"bolo’bolo". Untersuchung einer global-anarchistischen Utopie


Dossier / Travail de Séminaire, 2014

16 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Werk bolo’bolo
1.1 Die Idee
1.2 Der Entstehungsprozess
1.3 Die Realkritik am bestehenden System
1.4 Die Bestandteile des Systems
1.4 Die Kritik an der Realpolitik
1.5 Die Zerstörung des alten Systems

2. Der Beginn von bolo’bolo
2.1 Die Rahmenbedingungen
2.2 Die Größe eines bolos
2.3 Die Identität eines bolo
2.4 Das Menschenbild im bolo
2.5 Die sozialen Beziehungen der bolos

3. Nachträgliche Schriften und Aussagen des Autors
3.1 Das Vorwort 1989
3.2 Die Kunstinstallation 2004

Fazit

Einleitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1

1983 erschien die anarchistische Utopie bolo’bolo von P.M., einem bis 2014 anonymen Schweizer Autor, von dem bisher lediglich bekannt war, dass er Lehrer an einem Gymnasium war und in seiner Vergangenheit diversen linken Gruppierungen angehörte. Dazu zählen sein Engagement in den Protestbewegungen der 60er, 70er und 80er Jahre, also gegen den Vietnamkrieg, gegen die Atomkraft und in der Hausbesetzer-Szene Zürichs. Diese Stationen seines Lebens zeichnen und unterstützen seine Gedankengänge im Bezug auf die neue Gesellschaftsordnung und das skizzierte Menschenbild seiner Utopie. Sein Pseudonym gab der 1946/47 in Zürich geborene P.M. zwei Jahre nach seiner Pension auf um mit seinem bürgerlichen Namen aktiv Politik für Wohnungsbauprojekte in der Schweiz zu betreiben, welche sich nach den Ideen der bolo’bolo Utopie richten. Außerdem spielt die Dritte-Welt-Solidaritätsbewegung der 70er Jahre eine entscheidende Rolle in seinem Werk. Die enteuropäisierte und entamerikanisierte Vision eines multikulturell-global gelebten Anarchismus ist neu unter den Utopien, ebenso wie der abgeschwächte Altruismus des Neuen Menschen im Vergleich zu anderen Postmateriellen Utopien. „Die Menschheit organisiert sich darin dezentralisiert in unzähligen kleinen, autonomen, kommunenartigen Gemeinschaften, sogenannten „bolos“1, die zwar miteinander vernetzt sind, jedoch ohne dabei einen Staat herauszubilden.

Auch wenn bolo’bolo nicht denselben Erfolg hatte wie beispielsweise Callenbachs „Ökotopia“, genießt das Werk mit 18.000 verkauften Exemplaren und der Veröffentlichung im Internet in der alternativen Szene als auch in der wissenschaftlichen Utopieforschung ein gewisses Ansehen.2

Vor allem durch den persönlichen Einsatz des Autors ist es ihm mit Freunden und Gönnern gelungen in Zürich Wohnungsbauprojekte zu realisieren. Diese Projekte nehmen sich Ausführungen aus bolo’bolo an und setzen neuartige Wohnideen und Quartiersentwürfe in der Praxis in einem der modernsten Staaten der Welt um.

1. Das Werk bolo’bolo

1.1 Die Idee

In dem Werk bolo’bolo gibt es keine Akteure, keine Handlung und keine Geschichte. P.M. bedient sich in seiner Utopie auch keiner einzigen neuen Idee3.

„Auf das bolo kommt man aus verschiedenen Richtungen, auf die Grundeinheit, wie Menschen einigermaßen vernünftig miteinander leben können, ohne den Planeten, ihre Nerven und ihre Nachkommen zu ruinieren.“4

Wie zu Beginn bereits erwähnt, war der Autor seit seiner Jugend politisch links orientiert, doch die Terminologie der europäischen Linken des 20. Jahrhunderts ist ihm zu negativ behaftet5 und damit unbrauchbar seine Ideen zu reflektieren. Da er einige Gedanken für eine neue bessere Welt über die Jahre in sich reifen lässt, beschließt P.M. Anfang der 80er Jahre diese in einer Utopie auszudrücken. Durch das Studium diverser anderer Utopien zu denen er vergleichend Stellung nimmt6 gelingt es ihm die grundlegenden Zusammenhänge für eine klassische Utopie darzustellen:

„die Kritik an der Realgesellschaft, das gegenübergestellte Ideal, die ökonomische Basis unter Berücksichtigung von Arbeit, Technik und Bedürfnissen, das politische System, die Frage nach einem Neuen Menschen, das Naturverhältnis sowie den Geltungsanspruch.“7

1.2 Der Entstehungsprozess

Das Buch beginnt mit einer 65-seitigen Abhandlung über den Entstehungsprozess der Utopie, genannt „Abfahrt“8, welche den persönlichen Traum des Autors darlegt, ohne Alltagsstress und ohne Arbeit kreuz und quer über den Planeten zu reisen um neue Kulturen kennenzulernen. Nach P.M.’s Vorstellung beginnt „Der grosse Kater“9 der Menschheit vor etwa 10.000 Jahren mit der neolithischen Revolution, welche den Weg für den industriellen Alptraum frei machte.

