Die kontinuierliche Senkung des Leitzinssatzes durch die EZB macht sich auch am Kreditmarkt bemerkbar: Betrug der Zinssatz von im Jahre 2005 geschlossenen festverzinslichen Immobiliardarlehensverträgen, beispielsweise mit einer Laufzeit von 15 Jahren, noch zwischen 5 bis 7 % p.a., können heute Kredite mit derselben Laufzeit zu einem Zinssatz von regelmäßig unter 2 % p.a. abgeschlossen werden. Das Bedürfnis nach einem Ausstieg aus langfristigen Immobiliendarlehen mit hohen Darlehenszinsen um 5 % p.a. ist folglich naheliegend. Problematisch erscheint dies jedoch für Darlehensnehmer, denen ein gesetzliches Kündigungsrecht nach § 489 BGB nicht zusteht und welchen der von einigen Verbaucherbranchenblättern empfohlene Weg des Widerrufs ebenfalls nicht eröffnet ist. Das Bedürfnis nach einem Ausstieg aus langfristigen Immobiliendarlehen mit hohen Darlehenszinsen um 5 % p.a. ist folglich naheliegend. Problematisch erscheint dies jedoch für Darlehensnehmer, denen ein gesetzliches Kündigungsrecht nach § 489 BGB nicht zusteht und welchen der von einigen Verbaucherbranchenblättern6 empfohlene Weg des Widerrufs ebenfalls nicht eröffnet ist. In diesem Fall wird der Bank bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages regelmäßig eine Vorfälligkeitsentschädigung als Ersatz für die entgangenen Zinsen zu zahlen sein. Dies galt bisher auch dann, wenn der Darlehensvertrag seitens der Bank aufgrund eines Verzugs des Schuldners gekündigt wurde. Jüngste Entwicklungen in der Rechtsprechung lassen jedoch Zweifel an der überkommenen Praxis der Vorfälligkeitsentschädigung aufkommen. Soll es in Zukunft dem Immobiliendarlehensnehmer möglich sein, durch eine Herbeiführung bankseitiger Kündigung die unliebsame Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen? Diese Frage wird Gegenstand der folgenden Untersuchung sein.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Rechtlicher Zusammenhang
- I. Darlehensgeberkündigung als „Ausstieg“
- 1. Ausgangssituation
- 2. Darlehensgeberkündigung gem. §§ 503 III, 498 BGB
- II. Institut der Vorfälligkeitsentschädigung
- 1. Regelungssystematik
- a) Regelfall
- b) Sonderfälle
- (1) Vorfälligkeitsentgelt
- (2) Verbraucherdarlehen
- (3) Bankseitige Beendigung
- 2. Berechnung
- a) Methode
- b) Vorteilsausgleich
- C. Sonderfall bankseitiger Kündigung: Meinungsstand
- I. Bisherige Rechtsprechung und Literaturstimmen
- II. Jüngste Entwicklungen
- D. Kritische Betrachtung des Sonderfalls
- I. Grammatische Auslegung
- II. Regelungsabsicht des Gesetzgebers
- 1. Entstehungsgeschichte des § 497 I BGB
- 2. Änderungen des Verbraucherkreditrechts
- a) Verbraucherkreditrichtlinie
- b) EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie
- 3. Zusammenfassung
- III. Systematik
- 1. Einordnung als Schadensersatzanspruch
- 2. Ausschlusswirkung des § 490 II 3 BGB
- 3. Allgemeiner Rechtsgedanke des § 628 II BGB
- 4. Zwischenergebnis
- IV. Teleologische Betrachtung
- 1. Grundsatz der Vertragstreue
- 2. Besserstellung des vertragsbrüchigen Schuldners?
- 3. Gefährdung des Pfandbriefsystems und der bewährten Refinanzierungsweise
- a) Funktionsweise und Besonderheiten des Pfandbriefsystems
- b) Refinanzierungskongruenz
- c) Rechtsvergleichende Analyse
- E. Kumulative Geltendmachung von Verzugszinsen und Vorfälligkeitsentschädigung
- I. Meinungsstand
- II. Stellungnahme
- 1. Systematik des Schadensersatzrechts
- 2. Teleologische Erwägungen
- 3. Gesetzgeberische Entscheidung
- F. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit der Frage, ob und in welcher Form die Vorfälligkeitsentschädigung bei einer bankseitigen Kündigung eines Immobiliardarlehensvertrages im Rahmen des § 497 I BGB geltend gemacht werden kann. Die Arbeit untersucht die rechtlichen Grundlagen und die Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich, insbesondere im Hinblick auf die spezifischen Herausforderungen der Niedrigzinsphase.
- Rechtliche Folgen der Niedrigzinsphase für Darlehensgeber und -nehmer
- Auslegung des § 497 I BGB im Kontext der bankseitigen Kündigung
- Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Sonderfall der bankseitigen Kündigung
- Systematik des Schadensersatzrechts und dessen Anwendung im Kontext der Vorfälligkeitsentschädigung
- Teleologische Betrachtung der Rechtslage und der Interessen der beteiligten Parteien
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den rechtlichen Zusammenhang der Darlehensgeberkündigung als „Ausstieg“ aus dem Darlehensvertrag beleuchtet. Anschließend werden die rechtlichen Grundlagen der Vorfälligkeitsentschädigung im Allgemeinen und im Sonderfall der bankseitigen Kündigung dargestellt.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die aktuelle Rechtsprechung und Literatur zum Thema der Vorfälligkeitsentschädigung bei bankseitiger Kündigung kritisch analysiert. Dabei werden die grammatische Auslegung des § 497 I BGB, die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die systematische Einordnung des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung beleuchtet.
Die Arbeit schließt mit einer teleologischen Betrachtung der Rechtslage und einer Analyse der kumulativen Geltendmachung von Verzugszinsen und Vorfälligkeitsentschädigung.
Schlüsselwörter
Darlehensgeberkündigung, Vorfälligkeitsentschädigung, § 497 I BGB, Niedrigzinsphase, bankseitige Kündigung, Immobiliardarlehensvertrag, Pfandbriefsystem, Schadensersatzrecht, Teleologie, Rechtsvergleich, Verbraucherkreditrecht, EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie
- Citation du texte
- Annabelle Rau (Auteur), 2015, Die Darlehensgeberkündigung als "Ausstieg" aus langfristigen Immobiliarkrediten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306980