Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Rechtsbeziehungen und Normenkonflikten, die sich durch den Einsatz von gv-Organismen (GVO) im Bereich der Landwirtschaft in Europa ergeben. Rechtsgebiete, die diese Disziplin tangieren, sind das internationale, europäische und nationale Umweltrecht sowie das Wirtschafts- und Immaterialgüterrecht.
Die wichtigste konkrete Rechtsfrage, die es zu ermitteln gilt, ist: Welche Normkonflikte bestehen im Mehrebenen-System? Es geht zum einen um horizontale Normkonflikte: d.h. innerhalb einer Rechtsordnung (d.h. eines Systems rechtlicher Normen – z.B. Umweltvölkerrecht), und hier, wiederum um die Thematik der höherrangigen Norm, der späteren Norm sowie der spezielleren (inhaltlich detaillierteren) Norm. Zum anderen geht es um vertikale Normenkonflikte: D.h. zwischen Rechtsordnungen (Völkerrecht, EU-Gemeinschaftsrecht, Landesrecht). Weiter geht es um die Rechtsfragen und die Ermittlung der normativen Widersprüche hinsichtlich Transparenz, Öffentlichkeitsbeteiligung und Demokratie sowie um nationale Verpflichtungen zur Vermeidung von Risiken für die menschliche Gesundheit und Umwelt. Agro-Gentechnik steht mit folgenden Grund- und/oder Menschenrechten bzw. Ansprüchen im Sinne von menschlicher Sicherheit im Konflikt: Recht auf Souveränität, Recht auf Eigentum, Recht auf Gesundheit, Recht auf Nahrung und Ernährungssicherheit, Recht auf Teilhabe, Recht auf Zugang zu Ressourcen, Nicht-Beeinträchtigung sozio-ökonomischer und sozio-ökologischer Interessen.
Das Bestehen eines Mehrebenen-Systems (WTO, EU und Einzelstaat) lässt Entscheidungsspielräume hinsichtlich der Interpretation von Risiko und unsicherem Wissen sowie der Geltung der normativen Reichweite von Prinzipien (z.B. des Vorsorgeprinzips vis-à-vis des Wissenschaftlichkeits- und Handelsprinzips) grundsätzlich bestehen. Trotz dieses Vorteils kann das Mehrebenen-System dann einen inhärenten Mangel haben, wenn die einzelnen Ebenen normativ nicht gleichwertig sind und die eine (z.B. universelle) Entscheidungsebene die andere (z.B. regionale) Ebene außer Kraft setzen kann. Es werden ausgewählte rechtliche und politische Lösungsansätze bzw. Maßnahmen im Hinblick auf Normenkonflikte und Rechtsfragen im Bereich der grünen Gentechnik analytisch dargestellt.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Vorwort
- Abkürzungen
- KAPITEL 1: GEGENSTAND UND METHODIK DER UNTERSUCHUNG
- A. Einleitung
- B. Rechtsfragen und Zielsetzungen der Untersuchung
- C. Eingrenzung und Methoden der Untersuchung
- D. Fragmentierung des Völkerrechts
- I. Allgemeines.
- II. Lex specialis-Grundsatz.
- III. Lex posterior-Regel.
- IV. Konfliktklauseln.......
- V. Inter se-Abkommen
- E. Grundlagen und Argumente betreffend grüne Gentechnik
- I. Meilensteine in der grünen Gentechnik.
- II. Argumente pro grüne Gentechnik...........
- III. Argumente contra grüne Gentechnik.
- KAPITEL 2: GRUNDFRAGEN
NORMENKONFLIKTE IM KONTEXT DER GRÜNEN GENTECHNIK IN EUROPA:
RECHTSTHEORETISCHE DARSTELLUNG IM MEHREBENEN-SYSTEM DER EU
HORIZONTALER UND VERTIKALER
- A. Allgemeines
- B. Strukturmerkmale und Rechtsquellen des Völkerrechts im Kontext der
grünen Gentechnik
- I. Horizontalwirkung als Strukturmerkmal des Völkerrechts........
