Wettbewerbsvorteil CRM? Customer Relationship Management im Bau- und Heimwerkermarktbereich


Diploma Thesis, 2005

126 Pages, Grade: Sehr Gut


Excerpt


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Vorwort
1.2. Die Bau- und Heimwerkerbranche
1.2.1. Begriffsabgrenzung
1.2.2. Marktdaten & Kundenstruktur
1.2.3. bauMax & Preissäge-Karte
1.3. Problemstellung
1.4. Zielsetzung & Forschungsfragestellung
1.5. Methodik und Aufbau der Arbeit

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Historische Entwicklung
2.2. Ursachen und Chancen der Ausbreitung von CRM im Handel
2.3. Begriffsabgrenzungen & Definition von CRM
2.4. Strategische Zielsetzungen
2.5. Unternehmensinterne Voraussetzungen

3. Die Bausteine der Beziehungsorientierung
3.1. Kundenorientierung
3.1.1. Grundlagen & Begriffsabgrenzungen
3.1.2. Beziehungen & Beziehungszyklus
3.1.3. Erfolgsfaktoren & Umsetzung
3.1.4. Exkurs: Besonderheiten von Kundenbeziehungen im Internet (E-CRM)
3.1.5. Fazit
3.2. Kundenzufriedenheit & Beschwerdezufriedenheit
3.2.1. Grundlagen & Begriffsabgrenzungen
3.2.2. Beschwerde
3.2.3. Erfolgsfaktoren & Messmöglichkeiten
3.2.4. Fazit
3.3. Kundenbindung
3.3.1. Grundlagen & Begriffsabgrenzungen
3.3.2. Instrumente der Kundenbindung
3.3.3. Kundenkarten
3.3.4. Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
3.3.5. Fazit
3.4. Kundenwert
3.4.1. Grundlagen & Begriffsabgrenzungen
3.4.2. Bestimmungsgrößen & Erfolgsfaktoren
3.4.3. Messmöglichkeiten
3.4.4. Exkurs: Ethische Aspekte des Kundenwertes
3.4.5. Fazit

4. Kundensegmentierung
4.1. Grundlagen & Begriffsabgrenzungen
4.2. Voraussetzung Database
4.3. Datenanalyse
4.3.1. OLAP
4.3.2. Data Mining
4.4. Die Bau- und Heimwerkermarktkunden: Alles dreht sich ums Wohnen
4.4.1. Wer sind sie?
4.4.2. Was tun sie?
4.4.3. Warum suchen sie einen Bau- und Heimwerkermarkt auf?
4.4.4. Trends & Entwicklungen
4.5. Segmentierungsansätze für den Bau- und Heimwerkerbereich
4.5.1. Segmentierung nach dem Kundenbeziehungslebenszyklus
4.5.2. Segmentierung nach Lebensstilen
4.5.3. Segmentierung nach Bau- und Wohnvorhaben
4.5.4. Segmentierung nach dem Lebens- und Familienzyklus
4.5.5. Segmentierung nach der Warenkorbzusammensetzung der Preissäge-Karte Kunden
4.6. Fazit: Die Bau- und Heimwerkermarkt Zielgruppen

5. Exkurs: Best Practice „Tesco“

6. Zusammenfassung und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklungsphasen der Unternehmensführung

Abbildung 2: Vergleich Klassisches Marketing mit Customer Relationship Marketing

Abbildung 3: Abgrenzung von verwandten Begriffen

Abbildung 4: Rahmenbedingungen einer erfolgreichen CRM Implementierung

Abbildung 5: Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklus + Instrumente

Abbildung 6: Überblick über E-CRM Instrumente

Abbildung 7: Confirmation/Disconfirmation Paradigma inkl. Aktionsmöglichkeiten

Abbildung 8: Bewertungsfaktoren von Servicequalität aus Kundensicht

Abbildung 9: Konstrukt Kundenbindung

Abbildung 10: Instrumente des Kundenbindungs-Managements von Handelsunternehmen

Abbildung 11: Kundenbindungsinstrumente im Überblick

Abbildung 12: Einzelhandelsbezogener Dienstleistungskranz

Abbildung 13: Die Top-3-Erfolgsregeln eines Kundenkarten-Programms

Abbildung 14: Moderierende Größen des Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung

Abbildung 15: Wirkungskette der Kundenbindung

Abbildung 16: Die sieben Erfolgsfaktoren der „Kundenbindungsweltmeister“

Abbildung 17: „4 K“ des Kundenmanagements

Abbildung 18: Kundenwert

Abbildung 19: Einsatzhäufigkeit von Bewertungsverfahren

Abbildung 20: Verwendete Segmentierungskriterien im Handel

Abbildung 21: Zentrale Kundeninformationen im Überblick

Abbildung 22: Charakteristika der drei Archetypen der Differenzierung im Kontinuum möglicher Marktbearbeitungsstrategien

Abbildung 23: „Single-Source“-Erhebung via PoS-Scanning mit Kunden-ID-Karte

Abbildung 24: Verfahrensvergleich Business Intelligence Methoden

Abbildung 25: Data Mining Prozess

Abbildung 26: Aufgaben des CRM in den Phasen des Customer Relationship Cycle

Abbildung 27: Bausteine des Kündigungspräventionsmagements

Abbildung 28: Zielgruppen-Typologien des Kundenrückgewinnungsmanagements

Abbildung 29: Die Sinus-Milieus® 2004

Abbildung 30: Exemplarischer Kundenbedarfslebenszyklus im Finanzbereich

Abbildung 31: Familienzyklus nach Gilly und Enis

Abbildung 32: Abläufe im Familienzyklus

Abbildung 33: Exemplarischer Lebens-Familien-Wohnzyklus für den Bau- und Heimwerkermarkt

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Branchenkennzahlen 2003

Tabelle 2: Verbrauchsausgaben und Marktpotential

Tabelle 3: Baumärkte Kennzahlen

Tabelle 4: Tabelle Marktanteilsentwicklung

Tabelle 5: Grafik Marktanteilsentwicklung

Tabelle 6: Kundenkartenvergleich

Tabelle 7: Klassifikation Segmentierungskriterien

Tabelle 8: Bevölkerungsentwicklung Österreich

Tabelle 9: Heimwerkergewerke nach Aktivitätsbereichen

Tabelle 10: Modulbeispiel Kinderzimmer

Tabelle 11: Wegzugsverhalten

Tabelle 12: Preissäger Warenkorbsegmente

Tabelle 13: Zielgruppen Teil I

Tabelle 14: Zielgruppen Teil II

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.Einleitung

1.1. Vorwort

Ich war für das Unternehmen bauMax bis Ende Juni 2004 im Marketing tätig. bauMax ist im Bau- und Heimwerkermarktbereich in Österreich und in den angrenzenden zentral- und osteuropäischen Ländern, in denen das Unternehmen Bau- und Heimwerkermärkte betreibt, Marktführer. Ich habe die Einführung des Kundenbindungsinstruments „Preissäge-Karte“ im Jahr 2001 als auch die Einführung einer CRM Software (Einführung August 2004) begleitet. Die Themen Kundenbindung, CRM und dessen Probleme sind mir daher aus Praxissicht sehr gut bekannt.

bauMax hat durch das Sammeln von kundenbezogenen Daten mittels seiner Kundenkarte über Jahre hinweg ein enormes Potential an Wissen generiert. Dennoch wurden diese Informationschancen mangels strategischer Verankerung von CRM in der Geschäftsführung wenig genutzt.

Es war mir daher ein besonderes Anliegen die visionären und strategischen Komponenten von CRM aufzuzeigen, darauf hinzuweisen, dass CRM mehr als nur eine Angelegenheit der Marketing-Abteilung, des Vertriebs oder der Software ist, und dass erfolgreiches CRM ein Bekenntnis zur Organisationsveränderung erfordert. All diese Komponenten erscheinen in Fachkreisen und aus derzeitiger Sicht mögliche Schlüsselfaktoren zu sein, um aus CRM tatsächlich Wettbewerbsvorteile abzuleiten.

Die nun vorliegende Arbeit wurde daher primär für das bauMax Marketing und die Geschäftsführung verfasst. Ich habe versucht, den Spagat zwischen den Anforderungen der Praxis und der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas, zu bewältigen. Die Erkenntnisse und Ergebnisse, praktischen Ableitungen und Umsetzungsvorschläge sind im Sinne eines Forschungstransfers zu verstehen und sollen vor allem den bereits eingeschlagenen Weg „CRM bei bauMax“ theoriegeleitet fundieren.

