Ist das Bundesverfassungsgericht ein Ersatzgesetzgeber?


Trabajo, 2001

23 Páginas, Calificación: 2


Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Stellung des Bundesverfassungsgerichts
2. Gliederung des Bundesverfassungsgerichts
3. Die Wahl der Verfassungsrichter
4. Die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
a) Die Verwirkung von Grundrechten (Art.18 GG)
b) Das Verbot von verfassungsfeindlichen Parteien (Art. 21 II GG)
c) Die Wahlprüfung und der Verlust des Abgeordnetenstatus (Art. 41 GG)
d) Das Anklageverfahren gegen den Bundespräsidenten (Art. 61 GG)
e) Die Richteranklage gegen Bundes-und Landesrichter (Art. 98 II u. V. GG)
f) Das Organstreitverfahren (Art. 93 I Nr.1 GG)
g) Der Bund-Länder-Streit Art. 93 I Nr.3 u. Art. 84 IV GG)
h) Die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 I Nr. 2 GG)
i) Die konkrete Normenkontrolle (Art. 100 I GG)
j) Die Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr.4a GG)
5. Die Verfassungsgerichtsbarkeit im System der staatlichen Gewalten
a) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als Teil der Rechtsprechung
b) Bezüge des BVerfGe zum Bereich des Politischen
c) Durch den Normencharakter der Verfassungssätze bedingte Bezüge
6. Verfassungsgerichtsbarkeit und Verfassungsprinzipien
a) Gewaltenteilung als Verfassungsprinzip
b) Demokratie als Verfassungsprinzip
7. Aufgaben und Befugnisse des BVerfG im Hinblick auf Gewaltenteilungs- bzw. Demokratieprinzip des Grundgesetzes
a) Gerichtliche Normenkontrolle des Bundesverfassungsgerichts
b) Gefahr der Veränderung der Gewaltbalance durch die Offenheit des Normprogramms des GG
8.Verfassungsgemäßes Agieren im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik
a) Selbstbeschränkung des BVerfG ( Judicial Self-Restraint )
b) Verfassungskonforme Auslegung
c) Verweis auf gesetzgeberische Initiativen
d) Zurückhaltung des BVerfG bei Prognose- oder Zweckmäßigkeitsentscheidungen
9. Gegenläufige Tendenzen
a) Umwechslung der Verfassung in „ kleine Münze“
b) Detaillierte Vorgaben für den Gesetzgeber
c) Obiter Dicta
d) Ursachen

III. Schlussteil:

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Kein anderes Verfassungsorgan setzt mit seinen Entscheidungen (neben dem Bundestag) so oft eine öffentliche Debatte in Gang wie das Bundesverfassungsgericht. Je nach politischer Richtung wird es für seine Entscheidungen zum „Abtreibungsparagraphen“ Art. 218 GG , zur Verfolgbarkeit von Stasi-Agenten, zum Auslandseinsatz der Bundeswehr, zum Gewaltbegriff bei Sitzblockaden oder zum Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ beschimpft oder gelobt. Selten war die Kritik jedoch so groß wie beim sogenannten „Kruzifix-Urteil“ aus dem Jahre 1996, als man selbst vor Vergleichen mit nationalsozialistischen Massenmördern nicht zurückschreckte.

Was genau ist nun dieses Verfassungsgericht, was macht es, und wer spricht die Urteile, die sogar Entscheidungen des demokratisch gewählten Gesetzgebers außer Kraft setzen können!?

Im Folgenden ein kleiner Überblick: Dieser wird sich zuerst mit der Institution und der personellen Besetzung des Bundesverfassungsgerichts beschäftigen.

Im zweiten Teil werden die einzelnen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beschrieben. Dies sind die Grundrechtsverwirkungsverfahren, das Parteiverbotsverfahren, das Wahlprüfungsverfahren, die Präsidentenanklage, die Richteranklage, der Bund-Länder-Streit, das Organstreitverfahren, die abstrakte Normenkontrolle, die konkrete Normenkontrolle und die Verfassungsbeschwerde.

Im dritten Teil beschäftigt sich die Arbeit mit der politischen Dimension des Bundesverfassungsgerichts.

Im Schlussteil soll das Ergebnis über die politische Dimension des Bundesverfassungsgerichts zusammengefasst und kritisch ergänzt werden.

II. Hauptteil

1. Stellung des Bundesverfassungsgerichts

Die Stellung des Bundesverfassungsgerichts ist gekennzeichnet durch seine Doppelfunktion als Gericht und als oberstes Verfassungsorgan des Bundes.[1] Aufgrund seiner Funktion verfügt das Bundesverfassungsgericht über eine Bedeutung, die über die eines der obersten Bundesgerichte (z.B. Bundesarbeitsgericht) hinausgeht. So stehen ihm zahlreiche, direkt in der Verfassung normierte, Kompetenzen zu. Es verfügt auch über eine eigene Geschäftsordnung. Diese basiert jedoch, wie die gesamte Verfahrensordnung, auf dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz, also einer einfachgesetzlichen Regelung. Somit ist das Gericht nicht mit anderen Verfassungsorganen gleichzusetzen, auch wenn es in erheblichen Maße von diesen abhängig ist. Es nimmt eine Zwischenstellung zwischen Verfassungsorgan und Gericht ein.[2]

