was insbesondere die Sprachkompetenz fordern und Vernunft und Moral vermitteln sollte (vgl. ebd.).

Danach ist ein Bedeutungsabfall des Schultheaters zu verzeichnen, das allerdings im 20 Jahrhundert wieder einen deutlichen Aufschwung erfahren hat. Vor allem die Jugendbewegung und die Reformpadagogik lieferten zu dieser Zeit eine Begrundung fur die modernen Ansatze des Schultheaters. „Stilmittel wie das chorische Spiel, die Betonung der Spielergruppe und des Spielprozesses, die Suche nach eigenen theatralen Ausdrucksmitteln und die Eroffnung von subjektiven Erfahrungsmoglichkeiten im Theaterspiel standen hierbei im Zentrum“ (ebd., S. 27).

Wahrend nach dem zweiten Weltkrieg die musische Bildung, die individuelle Entfaltung sowie die Personlichkeitsbildung der SuS im Vordergrund standen, verfolgte das Theaterspiel in den 1970er Jahren politische Interessen. Seit den 1980er Jahren ist eine Professionalisierung der Spielleiter sowie der Methoden des Schultheaters beobachtbar.

Hier ist es insbesondere der Ansatz des Postdramatischen Theaters, der seit der Jahrtausendwende mit seiner Absage an die textlich-logische Zentriertheit des Theaters und seinem Fokus auf korperlich-performative Erzeugungen emergenter asthetischer Situationen dem Theater in der Schule vielfaltige Anregungsimpulse liefert (ebd.).

Zu den ersten Bundeslandern, die Anfang der 1980er Jahre DS als Unterrichtsfach eingefuhrt haben, gehoren ,,Hamburg, Bayern, Berlin und Bremen, neuerdings haben Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thuringen das Fach eingefuhrt“ (Koch 2003, S. 69). Seit den 1990er Jahren bieten diese Lander zudem uber ihre Lehrerfortbildungsinstitute Weiterbildungen fur das Fach DS an (vgl. ebd.).

Der Prozess der endgultigen Etablierung des Unterrichtsfaches Darstellendes Spiel dauert nun jedoch schon Jahrzehnte an. Zum ersten Mal wurde 1925 die Verankerung des Faches gefordert, das damals noch Schulbuhne genannt wurde (vgl. Hesse 2008, S. 39). Zwar konnte 2007 auf dem Kongress des Bundesverbands Theater in Schulen ,,Wozu das Theater?“ in Hamburg die Bilanz gezogen werden, dass diese Forderung teilweise verwirklicht worden ist, jedoch musste auch konstatiert werden, dass die Entwicklung zu einem regularen Unterrichtsfach bis dahin noch in keinem Bundesland abgeschlossen worden ist (vgl. ebd.).

Aktuell konzentrieren sich die Bemuhungen um die professionelle und institutionelle Etablierung des Theaters in der Schule hauptsachlich auf die institutionelle Verankerung, der systematischen Lehreraus- und Lehrerweiterbildung (z.B. durch Lehrplane und Schul- bzw. Unterrichtsbucher), die Intensivierung wissenschaftlicher Erforschung der Potentiale asthetisch-kultureller Bildung sowie der Erwerb von Schlusselkompetenzen durch das Theater in der Schule und die grundsatzliche legitimatorische Starkung der Kunste in der Schule (Klepacki & Zirfas 2013, S. 27).

Heutzutage ist aufierdem eine starkere Kooperation zwischen den Schulen und Theatern zu beobachten, ,,die dazu fuhrt, dass vermehrt aufierschulische Theaterprofis wie Theater- und Tanzpadagogen, Schauspielern oder Regisseuren in schulischen Kontexten tatig werden“ (ebd, S. 25).

Hierdurch eroffnen sich neue Moglichkeiten fur die Theater junges Publikum anzuwerben und zusatzliche Mittel vom Staat zu erhalten sowie fur die Schulen, die von den Einblicken in das Berufsfeld des Theaters und eine erhohte Motivation der SuS profitieren konnen.

2.2.3 Darstellendes Spiel in den Lehrplanen

Die Rahmenlehrplane fur Darstellendes Spiel in den verschiedenen Schultypen (Grundschule, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II) unterscheiden sich in ihren Lernzielen in der Forderung asthetischer, sowie sozialer und personlicher Kompetenzen oder auch Ich-Kompetenz, gegebenenfalls auch methodischer Kompetenz, die in einem Theaterprojekt erworben werden sollen (vgl. Koch & Streisand 2003, S. 68). ,,DS ist immer auch gleichzeitig ein wesentliches Handlungs- und Erlebnisfeld zur Einubung sozialer Verhaltensweisen und zur Entwicklung der eigenen Personlichkeit“ (ebd.).

Hessen

Im Rahmenlehrplan des Landes Hessen wird die Einfuhrung von DS als Antwort auf gesellschaftliche Veranderungen verstanden, in denen die Jugendlichen die Chance bekommen sollen, „kreatives Lernen, die Besinnung auf die eigenen Gestaltungs- und Handlungsmoglichkeiten [und] die Fahigkeit, eigene Sichtweisen und Ausdrucksformen zu entwickeln“ (Hessisches Kultusministerium 2010, S. 3). Diese Bildungsziele werden als zentral wahrgenommen in einer Lebenswelt, die durch Bildmedien und elektronische Gerate als fremdbestimmt erlebt wird. Die Forderung von Kreativitat, Aktivitat sowie sinnliches Erleben und Handeln innerhalb einer Gruppe sollen im DS-Unterricht verstarkt gefordert werden (vgl. ebd.). Demnach erfullt das Fach die Forderungen „des selbststandigen Lernens, des wissenschaftspropadeutischen Arbeitens und der Personlichkeitsbildung“ (ebd.), die in der Vereinbarung der

Kultusministerkonferenz gefordert werden.

Das zentrale Ziel des Fachs Darstellendes Spiel ist eine Theaterauffuhrung. Wahrend der Arbeit fur diese Auffuhrung sollen die SuS Fertigkeiten in der schauspielerischen Darstellung erwerben und grundlegende Kenntnisse uber das Theater und seine Zeichensysteme, sowie die Theatertheorie und -geschichte gewinnen, wobei die spielpraktischen Aufgaben durch theoretische Sequenzen erganztwerden (vgl. ebd., S. 4).

Den SuS wird ein Raum fur Handlungen zur Verfugung gestellt, in dem eine (fiktive) Realitat geschaffen wird. „Dabei verbindet sich im Darstellenden Spiel ein Ensemble von kognitiven und korperlich-emotionalen Fahigkeiten mit kreativen, sozialen und polytechnischen Fertigkeiten“ (ebd. S. 5). Ziel des Fachs Darstellendes Spiel ist ein handlungsorientierter Unterricht, in dem die SuS durch ihre subjektiven Erkenntnisse und Erfahrungen verhaltenswirksam lernen sollen (vgl. ebd.). Darstellendes Spiel ,,tragt mit den Mitteln des Theaters zur Steigerung von Kompetenzen bei, die in einer Vielzahl von Lebensbereichen aufierhalb des Theaters, z. B. in der modernen Arbeitswelt, von sozialer Relevanz sind“ (ebd.).

Im hessischen Rahmenlehrplan werden verschiedene Kompetenzen vorgegeben, die im Unterricht gefordert werden sollen. Zunachst handelt es sich beim DS- Unterricht wie auch bei Musik oder Kunst, um ein asthetisches Fach. Zu den asthetischen Kompetenzen gehort ein Wissen uber die Form und Funktion des Theaters und den Umgang mit ihnen, sowie kunstlerische Fertigkeiten, wie z.B. die Ausdrucksmoglichkeiten von Korper und Sprache oder Korper, Stimme und Bewegung, oder Kenntnisse uber Dramaturgie und Regie, um nur einige hier zu nennen (vgl. ebd. S., 7 f.).