„99,5% unserer Geschichte sprechen für sich. Die jüngere Altsteinzeit war unser bisher bester Deal; [] Jemand muss mit Samen und Pflanzen herumgespielt und so allmählich die Landwirtschaft entdeckt haben [] - eine Art dummer Ausrutscher mit gigantischen Folgen.“10

So wurde aus einem Leben mit nur mäßiger Anstrengung, in dem eine kleine Anzahl an Menschen Nomadenhaft durch eine Region zieht um zu jagen und zu sammeln, ein Leben mit Regeln, Arbeit und Planung. Damit entstand die Grundlage für Naturausbeutung, Hierarchie, Macht, Staat, Krieg und schlussendlich Industrialisierung.

1.3 Die Realkritik am bestehenden System

„Die Planetare Arbeitsmaschine (PAM)“11, wie P.M. es nennt, ist der Teil des Werks, der aus anarchistischer Sicht die Realgesellschaft kritisiert und weder Kapitalismus noch Kommunismus gut heißt. Mit der PAM beschriebt er das Zusammenspiel der Weltwirtschaft, „von multinationalen Firmen, Banken, Staatsorganen, [] Nationen, Blöcken, Erster, Zweiter, Dritter Welt, Nord und Süd.“12 Es ist weder als Individuum noch als Gewerkschaft oder Staat möglich dem Konstrukt zu entkommen. Egal mit welchen Mitteln versucht wird auszubrechen, die Maschine passt sich an und entwickelt sich weiter.

„Die PAM lebt geradezu von der Energie, die aus ihren inneren Widersprüchen erzeugt wird: Arbeiter/Kapital, Privatkapital/Staatskapital (Kapitalismus/ Sozialismus), Entwicklung, Unterentwicklung, Elend/Verschwendung, Krieg/ Frieden, Mann/Frau usw. Die PAM ist kein <<hartes>>, einheitliches Gebilde, sondern sie benützt Widersprüche, um sich umzuformen, auszudehnen und zu verfeinern. Sie gleicht eher einem biologischen Organismus als einem mechanischen Koloss. Im Unterschied zu faschistischen oder theokratischen Systemen oder zu Orwells <<1984>> braucht sie durchaus ein <<gesundes>> Mass an Widerstand, Unruhe, Provokation und Rebellion.“13

Das erklärte Ziel der PAM ist es die Gesellschaft in einzelne Individuen nach und nach zu separieren, sodass ein Miteinander nicht mehr möglich ist. Durch neue Technologien und dem ständigen Streben nach Wirtschaftswachstum, wächst auch die PAM, während die Menschheit die Zügel immer weiter aus der Hand gibt. Der Mensch wird durch Geld bestochen um die vergeudete Zeit entschädigt zu bekommen, während diese immer weniger wird.14

1.4 Die Bestandteile des Systems

Die globale Konzeption der Utopie wird durch die Aufschlüsselung der Maschine in drei Bestandteile erörtert, welche mit der Anatomie eines Organismus dargestellt wird:

- A, Das Hirn und Nervensystem der PAM wird von wissenschaftlichentechnischen Arbeitern, welche aus den westlichen Industrienationen wie den USA, Japan, Deutschland, Frankreich stammen, repräsentiert. Es ist eine sehr homogene Schicht der Gesellschaft, welche hochqualifiziert, vor allem weiß und männlich ist. Diese ist verantwortlich für Management, Planung, Information, Kommunikation, Ideologien und damit die Elite des Systems.
- B, Die Produktion stellt den Körper der PAM mit Muskeln, Knochen und Blutkreislauf dar, welcher durch Arbeiter vertreten wird. Diese sind mittelmäßig, mehr und weniger qualifiziert, Männer und Frauen und für die Lebenserhaltung der Maschine verantwortlich durch materielle Ausführung von Plänen, Transport, Herstellungsprozessen, Beschaffung von Rohstoffen, usw. Die Mehrheit an Personen für diese Gruppe ist in den sozialistischen Ländern vor 1989 anzusiedeln.
- C, Am unteren Ende der drei Funktionsklassen stehen Geringverdiener, Gelegenheitsarbeiter, kleine Bauern, Arbeitslose, Saisonarbeiter und Halbkriminelle. Diese Unterschicht ist oft mittellos, Hunger leidend, krank und

[...]


1 D'Idler, M.: Die Modernisierung der Utopie, S. 245

2 vgl. ebd.

3 vgl. P.M. (2004): bolo’bolo, Transkription eines Videos von O. Ressler

4 ebd.

5 vgl. ebd.

6 vgl. P.M. (1995): bolo’bolo, 6. Aufl., S. 186, 188, 191f., 205f.

7 D'Idler, M.: Die Modernisierung der Utopie, S. 246

8 P.M. (1995): bolo’bolo, 6. Aufl., S. 7f.

9 P.M. (1995): bolo’bolo, 6. Aufl., S.8 ff.

10 ebd. S. 9

11 ebd. S. 14

12 ebd.

13 P.M. (1995): bolo’bolo, 6. Aufl., S.15

14 vgl. ebd. S. 24

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
"bolo’bolo". Untersuchung einer global-anarchistischen Utopie
Université
Munich University of Policy
Cours
Hauptseminar: Utopien und Dystopien im 20. Jahrhundert
Note
1,3
Auteur
Année
2014
Pages
16
N° de catalogue
V308273
ISBN (ebook)
9783668069398
ISBN (Livre)
9783668069404
Taille d'un fichier
2274 KB
Langue
allemand
Mots clés
anarchismus, utopie, bolo bolo
Citation du texte
Michael Port (Auteur), 2014, "bolo’bolo". Untersuchung einer global-anarchistischen Utopie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308273

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