Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung. Zwei politische Konzepte und ihre Antworten auf die globale Wasserkrise


Thèse de Master, 2015

84 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wasser - Lebensquell und Naturgewalt
2.1 Wasser und seine Bedeutung für die Menschheit
2.2 Wasser als Grundbedürfnis

3 Globale Wasserkrise
3.1 Wasserverteilung
3.2 Natürlicher Wasserkreislauf
3.3 Anthropogene Einflüsse
3.4 Wasserverschmutzung und ihre Auswirkungen
3.5 Konflikte um Wasser

4 Menschenrechtsansatz
4.1 Begründung der Menschenrechte
4.2 Gerechtigkeitskriterien
4.3 Menschenrecht auf Wasser
4.3.1 Entstehung und internationale Verankerung
4.3.2 Inhalte
4.3.3 Rechtsverbindlichkeit und Einklagbarkeit
4.4 Zwischenergebnis

5 Nachhaltigkeitsansatz
5.1 Entwicklung und Nachhaltigkeit
5.2 Grenzen des Wachstums
5.3 Leitbild nachhaltiger Entwicklung
5.4 Wasser und Nachhaltigkeit
5.4.1 Nachhaltige Wasserwirtschaft
5.4.2 Wasser und die Agenda 21
5.4.3 Millennium Development Goal
5.5 Zwischenergebnis

6 Menschenrechte und Nachhaltigkeit
6.1 Konzeptionelle Parallelen
6.2 Globale Dimension und die Frage der Universalität
6.3 Rolle der Bildung und ihrer Akteure
6.4 Human Development und weitere Forschungsansätze

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: 3-Säulenmodell der nachhaltigen Entwicklung

Abbildung 2: Schnittmengenmodell zur nachhaltigen Entwicklung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„In the middle of the 20th century, we saw our planet from space for the first time. [...] From space, we see a small and fragile ball dominated not by human activity and edifice but by a pattern of clouds, oceans, greenery, and soils. Humanity's inability to fit its activities into that pattern is chang- ing planetary systems, fundamentally“(WCED 1987: Kapitel IV/1).

Seit vielen Jahrzehnten wird die ökologische Tragfähigkeit unseres Planeten überschätzt, natürliche Ressourcen werden übernutzt und schädliche Emissionen steigen ebenso rasant wie die weltweiten Bevölkerungszahlen. Das einleitende Zitat aus dem bereits 1987 verfassten Brundtland-Bericht beinhaltet die Forderung nach einer neuen Weltsicht, die nur durch einen Perspektivwechsel und ein Umdenken erreicht werden kann. Der Bericht hat ebenso einen mahnenden Charakter, denn er benennt die Konsequenzen, die eintreten werden, falls es der Menschheit nicht rechtzeitig gelingen sollte, die Schutzbedürftigkeit unseres Planeten zu erkennen und ihr Verhalten darauf auszurichten.

Obwohl heutzutage die Folgen des verschwenderischen und die natürliche Umwelt aus- beutenden Verhaltens der Menschheit sowie die damit verbundenen schädlichen Emissio- nen mehr denn je vorherzusagen und sogar bereits zu spüren sind, kommt der Prozess des Perspektivwechsels und der damit verbundenen Gegenmaßnahmen nur sehr schwer in Gang. Eine der Konsequenzen, die sich bereits deutlich abzuzeichnen beginnen, ist die globale Wasserkrise.

Alles Leben der Erde ist mit Wasser fest verbunden. Wasser bringt Leben hervor, bedingt Wachstum, nährt, reinigt und belebt. Wasser ist für die Menschen nicht nur Lebensmittel, sondern spielt auch eine wichtige Rolle als religiöses und kulturelles Gut. Aber es besitzt auch eine starke zerstörerische Kraft und symbolisiert damit die Macht der Natur gegen- über dem Menschen. An eine Wasserknappheit auf dem „blauen Planeten“ war lange Zeit nicht zu denken. Und doch werden schon in einigen Jahren etwa zwei Drittel der Weltbe- völkerung in Staaten mit Wassermangel leben und bereits heute haben mehr als eine Milli- arde Menschen keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser (Meyer-Tasch 2009: 11).

Die Anzeichen der globalen Wasserkrise und das Voranschreiten der Wasserknappheit sind vielschichtig und komplex. In dieser Arbeit werden lediglich die bedeutendsten und dringendsten Aspekte vorgestellt. Zwei zentrale Problemfelder sind dabei hervorzuheben.

Zum einen greift der Mensch immer weiter in den natürlichen Wasserkreislauf ein, um die zunehmende Diskrepanz zwischen dem gleichbleibenden Angebot des sich stetig erneu- ernden Trinkwasserreservoirs und der steigenden weltweiten Nachfrage auszugleichen. Zum anderen entstehen durch die Verknappung Nutzungs- und Verteilungskonflikte. Was- ser bekommt einen wirtschaftlichen Wert, was zu einer Privatisierung, zu einer daran an- knüpfenden Kommerzialisierung und letztlich oft zu einer Verschlechterung der Zugangs- voraussetzungen und damit zu einer Erhöhung von Konfliktpotenzialen führt.

Die globale Wasserkrise ist somit nicht allein ein ökologisches Problem, sie beinhaltet ebenso ökonomische und soziale Faktoren und Herausforderungen. Um diesen begegnen zu können, sind umfassende, komplexe Konzepte nötig, wie beispielsweise das Konzept der Menschenrechte und die Grundsätze einer nachhaltigen Entwicklung. Auch wenn bei- de Konzepte unterschiedliche Ansätze verfolgen, liegen ihnen dieselben Motivationen zugrunde. Bestehende Probleme und Gefahren wie die Wasserkrise werden durch sie auf globaler Ebene analysiert und bewertet. Dabei werden als Orientierung stets die Grundbe- dürfnisse des Menschen vorausgesetzt, darunter im Allgemeinen die Bedürfnisse nach Leben und Fortbestand, nach Sicherheit, nach Schutz vor Bedrohung und Existenzverlust sowie das Bedürfnis nach Entwicklung. Letztlich werden beide Konzepte auch durch ihre globale, universelle Perspektive, ihre Akteure und Adressaten sowie ihr normatives Ge- rechtigkeitsverständnis vereint.