Diese Arbeit wird wegen der Nutzung von Echtdaten (bauMax Preissäge-Karte) und der Verwendung von Vorschlägen aus der Kundensegmentierung für geplante bauMax Marketingaktivitäten bis Juni 2015 gesperrt, danach ist sie frei zugänglich.

1.2.Die Bau- und Heimwerkerbranche

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Bau- und Heimwerkerbranche und insbesondere mit bauMax. Aus diesem Grund erfolgt vorweg ein kurzer Überblick über die Marktgegebenheiten und bauMax.

1.2.1. Begriffsabgrenzung

Bau- und Heimwerkermärkte sind relativ junge Betriebsformen und werden dem Betriebstyp Fachmarkt zugeordnet. Sie sind aus der Dynamik der Betriebsformen selbst und externen Einflussgrößen wie Baunutzungsverordnungen hervorgegangen. Ein Fachmarkt vereint in sich die Merkmale eines Fachgeschäftes (tiefe, aber enge Sortiment) und die Merkmale eines Verbrauchermarktes (Selbstbedienung, günstige Preise, Kunden kommen mit dem Auto) (vgl. Schmalen 1999, S 474). Eine genaue Definition eines Bau- und Heimwerkermarktes findet sich in der wissenschaftlichen Diskussion allerdings nicht.

Die Praxis beschreibt einen Bau- und Heimwerkermarkt als Einzelhandelsbetrieb mit einer überdachten Verkaufsfläche ab 1.000 m2 mit einem Sortiment aus den Bereichen Baumaterialien, Holz, Werkzeug, Sanitär, Fliesen, Elektro, Kleineisen, Farben & Lacke, Raumausstattung & Deko, Haushalt, Garten, Pflanzen und Freizeit. Gemäß dem Wandel der Betriebstypen verändern auch „Do-it-Yourself“ Märkte ihr Erscheinungsbild. Aktuell sind die Aufnahme von Zusatzsortimenten aus den Bereichen Zooartikel/Tiernahrung, Autozubehör, Fremdsortimente (beispielsweise Tschibo/Eduscho) als auch intensive Sortimentserweiterungen im Garten- und Wohnbereich feststellbar.

Die Sortimente eines Bau- und Heimwerkermarktes finden sich in Fachgeschäften, Möbelmärkten, Gartenmärkten als auch auszugsweise im Lebensmittelhandel wieder. Im nachfolgenden werden jedoch nur Marktdaten der Bau- und Heimwerkermärkte berücksichtigt.

1.2.2. Marktdaten & Kundenstruktur

Ausgehend von 3.342.347 privaten österreichischen Haushalten wird eine Marktgröße für den Bau- und Heimwerkermarkt von rund 5,46 Mrd. € für das Jahr 2004 angegeben. Die Verbrauchsausgaben werden für private Haushalte mit durchschnittlich € 1.674,5 beziffert. Ein durchschnittlicher Bau- und Heimwerkermarkt hat eine Verkaufsfläche von knapp 1.800 m². Die Österreicher konnten 2003 zwischen 736 Standorten wählen (Quellen: Regioplan 2004, S 7f).

Eine Übersicht über die wichtigsten Branchenkennzahlen gibt Tabelle 1. Eine detaillierte Übersicht der Verbrauchsausgaben bzw. Marktpotentiale zeigt Tabelle 2.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Branchenkennzahlen 2003

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Verbrauchsausgaben und Marktpotential

Die wichtigsten Akteure am heimischen Markt sind, sortiert nach Marktanteil: bauMax, OBI, Bauhaus, Raiffeisen Lagerhaus, Hornbach, Öbau/Hagebau, Praktiker, Hellweg. Deren wichtigste Kennzahlen sind in Tabelle 3 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Baumärkte Kennzahlen

Bei einer genaueren Betrachtung der Marktanteilsentwicklung ist eine negative Tendenz bei bauMax und eine positive Tendenz bei Obi und Hornbach erkennbar (vgl. Tabelle 4 und Grafische Darstellung „Tabelle“ 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Tabelle Marktanteilsentwicklung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Grafik Marktanteilsentwicklung

33% der österreichischen Bevölkerung geben an, mindestens einmal pro Monat in einem Bau- und Heimwerkermarkt einzukaufen. 20% tun dies alle zwei bis drei Monate und 22% gehen zwei bis drei Mal pro Jahr in einen Baumarkt (vgl. Markant 2002, S 2, zitiert in Dullemond 2004, S 31). Die Geschlechterverteilung nach Marktbesuchen ist bei den einzelnen Marktteilnehmern unterschiedlich, aber in etwa im Verhältnis 55:45 (Männer/Frauen) (vgl. Mindshare 2004, S 4).

Untersuchungen zeigen, dass Kunden nicht nur einen Baumarkt aufsuchen, sondern auch bei Konkurrenzunternehmen einkaufen. Der Anteil der Exklusivkunden ist bei bauMax dennoch am höchsten (vgl. Mediacom 2004).

Obi und bauMax werden eher von Beratungsuchenden, Preisvergleichenden Konsumenten aufgesucht, während sich Hornbach im Bereich rationell Denkender, eigenständiger Konsumenten positionieren konnte. Praktiker punktet bei „emotionalen, eigenständigen“ Kunden, die sich gerne selbst belohnen (vgl. Mediacom 2004).

1.2.3. bauMax & Preissäge-Karte

bauMax definiert sich als Bau- und Heimwerkermarkt und steht für die Geschäftsidee des „Do-it-yourself“ (DIY), also des „Selbermachens“. Die Kompetenzfelder liegen dabei in den Heimwerkerbereichen Werkzeug, Bauen, Wohnen und Garten sowie in zahlreichen dazu passenden Service- und Garantieleistungen.

Das Unternehmen wurde 1976 mit einer Verkaufsfläche von 1.000 m2 im steirischen Kindberg von Karl-Heinz Essl gegründet. Seit 2004 betreibt die bauMax Gruppe rund 70 Filialen in Österreich und ca. 50 Filialen im zentral- und osteuropäischen Raum mit durchschnittlichen Marktgrößen von knapp 5.700 m2. Mit rund 5.600 Mitarbeitern konzernweit wurde 2004 ein Konzernumsatz von 1,001 Mrd Euro erwirtschaftet. In Österreich konnte die Marktführerschaft trotz eines sich verschärfenden Wettbewerbs gehalten werden (vgl. bauMax Geschäftsbericht 2003; Gansrigler 2005).

Im März 2001 wurde nach intensiven Vorrecherchen in den Bereichen Kundenbons, Rabattvergaben, Kundenkarte und einer internen Mitarbeiterkampagne die bauMax Preissäge-Karte als neues Kundenbindungsinstrument für das Segment der Großkunden am österreichischen Heimwerkermarkt eingeführt. Ab € 350,- pro Einkaufsakt können Sofort-Rabatte zwischen 3% bis 10% lukriert werden. Ab € 3.500,- angesammelter Jahreseinkaufssumme wird eine Rückvergütung von 10% (abzüglich bereits erhaltener Sofort-Rabatte) ausgeschüttet. Zusatzleistungen runden das Programm ab. Kunden die weder eine Sofort-Rabatt Grenze noch die Jahresbonusgrenze erreichen, erhalten keinen Bonus. Auch andere Bau- und Heimwerkermärkte haben seither ähnliche Kundenbindungsprogramme auf den Markt gebracht. Die Details im Vergleich enthält Tabelle 6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 6: Kundenkartenvergleich

Auffallend am Kundenkartenvergleich ist, dass, bis auf Hornbach, alle Konkurrenten mit Rabattkarten Kunden binden wollen. Der wesentlichste Kundenvorteil liegt in Rückvergütungsgrößen zwischen 2% bis 10%, abhängig vom getätigten Einkauf. Generell ist anzumerken, dass fast alle Programme sehr kompliziert sind und keinen multifunktionalen Charakter haben, d.h. sie sind nur bei einem Unternehmen verwendbar.

bauMax sieht sich derzeit mit dem Problem konfrontiert, dass bereits mehr als 650.000 Kundenkarten ausgegeben wurden (Stand Ende Juni 2004), die Karte selbst aber ursprünglich nur als Rabattkarte für umsatzstarke Kunden konzipiert war. Der Nutzen für die nun zahlenmäßig größeren, aber umsatzschwächeren Kunden war und ist dementsprechend geringer und führt zu Unzufriedenheit. Dennoch beeindruckend erscheint hier die Tatsache, dass im Durchschnitt mehr als 25% aller Einkäufe pro Monat mit einer Kundenkarte getätigt wurden und diese für durchschnittlich mehr als 40% des Umsatzes verantwortlich waren (Stand Juli 2004). Aus diesem Grund wurden die Leistungen erweitert und die Karte mit Beginn 2005 einem Relaunch unterzogen.

