Bindungstheorie in der stationären Kinder- und Jugendhilfe


Term Paper, 2015

28 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bindungstheorie nach Bowlby und Ainsworth
2.1. Begriffsdefinitionen für diese Arbeit aus der Bindungstheorie
2.2. Erwachsenen- Kind Bindung im Kindesalter
2.3. Zwischen „nicht mehr und noch nicht“
2.4. Bindungsmuster
2.5. Auswirkungen der Eltern-Kind Bindung

3. Kinder- und Jugendhilfe
3.1. Geschichte und rechtliche Grundlagen der stationären Kinder- und Jugendhilfe
3.2. Formen der stationären Kinder- und Jugendhilfe

4. Traumatisierung der Kinder und Jugendlichen
4.1. Durch Bindungspersonen verursacht
4.2. Durch Trennung von den Bindungspersonen verursacht
4.3. Deprivation

5. Bindungstheorie in der Kinder- und Jugendhilfe
5.1. Bindung zu Erziehern
5.2. Bindung zu Kindern mit hohem Aggressionspotential
5.3. Oft wechselnde Betreuer
5.4. Trauerarbeit
5.5. Eingewöhnung
5.6. Kinder unter drei Jahren in der stationären Kinder- und Jugendhilfe

6. Elternarbeit

7. Fazit

8. Literatur

1. Einleitung

Im Jahr 2012 lebten in der Bundesrepublik Deutschland 36.048 Kinder und Jugendliche in stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen (vgl. Statistisches Bundesamt). Diese Arbeit möchte eine Verbindung herstellen zwischen der Bindungstheorie und der Arbeit in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Dabei soll die Frage erörtert werden, welchen Einfluss die Bindungstheorie auf die Arbeit in der stationären Kinder- und Jugendhilfe haben kann.

Als erstes werden wir den für unsere Arbeit relevanten Teil der Bindungstheorie erklären. In Kapitel 3 werden wir einen Überblick über die Geschichte, rechtlichen Grundlagen, sowie die Formen der stationären Arbeit geben. Anschließend werden wir bindungsbasierte Traumata aufzeigen, welche Kinder und Jugendliche erleiden können. In Kapitel 6 werden abschließend Möglichkeiten für den Einsatz der Bindungstheorie in der Kinder- und Jugendhilfe aufgezeigt.

Da der Umfang dieser Arbeit begrenzt ist, kann auf einige Themen nicht eingegangen werden:

– Resilienz: in Kipker 2008; Petermann et. al. 2004
– Adult Attachment Interview: in Schleiffer 2014; Brisch 2012; Grossmann und Grossmann 2012
– Ursprung der Bindungstheorie: in Bowlby 2006 a; Grossmann und Grossmann 2012
– Internale Arbeitsmodelle: in Grossmann und Grossmann 2012

In der frühkindlichen Entwicklung sind die Eltern, zu meist die Mutter, primäre Bindungs­personen für ihre Kinder. In dieser Arbeit sprechen wir von primären Bindungspersonen und allgemeinen Bindungspersonen, um auch andere Menschen, welche diese Aufgabe übernehmen können, mit einzuschließen.

2. Bindungstheorie nach Bowlby und Ainsworth

Als Begründer der Bindungstheorie gilt heute der englische Psychoanalytiker John Bowlby. Er beschrieb diese erstmalig in seinen Büchern: Bindung (Attachment, 1969) (2006), Trennung (Separation- Anxiety and Anger, 1973) (2006) und Verlust (Loss- Sadness and Depression, 1980) (2006). Über die Psychoanalyse sagte Bowlby, dass „sie die richtigen Fragen stelle, jedoch oft die falschen Antworten liefere „ (vgl. Grossmann und Grossmann, 2011 S. 13). Mary Ainsworth betrachtete die Bindungstheorie anfangs eher skeptisch, belegte diese in ihrer Ghana- Studie jedoch empirisch (vgl. Grossmann und Gossmann, 2011 S, 14).