- II. Rechtsquellen...........
- II.1. Allgemeines.
- II.2. Völkerrechtliche Verträge.
- II.3. Völkergewohnheitsrecht.
- II.4. Allgemeine Rechtsgrundsätze...\n
- II.5. Allgemeine Prinzipien im Völkerrecht....
- III. Hard law versus soft law
- III.1. Grundlagen.......
- III.2. Soft law und die grüne Gentechnik im Kontext der Codex Alimentarius-Kommission (CAK)
- C. Strukturmerkmale und Rechtsquellen des Europarechts im Kontext der
grünen Gentechnik
- I. Strukturmerkmale........
- II. Rechtsquellen des EU-Rechts im Kontext des grünen Gentechnikrechts:
Primär- und Sekundärrecht. Horizontale und vertikale Vorschriften
- II.1. Allgemeines zum EU-Recht ......
- II.2. Grüne Gentechnik im EU-Recht und die Abgrenzung zum europäischen Lebensmittelrecht....
- D. Verhältnis von Völkerrecht und Europarecht
- I. Grundlagen......
- II. Völkerrechtliche Vertragsabschlußkompetenz der EU.
- II.1. Allgemeines…......
- II.2. Normenverhältnis von WTO-Recht und EU-Recht....
- III. Eigener Ansatz...........
- KAPITEL 3: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN UND NORMEN-KONFLIKTE
BETREFFEND GRÜNE GENTECHNIK IN EUROPA
- A. Normenverhältnis von Umwelt- und Wirtschaftsvölkerrecht im Kontext der
grünen Gentechnik
- I. Allgemeines......
- II. Konvention über die biologischen Vielfalt (CBD 1992).
- II.1. Grundlagen der CBD
- II.2. Rechtlicher Anwendungsbereich der CBD.
- II.3. Definition der „biologischen Vielfalt“ und „genetischen Ressourcen"\n
- II.4. Erhaltung der biologischen Vielfalt.
- II.5. Zugangs- und Teilhabeordnung an genetischen Ressourcen\n
- II.6. Nagoya-Zusatzprotokoll (N-ZP) zur CBD betreffend Zugang und
Vorteilsausgleichung (ABS) (2010) im Verhältnis zu anderen
internationalen Übereinkommen.......
- II.6.1. Grundlagen des Nagoya-ABS-ZP.
- II.6.2. Normenverhältnis des Nagoya-ABS-ZP mit anderen internationalen Übereinkommen...\n
- II.7. Weitere Entwicklungen der CBD.
- II.8. Normenverhältnis der CBD zu anderen internationalen Übereinkommen
- II.9. Zwischenergebnis..........\n
- III. WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistigen Eigentums
(TRIPS 1994)
- III.1. Grundlagen des TRIPS.
- III.2. Patentfähige Gegenstände gemäß Art. 27 TRIPS.
- III.3. Normenverhältnis des TRIPS zur CBD...
- III.3.1. Vereinbarkeit des TRIPS mit der CBD
- III.3.2. Bewertung
- III.6. Zwischenergebnis ....
- III.4. Normenverhältnis des TRIPS zum Recht auf Nahrung und ausreichende Ernährung (Art. 11 IPWSKR)....
- III.5. Normenverhältnis des TRIPS zu den Rechten der Landwirte (Farmer's Rights) (Art. 9 ITPGRFA)……………………………….\n
- IV. Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit (CP 2000).
- IV.1. Grundlagen und Verhandlungsprozess des CP ....