Die Preissäge-Karte setzte den Grundstein für Analysen im Kunden- und Bondatenbereich und sie war auch Anlass für erste Schritte im Direkt-Marketing Bereich. An der Konsolidierung der unterschiedlich geführten Datenbestände und Analyseinstrumente wurde jedoch extrem lange gearbeitet (von 2001 bis 2004), wertvolle Dateninformationen und Wissensvorsprünge lagen in der Zwischenzeit brach. Seit 2003 hat sich bauMax verstärkt auch dem CRM zugewendet und versucht nun, durch intelligente Nutzung vorhandener Daten, Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

1.3. Problemstellung

Nach schwierigen vergangen Jahren wird die Konjunkturentwicklung für 2005 in Österreich verhalten positiv gesehen. Meinungsumfragen lassen erkennen, dass die Investitionsbereitschaft wieder deutlich steigen soll. Demzufolge planen 30% der Österreicher für 2005 größere Investitionen, vor allem im Bereich „Wohnungsanschaffung/Hausbau/Renovierung“ (39%) und „Einrichtung“ (32%) (vgl. Markant 2004b).

Die österreichische Bau- und Heimwerkermarktbranche sieht sich dennoch mit mehreren Problemfeldern konfrontiert (vgl. Regioplan 2004, S 57ff). Deutsche Baumarkketten expandieren seit einigen Jahren nach Österreich und mischen den Markt neu auf. Die Baumarktdichte ist auf einem europäischen Spitzenwert. So kommen auf einen Baumarkt in Österreich rund 11.000 Einwohner, in Deutschland zum Vergleich sind es 26.200 Einwohner (Quelle eigene Berechnungen für 2003, berücksichtigte Märkte >1.000 m² Fläche). Der Trend zu Großflächenkonzepten ist anhaltend, das Marktvolumen bleibt dabei aber relativ konstant. Während ausländische Unternehmen versuchen trotz der Flächendichte neue Standorte zu entwickeln, optimiert ein Großteil der bisher positionierten Betreiber bestehende Flächen. Der Konkurrenzkampf wird über aggressive Preiswerbung ausgetragen und führt zu starken Preisrückgängen in der Größenordnung zwischen drei bis fünf Prozent (Quelle Regioplan 2003, S 71). Wie erste Anzeichen zeigen (Standortschließung) und aus Branchenkreisen zu entnehmen ist, plant Praktiker seinen Rückzug aus Österreich, ist somit erstes Opfer des Verdrängungswettbewerbes. Um dennoch am Markt zu bestehen werden Einkaufskooperationen (beispielsweise bauMax mit Toom Deutschland) oder strategische Allianzen (etwa Öbau/Hagebau) eingegangen. Mit großteils Rabatt-Kundenkarten wird versucht den Kunden dem eigenen Unternehmen zu verpflichten. Große Hoffnungen werden auf den Direkt-Marketing Bereich und in die Analysen der durch die Karten entstehenden Daten gesetzt. CRM hält, zumindest als Kommunikationsinstrument, Einzug in die gesamte Branche.

Viel dramatischer sieht die Unternehmensberatung Ernst & Young die Situation. Laut ihrer Studie tun die Branchen-Unternehmen viel zu wenig, um auf Dauer ihre Existenz zu sichern. Die meisten Ketten würden sich als Alleskönner präsentieren und sich gerade deshalb kaum voneinander unterscheiden. Das hat zur Folge, dass auf dem deutschen Markt nach einer Konsolidierungsphase bis 2015 nur mehr 3 Anbieter überleben werden (vgl. o.V. 2005a).

In Anbetracht dieser düsteren Aussichten reagiert die Branche. bauMax hat mit der Installation eines innovativen Data-Warehouse-Systems bislang unterschiedlich geführte Datenbanken in eine konsolidierte Datenbasis zusammengeführt (vgl. Geschäftsbericht 2003). Aufbauend auf diesem Datentopf und basierend auf den bisher gesammelten Preissäge-Karte Daten sollen nun intern Analysen durchgeführt werden und Erkenntnisse für vertriebs- und marketingtechnische Maßnahmen abgeleitet werden. Durch die Einführung eines CRM-Tools, dem „marketing.manager“ der update software AG, sollen bestehende und neue Käuferpotenziale besser erkannt und betreut werden (vgl. o.V. 2004a). „ Wir wollen mit dem zukünftigen CRM-System für unsere Kunden eine Beratung der besonderen Art bieten und somit einen wichtigen Anteil zur Kundenzufriedenheit beitragen" (Winter 2004). Obi analysiert seine Kundenkarteninformationen bereits seit 2004 gemeinsam mit dem Unternehmen „eudaptics software GmbH“ und setzt Erkenntnisse daraus beispielsweise bereits für Flugblattstreugebiete ein (vgl. www.eudaptics.at). Während sich bauMax und Obi hauptsächlich noch technikorientiert rüsten, bereitet sich Hornbach bereits werblich und personell auf den personalisierten Kundenbindungskampf vor. Das Unternehmen gewann 2004 nicht nur den Preis für die beste Direkt-Marketing Kampagne im Business to Consumer Bereich in Österreich mit Dr. Kossdorff Werbeagentur (vgl. DMVOE 2005), es schuf im September 2004 auch ein eigenes Vorstandsressort für Marketing & Marktforschung (vgl. Müller 2004). Es ist anzunehmen, dass damit CRM im Entscheidungsgremium angesiedelt und personelle Ressourcen für die großen anstehenden Datenforschungsaufgaben bereitgestellt werden.

1.4. Zielsetzung & Forschungsfragestellung

Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen dieser Arbeit sowohl der konzeptionelle Ansatz von CRM diskutiert als auch erste praxisorientierte Ableitungen daraus vorgeschlagen. Die strikte Trennung zwischen Wissenschaft und Praxis wird bewusst im Sinne eines gegenseitigen Wissensaustausches aufgelöst. Im Detail werden folgende zwei Untersuchungsgegenstände behandelt:

1) Dem Thema CRM wird in der Bau- und Heimwerkerbranche verstärkt viel Platz eingeräumt, vor allem in Bezug auf Kundenkarten und Kundenbindungsprogrammen. Die Literatur liefert Praktikern dazu eine fast unüberschaubare Vielzahl an theoretischen Überlegungen, Studien und Praxisbeispielen. Kein Wunder, dass die theoretische Fundierung und fundamentale strategische Tragweite von CRM in der Praxis im Hintertreffen ist. Auch bauMax sieht CRM nur als Säule einer Kommunikationsstrategie (vgl. Scheuch 2003, S 11). Hauptzielsetzung dieser Arbeit ist daher, die viel weitere Bedeutung des CRM Ansatzes aufzuzeigen, warum unter CRM mehr als nur Direkt-Marketing Aktivitäten zu verstehen sind, und warum CRM echte Wettbewerbsvorteile bringen kann. Um das „Gesamtbild“ CRM zu verstehen, sind die theoretischen Basics und das Wissen um das Zusammenspiel der einzelnen Bausteine dafür wesentliche Voraussetzungen.

Insbesondere folgende Fragestellungen sollen geklärt werden:
- Warum ist CRM gerade jetzt ein Thema, über das man in vielen Branchen spricht, und kann CRM Wettbewerbsvorteile erwirken?
- Welche essentiellen theoriegeleiteten Themenbereiche umfasst strategisches CRM?

2) Im CRM steht der Kunde im Mittelpunkt. Seine Bedürfnisse und der abzuleitende Bedarf im Rahmen seiner Beziehung mit einem DIY Unternehmen sind der Kern der Strategie. Nahezu alle Bau- und Heimwerkermärkte setzen, wie erwähnt, Kundenkarten ein und verfügen je nach technischer Ausstattung über Informationen und Datenberge, die mehr oder weniger professionell genutzt werden und aus denen Schlüsse über Kundenbedürfnisse abgeleitet werden können. Sollte es bereits Unterlagen dazu geben, sind sie wegen Vorsprungspotentialen unter Verschluss und stehen der Branche nicht zur Verfügung. Auch bauMax besitzt ein Datenpotential, das es gilt in verwertbares Wissen umzuwandeln. In dieser Arbeit soll der Bereich Kundensegmentierung theoriegeleitet als auch anhand von Marktinformationen, praktischem Know How bzw. bereits vorliegenden Preissäge-Karte Daten beschrieben werden. Ergebnis sollen Vorschläge möglicher Zielgruppen eines Bau- und Heimwerkermarktes sein.