Ein weiterer Kompetenzbereich soll die kommunikativen, sprachlichen sowie sozialen Kompetenzen fordern. Hier ist vor allem die Spielfahigkeit zu nennen, in welcher sich die SuS im Spiel Welt- und Kulturwissen aneignen. ,,Dabei werden ihre Personlichkeitsentwicklung, Ich-Starke und die Orientierung auf die zukunftige eigene soziale Rolle gefordert, auch durch spielerisches Handeln in nicht-theatralen Vorformen (spontane Interaktion, Rollenspiel)“ (ebd., S. 8). Im Fach Darstellendes Spiel sollen die SuS ihre Eigen- und Fremdwahrnehmung ausbauen und gegebenenfalls modifizieren. Vor allem sind hier auch sozialintegrative Kompetenzen zu nennen, wie die Kooperation mit Partnern und der Gruppe (vgl. ebd.).

Zudem sieht der hessische Rahmenplan (2010, S. 9) eine Forderung der theoretischen Kompetenzen vor. Diese beziehen sich z.B. auf die Textanalyse, Kenntnisse uber die verschiedenen Theaterformen und kulturgeschichtliche oder geschichtliche Zusammenhange oder Figurenanalyse.

Inhaltlich wird das Fach Darstellendes Spiel in drei Inhaltsbereiche aufgeteilt, die die schauspielerische Arbeit, die Dramaturgie- und Inszenierungsarbeit und die Theatertheorie und -geschichte beinhalten. Alle drei Themenbereiche sollen sowohl spielpraktisch als auch theoretisch in der Einfuhrungs- und Qualifikationsphase umgesetzt werden, jedoch sind sie in der genannten Reihenfolge in denjeweiligen Phasen (El und E2, Q1 und Q2, sowie Q3 und Q4[3] ) zu akzentuieren (vgl. ebd., S. 19). Hierbei sollte laut hessischem Lehrplan den Schulern mit steigenden Kursjahr auch die Anforderung an die Selbststandigkeit der SuS wachsen.

Obwohl der Lehrplan einen grofien Freiraum fur die Umsetzung im Unterricht lasst, werden im hessischen Rahmenplan fur Darstellendes Spiel (2010) folgende verbindliche Rahmenthemen fur diejeweiligen Kurshalbjahre genannt:

-„Kurshalbjahr El Das Theater und seine Zeichensysteme
-KurshalbjahrE2Der TextalsPartitur
-KurshalbjahrQl ImprovisationundRollenarbeit
-Kurshalbjahr Q2 Dramaturgie und Inszenierung
-Kurshalbjahr Q3 Das Leben - (k)ein Traum
-Kurshalbjahr Q4 Spiel und Wirklichkeit“ (S. 21)

Eine ausfuhrliche Darstellung der einzelnen Rahmenthemen wurde an dieser Stelle zu weit fuhren, weshalb die Ubersicht nicht weiter erlautert wird. Stattdessen lohnt es sich, einen Blick auf den Rahmenplan des Bundeslands Berlin zu werfen, um hierbei konzeptuelle Gemeinsamkeiten und ggf. auch Unterschiede festzustellen.

Berlin

Der Rahmenlehrplan fur das Fach Darstellendes Spiel im Bundesland Berlin weist zunachst darauf hin, dass die Moglichkeit besteht bereits in der Sekundarstufe I DS als Wahlpflichtfach zu besuchen. Dies kann zur Folge haben, dass in der Einfuhrungsphase SuS mit unterschiedlichen Vorkenntnissen berucksichtigt werden mussen, was durch Differenzierungsmafinahmen ausgeglichen werden muss (vgl. Senatsverwaltung fur Bildung, Jugend und Sport Berlin (2006), S. V). Die Zielsetzungen des ersten Halbjahres in der Einfuhrungsphase beinhalten den Aufbau eines Ensembles sowie die Erarbeitung eines Gestaltungsrepertoires, welche durch Grundubungen und Spiele, theatrales Spiel und asthetische Kriterien und Reflexion erarbeitet werden sollen (vgl. ebd.). Diese dienen als Grundlage fur die Anforderungen im zweiten Halbjahr, in dem eine komplexe Spielhandlung entwickelt und prasentiert werden soll.

In der Qualifikationsphase sollen die in der Einfuhrungsphase erworbenen Kompetenzen ausgebaut und erweitert werden. Die Zielsetzung liegt in der Qualifikationsphase allgemein (facherubergreifend) auf einer Vorbereitung auf die weitere universitare bzw. berufliche Karriere sowie auf ein selbststandiges, verantwortungsbewusstes und friedliches Leben in einer demokratischen Gesellschaft (vgl. ebd., S.5).

In der Zielsetzung fur Darstellendes Spiel unterscheiden sich die beiden Rahmenplane nur bedingt. Die Senatsverwaltung Berlin sieht folgende zentrale Ziele fur das Darstellende Spiel vor: Die Entfaltung der eigenen Kreativitat in der Gruppe und den Umgang mit der Gruppendynamik, die Befahigung zur Kritik untereinander und gegenuber der darstellenden Kunste sowie eine ,,Forderung der aktiven Teilhabe am kulturellen Leben“ (ebd., S. 9). Die fachbezogenen Kompetenzen, die gefordert werden sollen, beziehen sich auf die ,,theaterasthetische Handlungskompetenz“, die sich auffachert in Sachkompetenz, Gestaltungskompetenz, kommunikative Kompetenz und kulturelle Kompetenz (ebd., S. 10), die hier kurz angerissen werden sollen.

Die Sachkompetenz umfasst inhaltliches Wissen und Konnen, wie z.B. das Verstehen und die Anwendung von theatralen Zeichen, unterschiedlichen Gestaltungsmitteln und Spieltechniken oder die Durchfuhrung einer Theaterproduktion (vgl. ebd., S. 12).

In der Gestaltungskompetenz liegt der Fokus auf der Asthetik. Die SuS sollen ihre kreativen Potentiale nutzen und den performativen Prozess mitgestalten, wahrend die kommunikative Kompetenz nicht nur die Kommunikationsfahigkeit der SuS, sondern auch die Solidaritat innerhalb der Gruppe, Verantwortungsbewusstsein, Selbstreflexion sowie Selbst- und Fremdwahrnehmung beinhaltet, was auch die sozialen Kompetenzen der SuS fordern soll (vgl. ebd., S. 13).

Die kulturelle Kompetenz soll durch die Begegnung mit dem historisch, kulturell und sozial Fremden gefordert werden, in dem die SuS lernen, ihr Verhalten gegenuber als anders wahrgenommenen Personen(-gruppen) zu reflektieren und sie im Spiel unterschiedliche Perspektiven auf verschiedene Wirklichkeiten einnehmen konnen. Die SuS sollen lernen reflektiert mit eigenen und fremden Inszenierungen sowie Theater, Film und Fernsehen umzugehen (ebd., S. 12).

Die Kurshalbjahre sollen mit folgenden Schwerpunkten durchgefuhrt werden.

1. „Kurshalbjahr (ds-1): Entwicklung eines Theaterprojekts
2. Kurshalbjahr (ds-2): Realisierung eines Theaterprojekts
3. Kurshalbjahr (ds-3): Erarbeitung eines komplexeren Theaterprojekts und Vertiefung theoretischer Grundlagen
4. Kurshalbjahr (ds-4): Presentation, Analyse und Vergleich von Theaterprojekten“ (ebd., S. 27).

Die Lehrplane der Bundeslander Hessen und Berlin unterscheiden sich nur bedingt in ihren Schwerpunkten. Sie beziehen sich auf die Ausbildung von Kompetenzen, die nicht nur die fachspezifischen Kenntnisse enthalten, sondern fordern auch in aller Klarheit die Ausbildung von personlichen Kompetenzen und die Entfaltung der Personlichkeit, um die SuS auf das (berufliche) Leben in unserer Gesellschaft vorzubereiten. Da die Rahmenlehrplane im Fach Darstellendes Spiel den Lehrpersonen besondere Freiheiten in der Umsetzung lassen, sind die positiven Auswirkungen des Unterrichts stark von den leitenden Personen abhangig.

