Eine Analyse von Martin Heideggers „Die Technik und die Kehre“


Essay, 2004

12 Pages, Grade: 1


Excerpt


1) Die Frage nach der Technik

Heidegger fragt nach der Technik und nimmt dabei einen Weg. Dieser Weg ist ein Weg durch die Sprache. Es geht ihm um das Wesen der Technik. Dieses ist aber selbst ganz und gar nichts Technisches. Nach alter Lehre gilt das Wesen von etwas als das was etwas ist.

Die moderne Technik ist ein Mittel zu bestimmten Zwecken. Wir bemühen uns, einen rechten Bezug zur Technik zu bekommen. Wir wollen sie "meistern". Das Meistern-wollen wird für Heidegger umso dringlicher, je mehr die Technik der Herrschaft des Menschen zu entgleiten droht. Aber die richtige instrumentale Bestimmung der Technik zeigt uns dennoch nicht ihr Wesen. Damit wir diesem nahe kommen, müssen wir durch das Richtige hindurch das Wahre suchen. Wir müssen fragen: was ist das Instrumentale selbst? Wohin gehört dergleichen wie ein Mittel und ein Zweck? Diese Fragen führen uns zu den 4 Ursachen. Was die Technik, als Mittel vorgestellt, ist, enthüllt sich, wenn wir das Instrumentale auf die vierfache Kausalität zurückführen.

Nach Heidegger geht die Lehre von den 4 Ursachen auf Aristoteles zurück: (1. Die causa materialis, das Material, der Stoff, woraus z.B. eine silberne Schale verfertigt wird; 2. die causa formalis, die Form, die Gestalt, die das Material eingeht; die causa finalis, der Zweck, z.B. der Opferdienst, durch den die benötigte Schale nach Form und Stoff bestimmt wird; 4. die causa efficiens, die den Effekt, die fertige wirkliche Schale erwirkt, der Silberschmied.) Für das antike Denken hatte Kausalität nichts mit Wirken und Bewirken zu tun. Was wir als Ursache kennen, hieß bei den Griechen aition - das, was ein anderes verschuldet. Die 4 Ursachen sind die unter sich zusammengehörigen 4 Weisen des Verschuldens.

Diese 4 Weisen des Verschuldens lassen etwas ins An-wesen hervorkommen; im Sinn solchen Anlassens ist das Verschulden das Veranlassen. Platon sagt im Symposion: "Jede Veranlassung für das, was immer aus dem Nicht-Anwesen über- und vorgeht in das Anwesen, ist poiesis, ist Hervor-bringen"(205 b). Das Hervorbringen bringt aus der Verborgenheit in die Unverborgenheit vor, nach Heidegger das, was wir das Entbergen nennen. Für ihn ist die Technik eine Weise des Entbergens.

"Technik ist eine Weise des Entbergens. Die Technik west in dem Bereich, wo Entbergen und Unverborgenheit, wo aletheia wo Wahrheit geschieht."(S.13) Gilt dies nur für das griechische Denken und die handwerkliche Technik, fragt Heidegger, oder auch für die moderne Kraftmaschinentechnik, die als das Beunruhigende uns veranlasst, nach "der" Technik zu fragen. Auch die moderne Technik sei ein Entbergen, mein Heidegger weiter, gerade sie sei ein Herausforden, welches an die Natur ein Ansinnen stellt. (Die Luft wird auf Abgabe von Stickstoff hin gestellt, der Boden auf Erz, das Erz auf Uran, dieses auf Atomenergie etc.)

"Das Entbergen, das die moderne Technik durchherrscht, hat den Charakter des Stellens im Sinne der Herausforderung."(S.16)

Eine besondere Art der Unverborgenheit, die nun durch das herausfordernde Stellen, durch das so Bestellte zustandekommt, ist der Bestand. Im Versuch, die moderne Technik als das herausfordernde Entbergen zu zeigen, drängen sich für Heidegger die Worte "stellen", "bestellen", "Bestand" in "lästiger Weise" auf. Dies habe seinen Grund in dem, was zur Sprache kommt. Als Denker müssen wir dem entsprechen, was sich uns zuspricht.

Indem der Mensch die Technik betreibt, nimmt er also am Bestellen als einer Weise des Entbergens teil. Wenn er so das Unverborgene entbirgt, dann entspricht er selbst nur dem Zuspruch der Unverborgenheit. So ist also die moderne Technik als das bestellende Entbergen kein bloß menschliches Tun.

Der Mensch ist herausgefordert, das Wirkliche als Bestand zu bestellen. Dieses Herausfordernde versammelt den Menschen.

"Wir nennen jetzt jenen herausfordernden Anspruch, der den Menschen dahin versammelt, das Sichentbergende als Bestand zu bestellen - das Ge-stell."(S.19)

Dieser Begriff hat nun mit der uns geläufigen Bedeutung des Wortes Gestell gar nichts zu tun. Hier wird offensichtlich die "gewachsene Sprache" grob misshandelt, für Heidegger ist dies aber nicht weiter problematisch, Platon hätte dies ebenso gemacht. Wir rekapitulieren:

"Ge-stell heißt das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, d.h. herausfordert, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Ge-stell heißt die Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet und selber nichts Technisches ist."(S.20)

Das bestellende Verhalten des Menschen zeigt sich nach Heidegger zuerst im Aufkommen der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaft.