In dieser Arbeit wird untersucht, welche konkreten Instrumente der Menschenrechtsansatz und der Nachhaltigkeitsansatz als Antworten auf die globale Wasserkrise bereitstellen und wie diese miteinander in Verbindung stehen. Dabei soll gezeigt werden, dass beide Konzepte in ihrer Komplexität ineinandergreifen. Es wird untersucht, wie ihre gemeinsamen Zielstellungen und Leitbilder einen Weg aufzeigen, der wesentlich zur Bekämpfung globaler Entwicklungsprobleme beitragen kann.1

Die globale Wasserkrise dient dabei als geeignetes Beispiel, da sie ein internationales, vielschichtiges und folgenschweres Problem darstellt, welches ohne konzeptionelle Ent- wicklungsansätze weder kurz- noch langfristig bekämpft werden kann. Dieses Beispiel zeigt demnach zum einen die Dringlichkeit und Bedeutung sowohl des Menschenrechtsan- satzes als auch des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung, zum anderen wird daran das Zusammenspiel beider Konzepte deutlich. Beide Ansätze nähern sich dem Problem zwar auf unterschiedliche Weise an, sie verfolgen aber durch ihre Ideen und Instrumente annä- hernd gleiche Zielstellungen und Visionen, die zur Bekämpfung der globalen Wasserkrise beitragen können und damit eine Ausgangsbasis für zukunftsfähige, auf Gerechtigkeits- prinzipien basierende, globale Entwicklungsstrategien schaffen. Hinterfragt wird in dieser Arbeit, welche Leitprinzipien beiden Konzepten zugrunde liegen, wie sich diese entwi- ckelt haben und welche Rolle die Gerechtigkeit dabei spielt. Auch das Wesen von Ent- wicklung im Allgemeinen wird kritisch analysiert und im Kontext der Nachhaltigkeit neu beleuchtet.

Das Kapitel 2 geht zunächst einleitend auf die Bedeutung des Wassers für die Menschen sowie seine unterschiedlichen Funktionen ein. Dabei wird deutlich, dass Wasser in nahezu allen Lebensbereichen und in allen Gesellschaften - also auf Mikro- und Makroebene - eine wichtige Grundlage für die menschliche Entwicklung darstellt und dass seine Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte. Das Kapitel 3 untersucht die unterschiedlichen Aspekte der globalen Wasserkrise wie die Verteilungsproblematik, die vorhandenen Eingriffe in den natürlichen Wasserhaushalt und ihre Folgen, die Auswirkungen von Wasserverschmutzung sowie das Phänomen der Wasserkonflikte.

Das Kapitel 4 stellt im Anschluss das Konzept der Menschenrechte vor und untersucht das Menschenrecht auf Wasser als konzeptionelle Antwort auf die globale Wasserkrise. Dabei ist besonders interessant, dass die Idee eines expliziten Menschenrechts auf Wasser erst seit ca. zwei Jahrzehnten Einzug in die internationalen Debatten hält und dass dieser Pro- zess parallel bzw. auch im Einklang mit der Herausbildung des Leitbilds der nachhaltigen Entwicklung ablief. Letzteres ist Thema in Kapitel 5, welches auf die Entstehung des Nachhaltigkeitskonzepts und dessen Grundprinzipien eingeht. Im Unterkapitel 5.4 wird herausgearbeitet, wie sich der Umgang mit Wasser unter dem Nachhaltigkeitsparadigma gestaltet und welche Instrumente das Konzept als Antworten auf die globale Wasserkrise bereithält. Dabei werden die Agenda 21 und die Millennium Development Goals als wich- tigste Instrumente genauer analysiert.

Schließlich steht in Kapitel 6 die Frage im Zentrum, auf welche Weise sich der Menschen- rechtsansatz und das Nachhaltigkeitskonzept miteinander vereinbaren lassen und wie sich beide gegenseitig ergänzen. Dabei werden wichtige Schnittstellen herausgearbeitet und es wird untersucht, welchen Einfluss die gegenseitigen Wechselwirkungen auf die gemein- samen Zielsetzungen ausüben. Wichtige Schnittstellen sind beispielsweise der Universali- tätsanspruch, die normative Gerechtigkeitsidee, die globale Dimension, die gemeinsamen Akteure und die Rolle der Bildung. Auch das Konzept der menschlichen Entwicklung wird als Verbindungsglied beider Konzepte thematisiert. Abschließend werden bestehende all- gemeine Dynamiken sowie weitergehende Fragestellungen und Forschungsansätze aufge- zeigt. Zum Schluss wird ein Resümee aus den Erkenntnissen dieser Arbeit gezogen.

Zur Bearbeitung der Fragestellungen dieser Arbeit wurde vor allem Literatur neueren Da- tums herangezogen. Besondere Bedeutung haben die Monografien von Wallacher (1999) und Engelmann (2000) über die globale Wasserproblematik und die Bedeutung des Was- sers für den Menschen. Laskowski (2010), Hall (2013) und Thielbörger (2014) lieferten umfassende Werke über das Menschenrecht auf Wasser. Zum Thema der nachhaltigen Entwicklung veröffentlichten Hauff (2009, 2012) und Grundwald (2006) wertvolle Ab- handlungen und Erkenntnisse. Auch die Aufsatzsammlungen von Enders (2013) sowie Mayer-Tasch und Cornelius (2009) waren wichtige Quellen. Des Weiteren wurden zahl- reiche internationale Dokumente, Schriften und Aufsätze herangezogen, darunter Publika- tionen von Giorgetta (2002), Bardt (2012), Fassbender (2008), Houdret (2008), Kopfmül- ler (2013) und Voss (2012).

2 Wasser - Lebensquell und Naturgewalt

„Das Prinzip aller Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasserkehrt alles zurück“(Thales von Milet).

Seit Menschengedenken gehören Wasser und das Wissen über den richtigen Umgang mit Wasser zum Leben und Überleben der Menschen. So wird seit jeher eine ambivalente Beziehung zu dem machtvollen Element Wasser gepflegt, welches gleichermaßen Freude, Lebenskraft, Fruchtbarkeit und Reinheit, aber auch Bedrohung und Zerstörung verkörpert. Wasser ist weit mehr als ein reines Nahrungs- und Lebensmittel, ein Nachdenken über seine Bedeutsamkeit zieht sich durch die Geschichte der Menschheit wie ein roter Faden. Es entwickelte sich als Kulturgut, religiöses Heiligtum, Lebensspender und schließlich auch als Symbol für Wachstum und Entwicklung.