2.3 Personlichkeitsentwicklung

2.3.1 Definition

In der einschlagigen Literatur gibt es keine einheitliche Definition von Personlichkeit, sondern der Begriff variiert je nach historischem Kontext und von Autor zu Autor stark (vgl. Prandini 2001, S. 14). Die Personlichkeit kann aus verschiedenen wissenschaftlichen Positionen betrachtet werden, die den Menschen als Individuum, als soziales, ethisches oder kulturelles Wesen betrachten. ,,Innerhalb der Padagogik ist es hauptsachlich die padagogische Psychologie, die sich mit der psychischen Seite der Erziehung befasst“ (Prandini 2001, S. 17).

Bei der padagogischen Psychologie ist jedoch festzustellen, dass zur Schulerpersonlichkeit nur beschrankte Erkenntnisse vorliegen, da bislang in der Forschung nur die Personlichkeitskomponenten beachtet worden, die fur die Schulcurricula relevant sind, wie z.B. Intelligenz, Wissenserwerb oder Problemlosefahigkeiten (vgl. ebd.). ,,Praktische Anleitungen zur Forderung der Schulerpersonlichkeit lassen sich daher beim gegenwartigen Stand der Wissenschaft erst teilweise ausmachen“ (ebd.).

Ein Ansatz zur Erschliefiung der Personlichkeit ist die Personlichkeit als Konstrukt zu sehen. Die Entwicklung eines Personlichkeitskonstrukts erfolgt durch eine empirische und messbare Informationsgewinnung, in der das menschliche Verhalten beobachtet und gemessen wird. ,,Fasst man alle Konstrukte uber einen Menschen zu einem Ganzen zusammen, ergibt sich das ubergreifende Konstrukt der Personlichkeit“ (Prandini 2001, S. 24). Hierbei ist zu beachten, dass verschiedene Interpretationsweisen moglich sind und dass das Personlichkeitskonstrukt wandelbar ist.

Ein ahnliches Verfahren ist aus dem Alltag bekannt, in dem die Eigenschaften eines Menschen beobachtet werden, um auf seine Personlichkeit zu schliefien. Die einfache Beschreibung des Menschen anhand bestimmter Eigenschaften wird aber in der Regel von der Psychologie abgelehnt, da sie zu ungenau ist (vgl. ebd., S. 25). Jedoch hat die Bestimmung der Personlichkeit anhand von Eigenschaften in der Psychologie eine eigene umfangreiche Forschungstradition hervorgebracht. Die Personlichkeit umfasst alle Auspragungen der Eigenschaften zusammen und stellt eine einzigartige Kombination dar (vgl. ebd., S. 26). ,,Aus psychologischer Sicht gelten Eigenschaften als relativ zeit- und situationsstabile

Personlichkeitsmerkmale. Insbesondere wird ein mittelfristig stabiler Zusammenhang zwischen den Eigenschaften und dem Verhalten eines Individuums uber verschiedene Situationen hinweg unterstellt“ (ebd. S. 27).

Die Grundvorstellungen uber die Basis der Personlichkeit und Personlichkeitsentwicklung lassen sich in drei Paradigmen unterscheiden - das endogenistische Paradigma, das exogenistische Paradigma und das interaktionistische Paradigma.

Nach dem endogenistischen Paradigma hangt die Personlichkeit eines Menschen von inneren Merkmalen ab, die sich durch Reifung entwickelt haben und gilt als vorwiegend durch die Anlagen bedingt (vgl. Prandini 2001, S. 9). Im Gegensatz dazu steht das exogenistische Paradigma, dass davon ausgeht, dass die Personlichkeit zum grofien Teil durch aufiere Einflusse der Umwelt beeinflusst wird. ,,In der extremsten Auspragung dieses Standpunktes wird der Mensch als ,unbeschriebenes Blatt‘ (John Locke) geboren, das durch die Erzieher nach Belieben beschrieben werden kann“ (ebd., S. 10).

Die eben genannten Paradigmen sind heute jedoch weitestgehend uberholt und durch das interaktionistische Paradigma verdrangt, dass sich durch eine Wechselbeziehung von Individuum und Umwelt auszeichnet (vgl. ebd., S.10 ff.).

2.3.2 Personlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen

Es wird von der Grundannahme ausgegangen, dass die Personlichkeitsentwicklung Jugendlicher auf dynamischen Wechselbeziehungen zwischen Jugendlichen und ihrer Umwelt beruht, auf die der Jugendliche in Abhangigkeit von seinen Zielen, Interessen und Bedurfnissen aktiv einwirken kann und wodurch er zum „Koproduzenten seiner Personlichkeitsentwicklung44 (ebd., S. 12) wird. Die Personlichkeitsentwicklung von Jugendlichen kann demnach von aufien, zum Beispiel von Lehrpersonen, Eltern, etc., zielgerichtet geleitet werden. Diese zielgerichtete Leitung ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn den Jugendlichen ein angemessener Spielraum fur ihre Entwicklung geboten wird (vgl. ebd., S. 12).

Die Schule kann den Jugendlichen einen Raum fur ihre Entwicklung bieten. Sie hat heute nicht mehr nur den Auftrag der Wissensubermittlung, sondern auch die Aufgabe die Kinder und Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu fordern. Neben dem Schulwissen ubermittelt sie auch andere Fahigkeiten und Kompetenzen und qualifiziert SuS somit fur die kunftige Ausbildungs-, Berufs- und Alltagswelt. Es ist nicht zu bestreiten, dass sie damit auch einen grofien Einfluss auf die Entwicklung und Personlichkeit der SuS hat. Das Wissen uber den moglichen Einfluss der Schule auf die Schulerpersonlichkeit beeinflusst die padagogischen Ansatze mehr oder weniger stark (vgl. Prandini 2001, S. 6).

Fur den Theaterpadagogen Peter Wolfersdorf ist das Darstellende Spiel mit Jugendlichen besonders effektiv. Im Gegensatz zum Kind, das sein Spiel nicht reflektiert, verfugt der Jugendliche uber eine starker ausgepragte Reflexionsfahigkeit und ist sich uber das Zurschaustellen einer Rolle (vor Publikum) bewusst (vgl. Wolfersdorf 1984, S. 7). Ein weiteres Merkmal, dass den Jugendlichen zu einem besonders geeigneten Spieler macht, ist die adoleszente Lebensphase in der er sich befindet, die zwischen der Kindheit und der Unsicherheit des Erwachsenseins steht und den Jugendlichen Fixpunkte fur sein zukunftiges Leben suchen lasst. ,,Er besitzt eine spezifische Veranlagung, aber noch keine gefestigte Struktur“ (ebd., S.9).

Die Adoleszenz stellt fur die SuS eine bedeutsame Entwicklungsphase dar, auf die die Schule Einfluss nehmen kann. Adoleszenz lasst sich allgemein „als Ubergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter kennzeichnen“ (Prandini 2001, S. 7) und ist insbesondere durch starke psychologische und soziale Entwicklungen charakterisiert. Diese Entwicklungsphase lasst sich in eine fruhe und eine spate Adoleszenz unterteilen. Wahrend sich die fruhe Adoleszenz, die das 10. bis 15. Lebensjahr umfasst, durch eine grofiere Unabhangigkeit von den Eltern ausweist, zeichnet sich die spate Adoleszenz, die das 16. bis 20. Lebensjahr umfasst, durch den Aufbau eigener Identitat, durch die Erprobung neuer Rollen und durch das Treffen wichtiger Entscheidungen hinsichtlich eines Berufs oder Partnerschaften aus (vgl. ebd.). Demnach befinden sich die SuS in der adoleszenten Phase in der Sekundarstufe I und II, in der der Schule in besonderer Weise ermoglicht wird einen positiven Einfluss auf ihre Personlichkeitsentwicklung zu nehmen.