2. Gliederung des Bundesverfassungsgerichts

Organisatorisch gliedert sich das Bundesverfassungsgericht in zwei Senate, die mit je acht Richtern besetzt sind. Davon müssen jeweils drei Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes tätig gewesen sein.[3] Der erste Senat, der sog. Grundrechtssenat, ist für die meisten Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollen zuständig. Der zweite Senat, auch Staatsrechtssenat genannt, ist für die anderen Verfahren, also primär für Streitigkeiten zwischen den Staatsorganen, verantwortlich. Die Senate stehen unter dem Vorsitz des Präsidenten, bzw. des Vizepräsidenten, des Bundesverfassungsgerichts. Beide Senate richten in jedem Geschäftsjahr mehrere Kammern ein, welche aus jeweils drei Verfassungsrichtern bestehen und als Filter für die ständig steigende Zahl von Verfassungsbeschwerden dienen sollen. Dies geschieht durch eine einstimmig zu erfolgende Entscheidung, ob die jeweilige Klage von vornherein überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann.[4] Noch vor diesen Kammern gibt es bereits eine Hürde für Verfassungsbeschwerden, die sogenannten Präsidialräte; dies sind am Gericht tätige Beamte. Sie treffen bereits zuvor eine Beurteilung über die mögliche Zulässigkeit und Begründbarkeit einer Beschwerde. Allerdings kann auf Verlangen des Antragstellers diese Entscheidung zurückgestellt werden, wodurch ersichtlich wird, dass diese Präsidialräte lediglich Empfehlungen geben.

3. Die Wahl der Verfassungsrichter

Nicht jeder Bundesbürger kann zum Verfassungsrichter gewählt werden. Voraussetzungen sind die Vollendung des 40. Lebensjahres und eine Ausbildung zum Volljuristen (erstes und zweites juristisches Staatsexamen). Darüber hinaus zieht eine erfolgte Wahl zum Verfassungsrichter das automatische Ausscheiden aus Legislativ- oder Exekutivorganen der Länder oder des Bundes nach sich. Überhaupt ist nur die Tätigkeit als Hochschullehrer neben dem Amt als Verfassungsrichter zulässig. Die Amtsdauer beträgt zwölf Jahre, wobei eine anschließende oder spätere Wiederwahl nicht möglich ist. Dies hat zum einen den Sinn und Zweck, eine Beeinflussung der Entscheidungen des Gerichts durch den Wunsch seiner Mitglieder nach einer Wiederwahl oder einer sonstigen Fortsetzung der Karriere zu verhindern und soll zum anderen auch eine gewisse Kontinuität der Rechtsprechung garantieren.

Die Wahl der Verfassungsrichter verläuft in zwei unterschiedlichen Verfahren. Das ergibt sich daraus, dass die eine Hälfte der Verfassungsrichter vom Bundestag, die andere Hälfte vom Bundesrat gewählt wird. Beim Ausscheiden eines Richters wird sein Nachfolger somit vom selben Organ gewählt, das auch bereits für die Wahl seines Vorgängers zuständig war. Für den Bundesrat ist dazu ein Direktwahlverfahren vorgeschrieben, in dem der zu wählende Kandidat zwei Drittel der Bundesratsstimmen benötigt. Das Verfahren des Bundestages ist dagegen etwas komplizierter. Das Parlament wählt nämlich zunächst den sogenannten Wahlmännerausschuss. Dieser besteht aus zwölf Personen und wird nach den Methoden der Verhältniswahl gewählt. Aufgrund der sehr geringen Größe ist nicht gewährleistet, dass jede Fraktion oder gar Gruppe des Bundestages einen Vertreter ihrer politischen Meinung in den Ausschuss senden kann. Der Ausschuss wählt dann, wie der Bundesrat, mit qualifizierter Mehrheit die Verfassungsrichter.[5] Das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit soll dazu führen, dass die jeweiligen politischen Mehrheiten nicht Vertreter nach dem Parteibuch, sondern nach der Qualifikation in das Verfassungsgericht entsenden. In der Praxis hat sich eine Art stillschweigende Übereinkunft zwischen den politischen Lagern herausgebildet, die dem jeweils anderen politischen Lager größere Freiheit bei der Auswahl von Richtern nach eigenem Geschmack ermöglicht.[6]

Bundestag und Bundesrat wählen im Wechsel den Präsidenten des Bundes-verfassungsgerichts.