2.1 Wasser und seine Bedeutung für die Menschheit

Die Ambivalenz des Wassers berührt viele Bereiche des menschlichen Lebens und übt eine seltsame Faszination auf den Menschen aus. In vielen Kulturen nimmt Wasser eine symbolische und aufgrund geschichtlicher Erfahrungen meist auch eine religiöse Bedeu- tung ein (Chamberlain 2008: 64). Einerseits erfrischt leicht bewegtes Wasser den Geist und führt zu „körperlicher und seelischer Erquickung und Beruhigung“ (Mayer-Tasch 2009: 21). Daher erfreuten sich insbesondere in der Zeit des Barock aufwendige Wasser- spiele großer Beliebtheit, und bis heute sind in nahezu jeder Stadt Springbrunnen zu fin- den, welche die Ausübung von Kunst und die Freude am Spiel des Wassers vereinen. Wasser findet zunehmend Einzug in Antistress-Therapien und wird in der Umweltpsycho- logie thematisiert, denn es kann je nach seinen kulturellen Hintergründen und persönlich empfundenen Wirkungen einen sehr positiven Einfluss auf das körperliche und seelische Wohlbefinden haben und so auf emotionale Weise eine positive Naturwahrnehmung för- dern (Wallacher 1999: 128).

Andererseits birgt Wasser ein großes Gefahrenpotenzial. Das Übermächtige, die Wildheit, das Tobende und alles Verschlingende dieser Naturgewalt demonstriert dem Menschen immer wieder seine Grenzen der Beherrschung der Natur (Mayer-Tasch 2009: 24). Es gibt zahlreiche literarische oder auch musikalische Verarbeitungen dieses Motivs, z. B. die vom Wasser verschlungene Stadt Atlantis, die Geschichten von Schiffsunglücken und Sturmfluten, aber auch die romantisierte Naturlyrik über „stille Seen“ oder Smetanas Komposition „Die Moldau“. Somit zeugt auch die Kunst von der Faszination, die das Wasser bei den Menschen auslöst.

Da das Leben der Menschen schon immer stark von der Beziehung zu Wasser geprägt war und sich viele natürliche Wasserphänomene nicht erklären ließen, wurde Wasser zu einem wichtigen Bestandteil der religiösen und mythischen Vorstellungen der Menschen. Daraus leitet sich eine religionswissenschaftliche Bedeutung ab. So spielt beispielsweise religi- onsübergreifend das Wasser beim göttlichen Schöpfungsakt eine zentrale Rolle. Im Islam wurde der Mensch durch Allah aus Wasser geschaffen: „Denn er ist es, der den Menschen aus Wasser schuf.“ (Koran, Sure 25). Wasser spielt auch in der Beschreibung des Paradie- ses und des Garten Eden eine wichtige Rolle. Es wird in vielen Religionen als „göttlicher Segen“ verehrt oder als „göttliche Läuterung“ verstanden, die sich z. B. im Motiv der „Sintflut“ zeigt; die Welt geht durch Wasser unter, wird durch dieses reingewaschen und wiedergeboren (Wallacher 1999: 126).

Die reinigende Funktion des Wassers findet im metaphorischen Sinne in mehreren Religi- onen Anwendung und steht dabei für die Befreiung des Menschen von Schuld und Sünde. Dies erklärt beispielsweise das zu bestimmten Zeiten stattfindende Massenbaden tausender Hindus in dem für sie heiligen Fluss Ganges, obwohl dies keineswegs den modernen hygi- enischen Standards angemessen erscheint. Im Rahmen des christlichen Glaubens erscheint Wasser in jeder Kirche in Form von Weihwasser und beispielsweise auch bei der Taufe.

Neben seiner religiösen Bedeutung besitzt das Wasser auch einen hohen Stellenwert als Kulturgut. In der Hochkultur des Mittleren Orients gab es bereits ca. 1600 v. Chr. Regeln und Gesetze zur Nutzung des vorhandenen Wassers und so wurde die Wasserverwaltung zur „zentralen staatsbildenden und staatserhaltenden Aufgabe“ (Mayer-Tasch 2009: 17). Die gesellschaftliche Organisation sowie ein reichhaltiges Wasservorkommen ermöglich- ten erst Freiheiten abseits der reinen Lebenssicherung und legten den Grundstein zur Herausbildung antiker Kulturen (Gottwald 2009: 113). Umfangreiche Wasservorkommen wurden deshalb vor tausenden von Jahren auch eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entstehung größerer menschlicher Lebensgemeinschaften, welche die Grundlage für politische Zusammenschlüsse und schließlich für die heutigen Staatengebilde darstellten. Das gemeinsame Ziel der Wassernutzung unter gleichzeitiger Abwehr der Bedrohungen des Wassers, z. B. durch Überschwemmungen, förderte soziale Organisationsstrukturen und prägte das kulturelle und politische Leben der entstehenden Gesellschaften. Darüber hinaus ermöglichten Wasserläufe den Transport von Menschen und Waren, wodurch der grenzüberschreitende Handel sowie der kulturelle Austausch vorangetrieben wurden.

Die Menschen lernten früh, das Wasser zu kontrollieren und für sich zu nutzen. Bereits die alten Römer schufen durch ihre antiken Aquädukte Wasseranlagen, welche erstmals eine kontrollierte Wasserverteilung ermöglichten. In der Antike war bereits die Bedeutung einer Trennung von Nutzwasser und Abwässern bekannt. Dieses Wissen ging allerdings im europäischen Mittelalter verloren und wurde erst durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Louis Pasteur und Robert Koch wiederbelebt, welche die Auswirkungen verschmutzten Wassers aufzeigten (Laube 2009: 41).

Erst Ende des 18. Jh. wurden europäische Städte mit Wasserleitungen ausgestattet. Durch die steigenden Bevölkerungszahlen nahm jedoch nicht nur die Menge an Abwässern, son- dern auch der Wasserbedarf rasant zu. Es wurde damals begonnen, vor allem Grundwasser zu nutzen, was zu einem Absinken des Grundwasserspiegels und in einigen größeren eu- ropäischen Städten zu erstem gravierenden Wassermangel führte (Laube 2009: 41). Seit Anfang des 20. Jh. wurde die Wasserversorgung von den Staaten zentral kontrolliert und meist in die Hände der Kommunalverwaltung gelegt. Diese schufen Wasserwerke in Form kommunaler Wirtschaftsunternehmen, die unter betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ar- beiteten und dadurch Gewinne für die kommunalen Haushalte bereitstellen konnten (ebd.: 43). Der Versorgung der Bevölkerung kam diese staatliche Infrastruktur zugute und die Anzahl der häuslichen Wasseranschlüsse stieg rasant an.

Die heutige Wassernutzung durch den Menschen lässt sich grob in die Bereiche Landwirt- schaft, Industrie und die häusliche Nutzung einteilen. Zu letzterer gehört der Konsum von Wasser (Trinken und Kochen), die Verwendung im Bereich der Hygiene (Körperhygiene und Reinigungsarbeiten), die Nutzung zu Vergnügungszwecken (private Pools, Schwimmbäder, Bewässerung von Golfplätzen) oder auch der Verbrauch zu produktiven Zwecken, z. B. im Gastronomie- und Dienstleistungsgewerbe (Hall 2013: 10).

