"Höhenflug". Konzept eines BCI-Computerspiels zur Höhenangst-Reduktion


Thèse de Master, 2015

128 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Abbildungsverzeichnis

2 Einleitung

3 Serious Game
3.1 Definition
3.2 Ähnliche Begriffe
3.3 Affective Game
3.4 Komponenten
3.5 For Health
3.5.1 Einsatzgebiete, Ziele und Zielgruppen
3.5.2 Klassifizierung
3.5.3 Interaktionswerkzeuge
3.5.4 Spiel-Engines
3.5.5 Effekt
3.5.6 Weitere Beispiele
3.6 Fazit

4 Angst
4.1 Therapie

5 Sensoren
5.1 Bewegungs-/ Raumsensoren
5.2 Biosensoren und Biofeedback
5.3 Neurofeedback, EEG-Sensoren und BCIs
5.3.1 EEG-Computerspiele und -Beispiele
5.3.2 EPOC und Computerspiele
5.3.3 Mindwave und Computerspiele

6 Spiel-Engines
6.1 Unreal Engine versus Unity
6.2 Unreal Engine plus Mindwave Beispiele
6.3 Unity plus Mindwave Beispiele

7 Oculus Rift

8 ‚Höhenflug‘
8.1 Inspiration
8.2 Vorüberlegungen
8.2.1 Allgemeines
8.2.2 Prinzipien
8.2.3 Steuerung
8.3 Spielentwicklung mit Unity
8.3.1 Gestaltung
8.3.2 Quelltexte
8.4 Erweiterungen und Verbesserungen

9 Schluss

10 Quellen

11 Anhang
11.1 Quelltext
11.2 Danksagung, Gender-Disclaimer

1 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anzahl Serious Games 1989-2012 (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 234)

Abbildung 2: Ähnliche Begriffe zu Serious Game (Kasperczak, 2013, S. 4)

Abbildung 3: (Serious-)Game-Komponenten (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232)

Abbildung 4: Serious-Game-Entwicklungs-Komponenten (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 233)

Abbildung 5: Maslows Bedürfnis-Pyramide (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232)

Abbildung 6: SG4H-Klassifizierung (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 235)

Abbildung 7: SG4H-Interaktionsmethoden (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 243)

Abbildung 8: SG4H-Spiel-Engines (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 244)

Abbildung 9: Fatworld

Abbildung 10: Outbreak at Watersedge Abbildung 11: Re-Mission

Abbildung 12: Carmen‘s bright IDEAS Abbildung 13: ErgoActive

Abbildung 14: BalanceFit

Abbildung 15: Elm City Stories Abbildung 16: FearNot!

Abbildung 17: Virtuelle Expositionstherapie (Runte, 2011, S. 8)

Abbildung 18: Sensorenübersicht (Christy & Kuncheva, 2014, online)

Abbildung 19: LEAP Motion

Abbildung 20: Real Sense 3D

Abbildung 21: NeXus

Abbildung 22: TrueSense (TrueSense Exploration Kit Descriptions, 2015, online)

Abbildung 23: Beispielaufzeichnung von EEG-Wellen (Chak, 2010, S. 25)

Abbildung 24: Hirnstromwellen-Frequenzbänder (Jillich, 2014, S. 32)

Abbildung 25: Hirnstromwellen-Frequenzbänder (MindWave Mobile User Guide, 2012, S. 12)

Abbildung 26: EEG-Interpretation (Cho & Lee, 2011, S. 2)

Abbildung 27: EEG-Interretation (Wang et al., 2010, S. 5)

Abbildung 28: Erstes BCI-Computerspiel (Vidal, 1977, S. 637)

Abbildung 29: Mindball

Abbildung 30: MindBalance (Lecuyer et al., 2008, S. 2)

Abbildung 31: BCI-Pac-Man (Krepki et al., 2007, online)

Abbildung 32: BrainBasher (Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 160)

Abbildung 33: EMOShooter (Saari et al., 2009, online)

Abbildung 34: AlphaWoW (Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 163)

Abbildung 35: Bacteria Hunt (Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 170)

Abbildung 36: Emotiv EPOC

Abbildung 37: FREE (FREE, 2015, online)

Abbildung 38: StoneHenge (StoneHenge, 2015, online)

Abbildung 39: Homecoming (Homecoming, 2015, online)

Abbildung 40: Spirit Mountain Demo Game (Spirit Mountain Demo Game, 2015, online)

Abbildung 41: Dancing Robot und Brain Chi (Wang et al., 2010, S. 6)

Abbildung 42: Son of Nor

Abbildung 43: Mindwave (MindWave Mobile User Guide, 2012, S. 5 / S. 11)

Abbildung 44: Mindwave-Daten (Chak, 2010, S. 21)

Abbildung 45: Diagramm zu „Geist erscheint“ (Chak, 2010, S. 44)

Abbildung 46: The Adventures of NeuroBoy (The Adventures of NeuroBoy, 2015, online)

Abbildung 47: Judecca (Chack, 2010, S. 15)

Abbildung 48: Spiel-Engine-Kontextdiagramm (Chak, 2011b, S. 22)

Abbildung 49: ‚Konzentrationsturm‘ (Jackie Liu 2014: 0:50-0:59) und „Mind Shield“ (Chak, 2011b, S. 79)

Abbildung 50: Throw Trucks with your Mind!

Abbildung 51: Licht und Nebel (Cho & Lee 2014, S. 7)

Abbildung 52: Autorennspiel (Jillich, 2014, S. 73)

Abbildung 53: „Palace fire scene“ (Jillich ,2014, S. 72)

Abbildung 54: Oculus Rift DK2

Abbildung 55: VRET bzgl. Höhenangst

Abbildung 56: pit room (Sanchez-Vives & Slater, 2005, S. 336)

Abbildung 57: Islands (PlayMancer, 2008, online)

Abbildung 58: Great Power (VRWiki, 2013, online)

Abbildung 59: Soar (Ponczek, 2013, online)

Abbildung 60: DEEP (vgl. Ginx - Videogaming Television 2015)

Abbildung 61: Nevermind (TJ Smith Gaming 2015)

Abbildung 62: EEG-Spiel-Grundprinzip (Cho & Lee, 2011, S. 2)

Abbildung 63: Heißluftballon-Zündflamme

Abbildung 64: GUI

Abbildung 65: Pause-Menü

2 Einleitung

Computerspiele haben eine mehr als 50-jährige Historie und sind mittlerweile ein fester Bestandteil der Alltagskultur vieler Menschen sowie ein bedeutsamer Wirtschaftszweig. Allein in Deutschland betrug der Umsatz in der Games-Branche im Jahr 2013 ca. 1,8 Milliarden Euro (vgl. Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V., 2015, online). Zum Vergleich: Der Umsatz bei Kinofilmen betrug hierzulande im gleichen Jahr ca. eine Milliarde Euro (vgl. Filmförderungsanstalt, 2015, online). Auch die kulturelle Bedeutung von Computerspielen ist unbestreitbar, wie auch der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, zum Ausdruck brachte: „Computerspiele sind ein Kulturgut. Sie müssen als solches behandelt werden und verdienen eine öffentliche Förderung“ (Deutscher Kulturrat, 2015, online; Weber, 2009, S. 3).