- IV.2. Definition von LMO und Geltungsbereich des CP..\n
- IV.3. Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage
- IV.3.1. Advance Informed Agreement (AIA)-Verfahren nach Art. 7
Abs. 1 CP
- IV.3.1.1. Formale Verfahrensvorschriften
- IV.3.1.2. Beachtung von wissenschaftlichen Unsicherheiten gemäß Art. Wissenschaftlichkeitsprinzip Abs. 6 CP:\nversus\nVorsorgeprinzip („precautionary principle\") Vorbeugungsprinzip (preventive principle)\nVorsorgeansatz („precautionary approach“)\nGrundsatz der Vorsicht....\n-\n-\n
- IV.3.1.3. Beachtung sozio-ökonomischer Erwägungen im Entscheidungsverfahren: Art. 26 Abs. 1 CP im zu anderen internationalen Verhältnis\nÜbereinkommen.\n
- IV.3.1.4. Überprüfung von Entscheidungen gemäß Art. 12 CP
- IV.3.1.5. Ausnahmen vom und Besonderheiten im AIA-\nVerfahren.......
- IV.3.2. Vereinfachtes LMO-FFP (LMO Intended for Food, Feed or for Processing) - Verfahren nach Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Art. 11 CP.
- IV.3.3. Risikobeurteilung, Risikomanagement
-\nRisikokontrolle:\neine Diskussion über zugrundeliegende Werte und
Interessen
- IV.3.3.1. Risikobeurteilung gemäß Art. 15 CP und Annex III\nim Verhältnis zum\nVerursacher- und\nVorsorgeprinzip im Umweltvölkerrecht.......
- IV.3.3.1.1.Risikobeurteilung gemäß Art. 15 CP und Annex III des CP.
- IV.3.3.1.2.Prinzip der substanziellen Äquivalenz in\nder Risikobewertung.
- IV.3.3.2. Risikomanagement gemäß Art. 16 CP.
- IV.3.3.3. Risikokontrolle im Wege von Dokumentation und Kennzeichnung gemäß Art. 18 CP
- IV.3.3.4. Aktuelle Rechtsstreitigkeiten betreffend Risiken\nder grünen Gentechnik in den USA und Europa\n(2006-2012)\n
- IV.3.4. Informationspflichten und das Biosafety Clearing House\n(BCH) im Kontext von Transparenz und Teilhabe der\nÖffentlichkeit
- IV.3.5. Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß CP und Aarhus Konvention (1998) versus Vertraulichkeit: ein\nWiderspruch?.\n
- IV.3.1. Advance Informed Agreement (AIA)-Verfahren nach Art. 7
Abs. 1 CP
- IV.4. Nagoya Kuala Lumpur-Zusatzprotokoll (N-KL-ZP) zum CP betreffend\nHaftung und Entschädigung bei Gentechnikschäden (2010) und\ndas Normenverhältnis zu Art. 27 CP und Art. 14 Abs. 2 CBD.
- IV.4.1. Haftungsregelungen im Art. 27 CP und Art. 14 Abs. 2 CBD und deren Normenverhältnis zueinander
- IV.4.2. Kuala Lumpur-ZP und sein Normenverhältnis zu anderen internationalen Übereinkommen ....
- IV.5. Normenverhältnis des CP zum Allgemeine Zoll-\nund\nHandelsabkommen (GATT 1994): Umwelt versus Handel.
- IV.5.1. Grundlagen des GATT
- IV.5.2. Bewertung des Normenverhältnisses des CP zum WTO-\nGATT........
- IV.6. Normenverhältnis des CP zum WTO-Abkommen über Sanitäre und
Phytosanitäre Maßnahmen (SPS 1994).
- IV.6.1. Grundlagen des SPS....
- IV.6.1.1. Codex Alimentarius-Kommission (CAK)..\n
- IV.6.1.2. Weltorganisation für Tiergesundheit (WOA)
- IV.6.2. Bewertung des Normenverhältnisses des CP zum WTO-SPS.
- IV.6.1. Grundlagen des SPS....
- IV.7. Normenverhältnis des CP zum WTO-Abkommen über technische
Handelshemmnisse (TBT 1994)
- IV.7.1. Grundlagen des TBT.
- IV.7.2. Bewertung des Normenverhältnisses des CP zum WTO-TBT.