Der enorme Wasserverbrauch in der Landwirtschaft von weltweit ca. 70 Prozent des Ge- samtverbrauchs ergibt sich nur zu einem kleinen Teil aus dem Bedarf für die Viehhaltung, zu einem überwiegenden Teil jedoch aus der künstlichen Bewässerung von Anbauflächen. Die großflächige Bewässerungsmethode verbreitete sich erst im 20. Jh. Durch sie waren die Landwirte weniger abhängig von unregelmäßigen Niederschlagsmengen und konnten dadurch nicht nur Ertragseinbußen vermeiden, sondern meist die Erträge steigern. Dafür fehlte das landwirtschaftlich eingesetzte Nutzwasser oft an anderer Stelle (Wallacher 1999: 38ff).

Zu Beginn der Industrialisierung stieg auch der Wasserbedarf für industrielle Zwecke rapide an und macht heute ca. 23 Prozent des weltweiten Gesamtwasserverbrauchs aus (Engelmann 2000: 18). In der Industrie und der Energiewirtschaft fungiert Wasser vorwiegend als Kühlmittel oder dient zum Turbinenantrieb. Der mit Abstand kleinste Teil des weltweiten Wasserverbrauchs (unter 10 Prozent) wird den Privathaushalten sowie dem Vergnügungs- und Dienstleistungsgewerbe zugerechnet (Wallacher 1999: 42).

2.2 Wasser als Grundbedürfnis

Biologisch gesehen ist ein Leben ohne Wasser nicht möglich. Der menschliche Körper besteht zu etwa 60 Prozent aus Wasser. Alle Organismen geben Wasser an ihre Umgebung ab und müssen somit auch kontinuierlich Wasser aufnehmen, um überleben zu können. Ein Mensch kann zwar längere Zeit ohne feste Nahrung, aber nur wenige Tage ohne Was- ser überleben. Etwa zwei bis drei Liter Flüssigkeit benötigt ein Erwachsener pro Tag. Die Aufgaben des Wassers im menschlichen Körper sind vielfältig. Es dient unter anderem zur Nährstofflösung, zum Transport von Nährstoffen und Blutkörperchen sowie zur Wärmere- gulation (Gottwald 2009: 100).

Wasser fungiert jedoch nicht nur als Nahrungsmittel an sich, sondern spielt auch bei der Nahrungsmittelproduktion jeglicher Art eine wichtige Rolle, denn sowohl Pflanzen als auch Tiere benötigen Wasser. Für eine Tonne Biomasse sind beispielsweise ca. 1000 Kubikmeter Wasser (also etwa die tausendfache Masse) notwendig. In der Tierhaltung werden große Wassermengen zum Tränken und im Futteranbau benötigt. Und auch Fische und Meerestiere sind wichtige Proteinlieferanten für die menschliche Ernährung, welche auf das Wasser als Lebensraum angewiesen sind (Wallacher 1999: 7f).

Schon allein aus diesen Gründen stellt die Nutzung von Wasser als Nahrungs- und Lebensmittel ein menschliches Grundbedürfnis dar. Die Maslowsche Bedürfnispyramide2 beinhaltet als basale Ebene die physiologischen Bedürfnisse, zu deren Gegenständen neben der Luft zum Atmen, genügender Wärme und ausreichendem Schlaf unter anderem auch das Trinken gezählt werden (Maslow 1981). Somit ist also die Wasseraufnahme, wie bereits erläutert, eine der physischen Grundvoraussetzungen des Lebens.

Neben seiner Rolle zur Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Wasseraufnahme steht Wasser jedoch im Zusammenhang mit vielfältigen weiteren Bedürfnissen, denn neben dem Trinken und der Essenszubereitung wird Wasser bei vielen häuslichen Tätigkeiten wie Putzen, Waschen, Kühlen, der Sanitärversorgung sowie der Körperhygiene verwendet. Wasser dient außerdem zum Lösen von Substanzen, spielt eine wichtige Rolle in der Me- dizin und Chemie, bei der Energieerzeugung und - wie oben bereits detaillierter aufgeführt in der Industrie und Landwirtschaft. Laut WHO sollte ein durchschnittlicher häuslicher Grundbedarf von 100 Litern pro Person und Tag alle gesundheitlichen und hygienischen Grundbedürfnisse eines Menschen abdecken (Engelmann 2000: 25).

3 Globale Wasserkrise

„Wasser ist eine ganzheitlich zu beurteilende Ressource, die als Einheit zu verstehen ist. Die langfristige Entwicklung des weltweit verfügbaren Was-sers erfordert eine ganzheitliche Bewirtschaftung der Ressourcen und eine Anerkennung der wechselseitigen Beziehung der mit der Wassermenge und der Gewässergüte zusammenhängenden Faktoren“(UNCED 1992: Kapitel 18/35).

In Anbetracht der Tatsache, dass unser „blauer Planet Erde“ zum überwiegenden Teil von Wasser bedeckt ist, klingt es zunächst absurd, von einer Wasserkrise zu sprechen, denn an einer ausreichenden Gesamtmenge von Wasser mangelt es unserem Planeten wohl kaum. Sicherlich wird auch gerade denjenigen Menschen, welche tagtäglich in den Genuss von sauberem Wasser aus dem Wasserhahn in jeder gewünschten Menge kommen, die globale Dimension dieser Krise wenig nachvollziehbar sein. Und doch ist die gesamte Erdbevölke- rung im 21. Jh. mehr denn je von einer ernst zu nehmenden globalen Wasserkrise bedroht, welche sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf dramatische Weise verschär- fen wird.

Im Folgenden wird die globale Wasserkrise anhand ihrer wichtigsten Aspekte aufgezeigt. Neben dem Problem der Ungleichverteilung von Wasserressourcen sind seit einigen Jahr- zehnten intensiv die ökologischen und anthropogenen Einflüsse auf den natürlichen Was- serkreislauf und deren Folgen erforscht worden. Beide Einflussarten lassen sich schwer voneinander abgrenzen, denn noch ist beispielsweise nicht ausreichend erforscht, wie groß tatsächlich der Einfluss der Menschen und ihrer Lebensweise auf die sich vollziehenden klimatischen Veränderungen ist.