Insbesondere folgende Fragen sollen beantwortet werden:
- Welche theoretische als auch praxisorientierte Zugänge gibt es zum Thema Kundensegmentierung?
- Welche Kundensegmente lassen sich für bauMax ableiten?

Aus den vorliegenden Fragestellungen lässt sich ableiten, dass sich diese Arbeit hauptsächlich mit strategischen Inhalten von CRM beschäftigt. Auf Umsetzungs- und Kommunikationsmöglichkeiten, auch über Unternehmensgrenzen hinweg, wird nur verwiesen. Ebenso ist der Prozess der Einführung von CRM nicht Thema dieser Untersuchung. Die Hauptfragestellung und Zielsetzung ist: Warum kann eine ganzheitliche Sichtweise des CRM Ansatzes einem Bau- und Heimwerkermarkt Wettbewerbsvorteile bringen?

1.5. Methodik und Aufbau der Arbeit

Der Status Quo zum Thema CRM stützt sich vorwiegend auf einschlägige Marketingfachliteratur (Marketing Allgemein, CRM, Kundenbindung, Database Marketing, etc.), bezieht aber auch - da es sich bei CRM um Beziehungen, Vertrauen etc. handelt - Fachbeiträge aus anderen Disziplinen (Verhaltenswissenschaft, Psychologie, Sozioökonomie, etc.) mit ein. Weiters fließen Statistiken für den DIY Bereich von namhaften Forschungsinstituten, Internetquellen und von bauMax zur Verfügung gestelltem Informationsmaterial in die Arbeit ein. Schließlich habe ich bei manchen Passagen auch mein eigenes, langjähriges Insiderwissen eingearbeitet.

Es war mir wichtig, dass diese Arbeit neben den wichtigsten theoretischen Überlegungen zu CRM auch Zahlenmaterial und Fakten zur Branche enthält, sodass diese Arbeit gleichzeitig als Nachschlagewerk dienen kann. Neuere Daten bzw. Analysen sind gegebenenfalls zu berücksichtigen.

Die Arbeit selbst gliedert sich in:
- Einleitungsteil
- Theoretische Grundlagen von CRM
- Bausteine der Beziehungsorientierung
- Kundensegmentierung (Theorie & Praxis)
- Exkurs: Tesco (Best Practice Beispiel)
- Zusammenfassung & Ausblick

In der Einleitung werden die Entstehungsgründe als auch die Rahmenbedingungen für diese Arbeit angeführt. Grundlegende Marktinformationen zur Bau- und Heimwerkerbranche sowie relevante Informationen zur Arbeit (Problemstellung, Zielsetzung, Methodik) sind hier zu finden. Im Grundlagenteil wird gezeigt, warum gerade jetzt ein „Hype“ in der Beziehungsorientierung im Marketing zu verzeichnen ist. Außerdem wird versucht eine Begriffsabgrenzung vorzunehmen. Wichtige strategischen Zielsetzungen und unternehmensinterne Voraussetzung runden diesen Bereich ab. Im Kapitel Bausteine der Beziehungsorientierung werden jene wichtigen Themenblöcke vorgestellt, die in Einzeldisziplinen bereits ausführlich erforscht wurden und deren Zusammenhänge im CRM als Ganzes berücksichtigt werden sollen. Diese Bausteine sind allesamt riesige Forschungsansätze, sodass sie in dieser Arbeit nur kompakt und in ihren wichtigsten Bestandteilen vorgestellt werden können. Etwas ausführlicher wird dennoch der Bereich Kundenbindung und die Kundenkarte behandelt, da diese von fast allen Bau- und Heimwerkermärkten als Ziel genannt bzw. verwendet werden. Im Kapitel Kundensegmentierung werden theoretische Grundlagen, speziell für Laien und Nicht-Statistiker, aufbereitet, einzelne Ansätze vorgestellt und Hypothesen zur Segmentierung von DIY-Kunden abgeleitet. Die Segmentierung bildet den praktischen Schwerpunkt dieser Arbeit. Der Kundensegmentierungsteil umfasst allerdings nur Privatpersonen und geht nicht auf Gewerbetreibende oder Institutionen ein, da für diese andere Marktgegebenheiten, Sortimentserfordernisse und Bedürfnisse gelten. Die Bedürfnisse von Privatpersonen selbst beziehen sich vorwiegend auf den Bereich Wohnen. Verwandte Themengebiete, die sich aus dem Sortiment eines Bau- und Heimwerkermarktes ergeben (z.B. Auto), fließen nur als Randthema ein. Ein Exkurs in die Lebensmittelbranche anhand des Unternehmens Tesco soll die theoretischen Ausführungen anhand eines Best Practice Beispiels illustrieren. In der Zusammenfassung und im Ausblick werden die wichtigsten Erkenntnisse nochmals zusammengefasst, Ableitungen für die Bau- und Heimwerkerbranche und im Speziellen für bauMax aufgezeigt und ein Ausblick auf weiterführende Fragestellungen und Diskussionen gegeben.

2.Theoretische Grundlagen

Mit der historischen Entwicklung und den Ursachen der Ausbreitung speziell im Handel erfolgt ein Einstieg in das komplexe Thema CRM. Sowie sich der Bau eines Hauses im Lauf der Zeit verändert hat, weil beispielsweise neue Materialien entwickelt wurden, so ist auch eine Veränderung im „Verkaufen“ feststellbar. Die Begriffsabgrenzungen und Definitionen versuchen den Kern des Themas zu treffen. Gemeinsam mit den unternehmensinternen Voraussetzungen bilden sie sozusagen das Fundament von CRM.

2.1. Historische Entwicklung

Historisch gesehen, hat in den vergangen Jahrzehnten eine wesentliche Veränderung in der Marketingwissenschaft stattgefunden: Weg von einer ausschließlichen Transaktionsorientierung (Leistungsaustausch) mit nicht näher konkretisierten Kunden, hin zu einer Geschäftsbeziehungsorientierung mit homogenen Anspruchsgruppen. Der Fokus richtet sich nicht mehr auf das Produkt. Der Kunde und seine Bedürfnisse bzw. die Steuerung von Beziehungen stehen im Mittelpunkt des Interesses. Der Verkäufermarkt wurde durch einen Käufermarkt abgelöst. Eine Entwicklung vom Transaktionsmarketing hin zum Beziehungsmarketing hat stattgefunden (vgl. Bruhn 2001a, S 2ff).

Im Schaubild „Entwicklungsphasen der Unternehmensführung“ nach Bruhn/Meffert (vgl. Bruhn 2001a, S 2) sind diese Veränderungen hinsichtlich Managementorientierung und Einsatz der Analysemethoden dargestellt (vgl. Abb. 1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklungsphasen der Unternehmensführung

- 50/60er:

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in den fünfziger/sechziger Jahren, waren Unternehmen mit einer starken Nachfrage konfrontiert. Unternehmensaktivitäten waren infolge hauptsächlich von einer Produktorientierung und Massenproduktion gekennzeichnet. Zum Einsatz kamen Produktportfolio-Analysen.

- 70er:

In den siebziger Jahren traten erstmals Marktsättigungserscheinungen auf. Ein Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt war zu beobachten. Viele Unternehmen veränderten den Fokus von einer Produkt- zur Marktorientierung. Mithilfe von Segmentierungsmethoden und Positionierungsanalysen sollten spezifische Zielgruppen angesprochen werden.

- 80er:

Die achtziger Jahre waren von homogenen Leistungen und zunehmend ähnlichen Marketingaktivitäten der Unternehmen geprägt. Profilierungsmaßnahmen und Abgrenzungen gegenüber einer rasch anwachsenden Zahl an Mitbewerbern waren die neuen Herausforderungen. Eine Wettbewerbsorientierung erlangte zentrale Bedeutung.