In der Computerspiel-Geschichte waren es auch immer wieder neue Interaktionsformen, die als Motoren die Computerspiel-Entwicklung vorantrieben (Chak, 2010, S. 1): „Since the invention of digital games, human has been actively pursuing new kinds of interfaces which enable communication between the games and the players“ (Chak, 2010, S. 4). Manche sehen bereits die Möglichkeiten der in jüngster Vergangenheit aufgekommenen Bewegungs-Controller wie bspw. Microsofts Kinect erschöpft und Biofeedback wie bspw. Brain-Computer-Interfaces (kurz: BCIs) als nächste große Innovation im Bereich Eingabegeräte (vgl. Chak, 2010, S. 1). Diese Prognose bekräftigend ist zu beobachten, dass, um beim Biofeedback-Beispiel BCI zu bleiben, derartige BCIs auch für den normalen Verbrauchermarkt und zu immer geringeren Preisen angeboten werden (vgl. Chak, 2010, S. 6). Allerdings sind bislang wenige Spiele erhältlich, die von BCIs Gebrauch machen. Biofeedbackund BCI-Spiele fristen also derzeit noch ein Nischendasein. Aber verschiedene Stimmen prognostizieren derartigen Spielen eine wachsende Bedeutung in der Zukunft, wie z.B. Erin Reynolds, Spieldesignerin des Biofeedback-Spiels Nevermind (siehe Kapitel 8.1):

„I strongly believe that biofeedback technology is the next step for player interaction in interactive entertainment […] biofeedback enhanced game experiences are among the major next steps in gaming evolution. By using biofeedback sensors, the game is able to not only listen to the player’s conscious intentions, but also to listen to the player’s subconscious feelings and raw reactions. This possibility adds an entirely new level of immersion to the experience“ (Reynolds, 2012, S. 51f.).

Biofeedback- und BCI-Spiele lassen sich klassifizieren als sog. Serious Games bzw. als Serious Games for Health (kurz: SG4H; siehe Kapitel 3.5).

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein Konzept für ein BCI- bzw. EEG-Biofeedback-Computerspiel zu entwickeln, wobei die Bezeichnung Spiel zu diskutieren ist. Dabei sollen aktuelle Erkenntnisse und Prinzipien aus ähnlichen Arbeiten anderer Autoren Beachtung finden. Wünschenswert wäre ein höhenangsttherapeutischer Nutzen.

Zur Einordnung der vorliegenden Arbeit: Spieldesignerin Erin Reynolds äußerte 2012, Serious Games for Health seien immer noch relatives Neuland, in welchem die verschiedenen, an solch einem Spiel zu beteiligenden Disziplinen noch unzureichend zusammenarbeiten würden und somit noch kein echter Konsens dahingehend bestünde, ein SG4H zu entwickeln, welches Spaß mache und einen therapeutischen Nutzen habe (vgl. Reynolds, 2012, S. 81).

Auch 2015 ist diese Problematik noch aktuell und auch die Entwicklungsarbeit im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird diesem Anspruch nur ungenügend gerecht und verdeutlicht die Problematik vielmehr.

Zur Gliederung der vorliegenden Arbeit: In Kapitel 3 soll zunächst der Begriff Serious Game und ähnliche beleuchtet werden. Nach einer kurzen Behandlung des Themas Angst in Kapitel 4 geht es in Kapitel 5 um Sensoren - speziell auch um die Auswahl eines geeigneten Sensors für das Vorhaben im Rahmen der vorliegenden Arbeit. Im Anschluss werden im Kapitel 6 sog. Spiel-Engines vorgestellt, verglichen und wiederum eine Auswahl für die vorliegende Arbeit getroffen. Kapitel 7 beschäftigt sich mit dem Head-Mounted Display Oculus Rift und dessen Integrationsmöglichkeit ins Projekt zur vorliegenden Arbeit. Das Kapitel 8 setzt sich mit der konkreten Verwirklichung der erwähnten Projektidee zu einer Anwendung (Software) auseinander. Im Kapitel 9 wird ein Fazit gezogen.

3 Serious Game

In diesem Kapitel sollen zunächst der Begriff Serious Game und ähnliche Begriffe thematisiert werden.

3.1 Definition

Der Terminus Serious Game wurde schon 1971 von Clark C. Abt in seinem Buch mit gleichem Namen genannt, wenngleich es hierbei noch nicht direkt um digitale Spiele wie man sie heute kennt ging und gehen konnte. 2002 sorgte dann das Spiel America’s Army, welches zu Rekrutierungszwecken von der United States Army angeboten wurde, für eine Etablierung des Begriffs. In der Folgezeit festigte sich der Begriff zudem durch zunehmende Forschung in diese Richtung sowohl im anglofonen Kulturkreis als auch ab 2007 in ganz Europa (vgl. Kasperczak, 2013, S. 2; vgl. Lampert et al., 2009, S. 2). Im gleichen Jahr fand in Deutschland erstmals die Serious Games Conference statt und das hessische Wirtschaftsministerium initiierte den Serious Games Award (Lampert et al., 2009, S. 3). Die zunehmende Bedeutung von Serious Games lässt sich auch an deren steigender Anzahl in den letzten Jahren ablesen (siehe Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anzahl Serious Games 1989-2012 (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 234)

Eine klare, homogene und abgrenzende Definition des Begriffs Serious Game ist und bleibt schwierig. Zunächst sei bezüglich des Terminus Game die häufig zitierte Erklärung Huizingas angeführt: „A game is a physical or mental contest with a goal or objective, played according to a framework, or a set of rules, which determines what a player can and cannot do inside a game world.“ (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232)

Problematischer wird die Begriffsbestimmung hinsichtlich des gesamten Terminus Serious Game. Vielfach findet sich dabei die Betonung eines realweltlichen Wissenstransfers: „In our definition, serious games are computer games that impart knowledge, train capabilities as well as enable them to apply this knowledge meaningful. The knowledge is transferable into the ‚real world‘“ (Radkowski et al., 2011, S. 45). Clark C. Abt fokussierte den Bildungszweck: „Wir haben es hier mit ernsten Spielen in dem Sinne zu tun, dass diese Spiele einen ausdrücklichen und sorgfältig durchdachten Bildungszweck verfolgen und nicht in erster Linie zur Unterhaltung gedacht sind“ (Lampert et al., 2009, S. 3; Abt, 1971, S. 26). Oder ähnlich formuliert: „serious games can be defined as (digital) games used for purposes other than mere entertainment“ (Yessad et al., 2013, S. 56). Im Prinzip scheint diese grundsätzliche Auffassung der Verbindung von Unterhaltung und Bildung unverändert. So versteht p.e. das Netzwerk Serious Games Berlin Serious Games kurz gefasst wie folgt: „Unter Nutzung von Technologien und Spieldesign-Prinzipien aus dem Unterhaltungssoftware-Bereich werden nützliche Inhalte (serious) mit angenehmen Emotionen (game) verbunden“ (Serious Games Berlin , 2012, online).

Hieraus ergibt sich jedoch die Frage, was als bildender und nützlicher Anteil im Spiel angesehen werden kann. Dies scheint zumindest teilweise subjektiv. Denkbar sind hierbei sowohl Serious Games welche ihren eigentlichen Bildungszweck verfehlen als auch ‚Unterhaltungsspiele‘, die quasi als nicht intendierten Nebeneffekt Inhalte vermitteln, die vom jeweiligen Spieler als nützlich empfunden werden. Die in der Literatur zu findende Unterscheidung zwischen Unterhaltungsspielen und Serious Games ist also keineswegs immer trennscharf (vgl. Kasperczak, 2013, S. 3).

Der potentielle Nutzen von Serious Games kennt vielfältige Ausprägungen, u.a.:

- Handlungstraining
- Testsimulation der Wirklichkeit
- Problemlösungskompetenz-Steigerung
- Wissensvermittlung und kognitives Training

(vgl. Serious Games Berlin , 2012, online).