Hinzu kommt die gravierende Zunahme von Wasserverunreinigungen, welche verheerende Folgen für die Gesundheit von Mensch und Tier hat und die Menschen in naher Zukunft vor große Herausforderungen stellen wird. Diese Problematik führt des Weiteren zu einem Anstieg an regionalen, nationalen und internationalen Wasserkonflikten mit einem zuneh- menden Gewaltpotenzial.

3.1 Wasserverteilung

Wasser ist die am häufigsten vorkommende Substanz auf der Erde. Das weltweite Wasser- vorkommen beläuft sich auf unfassbare 1,4 Mrd. Kubikkilometer. Allerdings sind 97,5 Prozent davon salzig und nur 0,007 Prozent für den Menschen unmittelbar nutzbar. Trotzdem existieren in nahezu allen Regionen der Erde Grundwasservorkommen, welche faktisch der gesamten Menschheit eine angemessene Trinkwasserversorgung ermöglichen könnten (Gottwald 2009: 100; Laube 2009: 47).

Obwohl theoretisch alle Menschen mit Wasser ausreichend versorgt werden könnten, herrscht heute in 31 Ländern Wassermangel und 1,2 bis 1,4 Mrd. Menschen haben nicht genügend Wasser zur Verfügung. Laut den Vereinten Nationen (UN) werden bis zum Jahr 2025 bereits 50 Länder an Wasserknappheit oder Wasserarmut leiden, darunter auch Schwellenländer wie China und Indien. Von den ca. 8,5 Mrd. Menschen, die dann voraus- sichtlich auf der Erde leben, werden etwa 3 Mrd. unter Wasserknappheit leiden, darunter über 80 Prozent in den sogenannten Entwicklungsländern (Laskowski 2010: 6-9). Im UN- Wasserbericht von 2003 wird prognostiziert, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts etwa je- des dritte Land auf der Erde und damit ca. 2 bis 7 Mrd. Menschen unmittelbar von Was- sermangel betroffen sein werden (WWAP 2003).

Das Problem ist demzufolge nicht die vorhandene Menge des global vorhandenen Trink- wassers, sondern vor allem seine extrem ungleiche Verteilung, sowohl zwischen unter- schiedlichen Weltregionen als auch zwischen einzelnen Ländern. So ist in einem Land mit einem relativ hohen Lebensstandard der Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser über hundertmal größer als in wasserarmen Ländern (Engelmann 2000: 20). In Asien lebt mehr als die Hälf- te der Erdbevölkerung, jedoch finden sich dort nur ca. 36 Prozent der globalen Wasserres- sourcen. Zeitweiliger oder chronischer Süßwassermangel tritt bereits heute in weiten Tei- len Afrikas, im Nahen Osten, in Nordchina, in Regionen Indiens und Mexikos, im Westen der USA, in Nordostbrasilien sowie in den zentralasiatischen Ländern auf, während in einigen Industrieländern ein teilweise recht verschwenderischer Umgang mit Trinkwasser vorherrscht (ebd.: 24).

Die ungleiche Verteilung von Trinkwasser entsteht zum einen aus naturgegebenen Um- ständen, z. B. klimatischen Abhängigkeiten wie der sehr unausgewogenen zeitlichen und räumlichen Verteilung der Niederschlags- und Verdunstungsraten. Zum anderen bewirken der unterschiedliche Umgang und die ungleiche Wassernutzung der Länder, bedingt durch die unterschiedlichen Voraussetzungen und Interessen hinsichtlich der industriellen und landwirtschaftlichen Entwicklung, dass sich die Verteilungsprobleme verschärfen und zu sozioökonomischen Problemen führen. Die sektorale Wasserverteilung und der Pro-Kopf- Verbrauch hängen nicht nur vom vorherrschenden Klima, sondern auch von dem Entwick- lungsstand und der Wirtschaftsstruktur eines Landes ab. In wasserarmen Gebieten Asiens und Afrikas fallen beispielsweise über 80 Prozent des Wasserverbrauchs in der Landwirt- schaft an, hauptsächlich zur Bewässerung, während in den wasserreichen Industrieländern 60 bis 80 Prozent des Wasserverbrauchs im industriellen Sektor benötigt werden (Wallacher 1999: 44ff).

Da also einige Regionen, vor allem Industrieländer, mit reicheren Wasservorkommen ge- segnet sind, während andere Regionen unter extremer Wasserarmut leiden, könnte in der Tat davon ausgegangen werden, es handele sich lediglich um ein regional begrenztes Prob- lem. Jedoch wird die globale Dimension der Wasserkrise immer offensichtlicher, wenn bedacht wird, dass die wichtigsten Ursachen dieser regionalen Wasserprobleme sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern zu finden sind. Eine bedeutende Ursache ist der weltweite Bevölkerungsanstieg und die damit verbundene steigende Nachfrage nach Was- ser bei einer gleichzeitig stagnierenden Menge dieser natürlichen Ressource bzw. sogar einem Rückgang der tatsächlich nutzbaren Wassermenge. In den vergangenen sechs Jahr- zehnten haben sich sowohl die Weltbevölkerung als auch der Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser in etwa verdoppelt, sodass es zu einer Vervierfachung des Gesamtwasserver- brauchs kam. Zudem wird das nicht erneuerbare Grundwasser vor allem auch in wasser- reichen Regionen wesentlich schneller erschöpft, als neue Grundwasservorkommen ent- stehen können (Engelmann 2000: 14f).

Lokale Wasserprobleme, die etwa auf Desertifikation zurückgehen, verstärken globale Phänomene wie z. B. den Klimawandel oder die Zerstörung von Biodiversität. Wasserar- mut lässt zudem den Migrationsdruck innerhalb der betroffenen Regionen ansteigen, er- höht das nationale und internationale Konfliktpotenzial und führt letztlich zu einer welt- weiten Destabilisierung (Wallacher 1999: 113ff). Wasserarmut und Wassermangel sind demnach ernst zu nehmende Missstände, welche nicht nur für die davon unmittelbar be- troffenen Individuen, sondern auch für die Entwicklung ganzer Regionen schwerwiegende Folgen haben.

Um den Grad des Wassermangels besser erfassen und analysieren zu können, wurden von der schwedischen Hydrologin Malin Falkenberg internationale Grenzwerte für Wasser- knappheit und Wassermangel entwickelt. Zugrunde liegt dabei die Gesamtmenge an dem sich jährlich erneuernden Süßwasser eines Landes. Diese wird durch die vorhandene Ein- wohnerzahl geteilt, um so eine Pro-Kopf-Menge zu errechnen, welche theoretisch jedem Einwohner durchschnittlich jährlich zur Verfügung stünde. Bei einem Pro-Kopf-Wert un- ter 1.700 Kubikmeter pro Jahr wird von Wasserknappheit, bei weniger als 1000 Kubikme- ter von Wassermangel gesprochen. Ein Wert unterhalb des Grenzwerts von 500 Kubikmetern wird als extremer Wassermangel bezeichnet (Laskowski 2010: 17).