- 90er:

In den neunziger Jahren verstärkte sich dieser Wettbewerb noch. Die Ähnlichkeit der Produkte, heterogene Kundenerwartungen bzw. die Bereitschaft der Konsumenten Anbieter zu wechseln, erforderte eine weitere Umdenkphase. Erstmals rückte der Kunde in den Mittelpunkt strategischer Entscheidungen. Methodisch wurde diese Kundenorientierung durch die Erfassung von Qualitätsmerkmalen, Erhebung von Kundenbarometern etc. begleitet.

- Ab 2000:

Heute, in einer zunehmend globalen Umgebung, befinden sich Unternehmen in einem Hyperwettbewerb. Zunehmend werden strategische Kooperationen gebildet um Größe und Know How zu stärken. Die Unternehmensführung in diesen Tagen ist von einer Netzwerkorientierung geprägt.

Beziehungen in den Mittelpunkt zu stellen ist allerdings keine neue Idee. Bereits im Dienstleistungsmarketing, vertikalen Marketing (z.B. Produktion und Vertrieb aus einer Hand) bzw. im Investitionsgütermarketing hat Beziehungsmanagement seit Jahren eine zentrale Stellung eingenommen (vgl. Kirsch et al 1980, Scheuch 1982). Es liegt die Annahme zugrunde, dass der Aufbau einer langfristigen Beziehung sowohl für Hersteller als auch für Abnehmer Effektivitäts- und Effizienzvorteile verspricht (vgl. Reichheld/Sasser 1991). Dem verstärkten Fokus auf Beziehungen widmen sich schon lange Konzepte wie „Key Account Management“ (vgl. Biesel 2002) oder Ansätze aus dem Logistikbereich, insbesondere der Gedanke des ECR (Efficient Consumer Response), der die Ausrichtungen CM (Category Management) und Supply Chain Management umfasst (vgl. Seifert, 2001).

Im Konsumgütermarketing wurden diese Konzepte erst im letzten Jahrzehnt intensiver aufgegriffen, nicht zuletzt aufgrund neuer Möglichkeiten der Kundeninformationsverarbeitung, Wettbewerbsverschärfung, Kostendruck und einer Unzufriedenheit der Praxis mit bisher genutzten Managementkonzepten.

Seit jeher besteht die Marketingphilosophie darin, dass Kundenbedürfnisse im Mittelpunkt von Marketingüberlegungen stehen. Kritisiert wurde aber, dass insbesondere die Instrumente des operativen Marketing (die "4 Ps“: Product, Price, Promotion und Place) als unzureichend empfunden wurden, da sie eher auf Kundenmanipulation (vgl. Gummesson 1996) zielten, keine eindeutige Integration neuer Konzepte wie z.B. des Beschwerdemanagements (vgl Waterschoot/Bulte 1992, S 85) zuließen und eine Isolierung der Kundenaktivitäten in Marketingabteilungen (vgl. Grönross 1994, S 7) erfolgte.

In Abbildung 2 sind die wesentlichen Unterschiede zwischen klassischem Marketing und Customer Relationship Marketing dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Vergleich Klassisches Marketing mit Customer Relationship Marketing

2.2. Ursachen und Chancen der Ausbreitung von CRM im Handel

Das Aufkommen und die rasche Ausbreitung von CRM über viele Branchen hinweg, insbesondere im Handel, werden in erster Linie auf eine deutliche Wettbewerbsverschärfung zurückgeführt. In Zeiten gesättigter Märkte, austauschbarer Produkte mit immer kürzeren Produktlebenszyklen, trotzdem wachsender Ansprüche der Kunden in Bezug auf Qualität, Preis, Service und Zeitaspekten, einer erhöhten Markttransparenz durch bessere Informationszugänge und des allgemeinen Fortschrittes in Informations- und Kommunikationstechnologien zwingt Unternehmen neue Wege zu finden (vgl. Raab/Lorbacher 2002, S 11).

Die traditionellen Wettbewerbsvorteile durch Produkt- und Logistikstruktur bzw. Preisdumping Strategien bieten langfristig keine Perspektiven. Busch/Belz haben Herausforderungen herausgearbeitet, mit denen im speziellen der Handel konfrontiert ist (vgl. Busch/Belz 2000, S 2ff):

- Unerreichbarkeit der Konsumenten

Das Überangebot an Informationen und die explodierende Zahl an Produktvariationen haben dazu geführt, dass Konsumenten Kommunikationsbotschaften kaum noch wahrnehmen.

- Kommunikationsveränderung durch neue Technologien

Neue Technologien ermöglichen neue Wege der Kontaktaufnahme und Rationalisierungsmöglichkeit. Erst durch neue Medien werden interaktive individuelle Dialoge bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung möglich.

- Veränderte und wachsende Handelskonkurrenz

Die Konkurrenzlandschaft beschränkt sich nicht mehr nur auf die Mitbewerber der eigenen Branche bzw. des eigenen Betriebstyps bzw. des eigenen Landes. Die Grenzen verschwinden zunehmend global und eine horizontale Diversifikation ist zu beobachten (beispielsweise bieten Lebensmittelkonzerne Flugreisen an).

- Austauschbarkeit durch Dominanz der Produkt und Preiskommunikation

Die im Handel vorherrschende Produkt- und Preiskommunikation unterstützt die Austauschbarkeit der Outlets und konzentriert sich hauptsächlich auf das Erreichen kurzfristiger Umsatzziele. Wenn Konsumenten keine Unterschiede wahrnehmen, werden sie der Geschäftsstelle gleichgültig und untreu.

Gerade für die Handelswelt bietet der CRM Ansatz daher eine Möglichkeit zur Differenzierung. Zusätzlich stellt das Wissen über die Kunden die Beziehung Händler/Hersteller vor neue Möglichkeiten. Die Sandwichposition des Händlers zwischen Hersteller und Endkunden kann mit entsprechenden Maßnahmen auf eine neue Existenzberechtigung gestellt werden. So verraten gescannte Barcodes bereits sehr viel über das Profil der Kunden und durch die Ausgabe einer Kundenkarte besteht die Möglichkeit, Einkaufskörbe den jeweiligen Kunden zuzuordnen. Eine Win-Win Situation für alle Beteiligten (Handel, Industrie, Kunde) kann sich einstellen, wenn ein offener, konstruktiver Wissensaustausch erfolgt (vgl. Meffert 1999, S 409ff; Rensmann 2000, S 13ff).

2.3. Begriffsabgrenzungen & Definition von CRM

Bei der Beschäftigung mit dem Thema CRM tauchen unweigerlich ähnliche, verwandte oder neue Begriffe in der Literatur auf, die den unwissenden Leser ziemlich verwirren. Oft werden diese dann weder in der Marketingpraxis noch in der Marketingwissenschaft sauber voneinander abgegrenzt. Jene Begrifflichkeiten, die zwar nicht unmittelbar in dieser Arbeit, aber dennoch häufig verwendet werden, sollen deshalb kurz dargestellt werden (vgl. Abb. 3):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Abgrenzung von verwandten Begriffen

- Beziehungsmanagement (Relationship Management): „…aktive und systematische Analyse, Selektion, Planung, Gestaltung und Kontrolle von Geschäftsbeziehungen im Sinne eines ganzheitlichen Konzeptes von Zielen, Leitbildern, Einzelaktivitäten und Systemen“ (Diller 1995b, S 442) wobei horizontale (z.B. Unternehmen - Unternehmen), vertikale (z.B. Lieferant – Unternehmen), laterale (in eine Richtung, z.B. Public Relations) und unternehmensinterne (z.B. Führungsebene – Mitarbeiter) Beziehungen einbezogen werden.
- Beziehungsmarketing (Relationship Marketing): „…is attracting, maintaining and (…) enhancing customer relationships“ (Berry 1983, S 25); Kann als ein Teilgebiet des Beziehungsmanagements verstanden werden; Umfasst auch Austauschbeziehungen zu vor gelagerten Märkten der Unternehmung (z.B. Lieferanten) (vgl. Köhler 2001, S 82).
- Kundenbindungsmanagement (Customer Retention Management): „… systematische Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten oder intensiver pflegen“ (Homburg/Bruhn 2000, S 8); Ausschließlich die aktuellen, bereits bestehenden Beziehungen und nicht Neukundengewinnung oder Rückgewinnung abgewanderter Kunden stehen im Fokus.
- Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management): Muss als integraler Bestandteil des Beziehungsmarketing verstanden werden, beschränkt sich aber auf die ausschließliche Gestaltung der Beziehungen zum Kunden (vgl. Hippner 2004, S 17).