Die Vorteile liegen dabei auf der Hand, wie bspw.:

- Vermeidung realer Konsequenzen / Risiken
- sofortige Fehlerkontrolle und Lernen aus Fehlern
- Lernen als selbstorganisierter, kognitiver Prozess
- oft Kostenersparnis gegenüber realweltlichem Lernszenario (vgl. Serious Games Berlin, 2012, online).

Serious Games können zielgruppenspezifisch ausgerichtet sein und sich an den verschiedensten Computerspiel-Genres orientieren. Eine Einteilung in Genre-Kategorien lässt sich wie folgt vornehmen:

- Military games
- Government games
- Corporate Games
- Educational games
- Healthcare games

(vgl. Mayr & Petta, 2013, S. 57).

Serious Games an sich bilden also kein eigenes Genre im herkömmlichen Sinn, sondern greifen bestehende Genre-Spezifika auf und implementieren diese mehr oder weniger ausgeprägt und kombiniert. Serious Games bleiben ergo auch an dieser Stelle terminologisch indifferent. Eine genauere Klassifizierung gestaltet sich schwierig, was auch die Abgrenzung zu anderen, ähnlichen Begriffen erschwert. In der Praxis „wird der Begriff für alle Computerspiele benutzt, die für Simulationen, Bildung und Trainingszwecke in unterschiedlichen Anwendungsgebieten (z.B. Bildungssektor, Medizin, Militär) eingesetzt werden, was eine klare Abgrenzung zu anderen Computerspielen erschwert, die eine pädagogische Intention verfolgen“ (Lampert et al., 2009, S. 4).

3.2 Ähnliche Begriffe

Den Terminus Serious Game von ähnlichen Begriffen zu unterscheiden ist also bisweilen schwierig, da der Terminus zu diesen ähnlichen Begriffen mitunter keine trennscharfen Grenzen bildet (vgl. Kasperczak, 2013, S. 3) bzw. synonym mit diesen verwendet wird (vgl. Lampert et al., 2009, S. 3). Zu diesen ähnlichen Begriffen gehören: (Digital) Game-Based-Learning ((D)GBL), Edutainment sowie E-Learning.

E-Learning umfasst u.a. die Themen Distanzlernen, interaktive Lerntechnologien bzw. computerbasiertes Lernen (vgl. Kasperczak, 2013, S. 4). Der Begriff ist also relativ weit und allgemein gefasst, weswegen auch Serious Games durchaus unter E-Learning subsumiert werden können (vgl. Kasperczak, 2013, S. 4). Serious Games bieten jedoch zusätzlich einen starken spielerischen Aspekt.

Edutainment stellt eine Wortkreuzung aus Education und Entertainment dar und meint „spielerische multimediale Lernumgebungen“ respektive „Unterhaltungsangebote, die unterhalten sollen und gleichzeitig bildende Anteile beinhalten“ (Kasperczak, 2013, S. 5). Im Unterschied zum Serious Game werden hierbei die Inhalte nicht während des Spielens vermittelt, sondern das Spielen fungiert quasi als Belohnung für das Lernen (vgl. Serious Game: Wikipedia, 2014, online). Anders ausgedrückt: „Während bei Edutainment-Titeln in der Regel der Spielteil als Belohnung für das Gelernte erfolgt, also nicht integrativer Bestandteil dessen ist, was man lernt, werden bei Serious Games die Lerninhalte und -aufgaben (‚educational missions‘) in die Spielwelt integriert“ (Lampert, 2009, S. 5).

Abbildung 2: Ähnliche Begriffe zu Serious Game (Kasperczak, 2013, S. 4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Game-Based-Learning bzw. Digital Game-Based-Learning bezeichnet pädagogische Angebote, bei denen ein Spielfaktor als motivationale Stütze eingesetzt wird, wodurch dem Nutzer im Idealfall quasi beiläufig Inhalte vermittelt werden. Wichtig ist hierbei die Balance von Spielen und Lernen: Kommt die spielerische Komponente zu kurz, verkommt das Interaktionsangebot zum bloßen Lernprogramm - ist die spielerische Komponente dagegen zu stark ausgeprägt, kann nur von einem normalen Spiel gesprochen werden (vgl. Kasperczak, 2013, S. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 veranschaulicht die erwähnten Begriffe und deren Beziehungen in einer Übersicht.

3.3 Affective Game

„Affective Game“ ist ein weiterer Terminus, welcher im Zusammenhang mit Serious Game betrachtet werden kann und an dieser Stelle gesondert thematisiert werden soll, v.a. in Bezug auf dessen Unterscheidbarkeit zum Begriff des Biofeedback-Spiels, da dies als relevant für die vorliegende Arbeit erachtet werden kann.

Bei Affective Games wird quasi versucht, emotionale Zustände des Spielers zu erfassen um damit das Spielgeschehen entsprechend zu verändern (vgl. Vachiratamporn, 2013, S. 576). Anders formuliert:

„The term affective gaming refers to [...] games in which the players’ behavior directly affects the games objectives and gameplay. More precisely, the emotional state and actions of a player can be correctly recognized and properly used in order to alter the gameplot and offer to the player an increased user experience feeling“ (Kotsia et al., 2012, S. 1).

Ziel der Entwicklung solcher Spiele ist es also diese derart ‚intelligent‘ zu gestalten, dass sie in jedem spezifischen Moment die ‚Gefühle‘ des Spielers erfassen, bspw. durch EEG-Messungen (siehe Kapitel 5.3; vgl. Kotsia et al., 2012, S. 1), um mit den daraus abgeleiteten Effekten in der Spielwelt ein realistischeres und befriedigenderes Spielerlebnis schaffen (vgl. Kotsia et al., 2013, S. 663).

Zum Unterschied zwischen Biofeedback-Spiel und Affective Game: Gilleade et al. erklären, dass das bloße Einbeziehen von biosensorischen Daten in ein Computerspiel dieses Spiel nicht zu einem Affective Game mache. Als Beispiel dient Bionic Breakthrough (1983), ein Spiel für welches die elektrische Aktivität auf den Stirnmuskeln des Spielers gemessen werden sollte mittels eines Gerätes namens Atari MindLink. Damit wurde lediglich die übliche Steuerung via eines Spiele-Controllers ersetzt, was es zu einem Biofeedback-Spiel mache. Ein Affective Game zeichne sich jedoch durch „affective feedback“ aus. Dies bedeute, „the computer is an active intelligent participant in the biofeedback loop“ (Gilleade et al., 2005, S. 3), der Einsatz von biosensorischen Daten gehe also über die Steuerung des Spiels hinaus. Gilleade et al. erläutern den Unterschied zwischen Biofeedback-Spiel und Affective Game des Weiteren wie folgt: Beim Biofeedback-Spiel obliege dem Spieler die Kontrolle seiner physiologischen Reaktionen zur Steuerung in der Spielwelt. Beim Affective Game jedoch soll sozusagen die natürliche bzw. unkontrollierte, affektive Reaktion des Spielers erfasst werden und der Spieler sich möglicherweise nicht bewusst sein, dass seine physiologischen Daten benutzt werden. Im Biofeedback-Spiel kontrolliere also der Spieler das Spiel mit seinen biosensorischen Daten wo hingegen im Affective Game das Spiel quasi unwillkürlich von diesen biosensorischen Daten beeinflusst werde. Es sei somit abhängig von Game-Design, ob ein Spiel den Charakter eines Biofeedback-Spiels oder Affective Games habe (vgl. Gilleade et al., 2005, S. 3).