Diese Grenzwerte sind zwar international als Indikator für Wassermangel anerkannt, z. B. auch von der Weltbank, jedoch spiegeln sie nur bedingt die tatsächliche Menge an Wasser wider, die den Menschen zur Verfügung steht. Auch berücksichtigen sie nicht die eigentli- che Wassernachfrage der Bevölkerung entsprechend der konkreten Lebensverhältnisse bzw. die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage. Zudem beachten diese Zahlen weder die jahreszeitlichen Schwankungen des Niederschlags noch periodisch wiederkehrende Trockenzeiten. Schließlich haben die Länder sehr unterschiedliche technische und finanzi- elle Möglichkeiten, Wasser nutzbar zu machen und mit Wasserknappheit umzugehen (En- gelmann 2000: 25), sodass auch hier die Grenzwerte sehr theoretisch bleiben.

3.2 Natürlicher Wasserkreislauf

Wasser ist ein sich ständig erneuernder Rohstoff. Der hydrologische Kreislauf beschreibt den immerwährenden Austausch des Wassers zwischen den Meeren, den Kontinenten (Landmassen) und der Luft durch Verdunstung, Niederschlag und Abfluss. Der in der Atmosphäre angesammelte Wasserdampf bedingt den natürlichen Treibhauseffekt, ohne den es auf der Erde für menschliches Leben zu kalt wäre. Durch die stetige Änderung des Aggregatzustands im Kreislauf des Wassers wird Wasser „erneuert“. Von den weltweit vorhandenen 1,4 Mrd. Kubikkilometern Wasser gehört jedoch nur ein kleiner Teil zu den „erneuerbaren Wasservorkommen“ (Laube 2009: 44).

Der Erneuerungsgrad des Wassers hängt von der Wasserart ab. Am schnellsten „erneuern“ sich Flüsse und das Wasser in der Atmosphäre. In Gletschern gebundenes Wasser, tiefer gelegenes Wasser in großen Seen und im Meer sowie Grundwasser hat hingegen kaum Anteil am natürlichen Wasserkreislauf und braucht wesentlich länger, um sich zu regenerieren (Wallacher 1999: 18f).

Die Grundwasservorkommen der Erde umfassen etwa 10,5 Mio. Kubikkilometer. Grund- wasser wird auch als „fossiles Wasser“ bezeichnet, da es frei von Zuflüssen ist, von klima- tischen Faktoren unberührt bleibt und deshalb hunderte oder gar tausende Jahre für eine vollständige Selbsterneuerung benötigt. Gerade in trockenen Ländern wie Libyen, Algeri- en oder Arizona werden diese jahrtausendealten unterirdischen Reservoirs zur lebensnot- wendigen Ressource. Neueste Techniken machen es zwar möglich, diese teils erheblichen Wasservorkommen relativ leicht vertikal zu erschließen, jedoch werden die Reservoirs in einigen Jahrzehnten erschöpft sein. Eine Grundwasserübernutzung führt zum Absinken des Grundwasserspiegels, zum Versiegen von Brunnen und zu einem Anstieg des Salzgehalts im Wasser (Wallacher 1999: 72ff; Laskowski 2010: 14).

Besonders problematisch beim globalen Wasserkreislauf ist seine ungleiche Verteilung. Die Durchschnittstemperatur innerhalb einer Klimazone bestimmt die Verdunstungsrate, an der sich die zeitliche und räumliche Verteilung der Niederschläge bemisst. Das Klima ist demnach entscheidend für die Verfügbarkeit von Süßwasser in einer Region. Im nördli- chen Afrika, dem Nahen Osten und in Teilen Chinas beispielsweise, wo Wasserknappheit vorherrscht, ist die Verdunstungsrate hoch und die Niederschlagsrate gering. Auch die jährlichen Durchflussmengen an Flusswasser sind sehr unterschiedlich. In Asien und Süd- amerika sind sie relativ hoch, während auf den afrikanischen Kontinent nur die Hälfte des globalen Durchschnitts fällt. Hinzu kommen klimatisch bedingte saisonale und jahreszeit- liche Schwankungen (Engelmann 2000: 17).

Verstärkt werden diese Schwankungen und die Ungleichverteilung durch den globalen Klimawandel, welcher durch eine Intensivierung des natürlichen Treibhauseffekts bedingt wird. Die dadurch hervorgerufene zunehmende globale Erwärmung führt zu einem ten- denziellen Anstieg der jährlichen Durchschnittstemperaturen. Dadurch erhöhen sich die Verdunstungsraten in einigen Regionen dramatisch, was diese zusätzlich austrocknet. Die hohe Verdunstung führt wiederum in anderen Regionen und zu anderen Zeiten zu heftigen Niederschlägen und Überschwemmungen. Zudem steigen die Temperaturen der Weltmee- re und es kommt zum Abschmelzen von Gebirgsgletschern und Poleis, wodurch der Mee- resspiegel ansteigt und Süßwasserreservoirs schrumpfen (Chrischilles 2012: 44f).

3.3 Anthropogene Einflüsse

Die genauen Auslöser und Ursachen des Klimawandels werden weiterhin erforscht, jedoch ist unumstritten, dass der Mensch durch intensive Landwirtschaft und industrielle Produk- tion sowie den damit verbundenen wachsenden Ausstoß schädlicher Treibhausgase einen entscheidenden Anteil an dem raschen Voranschreiten der Klimaveränderungen trägt. Das globale Bevölkerungswachstum, die Industrialisierung, welche einen exponentiellen An- stieg der Verbrennung fossiler Rohstoffe wie Kohle und Erdöl bewirkte, aber auch die weitverbreitete Massenviehhaltung sind unter anderem bedeutende Faktoren, welche die Erderwärmung massiv vorantreiben.

Das immer schneller steigende Bevölkerungswachstum und der gerade in Industrie- und Schwellenländern rapide wachsende Lebensstandard generieren hohe Anforderungen an die Umwelt und eine steigende Nachfrage an natürlichen, nicht erneuerbaren Ressourcen. Hinzu kommt, dass das Bevölkerungswachstum recht diametral zum Ressourcenverbrauch verläuft. Im Hinblick auf die natürlichen Wasservorkommen verschärft sich etwa die Un- gleichverteilung dadurch zusätzlich, dass die Wachstumsrate der Bevölkerung gerade in den trockensten Regionen der Erde am größten ist. Auch das Stadt-Land-Gefälle nimmt hinsichtlich der Wasserversorgung zu und beschleunigt in Entwicklungsländern häufig die Urbanisierung, was zu sozio-ökonomischen Problemen führt, z. B. zu flächendeckender Arbeitslosigkeit, steigenden Kriminalitätsraten sowie gesundheitsgefährdender Wasserver- schmutzung (Wallacher 1999: 29ff).