2.1. Begriffsdefinitionen für diese Arbeit aus der Bindungstheorie

Bindungsverhalten

Unter Bindungsverhalten soll hier bindendes Verhalten verstanden werden. Es geht darum, Nähe und Kontakt, sowie eine differenzierte, gefühlsmäßige Beziehung zwischen zwei Individuen herzustellen. Bindungsverhalten stellt Interaktionen dar, die diese Beziehung festigen.

Trennung

Wenn Maßnahmen der stationären Kinder- und Jugendhilfe enden und es dann zu einer Rückführung zu den Bindungspersonen kommt, wird unter Trennung in dieser Arbeit nur dieser begrenzte Zeitraum verstanden.

Exploration

Als Exploration soll das Erkunden ihrer Umwelt durch die Kinder verstanden werden. Dabei entfernen sie sich sowohl zeitlich, als auch räumlich von ihren Bezugspersonen.

2.2. Erwachsenen- Kind Bindung im Kindesalter

Für Menschen ist es typisch, starke affektive Bindungen mit anderen Menschen einzugehen. Dies gilt insbesondere für Kinder, die eine sehr innige Beziehung zu ihren Bindungspersonen aufbauen können. Um eine gute Bindung zu einem Kind aufzubauen, ist es wichtig auf dessen Bedürfnisse zeitnah und adäquat zu reagieren (vgl. Bowle 2006 a, S. 239). So entwickelt das Kind ein Vertrauen darin, dass es wichtig ist und seine Bedürfnisse Beachtung finden.

Besonders wichtig für Kinder ist das Gefühl von Geborgenheit. Die primäre Bindungsperson vermittelt dieses Gefühl am stärksten durch viel Nähe und Körperkontakt (vgl. Bowlby 2014, S. 8 f.). Ab etwa dem fünften Monat beginnen Kinder ihre primäre Bindungsperson zu erkennen und ihr Sozialverhalten auf diese Person auszurichten. Wer die primäre Bindungsperson wird, entscheidet sich danach, wer das Kind am intensivsten versorgt (vgl. Bowlby 2006 a, S. 269 ff.). In der Regel sind dies die Eltern. Man kann jedoch sagen, die Bindung wird zu jener Person am stärksten, welche viel mit dem Kind interagiert (vgl. Bowlby 2006 a, S. 217). Das Verhalten der Bindungsperson dem Kind gegenüber beeinflusst maßgeblich das Verhalten des Kindes (vgl. Bowlby 2006 a, S. 326). Kinder in diesem Alter machen durch anhaltendes Schreien auf ihr Bindungsbedürfnis aufmerksam. Reagiert die Bindungsperson entsprechend, lächelt das Kind sie an. Auf diese Weise lernen Kinder welches Verhalten eine Befriedigung ihrer Bindungswünsche erfüllt und sie werden dieses Verhalten verstärkt einsetzen. Andere Verhaltensweisen werden hingegen vernachlässigt oder gar nicht mehr genutzt (vgl. Bowlby 2006 a, S. 200).

Sollte die Bindungsperson regelmäßig inadäquat auf das Verhalten des Kindes reagieren, wird es sein Verhalten derart anpassen, dass es diese Erwartungen nicht mehr stellt. Dies wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ auf das Bindungsverhalten des Kindes auswirken. Ein Kind, das durch Schreien keine Befriedigung seines Bedürfnisses nach Nähe und Zuwendung findet, wird in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr danach verlangen. Dieses Kind wird wahrscheinlich annehmen, dass seine Bedürfnisse nicht so wichtig sind und diese nur befriedigt werden, wenn die Bindungsperson ihrerseits dies möchte.