Gilleade et al. weisen jedoch hin auf die Problematik bei der Unterscheidung von Biofeedback-Spiel und Affective Game: Oftmals trenne diese nämlich nur eine dünne, undeutliche Grenze. Angeführt wird das Beispiel eines Computerrennspiels von Bersak et al., bei welchem der Spieler sich entspannen muss, um zu gewinnen. Im Spiel steuert der Spieler mittels seiner gemessenen elektrodermalen Aktivität die Geschwindigkeit einer Spielfigur: je entspannter der Spieler, desto schneller die Spielfigur. Auf den ersten Blick also scheinbar ein Biofeedback-Spiel, in welchem die sonst übliche Steuerung mittels eines Eingabegerätes ersetzt wird durch physiologische Daten. Laut Gilleade et al. konterkariere dieses Spiel jedoch den typischen Wettbewerbscharakter von Computerspielen, in denen man üblicherweise nicht entspannen kann bzw. muss, um zu gewinnen. Bersak et al. ermittelten, dass Spieler dieses Spiels folgende Schwierigkeiten damit hatten: Sie wiesen einen steigenden Erregungszustand während des Spielens auf, was dazu führte, dass sich die Geschwindigkeit der Spielfigur verringerte und das Spiel somit verloren ging, woraus wiederum ein erhöhter Erregungszustand resultierte. Da es sich hierbei also um unkontrollierte Reaktionen des Spielers handele, könne von einem Affective Game gesprochen werden. Denkbar wäre jedoch, dass Spieler ihre physiologischen Reaktionen bewusst und willentlich besser zu kontrollieren lernen, was wiederum eher dem Charakter eines Biofeedback-Spiels entspräche (vgl. Gilleade et al., 2005, S. 3).

Diese aufgezeigte Problematik erscheint relevant für das im Rahmen dieser Arbeit zu entwickelnde Konzept, in welchem eher die Idee eines Biofeedback-Spiels realisiert werden soll. D.h. es soll für den Spieler darum gehen, das Spiel mittels seiner biosensorischen Daten bewusst zu kontrollieren bzw. kontrollieren zu lernen und so eine traditionelle Steuerung via eines Spiele-Controllers o.ä. zu ersetzen. Dabei ist das oben geschilderte Problem denkbar, dass Spieler das Spiel als scheinbar unkontrollierbares Affective Game erleben, was nicht dem eigentlich verfolgten Game-Design entspräche. Ziel ist vielmehr eine Spielerfahrung zu ermöglichen, bei welcher der Spieler zu einer willentlichen Steuerung des Spielgeschehens findet und damit möglicherweise Selbstwirksamkeit erfährt.

3.4 Komponenten

Spiele und damit auch Computerspiele enthalten laut Wattanasoontorn et al. fünf voneinander unterscheidbare Komponenten. Zunächst wäre die Regel- bzw. Gameplay-Komponente zu nennen, welche die Regeln des Spiels und Spielens festlege. Des Weiteren existiere die Herausforderungs- Komponente, die bestimmt sei durch Belohnungen des Spielers und Hürden, welche dem Spieler im Weg stehen und so den Schwierigkeitsgrad beeinflussen, der den Spieler motivieren und das Spielerlebnis letztlich postiv gestalten soll. Überdies gäbe es eine Interaktions-Komponente, welche die Kommunikation des Spielers mit dem Spiel repräsentiere. Als letzte Komponente wird die Ziel- Komponente angeführt, welche sich aufspalten lasse in explizit und implizit. Als explizites Ziel wird in diesem Zusammenhang die reine Unterhaltung aufgefasst. Implizite Ziele wären die Verbesserung bestimmter Fähig- und Fertigkeiten sowie Wissens- und Erfahrungserwerb beim Nutzer. Implizite Ziele würden demnach Serious Games von sonstigen Computerspielen unterscheiden, da Serious Games implizite und explizite Ziele beinhalten, wohingegen sonstige Computerspiele lediglich explizite Ziele bieten (vgl. Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232). Abbildung 3 stellt die genannten Komponenten in einer Übersicht dar.

Abbildung 3: (Serious-)Game-Komponenten (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Komponenten angewendet auf das im Rahmen dieser Arbeit zu entwickelnde Konzept lässt sich vorab folgendes festhalten: Bezüglich der Regel- bzw. Gameplay-Komponente wird es wichtig sein, diese Regeln dem Spieler in geeigneter Form mitzuteilen, evtl. mittels eines Tutorials zu Beginn. Um der Herausforderungs-Komponente gerecht zu werden bedarf es einiger Überlegungen hinsichtlich der Frage, welche Herausforderung(en) dem Spieler gestellt werden soll (sollen) und wie der Spieler derart motiviert werden kann, dass er sich diesen gern stellt. Die Interaktions-Komponente betreffend besteht die Besonderheit des zu entwickelnden Konzepts darin, dass EEG-Daten des Spielers zum Einsatz kommen sollen. In puncto explizite Ziel-Komponente soll das Spiel durchaus einen gewissen Unterhaltungswert besitzen, da angenommen wird, dass dadurch der gewünschte Effekt begünstigt wird, den gerade ein Serious Game bietet und welcher auch als implizite Ziel-Komponente beschrieben werden kann: hier im konkreten Fall die intendierte Höhenangst-Reduktion. Diese genannten Fragestellungen sollen in Kapitel 8 aufgegriffen werden.

Auch aus der Produktions- bzw. Entwicklungsperspektive lassen sich diverse Komponenten eines Serious Games erkennen, wie in Abbildung 4 gezeigt (vgl. Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232). Angewandt auf die Entwicklung im Rahmen der vorliegenden Arbeit lassen sich folgende Bezüge herstellen: Das Entwickler-Team besteht lediglich aus dem Autor dieser Arbeit und übernimmt folglich in Personalunion die entsprechenden Aufgaben wie Design und Programmierung. Auf in das Projekt eingebundene „Content Provider“ konnte verzichtet werden, teilweise wurde auf frei verfügbare Inhalte zurückgegriffen. Somit entfällt auch der Einsatz einer „Design Application“. Als „Game Engine“ fungierte Unity (siehe Kapitel 6). Verwendete Technologien sind hinsichtlich des

Themas „Virtual Reality“ durch das Oculus Rift repräsentiert. Als Ziel kann „Treatment“ verstanden werden. Das Genre lässt sich am ehesten als „Simulation“ beschreiben. Anvisierte Plattform ist der Personal Computer (PC), da nur mit diesem die geplante Einbindung von Oculus Rift (siehe Kapitel 7) und Neurosky Mindwave (Kapitel 5.3.3) möglich erscheint, weil bislang nur für den PC Gerätetreiber-Software für beide Geräte verfügbar ist. Das Neurosky Mindwave lässt sich im betrachteten Komponenten-Modell von Wattanasoontorn et al. als spezielle Ausrüstung anführen. Die Spieler-Komponente betreffend gelte es für die Entwickler, die Spieler-Zielgruppe zu definieren, wozu diverse Kriterien möglich seien, wie bspw. Spielertyp und Spielerfahrung. Beachtet werden sollen dabei die impliziten und expliziten Ziele aus obigem Komponenten-Modell, da nur deren genügende Berücksichtigung den gewünschten ‚Spielerfolg‘ im von den Entwicklern intendierten Sinn beim jeweiligen Spieler ermögliche. Abbildung 4 fasst die Serious-Game-Entwicklungs- Komponenten grafisch zusammen (vgl. Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Serious-Game-Entwicklungs-Komponenten (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 233)