Die globale Wasserkrise ist nicht nur eine ökologische Krise, sie ist vor allem ein Zeugnis schlechten Wassermanagements. So werden Krisensituationen hauptsächlich dadurch ver- ursacht, dass diejenigen, welche sich die Verfügungsgewalt über das Wasser vorbehalten, gewinnmaximierend statt gemeinnützig, national statt international und verschwenderisch statt nachhaltig mit Wasser umgehen. Ein Beispiel ist die Problematik der Bewässerung in der Landwirtschaft. Der weltweite Nahrungsmittelbedarf hat sich durch das Bevölke- rungswachstum in den letzten Jahrzehnten mehr als verdoppelt, ebenso wie die weltweite Nahrungsmittelproduktion. Die sogenannte „Grüne Revolution“ erhob die künstliche Be- wässerung zu einem „Eckpfeiler der Nahrungsmittelversorgung“ (Wallacher 1999: 39). Auf gleicher Anbaufläche konnten so die Erträge deutlich gesteigert werden, gleichzeitig wird dadurch jedoch die Wasserproblematik verschärft. Wie oben bereits aufgeführt, ent- fallen etwa 70 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs auf den Agrarsektor und darunter ein Großteil auf die Bewässerung von Anbauflächen. Etwa zwei Drittel dieses Wassers geht jedoch während der Bewässerung durch Verdunstung oder durch unkontrollierten, oft durch Chemikalien und Nitrate verunreinigten Abfluss ungenutzt verloren.

Etwa drei Viertel der weltweiten Bewässerungsflächen befinden sich in Entwicklungslän- dern, viele davon paradoxerweise in eher heißen und trockenen Ländern, was Grund dafür ist, dass in Staaten wie Afghanistan oder dem Sudan über 90 Prozent des Gesamtwasser- verbrauchs für landwirtschaftliche Bewässerungen verwendet werden, während die Bevöl- kerung unter Trinkwassermangel leidet (Engelmann 2000: 19). Da der Nahrungsmittelan- bau in diesen Ländern keinesfalls in einem adäquaten Verhältnis zur Nachfrage im Land steht, sondern Nahrungsmittel größtenteils - oft noch als bewässerungsintensive Monokulturen - exportiert werden, korreliert die Wasserproblematik oft auch mit den massiven wirtschaftlichen Problemen in diesen Ländern.

Andererseits werden in wasserreichen Regionen wie Europa, Nordamerika oder Zentral- amerika Feuchtgebiete zum Teil entwässert, um die Böden vor Überwässerung zu schüt- zen und ertragreiche Anbauflächen zu gewinnen. Auch dies ist ein Eingriff in den natürli- chen Wasserkreislauf. Durch das Umleiten von natürlichen Abflüssen kommt es bei- spielsweise zur Zerstörung wichtiger Biotope und zu einem Absinken des Grundwasser- spiegels.

Gleichzeitig wird immer mehr Wasser in der Vergnügungsindustrie verbraucht, allen voran in den Industrieländern. Die USA pflegen einen besonders verschwenderischen Umgang mit Wasser. Die Dichte an Schwimmbädern und Swimmingpools ist dort weltweit mit Abstand am größten. Das mit Wasser verbundene Freizeitangebot wird immer größer und fordert z. B. durch die Bewässerung von Grünflächen wie Golfplätzen einen hohen Wasserverbrauch (Meier 2009: 71).

Mit zunehmender Industrialisierung stieg der Wasserbedarf auch im Industriesektor an. Heute ist dieser mit über 20 Prozent weltweit zum zweitwichtigsten Nachfragebereich nach Wasser geworden. In Industrieländern steigt der Anteil des nationalen Wasserver- brauchs im industriellen Bereich teils über 50 Prozent. Gebraucht wird Wasser hauptsäch- lich in Kraftwerken zur Energieerzeugung - z. B. in Atomkraftwerken oder in Kraftwer- ken auf Basis fossiler Brennstoffe - sowie zum Antrieb von Turbinen und als Kühlwasser. Immerhin ist die industrielle Nutzung von Wasser in der Regel effizienter als in der Land- wirtschaft, da beispielsweise Kühlwasser durch Wiedereinleitung mehrfach genutzt wer- den kann und insgesamt weniger Wasser verloren geht. Jedoch zerstört industriell ange- wärmtes Wasser ganze Ökosysteme, und so haben Industriezweige mit hohem Wasserver- brauch letztlich zumeist sehr negative Auswirkungen auf das Klima, was wiederum die Wasserkrise verstärkt (Meier 2009: 62).

In jedem dieser vorstehend aufgezeigten Nutzungssektoren sind letztlich die vorhandene Technologie und ein funktionierendes Wassermanagement entscheidend für die Effizienz der Wassernutzung. In vielen Fällen geht Wasser durch ineffiziente Verteilungssysteme ungenutzt verloren oder wird, wie im nächsten Kapitel ausgeführt, während der Produkti- onsverfahren durch Verschmutzung unbrauchbar oder gar gefährlich. Die lokale Bevölke- rung bekommt die Auswirkungen von Wasserknappheit, Wassermangel, Wasserverunrei- nigung und deren sozio-ökonomische Folgen am deutlichsten und oft unmittelbar zu spü- ren.

In den vergangenen 100 Jahren ist der weltweite Verbrauch von sich selbst regenerieren- dem Wasser um mehr als das Sechsfache gestiegen, wobei die Nachfrage immer schneller zunimmt (Laube 2009: 44). In einigen Regionen kommt es schon jetzt zu einer Übernut- zung der Grundwasservorräte, wodurch die weltweit nutzbare Menge an Süßwasser stetig abnimmt. Zudem hinterlässt die Menschheit zunehmend Spuren im Wasserkreislauf, z. B. durch Medikamentenrückstände, Industriechemikalien oder Mikropartikel, welche eine Klärung und Erneuerung des Wassers immer schwieriger werden lassen. Durch aufwendi- ge Verfahren der Trinkwasseraufbereitung wie Sterilisation, Entkeimung und Filterung wird versucht, die Probleme der Verunreinigung zu beheben, die Wasserqualität aufrecht- zuerhalten und die Süßwassermenge zu erhöhen. Jedoch können sich nur wenige Länder solch teure Verfahren leisten, währenddessen Wasserkreisläufe nicht vor nationalen Gren- zen Halt machen. Eine Lösung verspricht auch die mittlerweile mögliche Entsalzung von Meerwasser. Dieses Verfahren ist aber sehr teuer und zudem durch die vergleichsweise hohe Menge an benötigten nichterneuerbaren Energieträgern eine große Belastung für die Umwelt (Wallacher 1999: 77).