Bindungsverhalten setzt bereits vor dem Erkennen der primären Bindungsperson ein. Kinder sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf eine Person fixiert, ihre Aufmerksamkeit gilt jeder Person, die sich dem Kind nähert. Es zeigt jedoch bereits dieselben Muster, wie ab dem Zeitpunkt des Erkennens. Bindungsverhaltensmuster zeigen sich auf verschiedene Arten.

Das Kind lässt sich von einer Bindungsperson eher trösten als von einer fremden Person. Dieses Verhalten wird als differenziertes Weinen bezeichnet. Besonders deutlich wird dieses Verhalten, wenn Kinder von einer Person getröstet werden, welche nicht ihre primäre Bindungsperson ist; sie aber nach eben jener rufen.

Auch wird das Kind eher und intensiver lächeln, wenn es bei einer Bindungsperson ist.

Bei der visuell- motorischen Orientierung folgt das Kind seiner Bindungsperson mit den Augen oder dem gesamten Kopf, um die Bindungsperson immer im Blick zu haben.

Sollte die Bindungsperson dennoch außerhalb des Sichtfeldes sein, fängt das Kind an zu weinen. Zur Begrüßung wird das Kind die Arme heben, wenn es dazu schon in der Lage ist.

Kann das Kind sich bereits selbstständig fortbewegen, wird es versuchen, der Bindungsperson nachzufolgen und diese durch Klettern zu erkunden.

Hat ein Kind Angst, wird es sich an seiner Bindungsperson festklammern (vgl. Ainsworth 2011, S. 104 ff.).

Bindungsverhaltensmuster werden abgerufen, wenn Kinder sich unwohl fühlen, Angst oder Schmerzen haben, krank oder einsam sind, oder sie einfach nur versorgt werden möchten. Ist ein Kind erkältet, ist es viel kuschel- und nähebedürftiger, da sein Bindungsverhalten aktiviert ist. Auf diese Weise versucht das Kind, seine Befindlichkeiten wieder in ein, für sich selbst als gut empfundenes Gleichgewicht zu bringen. Daher ist es für Kinder umso verstörender, wenn die Bindungsperson selbst durch Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung zum Auslöser für Bindungsverhalten wird.

Besonders deutlich wird Bindungsverhalten, wenn Bindungspersonen den Raum verlassen (vgl. Bowlby 2006 a, S. 196).

Ab ungefähr dem neunten Monat beginnen Kinder Bindungsverhalten auch gegenüber anderen Erwachsenen zu zeigen. Dennoch bleibt die primäre Bindungsperson die wichtigste Anlaufstelle bei Unbehagen (vgl. Bowlby 2006 a, S. 197 ff.).

Untrennbar mit der Bindung zur primären Bindungsperson ist die Exploration verbunden. Während ihrer Beobachtung traditionell lebender Bevölkerungsgruppen in Ghana stellte Ainsworth fest, dass Kinder sobald sie krabbeln können auf Erkundung ihrer Umwelt von der Mutter weg aufbrachen (vgl. Bowlby 2006 a, S. 205). Damit sich Kinder ihrer Exploration widmen können, brauchen sie eine sichere Basis bei ihren Bindungspersonen (vgl. Bowlby 2014, S. 9). Es kann also nur zu einer Exploration kommen, wenn das Bindungsverhalten inaktiv ist. Ein Kind muss sich sicher sein, dass es, wenn es nach seiner Exploration einen Bindungswünsch verspürt, diesen dann auch von den Bindungspersonen erfüllt bekommen wird (vgl. Bowlby 2014, S.9). Ist sich ein Kind dessen unsicher, sind die Bindungspersonen also kein sicherer Hafen unddas Explorationsverhalten wird nicht richtig ausgelebt. Dazu kann es kommen, wenn die Bindungsperson nicht adäquat auf die früheren Bindungswünsche reagiert hat. Ainsworth beschreibt, dass eines der wichtigsten Anzeichen für gesicherte Bindung (Kapitel 2.4.) das Nutzen der Bindungspersonen als eine sichere Basis (vgl. Ainsworth 2011, S. 113) sei.