3.5 For Health

Serious Games, welche sich dem Thema Gesundheit zuordnen lassen, werden auch spezifischer als Serious Games for Health (kurz: SG4H) bezeichnet. Dabei geht es im engeren Sinne um Computerspiele, welche weniger zum reinen Zweck der Unterhaltung entwickelt werden, sondern vielmehr spezifisch dazu dienen sollen, die Gesundheit des Spielers positiv zu beeinflussen. Dies heißt jedoch nicht, dass derartige Spiele nicht auch einen Unterhaltungswert bieten - ganz im Gegenteil: „Voraussetzung ist in jedem Fall - und im Zusammenhang mit gesundheitsbezogenen

Themen umso mehr - eine sorgfältige Aufbereitung der zu vermittelnden Inhalte sowie eine Form der Umsetzung, die den Unterhaltungscharakter nicht beeinträchtigt“ (Lampert et al, 2009, S. 13f.). Computerspiele, welche in erster Linie zur Unterhaltung entworfen wurden und quasi als Nebeneffekt gesundheitsfördernd sind, gelten im engeren Sinne nicht als Serious Games for Health - beispielhaft wäre hier Wii Sports für die Nintendo-Wii-Spielkonsole zu nennen, welches im Bereich Rehabilitationssport Anwendung findet (vgl. Lampert, 2009, S. 6f.).

Sostmann et al. liefern eine relativ prägnante Definition, welcher sich der Autor der vorliegenden Arbeit anschließt: „Serious Games for Health werden durch ihre immersiven, multimodalen und interaktiven Eigenschaften als bestimmende Gattungsmerkmale definiert, die auch das Erreichen von medizinischen Heilansätzen als Ziele beinhalten können“ (Sostmann et al., 2010, online).

Um die Bezeichnung Serious Games for Health genauer zu betrachten muss der Begriff ‚Health‘ also ‚Gesundheit‘ beleuchtet werden. Wattanasoontorn et al. stellen in diesem Zusammenhang einen Bezug zu Maslows Bedürfnis-Pyramide her. Gesundheit - als eine der wichtigsten menschlichen Bedürfnisse in jedwedem Alter - wird dementsprechend dort in der zweitwichtigsten Kategorie aufgeführt (siehe Abbildung 5). Außerdem beeinflusse das Fehlen von Gesundheit auch die oberen Bedürfnis-Kategorien der Pyramide negativ (vgl. Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232). Computerspielen, welche gesundheitsfördernde Effekte aufweisen sollen, kann demnach generell und theoretisch betrachtet ein hoher Stellenwert zugewiesen werden, wenngleich die Frage nach Art und Stärke dieses Effekts im konkreten Fall kritisch untersucht werden muss, um diesem Stellenwert gerecht zu werden. Die Grundidee bleibt jedoch unbestreitbar in jedem Fall per se bedeutsam für eine Großzahl potentieller Nutzer.

Abbildung 5: Maslows Bedürfnis-Pyramide (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 232)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Etablierung der Thematik potentiell gesundheitsfördernder Computerspiele hat sicherlich die Gründung des ersten Instituts zu diesem Themenfeld namens Games for Health Project im Jahr 2004 beigetragen. Drei Jahre später wurde das Health Games Research Program an der University of California in Santa Barbara aus der Taufe gehoben und damit ein Beitrag zur Expansion des Forschungsbereichs geliefert. Hierzulande spiegelte dann im Jahr 2008 die vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. und Nordmedia (Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH) ausgerichtete Konferenz „Serious Games for Health - Spiele in der Medizin“ auf der Informationstechnik-Messe CeBIT eine wachsende Neugier an diesem Themenfeld wider (vgl. Lampert, 2009, S. 6f.).

Sostmann et al. prognostizierten mit Verweis auf diverse Experten, dass sich die Thematik Serious Games for Health „sowohl in der medizinischen Ausbildungsforschung als auch im Bereich der Patientenversorgung kontinuierlich weiterentwickeln wird“ (Sostmann et al., 2010, online).

Die Frage, ob die im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelte Anwendung als Serious Games for Health deklarierbar ist kann hier nicht abschließend und eindeutig geklärt werden, wenngleich eine solche Deklaration wünschenswert wäre.

3.5.1 Einsatzgebiete, Ziele und Zielgruppen

Lampert et al. geben an, dass sich 2008 acht Prozent der Serious Games dem Bereich Gesundheit zuordnen ließen, wobei es folgende konkretere Einsatzgebiete gäbe: „bei Schulungen von medizinischem Personal, als therapeutisches Element bei psychischen und physischen Erkrankungen oder - wenngleich eher selten - im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung (z.B. als Aufklärungsmittel)“ (Lampert, 2009, S. 6f.). Die Bandbreite der thematisierten Bereiche reiche von „HIV/AIDS, Asthma bronchiale, Diabetes mellitus bis hin zu psychischen Erkrankungen wie z.B. Schizophrenie und Phobien.“ (Lampert et al., 2009, S. 6f.). Letztgenanntes soll auch in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen werden - Stichwort: Akrophobie bzw. Höhenangst (s. Kapitel 4).

Serious Games for Health verfolgen je nach Einsatzgebiet verschiedene Ziele, bspw. „die Verbesserung der Compliance, die Unterstützung medikamentöser oder therapeutischer Maßnahmen oder psychotherapeutischer Interventionen und die Vermittlung von Informationen zur Verbesserung präventiver Maßnahmen“ (Sostmann et al., 2010, online).

Sostmann et al. weisen darauf hin, dass es bereits einige Serious Games for Health für die medizinische Ausbildung gibt, die bspw. bezüglich des Trainings „von praktischen und theoretischen Fertigkeiten und Arbeitssituationen“ eingesetzt werden (Sostmann et al., 2010, online). Derartige Serious Games for Health hätten sich dabei als effektiv erwiesen (vgl. Sostmann et al., 2010, online). Als Beispiel nennen Sostmann et al. ein Forschungsprojekt an der Charité (Universitätsklinikum in Berlin) namens SimMed. Dabei handelt es sich um einen Multitouch-Tisch, auf welchem ein krankes Kind in realer Größe und hoher grafischer Qualität sowie mit bestimmten äußerlichen Abnormitäten dargestellt wird. Dieses ‚virtuelle Kind‘ reagiert je nach ‚Behandlung‘ via Berührungsinteraktionen. Ziel des Ganzen ist ein Wissenstransfer von der Theorie in die Praxis (vgl. Sostmann et al., 2010, online).

Laut Sostmann et al. würden Serious Games for Health im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung in erster Linie als Aufklärungsmedium zu gesundheitlichen Thematiken zum Einsatz kommen, wie bspw. Krebs, gesunde Ernährung und vor allem AIDS. Zu Letzterem nennen die Forscher als Exempel die Spiele Shagland, Catch the Sperm sowie Interactive Nights Out. Letztgenanntes wurde von US-amerikanischen Soldaten gespielt und soll bezüglich der Prävention eine positive Wirkung hervorgerufen haben (Sostmann et al., 2010, online).

Lampert et al. äußerten die Prognose, dass weitere Serious Games for Health konzipiert würden, in erster Linie derartige mit Bezug zu Therapien für eine fest umrissene Zielgruppe. Der Vorteil dabei sei, „dass die Konkurrenz zu Vollpreistiteln nicht so gross [sic] ist, da durch das Gesundheits- oder Krankheitsthema ein engerer Bezug besteht, der eine höhere Involvierung und damit einen erwartbar höheren Lernerfolg begünstigt“ (Lampert et al, 2009, S. 14). Ein solcher „Lernerfolg“ ist auch für das zu erarbeitende Konzept im Rahmen der vorliegenden Arbeit wünschenswert, was jedoch zu prüfen wäre.