Der Aufbau der Identitat soll im Hinblick auf die Personlichkeitsentwicklung hier noch genauer betrachtet werden. ,,Etymologisch betrachtet, entsteht aus dem lateinischen ,idem‘ und ,facere‘ - der -, dasselbe und machen -‘identitas‘, die Wesenseinheit“ (Friedel 1994, S. 7). Diese Wesenseinheit stellt die Identitat des Menschen dar und damit das was den Menschen als Mensch auszeichnet. Sie liegt im Interesse fur die Wissenschaftsrichtungen, die die Personlichkeitsentwicklung zum Gegenstand haben. Die Identitat eines Menschen beinhaltet die kognitiven, emotionalen und normativen Eigenheiten einer Person und ist durch seine Sozialisation konstituiert (vgl. ebd.).

Doris Friedel (1994, S. 7) weist darauf hin, dass Schule, wenn sie die Identitat der SuS beeinflusst und mitentwickelt, eine ganzheitlichen Blick auf die SuS nehmen muss. Nicht nur das Wissen und die Sachkompetenz, sondern auch die Sprachkompetenz, die Ich- und die Sozialkompetenz mussen gleichermafien beachtet werden.

2.3.3 Personlichkeits- und identitatsbildende Aspekte im DS- Unterricht

Schule kann deshalb auf die Schuleridentitat Einfluss nehmen, da es sich bei der Identitat nicht um einen statischen Zustand handelt, der einmal erworben wird und stetig so bleibt, sondern sie kann sowohl von innen als auch von aufien, durch unterschiedliche Prozesse und die Verarbeitung von Erfahrungen beeinflusst werden (vgl. ebd., S. 13). ,,Da diese Verarbeitungsprozesse personenspezifisch im Grad und Ausmafi unterschiedlich sind, fallen auch die Ergebnisse unterschiedlich aus und eine Person erhalt dadurch ihre Individualitat“ (ebd.).

Die kognitive Komponente der Identitat stellt das Selbstkonzept dar. Das Selbstwertgefuhl wird von angenehmen und unangenehmen affektiven Prozessen beeinflusst. ,,Diese emotionale Komponente von Identitat und die Moglichkeit, etwas zu verandern oder einer Situation hilflos ausgeliefert zu sein, wird als gelerntes und generalisiertes Verhalten in die Personlichkeitsstruktur eines Individuums aufgenommen“ (ebd., S. 14). Zur Personlichkeitsentwicklung gehoren daher zum einen das erlernte Wissen, aber auch bewusste und unbewusste Prozesse, die das Selbstkonzept und das Selbstwertgefuhl beeinflussen (vgl. ebd., S. 35). Besondere Wirkung kann die Schule auf das Selbstkonzept haben. ,,Die Lernumwelt bietet hemmende und fordernde Einflusse auf das Selbstkonzept und kann damit verbundene Leistungserwartungen positiv oder negativ beeinflussen“ (ebd.). Aufgrund des grofien Einflusspotentials der Umwelt auf die Schulerpersonlichkeit sind vor allem das Unterrichtsklima und die Lehrerrolle von Bedeutung (vgl. ebd., S. 36).

Demnach gehort zur padagogischen Zielsetzung:

-,,Der Aufbau realistischer Selbstkonzepte (das konkurrenzfTeie Bewerten eigener Fahigkeiten, Akzeptieren eigener Fahigkeiten und eventuell das Mobilisieren der Anstrengungsbereitschaft).
-Das Erhalten und Aufbauen eines positiven Selbstwertgefuhls, verbunden mit einem gesunden Selbstvertrauen durch vorgelebte Lehrerrollen, die Wertschatzung und Beachtung ausdruckt.
-Das Erhalten und Aufbauen psychischer Stabilitat durch das Anbieten von Orientierungsrahmen und Strategien der Konfliktlosung sowie das Zulassen von Gefuhlen bzw. den Gesprachen uber Befindlichkeiten. Mit der letzten Forderung wird das padagogische Handeln mit therapeutischen Grundkenntnissen verknupft (Lehrerausbildung)“ (ebd.).

Insbesondere der DS-Unterricht kann bei dem Aufbau der eigenen Identitat und der Erprobung neuer Rollen einen Beitrage leisten. Die SuS haben im DS- Unterricht die Moglichkeit, da sie sich in einem geschutzten fiktiven Raum bewegen, unterdruckte Bedurfnisse und ungewohnliche Verhaltensweisen in aller Offentlichkeit und trotzdem ohne die Angst vor Sanktionen (z.B. Abwertungen), zu erproben und auszuleben (vgl. Weintz 1998, S. 157).

In dieser fiktiven Realitat ermoglicht die Identifikation, also die intensive psychologische Annaherung an eine fremde (erfundene) Person, die immer auch Facetten der eigenen Personlichkeit enthalt, das Erproben von Identifikationen mit anderen, was aus psychoanalytischer Sicht dazu dienen kann, das eigene „Ich“ auszudifferenzieren (vgl. ebd.).

Theaterpadagoge Jurgen Weintz (ebd., S. 248) betont, dass sich das Spiel als hervorragendes Lernmittel fur Erfahrungen auf der personlichen und sozialen Ebene, sowie fur das Herantasten und die Uberprufung der Realitat anbietet. Da sich das Darstellende Spiel an der Realitat orientiert, wird das Kind bzw. der Jugendliche dazu motiviert seine Umgebung und deren Gesetzmafiigkeiten experimented zu erforschen und das eigene Verhaltnis zur Umwelt immer wieder zu uberprufen (vgl. Krause 1976, S. 132). Der Umgang mit anderen Menschen und eine kritische Auseinandersetzung mit Lebensgewohnheiten und der Erfahrungsgewinn uber die eigenen Fahigkeiten im gemeinsamen Spiel, „hebt icheinschrankende Abwehrhaltungen im Kinde auf, fordert die Entwicklung der eigenen Personlichkeit und weckt ein neues soziales Verstandnis fur die Gemeinschaft“ (ebd.).

Die Spieler konnen hier, wie im kindlichen Spiel, Grenzen uberwinden, verdrangte Personlichkeitsaspekte aufdecken, neue und ungewohnte Perspektiven einnehmen und dadurch das eigene Selbstbild in der Auseinandersetzung mit sich selbst, der Rolle und den anderen Teilnehmern erweitern (vgl. Weintz 1998, S. 274). Die Auseinandersetzung mit der eigenen vielschichtigen Identitat kann durch das Ausfullen einer Rolle mit dem eigenen biographischen Material angestofien werden, wobei das Selbstkonzept des Spielers bestatigt, bekraftigt aber auch verstort und erweitert werden kann (vgl. Weintz 1998, S. 274). Die Theaterpadagogin Tanja Bidlo weist darauf hin, dass Theaterspielen immer bedeutet, von sich zuruckzutreten und Aspekte von sich aufzugeben. Es bedeutet allerdings auch durch das Theaterspiel neue Aspekte an sich zu entdecken (vgl. Bidlo 2006, S. 23).

Die kreative Arbeit in der Schule hat fur die SuS einen besonderen Wert, da sie die SuS aus ihrer schulischen Alltaglichkeit und dem gleichformigen Trott heraus holt und ihnen die Moglichkeit gibt neues Konnen zu entdecken. „Schuler zeigen Kreativitat, in dem sie Objekte herstellen, Tanze entwickeln und vortanzen, Theater spielen; sie gestalten Dinge (auch Lerngegenstande) um und erfahren: Ich kann das!“ (Friedel 1994, S. 37) Die kreative Leistung, die der Schuler von sich selbst erfahrt, kann sich positiv auf sein Selbstbild auswirken, aber auch auf sein Zusammenleben mit anderen. „Er erlebt im Zusammenstromen verschiedener Kunste, dab er in mehreren Bereichen schopferisch sein kann; seine Selbsttatigkeit gibt ihm mehr Selbstvertrauen und in dieser Sicherheit vielleicht auch mehr Vertrauen zu seinen Mitmenschen“ (Wolfersdorf 1984. S. 3).