- IV.8. Vereinbarkeit des CP mit Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit........
- IV.9. Bewertung
- V. Internationale Pflanzenschutzkonvention (IPPC 1951) 1997 internationale Normenverhältnis der IPPC zu anderen Übereinkommen und Zusammenarbeit mit den Institutionen der FAO, CBD, CP, CAK, OIE und WTO
- VI. Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen
(Sortenschutzübereinkommen/UPOV 1991) – Lex specialis zu TRIPS..\n
- VI.1. Grundlagen der UPOV-Konvention
- VI.2. Normenverhältnis der UPOV zum TRIPS im Kontext der grünen Gentechnik..............
- VI.3. Bewertung
- VII. Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Futter
und Landwirtschaft
-\nInternationaler Saatgutvertrag (ITPGRFA 2001):
Lex-specialis zur CBD..\n
- VII.1. Grundlagen des ITPGRFA...\n
- VII.2. Normenverhältnis des ITPGRFA zur CBD..\n
- A. Normenverhältnis von Umwelt- und Wirtschaftsvölkerrecht im Kontext der
grünen Gentechnik
- Normenkonflikte im Bereich der grünen Gentechnik in Europa
- Rechtliche Rahmenbedingungen für grüne Gentechnik
- Analyse internationaler Abkommen und deren Normenverhältnis
- Lösungsansätze für Normenkonflikte
- Verhältnis von Umwelt- und Wirtschaftsvölkerrecht
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Habilitationsschrift von Dr. Yvonne Karimi-Schmidt befasst sich mit den Normenkonflikten im Zusammenhang mit grüner Gentechnik in Europa. Die Arbeit analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen und untersucht verschiedene internationale Abkommen, die im Bereich der grünen Gentechnik relevant sind. Das Ziel der Arbeit ist es, Lösungsansätze für die Normenkonflikte zu entwickeln, die sich aus der Anwendung verschiedener internationaler und europäischer Rechtsnormen auf den Bereich der grünen Gentechnik ergeben.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
KAPITEL 1 stellt den Gegenstand und die Methodik der Untersuchung dar. Es werden die Rechtsfragen und Zielsetzungen der Arbeit definiert sowie die Methode und die Eingrenzung der Untersuchung erläutert. Kapitel 1 beinhaltet auch eine Diskussion über die Fragmentierung des Völkerrechts und die verschiedenen Arten von Normenkonflikten, die in diesem Zusammenhang auftreten können. Abschließend werden die Grundlagen und Argumente rund um die grüne Gentechnik beleuchtet. KAPITEL 2 befasst sich mit den Grundfragen des Normenkonflikts im Kontext der grünen Gentechnik in Europa. Es wird die rechtstheoretische Darstellung im Mehrebensystem der EU analysiert. Dabei werden die Strukturmerkmale und Rechtsquellen des Völkerrechts und Europarechts im Kontext der grünen Gentechnik betrachtet. KAPITEL 3 untersucht die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Normenkonflikte betreffend grüne Gentechnik in Europa. Es werden die Normenverhältnisse von verschiedenen Abkommen analysiert, darunter die Konvention über die biologische Vielfalt (CBD), das WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistigen Eigentums (TRIPS), das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit (CP) sowie die Internationale Pflanzenschutzkonvention (IPPC) und das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV).
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit von Dr. Karimi-Schmidt behandelt zentrale Themen wie grüne Gentechnik, Normenkonflikte, internationales Recht, Europarecht, Umweltrecht, Wirtschaftsrecht, Biologische Vielfalt, Cartagena-Protokoll, Nagoya-Protokoll, TRIPS-Abkommen, CBD-Konvention, WTO, EU, Nachhaltigkeit und Vorsorgeprinzip.
- Citar trabajo
- Priv.-Doz. Dr. Yvonne Karimi-Schmidt (Autor), 2014, Lösungsansätze für Normenkonflikte betreffend die grüne Gentechnik in Europa, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307419