Das Scheitern einer bürgerlichen Erziehung in Lessings „Emilia Galotti“


Trabajo Escrito, 2012

15 Páginas, Calificación: 2,3

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zum kontemporären Menschenbild
2.1 Lessing und die Zeit der Aufklärung
2.2 Lessings Emilia und Rousseaus Sophie

3. Odoardos Scheitern
3.1 Emilia als Symbol für Idealismus
3.2 Problematik bei der Erziehung
3.3 Emilias Krise: Entdeckung der Leidenschaft des Prinzen
3.4 Emilias Freitod als Lösung?

4. Fazit: Lessings Emilia als Kritik am Absolutismus

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In Lessings bürgerlichem Trauerspiel Emilia Galotti, welches 1772 in Braunschweig uraufgeführt wurde, wird wirkungsvoll das Scheitern der auf Ethosidealen beruhenden Erziehung dargelegt. Die einem etablierten Hause angehörige Protagonistin Emilia kann ihrem Vater Odoardo in Bezug auf seine gewünschten Erziehungsideale nicht gerecht werden, da für sie die Vorstellungen Odoardos bezüglich der Erziehung und den damit verbundenen sittlichen Ansprüchen nicht der Realität entsprechen. Allein ihr Tod kann den Drang Odoardos nach Tugend und den daraus resultierenden Ansprüchen stillen.

Lessings Drama kann dabei bilateral betrachtet werden. Auf der einen Seite ist die Protagonistin Emilia zu sehen, die als unschuldiges Opfer eines Erziehungsvorhabens zu betrachten ist. Zugleich ist Lessings Drama auch als Leben ihres Vaters Odoardo anzuschauen, der einem bestimmten Muster von Bürger im 18. Jahrhundert angehört und daher eine anständige Erziehung für seine Tochter möchte. Diese wohnt jedoch zusammen mit ihrer Mutter in der Stadt nahe dem Hofe, was Odoardos strengenden Tugend in keinster Weise entspricht. Da Odoardos Ideale von Tugend und Sittlichkeit nicht den Idealen der gegenwärtigen Aufklärung entsprechen, möchte ich mich im Folgenden mit dem geschichtlichen Hintergrund beschäftigen. Das Augenmerk lege ich dabei auf den zu der Zeit herrschenden Erziehungsaspekt.

Meine größte Aufmerksamkeit schenke ich in dieser Hausarbeit der Figur Odoardo. In den dazu benötigten Untersuchungen beschäftige ich mich zunächst mit dem gesellschaftlichen Hintergrund, in dem sich die Figuren befinden. Des Weiteren gehe ich auf den Charakter Odoardo ein, um so auf die Auswirkungen auf die Erziehung Emilias zu lenken. Als nächstes möchte ich die Figur Emilia genauer analysieren, um die Katastrophe des Dramas, den Tod Emilias, eindringlicher zu betrachten. Abschließend möchte ich klären, ob der Freitod Emilias als Lösung für Odoardos Drang nach Tugend und Sittlichkeit der opportune Weg ist. In einem Fazit beziehe ich mich auf den Autor Gotthold Ephraim Lessing, da dieser sein bürgerliches Trauerspiel Emilia Galotti nutzt, um die Kritik an den engen bürgerlichen Moralvorstellungen offenkundig zu machen.

Die Auseinandersetzung mit der Figur Odoardo bietet sich in diesem Fall äußerst dienlich an, da Lessing die Figur Odoardo gebraucht, um die Unterdrückung der Selbstständigkeit Emilias darzustellen. Lessing schließt sich dabei dem Denkansatz „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“[1] von Immanuel Kant an, der als einer der wichtigsten Denker der Aufklärung gilt. An dem Protagonisten Odoardo ist der Wandel des Bürgertums im 18. Jahrhundert gut zu deuten. An ihm lassen sich Anhaltspunkte für ein vernunftmäßiges Denken erkennen. Mit dem Kapitalverbrechen an seiner Tochter lässt er sich jedoch nicht vom Primat der Vernunft leiten und handelt nach übertriebenen, tugendidealistischen Motiven.

2. Zum kontemporären Menschenbild

2.1 Lessing und die Zeit der Aufklärung

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, gilt Immanuel Kant als einer der wichtigsten Denker der Aufklärung. Für die Aufklärung gibt er folgende Definition:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! […][2].