Die Marketingwissenschaft beschäftigt sich schon seit langem mit beziehungsorientierten Themen und ganzheitlichen theoretischen Ansätzen dazu. Allerdings konnte sie sich in den meisten Fällen in der Praxis nur mit isolierten Teilaspekten positionieren, wie:

- beziehungsorientierte Ziele (Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Erhöhung des Kundenwerts etc.)
- beziehungsorientierte Instrumente (Kundenclub, Kundenkarten etc.)
- beziehungsorientiertes Management (Beschwerdemanagement, Interessentenmanagement etc.)
- beziehungsorientierte Analysemethoden (Data Mining, Olap)

„Mit dem Aufkommen des umfassenden CRM-Ansatzes und der großen Resonanz in der Praxis erhält die Marketingwissenschaft nun jedoch endlich die Chance, ihre ganzheitlichen, konzeptuellen Überlegungen der vergangenen Jahre unter der Ägide des CRM in die Praxis zu überführen“ (Hippner 2004, S 15).

Bei der Auseinandersetzung mit Literatur zum CRM-Begriff lässt sich feststellen, dass es keine einheitliche Definition dazu gibt. Einige Vertreter in der Marketingwissenschaft sprachen zwar bereits von einem Paradigmenwechsel im Marketing (vgl. Grönroos 1994), also einer radikalen Veränderung der Sichtweise bisheriger Denkmuster - ähnlich einer Glaubensänderung - Kritiker hingegen meinten, dass das Thema CRM nicht neu ist und bereits durch die bisher bekannten klassischen Marketinginstrumente abgedeckt sei (vgl. Ahlert/Hesse 2002, Backhaus 1997). Wiederum andere meinten: „ Der Neuigkeitsgrad des Themas ist gar nicht wichtig – vielmehr sollte sich das Marketing die Frage stellen, wie es die Chancen der aktuellen Diskussion um CRM positiv nutzen kann “ (Reinecke/Sausen 2002, S 2).

Sehr weit gediegene Ansätze, die auch den Einsatz von Informationstechnologie explizit berücksichtigen, sind in jüngerer Vergangenheit festzustellen. Einer davon stammt von Homburg/Sieben (Homburg/Sieben 2000, S 475f):

„Customer Relationship Management umfasst die Planung, Durchführung, Kontrolle sowie Anpassung aller Unternehmensaktivitäten, die zu einer Erhöhung der Profitabilität der Kundenbeziehung und damit zu einer Optimierung des Kundenportfolios beitragen. CRM beinhaltet dabei charakteristische Prinzipien wie Kundenorientierung, Wirtschaftlichkeitsorientierung, Systematisierung, Individualisierung, IT-Anwendung. Zentrale Erfolgsgröße des CRM ist die Profitabilität der Kundenbeziehung, die neben der Wertigkeit und Stabilität (Kundenzufriedenheit und Loyalität) der Beziehung den Ressourceneinsatz des Unternehmens über den gesamten Kundenlebenszyklus beinhaltet.“

Aus den unzähligen Definitionsvorschlägen für den Begriff CRM soll dieser Arbeit das Verständnis von Hippner (vgl. Hippner 2004, S 16) zugrunde gelegt werden. Er vertritt die Auffassung, dass weder eine einseitige Konzentration auf IT getriebene CRM-Systeme noch eine ausschließliche Fokussierung auf eine betriebswirtschaftliche Konzeption eine erfolgreiche CRM-Umsetzung versprechen. Nur bei Kombination von kundenorientierter Strategie und kundenorientierter Informationssysteme kann das Potenzial des CRM-Konzeptes ausgeschöpft werden. Anders ausgedrückt bedeutet es, dass CRM zwei zentrale Gestaltungsbereiche umfasst:

- Einsatz von integrierten Informationssystemen: Die Zusammenführung aller kundenbezogenen Informationen soll ein Abbild des Kunden darstellen („One Face of the Customer“) und infolge soll auch nur eine abgestimmte Kundenansprache erfolgen („One Face to the Customer“).
- Kundenorientierte Unternehmensstrategie: Sämtliche Geschäftsprozesse und Verantwortlichkeiten müssen auf den Kunden ausgerichtet werden.

„CRM ist eine kundenorientierte Unternehmensstrategie, die mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien versucht, auf lange Sicht profitable Kundenbeziehungen durch ganzheitliche und individuelle Marketing-, Vertriebs- und Servicekonzepte aufzubauen und zu festigen“ (Hippner/Wilde 2002, S 6).

2.4. Strategische Zielsetzungen

Bei der Implementierung von CRM sollte zuerst eine CRM Konzeption, die die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens beinhaltet und erst im zweiten Schritt ein CRM-System ausgewählt und implementiert werden (vgl. Hippner 2004, S 16). Aus Sicht eines Unternehmens sind nach Hippner/Wilde dabei folgende vier Zielsetzungen wesentlich (vgl. Hippner/Wilde 2003, S 7ff):

- Profitabilität

Prämisse ist die strikte Fokussierung auf Kunden, die dem Unternehmen langfristig als profitabel erscheinen. Hintergrund ist jener, dass die meisten Unternehmen mit nur wenigen Kunden einen großen Teil ihres Gewinns erzielen. Es wird daher weniger die Erhöhung des Marktanteils angestrebt, vielmehr wird dem Share of Wallet (dem Anteil der Kaufkraft eines Kunden, der beim Unternehmen verbleibt und nicht beim Wettbewerber ausgegeben wird) Aufmerksamkeit geschenkt. Zur Abschätzung der langfristigen Profitabilität eines Kunden (Customer Lifetime Value) bieten sich unterschiedlichste Bewertungsverfahren an (z.B. Kundenportfolio, Punktbewertungsverfahren etc.). Die Einschätzung der Kunden muss auf die gegenwärtige als auch auf die zukünftige Bedarfslage sowie die zu erwartende Dauer der Kundenbeziehung erfolgen.

- Differenzierung

Die Differenzierung der Kundenbeziehung ist eine zentrale Forderung von CRM. Die Produkte und Dienstleistungen als auch der Dialog mit dem Kunden müssen differenziert zugeschnitten werden. Dabei ist aus Kundensicht auf die persönliche Lebenssituation und die Eigenheiten des Individuums Rücksicht zu nehmen. Ein 18-jähriger Lehrling beispielsweise hat andere Bedürfnisse und Erwartungen an ein Unternehmen und will auch anders angesprochen werden als eine junge Familie oder ein Rentnerehepaar. Eine derart spezifische Gestaltung der Geschäftsbeziehungen ist aber immer mit zusätzlichen Kosten verbunden. Diese gilt es aus Unternehmenssicht mit der erwarteten Profitabilität des Kunden abzugleichen. Die Betreuung der besonders wertvollen Kunden ist in der Praxis im Business to Business Bereich schon lange beobachtbar, diese werden durch eigene Key Account Manager betreut. Eine echte Individualisierung der Beziehungen (beispielsweise im Sinne von sehr persönlicher Kommunikation wie „Fr. Maier, ist Ihre Katze wieder gesund?“) ist im Business to Consumer Bereich mit Millionen an Kunden nur in ganz bestimmten Segmenten möglich (z.B. „Private Großkundenbetreuer“ im Baumarktsektor über einen kurzen intensiven Zeitraum).