Je nach Reaktion der Bindungspersonen auf die Bindungswünsche des Kindes wird dieses sein Verhalten danach ausrichten und diese Muster verinnerlichen. So baut das Kind ein internales Arbeitsmodell auf. Dieses wird die Erwartungen des Kindes gegenüber anderen Menschen und sich selbst prägen (vgl. Grossmann und Grossmann 2012 82 f.).

2.3. Zwischen „nicht mehr und noch nicht“

Die Adoleszenz ist der Lebensabschnitt des/der noch nicht ganz erwachsenen Jugendlichen, in welchem er/sie beginnt, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Sie ist geprägt von starken Gefühlsschwankungen, selbstbezogener Spontanität und Störungen im psychischen Gleichgewicht (vgl. Grossmann und Grossmann 2012, S. 493). Es ist auch die Zeit des Aufbegehrens Jugendlicher gegen alle möglichen Formen fordernder Institutionen (vgl. Rass 2012, S. 132). Es richtet sich nicht nur gegen Institutionen wie die Schule, sondern auch und vor allem gegen die Eltern als primäre Bindungspersonen. Wurden die Eltern in der Kindheit noch idealisiert, beginnen Jugendliche nun auch die Fehler der Eltern zu erkennen.

In diesem Lebensabschnitt nehmen Gleichaltrigen Gruppen an Bedeutung zu. Dabei sollen die Gleichaltrigen Gruppen nicht die Eltern als Bindungspersonen ablösen, sie dienen lediglich als Ergänzung zu den Eltern (vgl. Rass 2012 S. 134 ff.). In der Gleichaltrigen Gruppe lernen die Jugendlichen auch, sich auf Gefühle von anderen Menschen einzustellen. Sie müssen in diesen Gruppen aber auch lernen, die eigenen negativen Gefühle stärker zu kontrollieren (vgl. Seiffge- Krenke 2004 S. 159 ff.). Weiterhin helfen die Gleichaltrigen, den Prozess der Abnabelung von den Eltern zu erleichtern (vgl. Rass 2012 S. 134), indem auch sie eine Form von Schutz und Fürsorge bieten (vgl. Grossmann und Grossmann 2012 S. 493 ff.).

Das Streben der Jugendlichen nach Autonomie und einer eigenen Identität ist kennzeichnend für die Phase der Adoleszenz.

Die zunehmende Verselbstständigung und Hinwendung zu Gleichaltrigen, das schrittweise Etablieren einer Distanz zu den primären Bindungspersonen lassen den Eindruck entstehen, die Jugendlichen bedürften ihrer Eltern oder vergleichbarer Bindungspersonen nicht mehr. Dies trifft nicht zu. Zwar wird Bindungsverhalten nicht mehr so offen gezeigt wie in der frühen Kindheit (vgl. Zimmermann und Iwanski 2014, S. 17), jedoch ist sämtliches Verhalten, welches zu eigener Identität und mehr Autonomie führt, Teil des schon seit der frühsten Kindheit bestehenden Explorationsverhaltens. Auch in der Adoleszenz ist dies nur von einer sicheren Basis aus gut zu bewältigen. Ebenso sind Hinwendung zu Gleichaltrigen, als auch erste Liebesbeziehungen nur von einer sicheren Basis bei den primären Bindungspersonen möglich (vgl. Seiffge- Krenke 2004, S. 170). Jugendlichen mit unsicheren Bindungsmustern fällt es schwerer, sich von primären Bindungspersonen zu lösen, da sie nicht auf den Rückhalt der Bindungspersonen vertrauen können (vgl. Seiffge- Krenke 2004, S. 166). Die Bindungspersonen stellen in diesem Lebensabschnitt einen Felsen in der Brandung, der über die Jugendlichen hereinbrechenden Emotionen und Lebenseindrücke dar. Sie sind aber auch ein Reibungspunkt für die Jugendlichen (vgl. Rass 2012, S. 133). Der Erfahrungsvorsprung der Erwachsenden und die damit verbundenen Ratschläge und Hilfestellungen werden von Jugendlichen teilweise als Bevormundung empfunden. Dennoch suchen Jugendliche noch Rat und auch Vorbild bei ihren Bindungspersonen. In der Phase der Adoleszenz befindet sich die Bindung der Kindheit des Jugendlichen in einem Transformationsprozess hin zu einer gleichberechtigten Beziehung (vgl. Seiffge- Kenke 2004 S. 170). Dennoch bleiben die primären Bindungspersonen auch weiterhin die wichtigsten Bezugspersonen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Verselbstständigung umso besser funktioniert, je intakter die Verbundenheit mit den Bindungspersonen ist (vgl. Grossmann und Grossmann 2012 S. 495 ff.). Jugendliche, die ein unsicheres Bindungsmuster aufweisen, gaben in der Studie von Grossmann und Grossmann auch an, dass sie die Beziehung zu den Eltern als schlecht und unwichtig ansähen. Auch wurde festgestellt, dass jene Jugendlichen, welche von ihren Eltern vernachlässigt wurden, häufiger einen gefährlichen Drogenkonsum aufweisen als solche mit intakten frühkindlichen Bindungsmustern (vgl. Grossmann und Grossmann 2012 S. 519).