Mit dem heutigen Verständnis für den Begriff der Aufklärung hat die Definition Kants nur geringfügige Gemeinsamkeiten. Daher möchte ich nun die Bedeutung des Aufklärungsbegriffs für Kant im 18. Jahrhundert kurz beleuchten.

Für Kant spielt sich der Akt des Aufklärens vorwiegend im „»öffentlichen Gebrauch« der Vernunft“[3] ab und nicht in der individuellen Privatsphäre des Menschen. Die Aufklärung ist somit ein öffentlicher Prozess, an dem sich vor allem Gelehrte und Schriftsteller zu beteiligen haben. Sie sollen die Menschen zur Mündigkeit erziehen[4]. Kant möchte dabei, dass seine Ausübungen der Vernunft sich gegen die „Unmündigkeit, Unfreiheit, nicht zuletzt, als deren Spielarten, Aberglaube und Trägheit des Menschen“[5] richten. Des Weiteren äußert Alt, dass die Aufklärung für Kant kein abgeschlossener Prozess ist, sondern er sich selbst als einen Teil des Ganzen sieht. Die Menschen befinden sich in einem Zeitalter der Aufklärung, nicht aber in einer selbst aufgeklärten Epoche[6]. Somit betrachten sich die Aufklärer als Erzieher der Menschen. An dieser Stelle ist Lessing mit der Aufklärung in Verbindung zu bringen. Sein auf der Bühne dargestelltes Leiden der Menschlichkeit soll die Zuschauer zur sozialen Disposition anregen und auch stärken[7]. So bringt Lessing auch in seinem weiteren bürgerlichen Trauerspiel Miss Sara Sampson, welches 1755 uraufgeführt wurde, die soziale Veranlagung des Menschen zum Ausbruch. Auch in Lessings später veröffentlichten Hamburgische Dramaturgie, in der er seine Theorie sublimiert, geht es um das Zusammenspiel von Gefühl und Vernunft, wie es auch in dem bürgerlichen Trauerspiel Emilia Galotti zum Vorschein gebracht wird. Lessing geht dabei nicht nur auf die vernunftmäßige Erziehung der Menschen ein, sondern möchte auch die emotionale und soziale Disposition im Inneren des Zuschauers wecken.

Durch das Hervorrufen der Gefühle und Emotionen beim Zuschauer ist eine Distanz zum eigentlichen Menschenbild vorzufinden. Es lassen sich jedoch Anknüpfungspunkte für die vordergründige Idee der Aufklärung erkennen. Ein Anknüpfungspunkt ist die freie Entfaltung der individuellen Persönlichkeiten unter Zuhilfenahme des Verstandes. Hierdurch ist das Individuum auch in der Lage eigene Entscheidungen zu treffen und über sich selbst zu bestimmen.

2.2 Lessings Emilia und Rousseaus Sophie

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts hat das Kind nur einen geringfügigen Stellenwert und somit auch eine untergeordnete Stellung in der Familie. Die Kindheitsphase wird als Mangel angesehen, der schnellstmöglich durchlaufen werden soll. Jedoch gibt es im Laufe des 18. Jahrhunderts eine deutliche Wendung des Familienbildes. Das Kind wird von nun an als Kind gesehen und nicht mehr als eine kleinere Version des Erwachsenen. Auch die Kindheit an sich wird nun als „entscheidendes Entwicklungsstadium auf dem Weg der Autonomie“[8] betrachtet. Die Erziehung, die zuvor von Bediensteten vorgenommen wurde, liegt nun in den Händen der Eltern. Besonders der Mutter wird hierbei eine wichtige Rolle zugeschrieben. Die enge Beziehung zwischen Mutter und Kind, die zuvor nicht vorhanden war, soll intensiviert werden. Die Erziehung soll sich vor allem an den Bedürfnissen des Kindes orientieren, die wiederum von den Eltern definiert werden. Durch die intensivere Bindung innerhalb der Familie wird auch Gefühlen, wie Liebe und Zuneigung, eine immer größere Bedeutung zugeschrieben[9]. Auch Jean-Jacques Rousseau plädiert für die freie Entfaltung des Kindes, was in seinem Erziehungsroman Emil oder über die Erziehung, welcher 1762 veröffentlicht wurde, anschaulich behandelt wird. Rousseau projektiert in seinem Erziehungsroman pädagogische Prinzipien[10], die für eine naturgemäße Erziehung sprechen. Durch diese Prinzipien soll gewährleistet sein, dass die Erziehung des Kindes in die richtige Richtung verläuft.