- Langfristigkeit

Kurzfristige Verkaufserfolge werden durch langfristige Kundenbeziehungen ersetzt, denn es ist erwiesen, dass es weitaus teurer ist neue Kunden zu gewinnen als vorhandene zu halten und zu festigen (vgl. stellvertretend Stojek 2000, S 42). Dass sich die hohen anfänglichen Investitionen zum Aufbau der Kundenbeziehung sowie die laufenden Kosten für den Erhalt und Ausbau mit zunehmender Dauer rechnen, zeigen empirische Untersuchungen von Reichheld bzw. Reichheld/Sasser (vgl. Reichheld 1997, Reichheld/Sasser 2000). Die Gründe lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Preisprämien: Die Preiselastizität nimmt mit steigender Kundenbindung ab. Für eine vertraute und gut befundene Gesamtleistung sind Kunden eher bereit einen höheren Preis zu bezahlen.
- Weiterempfehlung: Zufriedene Kunden neigen dazu positive Mundpropaganda zu betreiben. Kunden, die auf Empfehlung an ein Unternehmen herantreten, sind häufig von einer höheren Qualität für das Unternehmen, als Kunden die auf Werbung oder Preisaktionen reagieren.
- Kosteneinsparung: Aus den über Jahre hinweg gesammelten Kundeninformationen können zielgerichtete Kundenprofile gewonnen werden. Diese ermöglichen eine differenzierte Kundenansprache und versprechen höheren Response durch eine gleichzeitige Minimierung von Streuverlusten bei Marketingaktionen.
- Umsatzwachstum: Je mehr ein Kunde mit einem Produkt oder einer Dienstleistung vertraut und zufrieden ist, desto öfter wird er dieses Produkt oder Dienstleistung nutzen, d.h. es kommt zu Folgekäufen. Darüber hinaus bieten sich durch Cross Selling (Zusatzverkäufe) und Up Selling (Kauf höherwertiger Produkte) neue Abschöpfungspotenziale.
- Integration: Ein Kunde hat in großen Unternehmen oft fast zeitgleich Kontakt mit unterschiedlichsten Einrichtungen wie Marketing, Vertrieb, Kundendienst, Logistik oder Buchhaltung (Customer Touch Points). Jeder Kundenkontaktpunkt kennt dabei nur seine Sicht. Aus Unternehmersicht muss ein Kunde ganzheitlich betrachtet werden um ihn richtig bewerten und betreuen zu können (One Face of the Customer). Aus Kundensicht ist ein abgestimmtes Handeln ohne widersprüchlicher und unkoordinierter Aktivitäten notwendig (One Face to the Customer).

Die Grundlage für die optimale Integration aller kundenspezifischen Informationen bildet ein Customer Data-Warehouse. Dass dies in gewachsenen Systemen schwer zu bewerkstelligen ist, weiß bauMax zu berichten.

2.5. Unternehmensinterne Voraussetzungen

Die Renaissance des „Tante-Emma-Prinzips“, also die Bedürfnisse der Kunden zu kennen und sie zu befriedigen, scheint heute durch den Einsatz moderner Informationstechnologien auch für Mittel- und Großunternehmen möglich zu sein (vgl. Piller 1998).

Nur durch den Einsatz von Informationstechnologie alleine, ohne grundlegender strategischer Überlegungen, wird sich ein ökonomischer Erfolg auf Dauer nicht einstellen. Davon zeugen eine Menge an gescheiterter CRM Einführungen. Ein CRM Konzept basiert zwar grundsätzlich auf einem rein ökonomischen Verständnis, nichtsdestotrotz ist das Ziel profitabler Kundenbeziehungen nur über eine kundenorientierte Optimierung der gesamten Organisation zu erreichen (vgl. Hippner 2004, S 19). Diese verpflichtende Kundenorientierung ist nicht nur auf alle Mitarbeiter eines Unternehmens beschränkt, sondern schließt auch und vor allem das Top-Management ein.

Um CRM langfristig und erfolgreich im Unternehmen zu verankern, sind bestimmte Voraussetzungen im Unternehmen selbst zwingend notwendig (vgl. Abb. 4). Die wichtigsten Faktoren dabei sind (vgl. Homburg/Sieben 2000, S 494):

- Strategie: Es müssen klare Zielsetzungen auf Kundenebene definiert werden. Sämtliche Geschäftsprozesse sind darauf auszurichten.
- Kultur: Werte, Normen, Artefakte und Verhaltensweisen sind dem neuen Denkmuster „Kundenanteil“ anstatt „Marktanteil“ zu unterwerfen.
- Mitarbeiter: Eine kundenorientierte Einstellung sowie ein an den Kundenbedürfnissen ausgerichtetes Verhalten sind unabdingbar.
- Organisation: CRM lässt die Grenzen zwischen Abteilungen verschwimmen. Es werden Strukturen in Frage gestellt. Hingegen werden neue prozessorientierte Abläufe gefördert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Rahmenbedingungen einer erfolgreichen CRM Implementierung

Investitionen in den amerikanischen CRM IT-Markt von rund U$ 6,8 Mrd. im Jahr 2000 (Quelle Fischer 2001, S 1) und Wachstumsprognosen für den deutschen Markt von mehr als € 1,1 Mrd. für 2004 (Quelle o.V. 2004d) lassen die enorme wirtschaftliche Bedeutung dieses Themas und die Relevanz in der Praxis ermessen.

Wie unglaublich erscheint es dann, dass lt. einer Gartner-Studie für das Jahr 2000 60% aller CRM-Einführungen nicht so wie geplant funktionieren und jede fünfte CRM-Initiative scheitert (vgl. Metagroup 1999). Die Ursachen für das Scheitern liegen häufig im sehr technischen Fokus bei der Umsetzung und in der zu geringen Einbindung der Mitarbeiter (vgl. Andersen/Andreasen 1999). Die Einführung von CRM bedeutet eine umfassende Veränderung der Organisation, ihrer Kommunikationsstrukturen und Prozesse und bedarf daher einer Einbindung aller Beteiligten im Rahmen von „Change Management“ (vgl. Bahni 2004).

Es ist daher festzuhalten, dass neben der Optimierung der Geschäftsprozesse und der Einführung von Informationstechnologie, es das Commitment der Mitarbeiter sicherzustellen gilt (vgl. Hippner 2004, S 31).

3. Die Bausteine der Beziehungsorientierung

Im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes ist CRM auf viele Bausteine zurückzuführen. In diesem Kapitel werden jene herausgegriffen, die in der Marketingliteratur bereits ausführlich diskutiert wurden und die im Sinne eines Forschungstransfers für die Handels-Praxis für CRM als besonders wichtig erscheinen oder sogar bereits umgesetzt werden.

3.1. Kundenorientierung

Primäres Ziel der Kundenorientierung ist die Erfüllung der Erwartungen des Kunden bzw. der individuellen Kundenwünsche und nicht die Schaffung eines allgemeinen Wettbewerbsvorteils (vgl. Bruhn 2003, S 12). Die Entwicklung der Kundenorientierung bzw. die Ursachen für den verstärkten Focus Richtung Käufermarkt wurden in Kapitel 2.1. und 2.2. bereits beschrieben.

3.1.1. Grundlagen & Begriffsabgrenzungen

Es gibt im Rahmen von Kundenorientierung große Interpretationsspielräume des Begriffs und infolge große Umsetzungsdefizite. Manche Unternehmen machen ihre Kundenorientierung an den vorhandenen Informationen fest (vgl. Johnson 1998), Hauptaugenmerk liegt dabei auf ausgeklügelten Datenbanksystemen und Analysewerkzeugen, während andere Kundenorientierung kultur- bzw. philosophieorientiert interpretieren, d.h. Kundenorientierung als Teil der bestehenden Unternehmenskultur und des Unternehmensleitbildes begreifen (vgl. Kobi/Wüthrich 1986). Diese beiden Ansätze verstehen den Begriff aus Unternehmersicht. Die Leistungs- und interaktionsorientierte Interpretationsform vertritt die Auffassung, dass die Kundenorientierung auf die unmittelbaren Leistungen und Interaktionen zwischen Anbieter und Kunden bezogen werden müssen (vgl. Homburg 2000). Eine Definition die alle drei Aspekte einbezieht, ist nach Bruhn (Bruhn 2003, S 15 mit Verweis auf Kühn 1991 / Bruhn 1995, S 393):

Kundenorientierung ist die umfassende, kontinuierliche Ermittlung und Analyse der individuellen Kundenerwartungen sowie deren interne und externe Umsetzung in unternehmerische Leistungen sowie Interaktionen im Rahmen eines Relationship-Marketing-Konzeptes mit dem Ziel, langfristig stabile und ökonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren.“

Kunden erwarten sich beispielsweise eine rasche und unbürokratische Hilfe, wenn ein gekauftes Produkt Mängel aufweist. Eine soeben gekaufte Weihnachtsbeleuchtung, die nicht leuchtet, soll rasch umgetauscht werden können. Mittels Garantieleistungen kann diese Kundenorientierungs-Botschaft auch gut kommuniziert werden.