3.5.2 Klassifizierung

Wattanasoontorn et al. zeigen diverse Möglichkeiten der Klassifizierung von Serious Games for Health auf (siehe Abbildung 6). Das zu erarbeitende Konzept im Rahmen der vorliegenden Arbeit ließe sich bspw. nach dem Spielzweck „Focus on health“ klassifizieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: SG4H-Klassifizierung (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 235)

3.5.3 Interaktionswerkzeuge

Die Forscher liefern bei den von ihnen untersuchten Serious Games for Health auch eine interessante Übersicht zu den Interaktionsmethoden bzw. Interaktionswerkzeugen (siehe Abbildung 7). Dabei fällt auf, dass Elektroenzephalografie (EEG) und virtuelle Realität (VR) relativ wenig vertreten sind. Die Kombination der beiden dürfte noch unwahrscheinlicher sein. Genau diese Kombination soll in dem im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu erarbeitenden Konzept zur Anwendung kommen, weswegen jenes Konzept diesbezüglich einen gewissen Sonderstatus einnimmt.

Abbildung 7: SG4H-Interaktionsmethoden (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 243)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.5.4 Spiel-Engines

Wattanasoontorn et al. untersuchten auch mit welcher Software bzw. Spiel-Engine (siehe Kapitel 6) die betrachteten Serious Games for Health entwickelt wurden (siehe Abbildung 8). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll die bei Wattanasoontorn et al. aufgeführte Laufzeit- und Entwicklungsumgebung Unity zum Einsatz kommen.

Abbildung 8: SG4H-Spiel-Engines (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 244)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.5.5 Effekt

Die Wirkung bzw. Wirksamkeit von Serious Games und speziell Serious Games for Health ist von besonderem Interesse, jedoch eine problematische Thematik: „Für Serious Games allgemein und insbesondere denen mit Gesundheitsbezug liegen bislang nur wenige Studien vor, die einen tatsächlichen Effekt - in diesem konkreten Fall auf den Gesundheitszustand der Spieler - nachweisen konnten“ (Lampert et al., 2009, S. 10f.). Lampert et al. sehen einen Grund für die wenigen Studien in der unklaren Abgrenzung des Begriffs bzw. der Spielegattung. Die Forscher führen mit Verweis auf Baranowski et al. jedoch an, dass es zumindest Hinweise auf Effekte gäbe: „Im Rahmen einer Übersichtsstudie [...] wurde festgestellt, dass bei 24 von 25 Serious Games, die im Medizin- oder Gesundheitsbereich eingesetzt wurden, Indikatoren für eine Wirksamkeit, wie z.B. Wissenszuwachs,

Verhaltens- und/oder Einstellungsänderungen, vorlagen“ (Lampert et al., 2009, S. 11; vgl. Baranowski et al. 2008).

Letztgenannte Verhaltensänderung des Spielers ist ein generelles Ziel vieler Serious Games for Health, um damit präventive oder therapeutische Intentionen zu begünstigen. Diese Verhaltensänderung ist jedoch oft schwierig nachzuweisen und ebenso schwierig zu erzeugen. Sostman et al. führen exemplarisch das Spiel Fatworld an (siehe Abbildung 91 ), welches die intendierte Verhaltensänderung beim Nutzer in Richtung einer gesünderen Ernährung nicht bewirke, da es die Thematik zu kompliziert präsentiere. Positive Erwähnung findet bei den Forschern hingegen Outbreak at Watersedge (siehe Abbildung 102 ), ein Informations- und Rekrutierungsspiel für Jobs im Bereich Gesundheitswissenschaften im Stil eines detektivischen Adventures, da es bildhaft und reell das Metier veranschauliche (vgl. Sostmann et al., 2010, online).

Abbildung 9: Fatworld

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Outbreak at Watersedge

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sostmann et al. verweisen auf diverse Untersuchungen, die Effekte von Serious Games for Health in unterschiedlichen Gebieten belegen würden. So z.B. bezüglich sog. Exergames (Wortkreuzung aus exercise und game):

„Für Exergames wurde die Evidenz in randomisierten kontrollierten Studien nachgewiesen (Spiele, die eine aktive Bewegung des gesamten Körpers der Spielers erfordern, um einen Spielerfolg zu erzielen, wie z.B. Wii Sports). Die Studien konnten die Wirksamkeit der Spielanwendungen in der Reduzierung von bewegungsarmen Verhaltensweisen bei den Spielern nachweisen“ (Sostmann et al., 2010, online).

Auch für jüngere Diabetes-Patienten gäbe es nachweisbar wirksame Angebote hinsichtlich eines gesteigerten „Therapieerfolges“, ebenso für Kinder mit Asthma. Gleichermaßen würden Serious Games for Health eigens für Schmerz-Patienten existieren, welche „nachweislich schmerzmindernd“ wären (vgl. Sostmann et al., 2010, online).

Abbildung 11: Re-Mission

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dieses Unterkapitel abschließend sei noch auf das relativ berühmte Spiel Re-Mission eingegangen, welches entwickelt wurde für den Einsatz bei Kindern und Jugendlichen mit Erkrankungen wie NonHodgkin-Lymphomen und Leukämie (siehe Abbildung 113 ). Eine Untersuchung von Kato et al. zeige ein „verbesserte[s] Präventionsverhalten“ und eine „gesteigerte positive Selbstwahrnehmung“ der betroffenen Spieler (Sostmann et al., 2010, online). Konkreter hätte die Analyse ergeben, dass die Spieler Verbesserungen bei der Medikamenteneinnahme zeigten, mehr über ihre Krankheit lernten, eine höhere krankheitsbezogene Selbstwirksamkeits-Erwartung aufwiesen und die eigene Lebensqualität selbst besser bewerteten (vgl. Lampert et al., 2009, S. 11f.).

3.5.6 Weitere Beispiele

Beispiele für Serious Games for Health gibt es mittlerweile diverse. Eine relativ umfangreiche Liste bieten Wattanasoontorn et al. (Wattanasoontorn et al., 2013, S. 238ff.). An dieser Stelle sollen nur einige weitere genannt werden, um einen Einblick in deren Vielfalt zu gewähren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: Carmen‘s bright IDEAS

Carmen’s bright IDEAS aus dem Jahr 2000 bspw. ist ein Serious Game for Health, welches auch als interaktives, pädagogisches Drama bezeichnet wird (siehe Abbildung 124 ). Das Spiel verfolgt einen sog. agentenbasierten Ansatz. Dies bedeutet, dass der Spieler eher indirekt das Spielgeschehen steuert und nicht direkt die Rolle des Spielprotagonisten einnimmt, in diesem Fall einer Mutter mit einem an Leukämie erkrankten Kind. Vielmehr werden dem Spieler im konkreten Beispiel immer wieder verschiedene innere Gedanken der Protagonistin präsentiert aus welchen der Spieler wählen muss. Diese Wahl beeinflusst den emotionalen Zustand der Spielfigur, deren weitere Gedanken sowie Verhaltensweisen und damit insgesamt den Spielverlauf. Das Spiel soll Müttern von krebskranken Kindern helfen mit den psychischen und alltäglichen Problemen besser umzugehen, die derlei Erkrankungen mit sich bringen. Dazu soll ein spezielles Problemlösungsverfahren namens IDEAS vermittelt werden (vgl. Mayr & Petta, 2013, S. 57).