Trotz der bereits genannten zahlreichen positiven Aspekte des DS-Unterrichts und der Tatsache, dass diese bereits seit Jahrzehnten bekannt sind, scheint man immer noch nach einer Legitimation fur dieses Fach zu suchen. Joachim Reiss, Vorsitzender des Bundesverbands Darstellendes Spiel, fasst diesen Umstand (bewusst uberspitzt und provokant) folgendermaben zusammen:

Wir sehen also: Langeweile im Deutschunterricht und Zuschauen im Theater ist erlaubt und unumstritten, gehort ja auch zum tradierten und liebgewordenen Bild der Schule. Alles Aktive, Spielerische, Kreative, Kunstlerische steht infrage, scheint nur auberhalb der Schule moglich und erwunscht (Reiss 1999, S. 89).

Dabei kann Darstellendes Spiel in der Schule Kompetenzen fordern, die in anderen Unterrichtsfachern nur wenig Berucksichtigung finden. Besonders zu nennen sind hier „psychosoziale Kompetenzen, also fur die Entwicklung von Sensibilitat, Wahrnehmungsfahigkeit, Flexibilitat, Einfuhlungs- und Ausdrucksvermogen, Selbstbewubtsein sowie Konfliktldsungsfahigkeiten“ (Weintz 1998, S. 275).

Laut Karin Grau (1999, S. 129) scheint es so, als wurden in unserer Leistungsgesellschaft die zwischenmenschlichen und sozialen Kontakte immer seltener werden und dass somit den Kindern und Jugendlichen die Moglichkeit genommen wird soziale Kompetenzen zu erlernen. Grau betont die Wichtigkeit, dass sie die Moglichkeit bekommen, sich auszuprobieren, ihr kreatives Potential zu erkennen und Spiel-Kommunikations- und Handlungskompetenz sowie Selbstsicherheit zu erwerben.

Im Theaterspiel werden die Erlebnisfahigkeit und Sensibilitat entwickelt, und verschiedene Interaktionen gefordert, was zu einer ganzheitlichen Aktivierung des Menschen sowie einer Erweiterung seines Bewusstseins und seines Ausdrucksvermogens fuhren kann. Vor allem die Moglichkeit des Rollentausches ermoglicht es dem Spieler immer wieder neue Sichtweisen zu erfahren und gegebenenfalls Denk-und Verhaltensmuster zu reflektieren und zu modifizieren (vgl. Krause 1976, S. 133). ,,Gleichzeitig wird in der Arbeit, wenn sie auch noch so spielerisch erfahren wird, ein asthetischer Lernprozess freigesetzt, der zur Selbstkonfrontation durch die in der Rolle erfahrenen, nachgelebten Gefuhle und Verhaltensmuster fuhrt“ (Bidlo 2006, S.21). Auch Wolfersdorf ist sich sicher, dass sich die ,,im Spiel innewohnende Kraft“ zwingend auf personliche und soziale Verhaltensweisen auswirkt“ (Wolfersdorf 1984, S. 3).

Haufig unterscheiden sich die Schulercharaktere stark von denen der Rolle, die sie spielen und nicht immer sind die Gefuhle und Handlungen der Figuren mit denen der Spieler vereinbar. Mit der naheren Auseinandersetzung mit der Figur, der durch den Spieler Leben eingehaucht wird, wodurch er in unmittelbaren Kontakt zu ihr kommt, ist eine Erweiterung der Sicht auf die eigenen Gefuhle und Verhaltensweisen moglich (vgl. ebd., S. 22). Im Alltag bieten sich nur selten Gelegenheiten zum Spielen und zum Experimentieren. Das Theaterspiel kann den Schulern einen Raum geben dies zu tun, wobei Emotionen erlebt und ausgedruckt werden und unterdruckte Personlichkeitsanteile wahrgenommen und erlebt werden. Kindliche Freuden konnen somit im Spiel neu erfahren werden ohne dass sie dafur als kindisch oder naiv betrachtet werden (vgl. ebd., S. 113).

Im Darstellenden Spiel konnen die Schuler Abstand nehmen von Erwartungen, die an sie gestellt werden und sich somit freier entfalten. ,,Der darstellende Mensch lost sich von allen Anspruchen, die [...] aufierhalb der Spielsphare an ihn gerichtet werden; er ordnet sich nur noch den Gesetzen des Spiels, die er selbst setzt, unter- aber ruckhaltslos. Er ist von allen Aufgaben des Alltags befreit“ (Wolfersdorf 1984, S. 14).

Dies bedeutet allerdings nicht, wie bereits erwahnt, dass Darstellendes Spiel nicht auch mit Arbeit verbunden ist. Oft wird die Arbeit, die im DS-Unterricht aufgebracht werden muss, unterschatzt, da davon ausgegangen wird, dass es sich beim Spiel um einen Gegensatz zu Arbeit handelt. Dies ist jedoch ein Irrtum. Tatsachlich, so Wolfersdorf (1984, S. 15), beansprucht es einen riesigen Kraftaufwand, sowohl von Seiten des Lehrers, als auch der Schuler ein Stuck zu erspielen. Die Schuler mussen sich uberwinden ihre eigenen Einfalle zugunsten des Stuckes zuruckzustellen, die pantomimischen Darstellungen erfordern anstrengendes Uben und Korperbeherrschung. Sowohl das Erarbeiten des Theatertextes als auch dessen spielerische Umsetzung sind harte seelische und korperliche Arbeiten. Die emotionale Belastung des Spielers ist ebenso wenig zu unterschatzen, da sich das Schauspiel auf die Sinne und Emotionen des Darstellers (und des Zuschauers) auswirkt und in ihm Affekte auslost (vgl. ebd.).

Obwohl das Erproben eines Stuckes einen grofien Arbeitsaufwand mit sich bringt, entscheiden sich die Darsteller freiwillig fur diese Arbeit. Das angestrebte Stuck ubt einen gewissen Zwang auf die Darsteller aus. Es entwickelt sich ein eine zwangslaufige Leistungsbereitschaft, die sich letztlich als ,,Mittel zur Selbst- und Lebensbewaltigung“ (ebd., S. 17) auswirken.

Zunachst erfordert das Theaterspielen allerdings Mut. Diesen muss der Spieler nicht erst bei dem Auftritt vor Publikum aufbringen, sondern bereits wenn er sich fur das Theaterspielen entscheidet, da er nicht weifi, was ihn erwarten wird, wenn er sich auf das Spiel mit anderen einlasst. Er muss dem Spiel vielmehr mit Offenheit und Ungewissheit begegnen (vgl. Bidlo 2006, S. 19 f.). Diese ,,Spielfreude und Abenteuerlust sind Grundvoraussetzungen fur das Ungewisse, das es zu erfahren gilt und das uns das Theaterspielen gerade als spannend und magisch erscheinen und erfahren lasst“ (ebd., S. 113).

Das gemeinsame Spiel erfordert Einschrankungen des Darstellers, wenn er in seiner eigenen Rolle mit anderen auf der Buhne gemeinsam handeln muss. Weder ein zu dominantes Spiel noch eine vollige Unterwerfung gegenuber fremder Regieentwurfe sind dem Spiel zutraglich und konnen sogar zum Abbruch des Spiels fuhren. Die Darsteller mussen demnach eine Ambiguitatstoleranz entwickeln, indem sie sich selbst zurucknehmen und die Wunsche anderer gelten lassen, was einen ausgesprochen wunschenswerten padagogischen Effekt darstellt (vgl. Wolfersdorf 1984, S. 17). „Zugleich entwickelt jeder beim Spiel-, Text- und Regieentwurf seine Bereitschaft und Fahigkeit, sich in die Einstellungen anderer hineinzuversetzen; die Psychologen sprechen hier von der Befahigung zur Empathie“ (ebd.).

Wolfersdorf (1984, S. 30) fugt hinzu, dass beim Gesprach uber den Text und den Verlauf der Handlung und die Regie die Schuler lernen mussen, ihre Meinung durch begrundete Argumente vorzutragen ohne andere personlich anzugreifen oder zu verletzen, um eine positive Zusammenarbeit nicht zu gefahrden. Mogliche Gefuhlsausbruche mussen vermieden werden und die SuS mussen sich Argumenten unterordnen, sowie personliche Zu- und Abneigungen gegenuber den Mitspielern, zugunsten des gemeinsamen Stucks, zuruckstellen und auch die Beitrage derer mit denen sie sich nicht freundschaftlich verbunden fuhlen, akzeptieren.