Weil das Wesen der modernen Technik im Gestell beruht, muß diese die exakten Naturwissenschaften verwenden. Dadurch würde der trügerische Schein entstehen, moderne Technik sei exakte Naturwissenschaft. Deshalb sei das Wesen der modernen Technik zu hinterfragen.

Wir fragen immer noch nach der Technik, um unsere Beziehung zu ihrem Wesen zu klären. Das Wesen der modernen Technik zeigt sich in dem was wir jetzt das Ge-stell nennen. "Das Ge-stell ist das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Als der so Herausgeforderte steht der Mensch im Wesensbereich des Ge-stells."(S.23)

Das Wesen der modernen Technik bringt den Menschen auf einen Weg. Und zwar jenes Entbergens, wodurch das Wirkliche überall zum Bestand wird. Auf einen Weg bringen nennt Heidegger schicken. Jenes versammelnde Schicken, das den Menschen auf einen Weg des Entbergens bringt, nennt er das Geschick."Als die Herausforderung ins Bestellen schickt das Ge-stell in eine Weise des Entbergens. Das Ge-stell ist eine Schickung des Geschickes wie jede Weise des Entbergens. Geschick in dem genannten Sinne ist auch das Her-vor-bringen, die poiesis."(S.24) Den Menschen durchwaltet ein Geschick des Entbergens, aber es ist dies kein zwanghaftes Verhängnis. Denn im Bereich des Geschicks erfährt der Mensch Freiheit. Wir unterliegen also keinem dumpfen Zwang, Technik blindlings zu betreiben, oder uns hilflos gegen sie aufzulehnen und sie zu verdammen. Im Gegenteil sei es so, meint Heidegger, wenn wir uns dem Wesen der Technik eigens öffnen, finden wir uns "unverhofft in einen befreienden Anspruch genommen." (.25)

Im Geschick des Menschen tun sich zwei Möglichkeiten auf: Entweder nur das im Bestellen Entborgene zu verfolgen und zu betreiben, oder aber sich "eher und mehr und stets anfänglicher" auf das Wesen des Unverborgenen einzulassen, um, wie Heidegger sagt, die Zugehörigkeit zum Entbergen als sein Wesen zu erfahren. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten stehend, sei der Mensch aus seinem Geschick her gefährdet. Das Geschick der Entbergung sei daher notwendig Gefahr.

In welcher Weise es auch immer walten mag, der Mensch neigt dazu, das Unverborgene zu mißdeuten. Die Natur mag sich als berechenbarer Wirkungszusammenhang von Kräften darstellen, die Gefahr bleibt jedoch, daß sich dem Richtigen das Wahre entzieht.

"Das Geschick der Entbergung ist in sich nicht irgendeine, sondern die Gefahr. Waltet jedoch das Geschick in der Weise des Ge-stells, dann ist es die höchste Gefahr."(S.26)

Insofern der Mensch nur mehr der Besteller des Bestandes ist, sagt Heidegger, wandelt der Mensch am äußersten Rand des Absturzes: dort nämlich, wo er selber nur mehr als Bestand gilt. Andererseits sieht sich der Mensch als Herr der Erde und bezieht alles auf sich. So würde es scheinen, der Mensch begegne überall nur noch sich selbst."Indessen begegnet der Mensch heute in Wahrheit gerade nirgends mehr sich selber, d.h. seinem Wesen". (S.27) Durch die Herausforderung des Ge-stells vernimmt der Mensch dieses nicht mehr als einen Anspruch, er übersieht sich als Angesprochener, daß er aus seinem Wesen her im Bereich eines Zuspruchs ek-sistiert.

"So verbirgt das herausfordernde Ge-stell nicht nur eine vormalige Weise des Entbergens, das Her-vor-bringen, sondern es verbirgt das Entbergen als solches und mit ihm jenes, worin sich Unverborgenheit, d.h. Wahrheit ereignet."(S.27)

Das Gestell verstellt uns das Scheinen und Walten der Wahrheit, sagt Heidegger, das Geschick, welches uns in das Bestellen schickt, sei somit die höchste Gefahr. Die Technik selbst sei nicht das Gefährliche, man könne nicht von der Dämonie der Technik sprechen, wohl aber vom Geheimnis ihres Wesens. Das Wesen der Technik ist als ein Geschick des Entbergens die Gefahr.

Es ist hilfreich, den Begriff "Ge-stell" im Sinne von Geschick und Gefahr zu denken. So ist denn, wo das Ge-stell herrscht, im höchsten Sinne Gefahr !

"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch"

Dieses Hölderlin-Zitat ist für Heidegger Ausgangspunkt weiterer Überlegungen. "Retten" bedeutet für ihn "einholen ins Wesen, um das

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Details

Title
Eine Analyse von Martin Heideggers „Die Technik und die Kehre“
College
Klagenfurt University  (IFF Institut für Forschung und Fortbildung Klagenfurt)
Course
Philosophie der Technik
Grade
1
Author
Year
2004
Pages
12
Catalog Number
V307414
ISBN (eBook)
9783668059160
ISBN (Book)
9783668059177
File size
450 KB
Language
German
Keywords
Martin Heidegger, "Die Technik und die Kehre"
Quote paper
Karl Gietler (Author), 2004, Eine Analyse von Martin Heideggers „Die Technik und die Kehre“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307414

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