Dass bei Rousseau die Erziehung des Kindes geschlechtsabhängig ist, ist bereits zu Beginn seines Erziehungsromans ersichtlich. So äußert er in Emil oder über die Erziehung, „daß die Frau besonders dazu geschaffen ist, dem Manne zu gefallen“[11]. Hieran ist deutlich erkennbar, dass die Frau das schwächere Glied in einer Ehe ist und dem Mann auch untergestellt ist. Auch ist zu deuten, dass sich die Erziehung des Mädchens an dem Mann orientiert. Das Mädchen soll lediglich auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet werden. In Rousseaus Erziehungsroman ist ebenfalls festzustellen, dass die Frau eine sehr enge Bindung zur Natur hat, wodurch sich auch ihre Eigenschaften, wie Natürlichkeit, Zärtlichkeit und Liebe, herleiten lassen.

Im fünften Buch seines Erziehungsromans wird die weibliche Erziehung an der Figur Sophie offen dargelegt. An der Darstellung ihrer Persönlichkeit ist schnell erkennbar, dass sich ihre Erziehung, wie oben beschrieben, an dem Mann orientiert und sie auf die Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet wird. Sie wird von ihren Eltern naturgemäß und nach den von Rousseau vorgegebenen pädagogischen Prinzipien erzogen. Für Sophie selbst hat die Tugend einen hohen Stellenwert.

Sie liebt sie, weil es für sie nichts Schöneres gibt als die Tugend, sie liebt sie, weil die Tugend den Ruhm einer Frau ausmacht und weil eine tugendhafte Frau ihr fast den Engeln gleich zu sein scheint. Sie liebt sie als einzigen Weg zum wahren Glück […][12].

[...]


[1] Immanuel Kant: Was ist Aufklärung? Zitiert nach Alt, Peter-André (2001): Aufklärung. 2. Auflage. Weimar: Verlag J. B. Metzler Stuttgart.

[2] Immanuel Kant: Was ist Aufklärung? Zitiert nach Alt, Peter-André (2001): Aufklärung. 2. Auflage. Weimar: Verlag J. B. Metzler Stuttgart.

[3] Alt, Peter-André (2001): Aufklärung. 2. Auflage. Weimar: Verlag J. B. Metzler Stuttgart.

[4] Vgl. Alt, Peter-André (2001): Aufklärung. 2. Auflage. Weimar: Verlag J. B. Metzler Stuttgart.

[5] Alt, Peter-André (2001): Aufklärung. 2. Auflage. Weimar: Verlag J. B. Metzler Stuttgart.

[6] Vgl. Alt, Peter-André (2001): Aufklärung. 2. Auflage. Weimar: Verlag J. B. Metzler Stuttgart.

[7] Vgl. Schings, Hans-Jürgen (1980): Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch. Poetik des Mitleids von Lessing bis Büchner. 2. durchgesehene Auflage. München: C. H. Beck Verlag.

[8] Völkel, Barbara (1991): Karl Philipp Moritz und Jean-Jacques Rousseau. Außenseiter der Aufklärung. New York u. a.: Peter Lang.

[9] Vgl. Ganzow, Berit (2008): Die Entstehung der Kindheit im 18. Jahrhundert, http://suite101.de/article/die-entstehung-der-kindheit-im-18-jahrhundert-a48149

[10] Vgl. Rousseau, Jean-Jacques (1962): Emil oder über die Erziehung. 2. Auflage. Paderborn: Ferdinand Schöningh.

[11] Rousseau, Jean-Jacques (1962): Emil oder über die Erziehung. 2. Auflage. Paderborn: Ferdinand Schöningh.

[12] Rousseau, Jean-Jacques (1962): Emil oder über die Erziehung. 2. Auflage. Paderborn: Ferdinand Schöningh.

Final del extracto de 15 páginas

Detalles

Título
Das Scheitern einer bürgerlichen Erziehung in Lessings „Emilia Galotti“
Universidad
University of Paderborn
Calificación
2,3
Año
2012
Páginas
15
No. de catálogo
V305831
ISBN (Ebook)
9783668037496
ISBN (Libro)
9783668037502
Tamaño de fichero
557 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
scheitern, erziehung, lessings, emilia, galotti
Citar trabajo
Anónimo, 2012, Das Scheitern einer bürgerlichen Erziehung in Lessings „Emilia Galotti“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305831

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