Die Fahigkeit sich in andere einzufuhlen ist im Theaterspiel von grofier Bedeutung fur eine gelungene gemeinsame Arbeit, aber auch bedeutsam fur die Aneignung einer Rolle. Bidlo hebt die Bedeutung des Mitgefuhls hervor, dass als eines der wichtigsten Zugangskriterien zu einer Rolle angesehen wird.

Nur das Mitgefuhl lasst uns (...) auch irrationale Handlungen verstehen und nachvollziehen, weil uns die fTemde Seele beruhrt. Theaterspielen hat bei aller bereits erwahnten Freude auch viele ernste Momente, Momente der Konzentration, Momente des leisen Erspurens, des Hinhorens und -sehens und des Nachvollziehens (Bidlo 2006, S. 127).

Nur eine sensible Personlichkeit, die sich fur die Gefuhle und Ausdrucksweisen ihrer Mitmenschen interessiert kann diesen Prozess durchlaufen. Das Einfuhlungsvermogen in die Rolle und die emotionale Auseinandersetzung mit der Figur werden durch die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse bereichert und durch die Beobachtungen und das Mitgefuhl des Spielers genahrt (vgl. ebd.).

2.3.4 Die Bedeutung von Spielleiter und Spielgruppe

Die bisher genannten positiven Effekte auf die SuS im DS-Unterricht sind nicht zuletzt abhangig von der Umsetzung des Spielleiters und der Zusammenarbeit mit der Spielgruppe.

Eine Bezeichnung fur den Lehrer des Fachunterrichts des Darstellenden Spiels hat sich bislang nicht durchgesetzt. „Der Lehrer, der in diesem Fach unterrichtet, fuhrt nicht etwa die Bezeichnung ,Theaterlehrer‘ (wie z.B. der Deutsch-, Englisch- oder Geschichtslehrer), sondern er fuhrt gar keine [offizielle] Bezeichnung“ (Linck 2005, S. 87). Der Begriff Theaterpadagoge wird zwar in einigen Bundeslandern benutzt, jedoch entspricht dieser Begriff einer anderen Qualifikation und ist bereits im Theater besetzt. In anderen Bundeslandern trifft man auf die Bezeichnung Spielleiter[4]. Der Aufgriff des Ausdrucks Spiel im Kompositum ist auf die Argumentationsstrategien in der Schulpolitik zuruckzufuhren und soll dazu dienen das Fach im Facherkanon zu etablieren (vgl. Linck 2005, S. 87).

Doch der Spielleiter muss mehr tun als nur das Spielen anzuleiten. Er muss sogar ein wahres Multitalent sein. Er muss Regisseur, Padagoge, Bewegungs-und Sprechlehrer, Psychologe, Buhnenbildner, Werbetexter und -gestalter, Ton und Lichttechniker, zuweilen auch Tischler, Kostumschneider und Inspizient sein und uberdies verwaltet er die oft geringen Produktionsbudgets und Einnahmen seiner Gruppe (Hoffmann 1999, S. 7).

Neben all diesen Funktionen gehort es zu seiner Aufgabe fur gute soziale Beziehungen innerhalb der Gruppen zu sorgen. Darstellendes Spiel ist nur mit einer funktionierenden Gruppe moglich in der sich das individuelle Verhalten und das Verhalten der Gruppe gegenseitig beeinflussen.

Weintz stellt fest, dass in Anlehnung an den Vergleich von Theater und Spiel davon ausgegangen werden kann, dass selbst wenn die Theaterarbeit auch noch so sehr asthetisch orientiert ist, sie auch immer auf einer personalen und einer sozialen Erfahrung, ,,namlich der Selbstvergewisserung, der Interaktion mit der Gruppe sowie Auseinandersetzung mit dem aufierhalb der Gruppe liegenden lebensweltlichen Kontext angesprochen werden“ (Weintz 1998, S. 273). Besonders in nichtprofessionellen Theatergruppen, wie es im Darstellenden Spiel in der Schule der Fall ist, bringen sich die Teilnehmer mit ihrer ganzen Personlichkeit und unter Einsatz all ihrer emotionalen und korperlichen Mittel in die Arbeit mit ein, was zu einer Entwicklung der Gruppendynamik in besonderen Mafie fuhrt (vgl. ebd.).

Die Gruppe im DS-Unterricht hat eine entscheidende Bedeutung fur die Personlichkeitsentwicklung der SuS. Ohne sie ware die Umsetzung dieses Fachs kaum denkbar. Laut dem Professor fur Theaterpadagogik Dr. Wolfgang Sting (2005, S. 143) stellt sie eine soziale Einheit dar, welche die Arbeits- und Kommunikationsform des Theaterprozesses pragt. Im kindlichen Alltag, besonders bei Einzelkindern mit alleinerziehenden Eltern gibt es kaum noch Gelegenheiten fur soziales Lernen wie in dem gestalterischen Prozess im Ensemble. „Verbindlichkeit, Solidaritat, Aufeinandereingehen, Toleranz und Akzeptanz der anderen Meinung und Person werden beim Theaterspiel selbstverstandlich geubt“ (ebd.). Somit verbinden sich die individuellen Wahrnehmungs- und Ausdrucksformen mit dem sozialen Lernen.

Unabhangig von historischer Entwicklungsstufe oder Gesellschaft, der Mensch ist ein soziales Wesen und kann gar nicht anders, als mit anderen Menschen in Beziehungen zu leben (vgl. Liebau 2005, S. 233). Das Kind wachst in verschiedenen rahmengebenden Organisationsformen wie der Familie, der Gesellschaft oder dem Staat auf und benotigt padagogische Hilfe in diese hineinzuwachsen.

Dass das Schultheater ein Ort der Verbindung und Sozialitat und Individualitat und zugleich ein Ort der mimetischen Aneignung von Sozialitat und Individualitat ist, bedarf kaum weiterer Ausfuhrung. Das Geschehen ist von vornherein nur als ein kollektives denkbar, das Spiel kann sich und seinen Zauber nur im Zusammenwirken der einzelnen Akteure entfalten (Liebau 2005, S. 233).

Theaterspielen findet in einer Gruppe statt. Deswegen handelt es sich zwingend um einen sozialen Prozess, der innerhalb der Gemeinschaft entsteht. Keiner der Spieler kann einfach egoistisch agieren, denn nur in Ubereinstimmung, im Aufeinandereingehen und im Bezug auf die anderen Gruppenmitglieder, kann ein authentisches Theater entstehen (vgl. Bildo 2006, S. 21). „Schuler- und Amateurtheater ist ein Gemeinschaftsunternehmen, bei dem alle Schritte gemeinsam gegangen, alle Erfahrungen gemeinsam verarbeitet, Erfolge und Mifierfolge gemeinsam getragen werden“ (Wardetsky 1991, S. 10).

Da Darstellendes Spiel in hoherem Mafie eine Gruppenaktivitat ist als die anderen Schulfacher, sind die Verbesserung der Interaktion und die Forderung von gegenseitigem Vertrauen von grofier Bedeutung fur eine erfolgreiche Arbeit. Beides ist allerdings nicht nur durch Ubungen zu erreichen (vgl. Behorde fur Schule und Berufsbildung 1988, S. 4). Besonders zu Beginn des Kurses ist es daher von grofier Bedeutung, dass alle SuS zur gleichen Zeit gemeinsam agieren konnen, da die Gleichzeitigkeit dem Einzelnen einen gewissen Schutz gibt. Um den Einbezug aller Teilnehmer gewahrleisten zu konnen, sollten die Ubungen zu Beginn einfach auszufuhren sein (vgl. ebd., S. 6).

Aufgrund des kollektiven Gruppenprozesses, hat Darstellendes Spiel fur die Personlichkeitsentwicklung des Kindes eine aufierordentliche Bedeutung (vgl. Hoffmann 1999, S. 21).