Die in der Kindheit angeeigneten internalen Arbeitsmodelle beeinflussen in der Adoleszenz die Entwicklung der eigenen Identität (vgl. Grossmann und Grossmann 2012 S. 495). Es zeigt sich also, dass die Interaktion mit den Bindungspersonen in der Kindheit Auswirkungen bis in die Adoleszenz und noch weiter hat. Insgesamt gibt es sehr wenige Forschungen zu Bindung in der Zeit der Adoleszenz. Es lässt sich aber sagen, dass die Adoleszenz die beste Möglichkeit bietet die Bindungsrepräsentation der Jugendlichen zu ändern.

2.4. Bindungsmuster

In den letzten beiden Kapiteln wurde beschrieben, welchen Einfluss die Interaktion zwischen primären Bindungspersonen und Kindern auf deren Bindungsverhalten und ihre internalen Arbeitsmodelle hat. Reagieren die Bindungspersonen prompt, angemessen und zuverlässig auf das Bindungsverhalten des Kindes, entwickelt dieses eine sichere, ansonsten eine unsichere, instabile Bindung (vgl. Bowlby 2014, S. 64).

Um dies nachzuweisen, entwickelte Ainsworth (Ainsworth und Witting 2003/1969: Bindungs- und Explorationsverhalten einjähriger Kinder in einer fremden Situation); (Ainsworth, Bell, Stayton 2003/1971: Individuelle Unterschiede im Verhalten in der fremden Situation bei ein Jahr alten Kindern) den Versuchsaufbau der „fremden Situation“. Für diesen Versuch wurden die Kinder zusammen mit ihren Müttern zu Hause beobachtet. Mit etwa einen Jahr wurden die Mütter zusammen mit ihren Kindern in „fremde Situationen“ eingeladen. Während der Beobachtung wird das Kind unterschiedlichen Situationen ausgesetzt. Nicht nur ist die Umgebung dem Kind unbekannt, es wird auch beobachtet, wie das Kind sich in unterschiedlichen Settings verhält. Wenn es bei der Mutter ist, bei einer fremden Person oder ganz alleine. Auch das Verhalten bei der Wiedervereinigung mit der Mutter spielte eine wichtige Rolle. Der Versuch war in acht Phasen unterteilt.