Zum Vergleich: Das bereits oben thematisierte Spiel Re-Mission ist ebenfalls auf die Thematik krebskranker Kinder ausgerichtet, jedoch wird nicht wie in Carmen’s bright IDEAS ein agentenbasierter Ansatz verfolgt, sondern der Spieler kann hier direkt die Steuerung der Spielfigur via Third-Person-Perspektive und damit des Spielgeschehens übernehmen. Auch die Zielgruppe ist direkter gewählt, nämlich die betroffenen Kinder selbst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: ErgoActive

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14: BalanceFit

Im Bereich Prävention sollen an dieser Stelle die Exergames ErgoActive und BalanceFit erwähnt werden, welche vom Hessischen Telemedia Technologie Kompetenz-Center e.V. und der Universität Darmstadt entwickelt wurden. Bei beiden Exergames werden Daten des Nutzers erhoben und ins Spiel einbezogen, um das Spiel an den jeweiligen Spieler anzupassen und damit eine höhere Motivation zu schaffen für das Spielen und damit das Trainieren. Im Falle von ErgoActive, einem Exergame u.a. zum Vorbeugen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, werden mittels eines Ergometers bzw. Crosstrainers Leistungsdaten des Spielers ermittelt (siehe Abbildung 135 ; vgl. Göbel et al., 2014, S. 556). Konkret kann der Nutzer bspw. im Modus ‚Taubenflug‘ einen Vogel in der Spielwelt mittels Trittfrequenz steuern, um virtuelle Briefe zu sammeln (vgl. Göbel et al., 2014, S. 556). Bei BalanceFit, einem Exergame zum „Training von Kraft, Koordination und Balance“ mit dem Ziel der Sturzprävention bei älteren Menschen, liefert das Wii BalanceBoard von Nintendo die entsprechenden Daten, wobei dieses Eingabegerät gemäß den Anforderungen des jeweiligen Spielers kalibrierbar ist, um einen möglichst großen Nutzerkreis zu erschließen. Aufgabe des Spielers ist es, eine virtuelle Kugel durch ein ebensolches Labyrinth zu bewegen (siehe Abbildung 146 ; vgl. Göbel et al., 2014, S. 556).

Weitere Beispiele für den Anwendungsbereich gesundheitlicher Prävention und auch Rehabilitation sind die Spiele Tivitrain und Reha@Home, bei welchen Microsofts Kinect zum Einsatz kommt. Bei Kinect handelt es sich um ein System, welches Körperbewegungen als Eingabe erfasst. Ziel der genannten Spiele ist es, die Motivation zu Reha- und Präventionsübungen zu erhöhen, die Bewegungen des Nutzers zu kontrollieren und dem Anwender ein System bereitzustellen, welches er auch relativ bequem zuhause nutzen kann. Damit soll insgesamt erreicht werden, dass sich ein nachhaltiger, medizinischer Übungseffekt beim Patienten einstellt (vgl. Wendleder et al., 2011, S. 391f.).

Ebenfalls der Thematik Prävention zuordenbar, jedoch eher im psychologischen Kontext angesiedelt, ist Elm City Stories (siehe Abbildung 157 ). Hierbei handelt es sich um ein Spiel zur Aufklärung über AIDS, welches exklusiv für einen Tablet-Computer der Firma Apple entwickelt wurde. Der Nutzer wird im Verlauf des Spiels vor Handlungsentscheidungen gestellt, die den weiteren Verlauf des Spiels bzw. das Leben der virtuellen Spielfigur bestimmen. Gestecktes Ziel für den Spieler ist es, das Risiko einer Infektion mit dem HI-Virus zu verringern. Dazu soll er Vermeidungsstrategien erlernen, welche auch in der Realwelt Anwendung finden könnten (vgl. Elm City Stories, 2014, online).

Abbildung 15: Elm City Stories

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als letztes Beispiel sei hier FearNot! genannt (siehe Abbildung 168 ), ein gleichermaßen psychologisch-präventives Spiel wie Elm City Stories, welches sich der Thematik des Schikanierens von Schulkindern widmet. Auch hierbei sollen Vermeidungsstrategien erlernt werden, welche der Vorbeugung von sozialer Ausgrenzung und eben Schikane dienen. Dies gelänge mittels einer integrierten ‚künstlichen Intelligenz‘, welche auf Erkenntnissen aus der Psychologie fuße (vgl. FearNot, 2013, online). Die Entwickler des Spiels betonen, dass Immersion eine wichtige Voraussetzung für jegliche Systeme sei, die eine Einstellungs- und Verhaltensänderung beim Nutzer bewirken möchten (vgl. Mayr & Petta, 2013, S. 58). Dieser Aspekt soll auch im Konzept für die vorliegende Arbeit Beachtung finden.

Interessant ist außerdem, dass die Entwickler bewusst auf ein comic-haftes Aussehen setzen, anstatt eine realistischere Darstellung zu wählen, um das paradoxe Phänomen des sog. „uncanny valley“ zu vermeiden, nach welchem mit steigender Realitätsnähe virtueller, androider Figuren nicht linear eine empfundene Realitätsnähe beim Nutzer einhergeht. Vielmehr scheint es so zu sein, dass ab einem bestimmten Punkt gesteigerter, realitätsnaher Darstellung Nutzer die Darstellung als unvertraut wahrnehmen und damit ablehnen. Erst ab einem sehr hohen Detailgrad zeige sich wieder eine gesteigerte Akzeptanz (vgl. Mayr & Petta, 2013, S. 58). Diese Problematik umgehend sind im zu entwickelnden Konzept der vorliegenden Arbeit keine androiden Charaktere vorgesehen und der Spieler steuert quasi eine ‚körperlose‘ Spielfigur.

Abbildung 16: FearNot!

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.6 Fazit

Serious Games offerieren als Computerspiele per se einige Vorzüge. Der Aspekt der Interaktion bspw. steigert potentiell die empfundene Selbstwirksamkeit beim Nutzer. Hinzu kommt eine motivationale Komponente, da der Nutzer in eine Art Wettbewerb treten kann (vgl. Weber, 2009). Somit können Computerspiele auch für pädagogische Zwecke als geeignet erachtet werden. Im Unterschied zu Edutainment-Titeln sind Serious Games in der Regel stärker geprägt von einem integrierten spielerischen Element (siehe Kapitel 3), was der Motivation des Spielers und dessen nachhaltigem Befassen mit einem Spiel und dem Spielthema förderlich sein könnte (vgl. Lampert et al., 2009, S. 12f.). Dies sorgt evtl. dafür, „dass die im Spiel erlebten Erfahrungen bei den Spielern länger gespeichert bleiben, die Retention des Gelernten im Vergleich zu anderen Lehrformen sich also erhöht (Lampert et al., 2009, S. 12f.).