Die Bedeutung der Gruppe ist auch den SuS selbst bewusst, wie man an den

Aufierungen von dem von Hoffmann interviewten Schuler sieht:

Fur mich ist an der Arbeit in der Gruppe das Wesentliche die Spiellust und die SpielfTeude mit den anderen zusammen. Fur den Spielleiter finde ich wichtig, dafi er versucht, die Gruppe anzugleichen. Es gibt immer welche, die herausragen und welche, die weniger herausragen. Dafi der Spielleiter versucht, alle Leute zu mogen, sie zu motivieren, damit alle Leute Spiellust haben, aus sich herausgehen konnen und miteinander spielen konnen (Hoffmann 1999, S. 33).

Wie an dem Zitat zu sehen ist, sind nicht nur die Spiellust innerhalb der Gruppe und der Umgang miteinander von Bedeutung, sondern besonders auch ein Gerechtigkeitssinn seitens des Spielleiters, der eine Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Schuler gewahrleisten konnen sollte. Bidlo weist darauf hin, dass der Spielleiter in einer theaterpadagogischen Arbeit dafur Sorge tragen muss, dass sich niemand zuruck gesetzt oder ignoriert fuhlt, um das Sich-Offnen der SuS und ihre Spielbereitschaft zu fordern. ,,Ein Klima, in dem die Teilnehmenden sich in ihrer ganzen Person angenommen fuhlen und sich auf die Buhne trauen, ist daher wesentlich fur die Gestaltung asthetischer Erfahrung“ (Bidlo 2006, S. 114).

Auch die Beurteilung der Spielqualitat der SuS ist dabei von grofier Bedeutung. Die Gegensatzpaare wie gut/schlecht oder richtig/falsch sollten hier vermieden werden, um eine angstfreie Spielatmosphare zu ermoglichen, um damit das Selbstbewusstsein der SuS auf der Buhne zu fordern (vgl. Weintz 1998, S. 364). Denn ,,Schuler, die nicht zu befurchten haben, aufgrund einer Leistungsbewertung wegen ihrer Fehler abqualifiziert zu werden, erlangen allmahlich Selbstvertrauen genug, um ihre eignen Gedanken und Vorstellungen mitzuteilen und im szenischen Spiel erfolgreich zu erproben“ (Krause 1976, S. 134).

Der Spielleiter hat also die Aufgabe sowohl die Gruppe als auch die psychosozialen Bedurfnisse der individuellen Schuler zu berucksichtigen, da die Schuler sich in ihren Selbstbildern bestatigen und Klarheit uber sich selbst gewinnen wollen, aber auch anstreben ihre eigenen Grenzen zu erweitern. Innerhalb der Gruppe suchen sie Akzeptanz, Verstandnis, Zustimmung und Nahe (vgl. Weintz 1998, S. 360).

Die Spielleitung sollte demnach die Interessen, Bedurfnisse, Moglichkeiten und Grenzen sowie das Selbstbild des Schulers wahrnehmen und in die theaterpadagogische Arbeit miteinbeziehen. Innerhalb der Gruppe sollte die Spielleitung fur ein positives Gruppenklima sorgen, die Gruppe aber immer selbststandiger werden und an Entscheidungsprozessen teilhaben lassen. (vgl. Weintz 1998, S. 360 ff.). Die SuS konnen eine ungezwungene Spielfreude entwickeln, in dem sie die Erfahrung machen, dass sie selbst in der Lage sind ein Spiel mit einer Gruppe umzusetzen. Spielfreude entsteht auch aus dem Wissen uber das Spiel und aus dem Bedurfnis sich selbst anderen mitzuteilen. ,,Das ist die Harmonie eines Dreiklangs, mit dem jugendliche Energie auf die Pauke hauen kann“ (Hoffmann 1999, S.21).

Um den SuS die Moglichkeit zum selbststandigen Arbeiten zu geben, muss der Spielleiter einen Teil seiner Kontrolle an sie abgeben. Dies bedeutet, dass sich der Spielleiter von seiner gewohnten Rolle des Lehrers distanzieren muss und sich selbst in die Gruppe als Teilnehmer einfugt. Der Spielleiter sollte sich demnach nicht ,,als Halbgott oder charismatischer Fuhrer begreifen. Vielmehr sollte er zum einen das Gruppengeschehen neutral beobachten, zum anderen selbst Teil der Gruppe sein und sich zu eigenen, personlichen Empfindungen bekennen“ (Weintz 1998, S. 364).

Dass dies nicht nur aus padagogischer Sicht wunschenswert ist, sondern auch im Interesse der SuS liegt, zeigt die Befragung von Hoffmann in der sich die Jugendlichen ausdrucklich wunschen, „dafi der Spielleiter die Gruppe sehr viel in die Entstehungsgeschichte der Stucke mit einbezieht. Das heifit, dafi sich die Gruppe Gedanken machen soll uber die Erarbeitung des Stuckes, uber bestimmte Aspekte der Inszenierung“ (Hoffmann 1999, S. 33).

Der Spielleiter sollte sich trotzdem bemuhen die allgemeinen theatralischen Kompetenzen der SuS zu fordern und Ubungen zu wahlen, die die Wahrnehmung und Sensibilitat der Spieler fordern, die helfen mogliche Blockaden abzubauen und die das Korpergefuhl und die Stimme trainieren (vgl. Weintz 1998, S. 354). Ebenso liegt es in der Verantwortung des Spielleiters die SuS zu schutzen. Denn wahrend sich ein ausgebildeter Schauspieler durch die Wahl seiner Mittel und durch in der Ausbildung erlangtes Wissen vor Schaden, wie zum Beispiel der eigenen Blofistellung oder einer zu grofien Offnung bis hin zur Verletzlichkeit, schutzen kann, konnen SuS dies oftmals nicht. „Sie vertrauen ihrem Leiter oft bis zur Selbstaufgabe“ (Hoffmann 1999, S. 29).

Auch die Auswahl der Rollen fur die Spieler sollte vom Spielleiter reflektiert erfolgen um Uberforderungen zu vermeiden. Die Frage des Spielleiters, welche Rolle ein Schuler spielen kann oder sollte, beantwortet Wolfersdorf folgendermafien: „Nach meiner Auffassung vom Sinn und unterrichtlichen Nutzen des Spieles her kann die Antwort nur lauten: jede, zu der er fahig ist“ (Wolfersdorf 1984, S. 9).

Padagogisch angeleitetes Theaterspiel kann sich demnach auf verschiedenen Ebenen positiv auf eine Erweiterung von personlichen und sozialen Kompetenzen auswirken. Zum einen, da die SuS neue korperliche aber auch emotionale Erfahrungen machen, zum anderen, da sie neue (wortlose) Kommunikationsmoglichkeiten kennen lernen, die auf eine intensive Selbst-und Fremdbeobachtung zuruck gehen, die es ermoglichen mittels Empathie sowohl eigene als auch die Interessen der anderen Gruppenmitglieder zu erschliefien (vgl. ebd.).

Inwiefern die vorangegangenen Hypothesen uber die Personlichkeitsentwicklung der SuS im DS-Unterricht bestatigt werden konnen, soll im Folgenden anhand einer eigens durchgefuhrten Studie uberpruft werden.

3. Methodisches Vorgehen und Methodenkritik

3.1 Probandengruppe

Die Studie wurde an einem Berliner Gymnasium im Ortsteil Wedding durchgefuhrt. Der DS-Unterricht wird dort von der Lehrerin Frau K. durchgefuhrt, die eine Zusatzausbildung fur das Fach DS abgeschlossen hat. Sie wird von dem ausgebildeten Regisseur Herrn B. unterstutzt. Wahrend der Studie ist die Lehrerin allerdings zwei Mal erkrankt, weswegen der Regisseur den Kurs in dieser Zeit alleine unterrichtet hat. Bei der Lerngruppe handelt es sich um eine 11. Klasse in der Qualifikationsphase 2 (Q2), die aus zwolf mannlichen und sechs weiblichen SuS zusammen gesetzt ist und in der ein hoher Anteil von SuS mit Migrationshintergrund besteht. Drei von den SuS sind Wiederholer, die wahrend des Schuljahres, nach der Vergabe der Rollen des Stuckes, in den Kurs gewechselt haben.