4. Die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht

Dem Bundesverfassungsgericht sind zahlreiche Verfahren zugeordnet. In der Praxis beschränkt sich die Bedeutung jedoch primär auf die Verfahren der Verfassungs-beschwerde, der konkreten und der abstrakten Normenkontrolle, den Organstreitigkeiten und den Bund-Länder-Streitigkeiten. Als unabdingbare Voraussetzung für ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gilt das Enumerativprinzip, d.h. genau diese Verfahrensart muss dem Gericht durch das Grundgesetz oder durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz zugewiesen sein.[7]

a) Die Verwirkung von Grundrechten (Art.18 GG)

Dem Schutz der Verfassung dient die Möglichkeit, einem Verfassungsfeind gewisse Grundrechte abzuerkennen und ihm so die Möglichkeit zu nehmen, die Demokratie unter Ausnutzung der demokratischen Freiheiten auszuhebeln. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesregierung und die Regierung eines Bundeslandes. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, ob der betreffende Antragsgegner tatsächlich eines der in Art.18 GG genannten Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht hat und kann bei positiver Feststellung eine Verwirkung dieser Grundrechte, sowie die Verwirkung von aktivem oder passivem Wahlrecht, oder auch nur eine Beschränkung der entsprechenden Grundrechte, anordnen. In der Praxis ist dieses Verfahren kaum bedeutsam.[8]

b) Das Verbot von verfassungsfeindlichen Parteien (Art. 21 II GG)

Ebenfalls aus dem Gedanken der wehrhaften Demokratie ist die Möglichkeit, verfassungsfeindliche Parteien durch das Bundesverfassungsgericht verbieten zu lassen. Antragsberechtigt sind hierbei Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung sowie eine Landesregierung. Die Landesregierung aber nur dann, wenn sich die Organisation der Partei lediglich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Befindet das Verfassungsgericht die Partei für verfassungsfeindlich wird sie verboten und aufgelöst. Hierfür ist eine Zweidrittelmehrheit im Senat erforderlich. Die Schaffung einer Ersatzorganisation ist nicht gestattet. In der Praxis hat das Bundesverfassungsgericht zweimal eine Partei für verfassungswidrig erklärt; dies waren 1952 die Sozialistische Reichspartei und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands.[9]

Im Augenblick läuft das NPD-Verbotsverfahren, wobei entschieden wird, ob die NPD als verfassungswidrig eingestuft werden muss. Falls dies der Fall sein sollte, wird es ein drittes Parteiverbot in der Geschichte der Bundesrepublik geben.

c) Die Wahlprüfung und der Verlust des Abgeordnetenstatus (Art. 41 GG)

Grundsätzlich ist dem Bundestag selbst die Wahlprüfung zugeordnet. Gegen seine Entscheidung ist jedoch der Gang zum Bundesverfassungsgericht möglich. Hierbei ist festzuhalten, dass nicht nur amtliche Wahlorgane, sondern auch Dritte, sofern sie kraft Gesetzes an der Wahlorganisation beteiligt sind, Wahlfehler begehen können. Das bedeutet u.a. auch, dass das innerparteiliche Wahlverfahren, also die Aufstellung der Kandidaten, bei Fehlerhaftigkeit zu Wahlfehlern führen kann. Antragsberechtigt sind Parlamentsfraktionen, eine Bundestagsminderheit, wenn sie betroffen ist und jeder Wahlberechtigte, sofern ihm hundert weitere Wahlberechtigte beitreten. Fehlerfolge ist grundsätzlich nicht die Wiederholung der Wahl aufgrund ihrer Nichtigkeit, sondern die Richtigstellung des Ergebnisses, unter Berücksichtigung der festgestellten Mängel.[10]

d) Das Anklageverfahren gegen den Bundespräsidenten (Art. 61 GG)

Um einen Bundespräsidenten, der für schwerste Verfehlungen verantwortlich ist, aus dem Amt entfernen zu können, existiert die Möglichkeit einer Präsidentenanklage. Gibt das Bundesverfassungsgericht der Anklage von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Bundesratsstimmen recht, hält es also eine vorsätzliche Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes durch den Bundespräsidenten für erwiesen, so kann es den Amtsverlust aussprechen. In der Praxis ist dieses Verfahren noch nie bedeutsam geworden.[11]

[...]


[1] vgl. Katz,1996: Seite 242.

[2] vgl. Benda,1983: Seite 1268 und Schlaich,1994: Seite 21f.

[3] vgl. Benda,1983: Seite 1273.

[4] vgl.Schlaich,1994: Seite 28f.

[5] vgl Schlaich, 1994: Seite 30ff.

[6] vgl. Isensee, in: Piazolo,1995: Seite 54f.

[7] vgl. Degenhardt, 1995: Seite 195.

[8] vgl.Schlaich,1994: Seite 211.

[9] vgl.Degenhardt,1995: Seite 207.

[10] vgl.Degenhardt,1995: Seite 207f.

[11] vgl. Schlaich, 1994: Seite 210.

Final del extracto de 23 páginas

Detalles

Título
Ist das Bundesverfassungsgericht ein Ersatzgesetzgeber?
Universidad
Johannes Gutenberg University Mainz  (Institut für Politikwissenschaft)
Calificación
2
Autor
Año
2001
Páginas
23
No. de catálogo
V303501
ISBN (Ebook)
9783668020382
ISBN (Libro)
9783668020399
Tamaño de fichero
419 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
bundesverfassungsgericht, ersatzgesetzgeber
Citar trabajo
Niels Preiser (Autor), 2001, Ist das Bundesverfassungsgericht ein Ersatzgesetzgeber?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303501

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