Phase 1: BeobachterIn führt Mutter und ihr Baby in den Laborraum (ein umfunktioniertes Büro)

Phase 2: Mutter ist mit Kind alleine

Phase 3: Fremde Person betritt den Raum

Phase 4: ; Die Mutter verlässt den Raum, das Kind bleibt mit der fremden Person alleine im Raum zurück

Phase 5: Mutter kommt zurück in den Raum, die fremde Person verlässt den Raum

Phase 6: Mutter verlässt den Raum, das Kind bleibt ganz alleine in Raum zurück

Phase 7: Die fremde Person kehrt in den Raum zurück

Phase 8: Mutter kehrt zurück zu ihrem Kind, der Versuch endet.

Die Dauer der einzelnen Phasen variierte je nach Verhalten des Kindes. Die gezeigten Verhaltensmuster wurden in drei Gruppen mit jeweils mehreren Untergruppen aufgeteilt.

Gruppe A (unsicher ambivalente Bindung):

Die Bindungspersonen der Kinder reagieren sehr unterschiedlich auf das Bindungsverhalten des Kindes. Teilweise reagieren sie sehr einfühlsam auf die Wünsche der Kinder. Teilweise sind sie aber auch für die Bindungswünsche des Kindes nicht empfänglich. Diese Kinder weinen wenig, wenn die Bindungsperson nicht anwesend ist, dennoch ist ihnen der Verbleib der Bindungsperson nicht egal. Sie fahren mit ihrem Spiel fort, durch Blicke oder lächeln begrüßen sie die Bindungsperson bei deren Rückkehr. Reagiert die Bindungsperson nicht auf das Spielverhalten und die Kontaktversuche des Kindes, sucht sich das Kind ein Publikum bei der fremden Person. Die Kinder zeigen deutlich ambivalentes Verhalten bei Körperkontakt mit der Bindungsperson. Sie wehren sich zwar gegen das Absetzen, weinen aber auch nicht, wenn dieser Körperkontakt nicht mehr besteht, nachdem die Bindungsperson zurückgekehrt ist.

A1:

Diese Kinder begrüßen die Bindungsperson nur mit einem Lächeln, sie kommen nur nach viel Überreden zur Bindungsperson. Sie ignorieren die Bindungsperson bei der Wiedervereinigung. Werden sie hochgenommen bei der Wiedervereinigung, klammern sie sich nicht fest und protestieren auch nicht beim Absetzen.

A2:

Diese Kinder begrüßen ihre Bindungsperson und nähern sich dieser auch. Dieses Verhalten ist aber mit deutlicher Abneigung vermischt. Auch beim Hochnehmen durch die Bindungsperson verhalten sich diese Kinder deutlich ambivalent.

Gruppe B (sichere Bindung):

Die Bindungspersonen zeigen dauerhaftes Interesse an ihren Kindern, sie reagieren für das Kind vorhersehbar, prompt und angemessen auf deren Bindungswünsche. Sie bieten dem Kind auch viel Körperkontakt. Diese Kinder zeigen ihren Trennungsschmerz offen und lassen sich nach der Rückkehr der Bindungsperson von dieser trösten. Sie sind aber auch in der Lage, sich von Fremden trösten zu lassen. Von Außenstehenden werden diese Kinder als freundlich, reaktionsbereit, aktiv, wild, neugierig, bezaubernd und ideenreich empfunden. Es herrscht bei den Kindern ein Gleichgewicht zwischen Bindung und Exploration.

[...]

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Details

Title
Bindungstheorie in der stationären Kinder- und Jugendhilfe
College
Alice Salomon University of Applied Sciences Berlin AS
Course
Handlungsmethoden
Grade
1,0
Author
Year
2015
Pages
28
Catalog Number
V302865
ISBN (eBook)
9783668012158
ISBN (Book)
9783668012165
File size
493 KB
Language
German
Keywords
Kinder- und Jugendhilfe, Bindung, Bindungstheorie, Deprivation, Trauma, Heim
Quote paper
Robert Wirth (Author), 2015, Bindungstheorie in der stationären Kinder- und Jugendhilfe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302865

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