Bei dem Stuck ,,Lottes lastige Leichen“, welches im Verlauf der Studie mit dem Ziel einer Auffuhrung geprobt wurde, handelt es sich um eine Kriminalkomodie von Christine Steinwasser, in der Tante Charlottes Kaffeekranzchen durch einen uberraschenden Besuch ihres italienischen mafidsen Neffen einschliefilich seiner Familie gestort wird, was eine Reihe an Morden in ihrem Haus zur Folge hat. Die Rollen wurden an die Anzahl und die Geschlechter der SuS angepasst und spater durch die Bankelsanger, die das Stuck einleiten, erweitert.

Alle Teilnehmer wurden vor der Durchfuhrung der Studie um ihr Einverstandnis gebeten. Die Namen der Beteiligten wurden aus Datenschutzgrunden geandert, wobei jedoch darauf geachtet wurde, fur die SuS moglichst Ersatznamen aus demselben Kulturkreis zu wahlen.

3.2 Beobachtung

Uber den gesamten Forschungszeitraum wurde der DS-Unterricht einmal in der Woche fur zwei Schulstunden (eine Doppelstunde) in Form einer nicht- teilnehmenden Beobachtung (vgl. Flick 2002, S 201) untersucht. Die nicht- teilnehmende Beobachtung wurde gewahlt, um eine gewisse Distanz zum Geschehen beizubehalten und eine mogliche Beeinflussung des Unterrichts, der SuS und der Lehrperson zu vermeiden und um einen grdfitmoglichen Einblick in den Unterricht zu erlangen, ohne durch eine eigene Teilnahme wahrend der Beobachtung uberfordert und eingeschrankt zu werden (vgl. Beller 2008, S. 33). Dies schliefit jedoch nicht aus, dass die Beobachterin mehrfach von den SuS, insbesondere von einem Schuler (Emre), wahrend des Unterrichts in Gesprache einbezogen wurde.

Bei dieser Form der Beobachtung kann es zu folgenden Schwierigkeiten kommen. Zunachst ist hier die Gruppengrofie zu nennen, die es mit sich bringt, dass im Verlauf der Protokollierung nicht jedes Individuum gleichzeitig beobachtet werden kann. Zudem lasst sich nicht ausschliefien, dass das beobachtete Verhalten durch eine Interpretation der Beobachterin verzerrt sein kann (vgl. Beller 2008, S. 35).

Den zu beobachteten Personen wurde, wie oben erwahnt, auch aus ethischen Grunden (vgl. Flick 1995 S. 153), die Art und der Zweck der Beobachtung offen gelegt und ihr Einverstandnis eingeholt. Um eine Beeinflussung der SuS zu vermeiden, wurde allerdings nicht mitgeteilt, dass die Personlichkeitsentwicklung der Teilnehmer untersucht werden soll.

Alleine jedoch durch die Anwesenheit der Beobachterin und das Wissen daruber beobachtet zu werden, kann eine mogliche Beeinflussung nicht ausgeschlossen werden (vgl. Flick 2002, S. 205), da davon ausgegangen werden kann, dass sich die Teilnehmer kontrollierter verhalten, als in einer normalen Unterrichtssituation. Mit zunehmender Dauer der Beobachtung kann dieser Effekt allerdings auch wieder nachlassen, da die Anwesenheit der Beobachterin bei den Teilnehmern in Vergessenheit gerat (vgl. ebd. S. 201).

Da die Beobachtung nur einen geringen Einblick auf die innere Beschaffenheit von den beobachteten Individuen bieten kann, der zudem von Identifizierungen mit den Teilnehmern und eigenen Wertungen verfalscht sein kann, eignet sie sich nur geringfugig zur Beurteilung der Personlichkeit. Nach Flick (1995, S. 152) lassen sich durch die Beobachtung Erkenntnisse uber Handlungsweisen gewinnen und daruber, wie etwas tatsachlich ablauft. Die Beobachtung bezieht sich deshalb hier vorwiegend auf den Unterrichtsablauf und Unterrichtsaktivitaten, das Lehrer- und Schulerverhalten, sowie die allgemeine Unterrichtsatmosphare und besondere Auffalligkeiten.

Da der Darstellendes-Spiel-Unterricht eine vollig andere Unterrichtsstruktur aufweist als andere Facher und sich die Unterrichtsstunden haufig stark einem zu sehr standardisierten Beobachtungsverfahren abgesehen und stattdessen das Narra voneinander unterscheiden konnen, wurde vontive Protokoll als Erhebungsmethode gewahlt, um dem flexiblen Unterrichtsgeschehen mit einer ebenso grofien Flexibilitat gerecht zu werden.

Kategorien fur Beobachtungen

Damit die Beobachtungen der Unterrichtsstunden aussagekraftig und nachvollziehbar sind, wurden sie in folgende Kategorien eingeteilt.

Ablauf der Stunde

Zunachst werden hier der Beginn, gegebenenfalls erkennbare

Unterrichtsmethoden, der Unterrichtsraum, sowie der Ablauf des Unterrichtsschlusses beschrieben, um einen allgemeinen Eindruck uber die Unterrichtsgestaltung zu erzielen. Wie in Kapitel 2.3.4 deutlich geworden ist, kann der Spielleiter durch die Unterrichtsgestaltung einen erheblichen Einfluss auf die Personlichkeitsentwicklung der SuS haben, was hier uberpruft werden soll.

Schuleraktivierung

Das Fach DS ist nur durch die aktive Mitarbeit der SuS moglich und nur in der Aktivitat, z.B. in der Auseinandersetzung mit einer Rollenfigur (vgl. 2.3.3, S. 21), konnen die SuS Erfahrungen machen, die sich auf ihre Personlichkeitsentwicklung positiv auswirken konnen. Bei der Schuleraktivierung wird insbesondere darauf geachtet, ob sich alle SuS im Unterricht einbringen konnen, welche Aufgaben an die SuS verteilt werden, um sie zu aktivieren und in welcher Form sie sich aktiv in den Unterricht einbringen.

Kritik

Zudem soll beobachtet werden wie die Spielqualitat der SuS bewertet wird. Um eine angstfreie Spielatmosphare und das Selbstbewusstsein der SuS zu fordern, muss die Kritik, die vom Spielleiter an die SuS im DS-Unterricht gerichtet wird besonders reflektiert stattfinden (vgl. 2.3.4, S. 26). Hier soll beobachtet werden, ob Kritik von der Lehrperson an die Schuler gerichtet wird und ob die SuS sich gegenseitig kritisieren. Es soll aufierdem beobachtet werden ob die Kritik positiv oder negativ geaufiert wird, sowie, wie die Kritik von den SuS aufgenommen und

[...]


[1] 2. Halbjahr der Qualifikationsphase in der gymnasialen Oberstufe. Entspricht der Klasse 11 nach G8, bzw. der Klasse 12 nach G9.

[2] Im Folgenden sind die Formen, die verwendet werden als generisches Maskulinum aufzufassen.

[3] Einfuhrungs- und Qualifikationsphase in der gymnasialen Oberstufe.

[4] Die Bezeichnung ,Spielleiter‘ wird hier ubernommen und im Verlauf gleichbedeutend mit ,Lehrer des Unterrichtsfachs DS‘ verwendet.

Final del extracto de 154 páginas

Detalles

Título
Darstellendes Spiel im Schulunterricht. Ein besonderer Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung
Universidad
University of Kassel  (Pädagogik)
Calificación
1,7
Autor
Año
2014
Páginas
154
No. de catálogo
V300771
ISBN (Ebook)
9783656968863
ISBN (Libro)
9783656968870
Tamaño de fichero
1041 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Darstellendes Spiel, Schultheater, DS, Persönlichkeitsentwicklung, Schule, Psychologie, empirisch
Citar trabajo
Jana Schmidt (Autor), 2014, Darstellendes Spiel im Schulunterricht. Ein besonderer Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300771

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