3.1.2. Beziehungen & Beziehungszyklus

Den Kern der Kundenorientierung bilden die Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden. Unter Kundenbeziehungen sind mehrmalige, nicht zufällige Interaktionen zu verstehen (wie Informationsaustausch oder Kaufprozesse), die eine zeitliche Struktur haben (d.h. sie durchlaufen typische Phasen) und die mehrere Ebenen aufweisen (wie eine sachliche und eine emotionale Ebene). Im Zeitablauf werden Erfahrungen gesammelt und es kann Vertrauen entstehen. Ein Unternehmen kann so über die Zeit hinweg spezifische Leistungen entwickeln (z.B. kundenindividuelle Leistungen wie etwa Sonderwünsche erfüllen). Die Beziehungen sind außerdem in Abhängigkeit vom Ausmaß des Vertrauens und vom Umfang der spezifischen Investitionen durch eine bestimmte Beziehungsintensität und Beziehungsqualität geprägt, die die Bindung zwischen den Partnern entscheidend bestimmt (vgl. Diller 2001, S 529f). Wer beispielsweise gute Erfahrungen mit Hornbach gemacht hat, wird weniger Bereitschaft zeigen sich mit bauMax einzulassen.

Beziehungen in einen zeitlichen Zusammenhang gestellt, ergeben den Kundenbeziehungs-Lebenszyklus. Er ist ein - in Analogie zum Produktlebenszyklus (Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung, Verfall, Absterben) - entwickeltes Konzept und stellt den idealtypischen zeitlichen Verlauf einer Kundenbeziehung aus Unternehmersicht dar (vgl. Stauss 2000a, S 15f). Die drei Kernstadien lassen sich als Kundenakquisition, Kundenbindung und Kundenrückgewinnung definieren. Ein Kunde läuft idealerweise die Phasen Anbahnung, Sozialisation, Wachstum, Reife, Gefährdung und Auflösung/Abstinenz durch. Entsprechend der jeweiligen Phase sind Aufgaben und Instrumente des Marketings anzuwenden (vgl. Abb. 5) (vgl. Bruhn 2001a, S 44ff). Diese Phasen spielen bei der wertorientierten Kundensegmentierung eine wichtige Rolle.

Aus Kundensicht sind die Bedürfnisse in einer Kundenbeziehung entscheidend für den Verlauf des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus. Die Länge und Dauer der Kundenbeziehungszyklen ist aus diesem Grund sehr stark von Branche, Technologie, Unternehmenstypen etc. abhängig. Ein Kunde, der beispielsweise gerade ein Haus baut, hat einen großen Bedarf an Bau- und Heimwerkermaterialien. Die Beziehung zu einem Unternehmen ist über einen bestimmten Zeitraum sehr intensiv. Ein Stromanbieter hingegen kann derzeit nahezu „lebenslänglich“ mit seinen Kunden rechnen, weil Strom ein permanent benötigtes Gut ist und derzeit noch kaum einem Wettbewerb unterliegt. Beziehungen zwischen Kunde und Unternehmen sind primär geschäftlicher Natur. Geschäftsbeziehungen unterliegen deshalb einer gewissen „Vergänglichkeit“ (vgl. Diller 1995a, S 60).

Im Kapitel Kundensegmentierung wird weiterführendes zu diesem Thema behandelt.

Abbildung 5: Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklus + Instrumente

3.1.3. Erfolgsfaktoren & Umsetzung

Die Formen mangelnder Kundenorientierung hat jeder schon einmal zu spüren bekommen: nicht bedarfsgerechte Sortimente, schlechte bzw. fehlende Dienstleistungen, schwer zu entfernende klebrige Preisschilder, fehlende, überforderte, unfreundliche Verkäufer usw. In der Handelslandschaft dominiert vielfach nach wie vor der Preiswettbewerb den Leistungswettbewerb und die Drehung der Waren geht vor Kundenorientierung (vgl. Trommsdorff 1999, S 942).

In der Literatur werden häufig drei Schlüsselfaktoren genannt, wie ein Unternehmen den Kunden näher kommen kann: durch Differenzierung, d.h. Leistungen werden an unterschiedliche Kundenwünsche angepasst; Reagibilität, das bedeutet die Fähigkeit des Unternehmens sich an die sich langfristig ändernden Kundenwünsche anzupassen und durch Flexibilität, d.h. ein Unternehmen kann sich kurzfristig an Kundenwünsche anpassen (z.B. Sonderwünsche unbürokratisch erfüllen) (vgl. Eggert 1993, S 26ff). Die Umsetzung kann tendenziell über Qualität und Flexibilität (Produkte, Dienstleistungen, Logistik), Interaktionsverhalten, Beziehungs-Commitment (Vertrauen, Entgegenkommen etc.) und Atmosphäre in der Kundenbeziehung erfolgen (vgl. Homburg 1995, S 309ff).

Ein weiterer, derzeit im Handel viel diskutierter Erfolgsfaktor, ist die emotionale Intelligenz der Mitarbeiter, die eine Voraussetzung für die Fähigkeit der Perspektivenübernahme und Empathie ist. Das Hineinversetzen in den Kunden ist die Grundlage der Kundenorientierung. Bereits bei der Auswahl der Mitarbeiter und in späterer Folge bei der Personalentwicklung sollte auf diese Fähigkeiten geachtet werden (vgl. Trommsdorff 1999, S 946ff).

Aus der Definition der Kundenorientierung und den soeben genannten Faktoren können einzelne Abläufe für eine bessere Kundenorientierung abgeleitet werden. Diese Umsetzungsschritte sind im Einzelnen (vgl. Bruhn 2003, S 13f):

- Analyse: In dieser Phase werden sämtliche Informationen erhoben, die helfen können, die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden hinsichtlich Leistung und Interaktion besser zu verstehen. Diese werden dann in Kennzahlen verarbeitet. Mögliche Themenbereiche sind: Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Kundenabwanderung, Kundenstruktur.
- Planung: Alle Unternehmensbereiche werden auf ihren Beitrag zur Kundenorientierung untersucht.
- Implementierung: Damit das Ziel der Kundenorientierung langfristig gesichert ist, sind Anpassungen der Unternehmensstruktur, -systeme und -kultur erforderlich.
- Kontrolle: Methoden zur Einzelaspektbewertung werden von vielen Unternehmen bereits eingesetzt (z.B. Kundenzufriedenheits-, Mitarbeiterzufriedenheitsmessung). Das umfassendere Begriffsverständnis verlangt aber ein integriertes Messkonzept, welches den Informations-, Kultur-, Leistungs- und Interaktionsaspekt vereint.

3.1.4. Exkurs: Besonderheiten von Kundenbeziehungen im Internet (E-CRM)

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen eine Erweiterung bisheriger Kommunikations- und Absatzkanäle. Sie ermöglichen aber auch eine direkte und individualisierte Kundenansprache (vgl. Fassott 2004, S 247).

Während einige Autoren sich durch das Internet eine Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung versprechen (vgl. Dholakia et al 2001, S 77ff, Frielitz et al 2001, S 10) sehen andere eher das Gegenteil, also die Bedrohung erfolgreicher Kundenbeziehungen. Sie vertreten die Ansicht, dass eine Website als maschinelle Schnittstelle zum Unternehmen leichter zu wechseln sei, als ein Kundenbetreuer den man kennt und zu dem man einen persönlichen Kontakt pflegt (vgl. Dholakia/Dholakia 2001, S 34; Sinha 2000, S 43).

E-CRM ist als Lernmodell aus Kundensicht und Anbietersicht aufzufassen. Erstere lernen unbewusst (z.B. Navigieren auf der Website) und zweitere lernen durch beobachten des Navigationsverhaltens der Kunden (vgl. Fassott 2004, S 252).

Das Besondere an Kundenbeziehungen im Internet ist, dass der Wissenserwerb (kognitive Komponente) vom bisherigen „Bring-Prinzip“ (Anbieter versorgt Kunden unaufgefordert mit Informationen) durch ein „Hol-Prinzip“ (der Kunde bestimmt, welche Information er von wem in welchem Ausmaß erhalten möchte) abgelöst wird. Es entsteht eine Art „Selbstbedienungs-Beziehung“ (vgl. Eggert 2001, S 100 f).

[...]

Excerpt out of 126 pages

Details

Title
Wettbewerbsvorteil CRM? Customer Relationship Management im Bau- und Heimwerkermarktbereich
College
Vienna University of Economics and Business  (Handel und Marketing / Schnedlitz)
Course
Database Marketing
Grade
Sehr Gut
Author
Year
2005
Pages
126
Catalog Number
V301663
ISBN (eBook)
9783956872860
ISBN (Book)
9783668003842
File size
1573 KB
Language
German
Keywords
CRM;, Heimwerkermarkt;, DIY;, Database Marketing;
Quote paper
Ramona Muik (Author), 2005, Wettbewerbsvorteil CRM? Customer Relationship Management im Bau- und Heimwerkermarktbereich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301663

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