3.4 Wasserverschmutzung und ihre Auswirkungen

Die Verunreinigung von Trinkwasser ist einer der wichtigsten Aspekte der globalen Was- serkrise. Sie findet sich weltweit in unterschiedlicher Ausprägung wieder, nimmt in ihren Ausmaßen besorgniserregend zu und hat teils verheerende Auswirkungen auf die Gesund- heit von Mensch und Tier. Im Allgemeinen beschränkt sie die Nutzbarkeit vorhandener Wasserressourcen. Im Agrarsektor als dem größten Nutzungsbereich von Wasser gelangen durch die Entwicklung von chemischen Pestiziden sowie Schädlingsbekämpfungs-, Dün- ge- und Pflanzenschutzmitteln immer mehr Schadstoffe ins Grundwasser. Aber auch Mas- sentierhaltung und das übermäßige Düngen mit Gülle verschmutzen das Grundwasser. Die starke Bewässerung und Düngung der „Hochleistungspflanzen“ führen zu einer Versal- zung des Wassers und zu Nitratanteilen, deren Grenzwerte mittlerweile auch in Deutsch- land großflächig überschritten werden (Meier 2009: 62f).

Das in der Industrie hauptsächlich zur Kühlung benötigte Wasser wird zwar anteilig in den Wasserkreislauf zurückgeführt, jedoch nur von sehr wenigen Unternehmen vorher gerei- nigt und aufbereitet, sodass auf diesem Weg häufig große Mengen an Chemikalien und Schwermetallen in den Wasserkreislauf gelangen (Engelmann 2000: 20). Oft dient solches Wasser gleichzeitig als Entsorgungsweg von Industrieabfällen, die dann als illegale Abwässer in Flüsse und Meere münden. Auch deponierter Industrie- und Atommüll stellt eine ernst zu nehmende Gefahr für die Grundwasservorkommen dar, die dann langfristig zu Sammelbecken von Schadstoffen werden (Meier 2009: 67).

Auch die Weltmeere bergen in sich bereits jetzt Unmengen an Schadstoffen und Müll. Sie werden weiterhin massiv belastet, etwa durch Schiffshavarien, Bohrlecks an Ölplattformen oder Plastikmüll (WWF Deutschland). Diese Belastungen führen zu einer Störung des Gleichgewichts und schließlich zu einem „Umkippen“ der Gewässer. Damit wird wiederum ein Absterben der Fischvorkommen bewirkt, welche gerade in den meerangrenzenden Entwicklungsländern wichtige Proteinlieferanten darstellen. Die Erdölgewinnung sowie auch der Abbau von Blei, Zink und Silber ziehen vor allem in Entwicklungsländern wie etwa Nigeria zunehmend verheerende Umweltprobleme nach sich.

Aber auch die Industrieländer sehen sich mit Wasserverunreinigungen konfrontiert, wel- che selbst moderne Klärsysteme an ihre Grenzen bringen. Medikamentenrückstände und hormonartig wirkende Stoffe im Trinkwasser nehmen zu und können in Zukunft zu Fertili- täts- und Stoffwechselstörungen führen (Meier 2009: 70). Hier wird besonders deutlich, dass eine zunehmende Wasserverunreinigung neben einer allgemeinen Wasserverknap- pung für die Menschen vor allem ein gesundheitliches Risiko bedeutet. Laut WHO sterben jährlich ca. 2,2 Mio. Menschen an Infektionskrankheiten, die durch unsauberes Trinkwas- ser oder unzureichende Sanitärversorgung hervorgerufen wurden, 90 Prozent davon sind Kinder unter fünf Jahren (Gottwald 2009: 111). Der Weltbank zufolge starben noch Ende des vergangenen Jahrhunderts jährlich ca. 2,4 Mio. Kinder weltweit an Krankheiten, die durch einen Mangel an sauberem Trinkwasser ausgelöst wurden (Laskowski 2010: 7).

Das Problem der Gesundheitsgefährdung verschärft sich in den Ländern, wo Trinkwasser für die Bevölkerung allgemein knapp ist und wo keine hinreichende Trennung von Nutz- wasser und Abwässern erfolgt. In vielen Entwicklungsländern wird ein Großteil an Indust- rie- und Haushaltsabwässern ungeklärt in Flüsse geleitet, aus denen dann weiter flussab- wärts wieder Nutzwasser entnommen wird. Es fehlt an Kläranlagen und oft auch an Auf- klärung über einen verantwortungsvollen Umgang mit Wasser. Flache Hausbrunnen, Zis- ternen, Regenrinnen und verschmutzte Bäche sind häufig die einzigen Wasserquellen. Diese werden jedoch nicht regelmäßig erneuert und sind von Krankheitserregern befallen.

[...]


1 In dieser Arbeit wird der Begriff Entwicklung wertfrei, neutral und multidimensional verwendet. An- ders als üblicherweise konnotiert, wird in diesem Zusammenhang die globale Entwicklung nicht vor- rangig im ökonomischen Sinne verstanden, sondern als langfristiger Prozess sozialer, ökologischer und ökonomischer Veränderungen, welcher z. B. auch ökologische Krisen wie die globale Wasserkrise umfasst.

2 Die Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow ist ein sozialpsychologisches Modell, welches die menschlichen (Grund-)bedürfnisse und daraus abgeleitete Motivationen in einer hierarchischen Struktur (Pyramide) darstellt.

Fin de l'extrait de 84 pages

Résumé des informations

Titre
Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung. Zwei politische Konzepte und ihre Antworten auf die globale Wasserkrise
Université
Otto-von-Guericke-University Magdeburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
2,0
Auteur
Année
2015
Pages
84
N° de catalogue
V307741
ISBN (ebook)
9783668059603
ISBN (Livre)
9783668059610
Taille d'un fichier
772 KB
Langue
allemand
Mots clés
Menschenrechte, Nachhaltigkeit, Nachhaltige Entwicklung, Wasserkrise, Globalisierung, Recht auf Wasser, Recht auf Nahrung, Gerechtigkeit
Citation du texte
Sabine Forkel (Auteur), 2015, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung. Zwei politische Konzepte und ihre Antworten auf die globale Wasserkrise, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307741

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