Obwohl Serious Games im pädagogischen Kontext geeignet erscheinen, erwähnen Lampert et al. auch Probleme. So stelle sich bspw. insbesondere bei pädagogischen Computerspielen im Hinblick auf deren technische Anforderungen die Frage, für welche Zielgruppe die Spiele konzipiert werden. Einerseits sollten sie für möglichst viele Nutzer, also auch auf älteren Spieleplattformen spielbar sein, andererseits treten sie automatisch in Konkurrenz zu Unterhaltungsspielen, welche hinsichtlich grafischer Darstellung und Spielmechanik oft Maßstäbe setzen und viele Systemressourcen fordern. Lampert et al. empfehlen demgemäß die „Faktoren [...] mit Blick auf potenzielle Nutzergruppen von Serious Games sorgfältig abzuwägen“ (Lampert et al, 2009, S. 13). Völlig neue Nutzergruppen, so die Forscher, könnten Serious Games schwerlich gewinnen, da diese zu spezifisch auf ein Ziel bzw. eine Zielgruppe zugeschnitten seien. Eine derartige Spezifizierung sei aber durchaus sinnvoll, da nur solche Serious Games gemäß ihrem spezifischen Ziel erfolgreich werden könnten. Therapeutische Spiele mit präzisen Zielen und klar eingegrenztem Handlungsrahmen hätten größeren Therapieerfolg als bspw. Spiele für das Themenfeld Prävention und Gesundheitsförderung, wo es um die Modifizierung von allgemeinen Einstellungen bzw. Verhaltensweisen geht (vgl. Lampert et al, 2009, S. 13). Zusammengefasst formuliert: „Je präziser die Zielformulierung und die Ausrichtung an der Zielgruppe ist, desto höher ist die Wirksamkeit bzw. der Lernerfolg dieser Spiele einzuschätzen [...]“ (Lampert et al., 2009, S. 12).

Diese Argumentation stützend verweisen Lampert et al. auf empirische Untersuchungen, die darauf hindeuteten. Gleichwohl geben die Forscher zu bedenken, dass bezüglich der Wirkung von Serious Games die Studienlage keineswegs befriedigend sei:

„Die wenigen vorliegenden Befunde unterstreichen zwar die Potenziale von Serious Games, sind aber nicht hinreichend, um ein abschliessendes [sic] Urteil fällen zu können. Hier sind weitere Evaluations- und Wirkungsstudien notwendig, die die Leistung der Spiele am jeweiligen Einzelfall differenziert untersuchen und weitere Faktoren (z.B. Alter und Geschlecht) einbeziehen“ (Lampert et al., 2009, S. 12).

Ähnlich bewerten Sostmann et al. die Studienlage und plädieren für mehr und weitreichendere Untersuchungen zur Überprüfung der Wirksamkeit von Serious Games (vgl. Sostmann et al., 2010, online).

4 Angst

Es finden sich diverse Definitionen der Begriffe Emotion und Angst. Saari et al. übernehmen die Ansicht von Watson et al., die zwischen negativer und positiver Aktivierung unterscheiden. Positive Aktivierung reiche dabei von wenig erregenden negativen Emotionen wie Niedergeschlagenheit bis zu stark erregenden positiven Emotionen wie Freude - negative Aktivierung von wenig erregenden positiven Emotionen wie angenehmer Entspannung bis zu stark erregenden negativen Emotionen wie Angst und Stress (vgl. Saari et al., 2009, online).

In der englischsprachigen Literatur finden sich bezüglich des Terminus Angst oft die Begriffe „fear“ und „anxiety“. Vachiratamporn versucht eine Unterscheidung: „fear“ sei eine emotionale Reaktion auf eine spezifische Gefahr bzw. eine spezifische Gefahr, die bereits erlebt wurde. „anxiety“ werde hervorgerufen durch die Unsicherheit bezüglich einer unspezifischen Gefahr (vgl. Vachiratamporn, 2013, S. 576). In der vorliegenden Arbeit steht bezüglich des Themas Höhenangst eine Angst bzw. „fear“ im Vordergrund, welche sich auf eine subjektiv empfundene spezifische Gefahr bezieht. Allgemein soll sich folgender Begriffsverwendung von Reynolds angeschlossen werden: „The colloquial terms ‚fear‘, ‚stress‘ or ‚becoming scared‘ are used in this document refer to the psychological arousal that can occur when the player reacts to an unpleasant event or the anticipation thereof“ (Reynolds, 2012, S. 4).

Eine diskussionswürdige Problematik stellt die Frage dar, ob und wie Angst mittels EEG messbar ist. Forscher wie Putman et al. bejahen dies (vgl. Putman et al. 2010).

4.1 Therapie

Es existieren diverse Therapieansätze für die Problematik Angst bzw. Angststörung, z.B. Entspannungsverfahren via Biofeedback. Auch gibt es die abgestufte Reizexposition, bei der zum Zweck der Desensibilisierung ein der spezifischen Angst graduell erhöhtes Ausgesetztsein Anwendung findet (vgl. Phobische Störung: Wikipedia, 2014, online). Derartiges findet sich bezüglich Höhenangst als „Wagniserziehung“ mit „Konfrontation“ und einer „graduellen Annäherung“ (vgl. Akrophobie: Wikipedia, 2014, online). Dieses Prinzip versucht auch Erin Reynolds als Designerin des Biofeedback-Spiels Nevermind (siehe Kapitel 8.1) anzuwenden:

„Inspired by the therapeutic process of slowly adjusting one’s responses to stress, the game seeks to help players push their boundaries and become more familiarized with their reaction to stressful situations - ultimately learning how to react in the most constructive, healthy way possible“ (Reynolds, 2012, S. 7)

Reynolds geht davon aus, dass Personen mit hoher Selbstwirksamkeits-Erwartung überzeugter sind von ihrer Fähigkeit mit Stress umzugehen und eher aufgabenbezogen als emotionsbezogen handeln (vgl. Reynolds, 2012, S. 8; vgl. Delahaij et al., 2015, S. 3). Dementsprechend soll derartige ‚Tapferkeit‘ in Nevermind gefördert und belohnt werden, wobei ‚Tapferkeit‘ wie folgt definiert wird: „the ability to subject oneself to an uncomfortable or unpleasant experience knowing that doing so will lead to extrinsic or intrinsic progress“ (Reynolds, 2012, S. 8). Der Grundgedanke dahinter ist die „Window Affect Tolerance“ von Allan Schore:

„This theory supports the idea that, by exposing the player to situations of high stress and pushing him outside of his comfort-zones, the player actually becomes more capable of enduring stressful scenarios as he becomes more tolerant and accustomed to the areas outside of his comfort zone“ (Reynolds, 2013, S. 63)

Ein weiteres Beispiel für eine derartige virtuelle Expositionstherapie ist die Entwicklung von Runte bzw. Radkowski et al. (siehe Abbildung 17; siehe Kapitel 8.1; vgl. Runte, 2011; vgl. Radkowski et al., 2011).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 17: Virtuelle Expositionstherapie (Runte, 2011, S. 8)

[...]


[1] http://www.persuasivegames.com/games/files/fatworld/game0.jpg

[2] http://www.gameclassification.com/files/games/OutbreakatWatersedge.jpg

[3] http://twimgs.com/informationweek/1140/Screen2007HR_lrg.jpg

[4] http://www.isi.edu/isd/carte/proj_parented/description.html

[5] http://www.spielend-fit.de/index.php?id=671

[6] http://www.spielend-fit.de/index.php?id=672

[7] http://www.schellgames.com/wp-content/uploads/PlayForward-7-265x165.png

[8] http://a.fsdn.com/con/app/proj/fearnot/screenshots/138205.jpg

Fin de l'extrait de 128 pages

Résumé des informations

Titre
"Höhenflug". Konzept eines BCI-Computerspiels zur Höhenangst-Reduktion
Université
Technical University of Chemnitz
Auteur
Année
2015
Pages
128
N° de catalogue
V301783
ISBN (ebook)
9783956871757
ISBN (Livre)
9783668003309
Taille d'un fichier
3627 KB
Langue
allemand
Mots clés
BCI, Mindwave, Oculus Rift, Unity, Computerspiel, Game, Serious Game, Serious Games, Biofeedback, Neurofeedback
Citation du texte
Matthias Weber (Auteur), 2015, "Höhenflug". Konzept eines BCI-Computerspiels zur Höhenangst-Reduktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301783

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