Eine Verfassung für Europa
Die Europäische Union steht vor großen Veränderungen. Die jetzige Situation zeichnet sich durch einen unmerklichen Zentralisierungsprozess vieler Politikbereiche auf europäischer Ebene aus. Hieraus ergeben sich Handlungszwänge, die unsichere Grundlage der völkerrechtlichen Verträge der Europäischen Union durch eine klare Festschreibung politischer Rahmenbedingungen zu ersetzen. Die Struktur der Union beruht noch immer auf den Institutionen der EGKS1, die es gilt zu reformieren, um den Herausforderungen der Europäischen Union mit 25 oder mehr Mitgliedern im 21. Jahrhundert gerecht zu werden. Der Konvent hat vorbereitet, was die europäische Union für den dynamischen Wandel braucht: Die Entwicklung einer Verfassung, um Europa eine gemeinsame Identität zu geben.
Der vom Europäischen Konvent vorgelegte Entwurf für eine Verfassung für Europa macht deutlich, dass nach einem 50-jährigen Integrationsprozess eine Vergewisserung über eine Konstitutionalisierung der Europäischen Union notwendig wird. Der Begriff der Verfassung scheint hier in zunehmendem Maße nicht auf ausschließlich souveräne Staaten anwendbar, sondern auch auf ein Ensemble von Staaten, die in einer Verflechtung unter einer gemeinsamen Verfassung verbunden sind.
Daher ist die Verfassung von Europa kein einmaliger Prozess, der nun möglich wird, vielmehr hat der Konstitutionalisierungsprozess schon mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 begonnen. In den vorangegangenen Reformen der Verträge5 wurde die Europäische Union weder auf wachsende globale Strukturen noch auf das Anwachsen auf 25 oder gar 28 Staaten vorbereitet. Auf den Sitzungen des ER wurden immer neue Bestimmungen angefügt oder Bestandteile erweitert, so dass eine klare Aufgabenabgrenzung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten oder zwischen den supranationalen Organen und Institutionen nicht mehr eindeutig wird. Der institutionelle Rahmen der EU ist ein Flickenteppich und wird den Anschein der Willkür nicht mehr los.
Der Konvent zur Reform der Europäischen Union hat innerhalb von siebzehn Monaten einen umfangreichen „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ mit 465 Artikeln, Protokollen und Erklärungen ausgearbeitet und dem Präsidenten des Europäischen Rates am 18. Juli 2003 in Rom überreicht.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Eine Verfassung für Europa
- 2. Einordnung des Europäischen Konvents
- 2.1. Der Post Nizza-Prozess
- 2.2. Die Erklärung von Laeken
- 3. Die Darstellung des Europäischen Konvents
- 3.1. Die Arbeitsweise des Konvents
- 3.2. Aufbau des Vertragsentwurfs über eine Verfassung für Europa
- 3.2.1. Die Institutionen der EU
- 3.2.1.1. Der Europäische Rat
- 3.2.1.2. Der Präsident des Europäischen Rates
- 3.2.1.3. Der Außenminister der Union
- 3.2.1.4. Der Ministerrat
- 3.2.1.5. Die Europäische Kommission
- 3.2.1.6. Das Europäische Parlament
- 3.2.1.7. Die nationalen Parlamente
- 3.2.2. Die Charta der Grundrechte
- 3.2.3. Zur Reform der Politikbereiche
- 3.2.4. Die Rechtsetzungsverfahren
- 3.2.5. Das Sezessionsrecht
- 3.2.1. Die Institutionen der EU
- 4. Eine normative Analyse des Europäischen Konvents
- 4.1. Die normative Begründung einer Verfassung
- 4.2. Kosten der Entscheidungsfindung
- 4.3. Direkte Demokratische Kontrolle
- 4.4. Die Konstituanten einer Verfassung
- 4.5. Ein europäisches Zweikammernsystem
- 4.6. Eine europäische Regierung
- 4.7. Das Subsidiaritätsprinzip
- 4.8. Eine föderale Struktur
- 5. Eine politökonomische Betrachtung des Europäischen Konvents
- 5.1. Die Interessen der Organe und sonstigen Institutionen
- 5.1.1. Die Europäische Kommission
- 5.1.2. Die Vertreter der nationalen Regierungen
- 5.1.3. Das Europäische Parlament
- 5.1.4. Die nationalen Parlamente
- 5.2. Das Zentralisierungsinteresse der Mitglieder des Konvents
- 5.3. Durch Deliberation zur Konsensfindung
- 5.4. Die Zentralisierung der Politikbereiche
- 5.5. Die Finanzen der Union
- 5.1. Die Interessen der Organe und sonstigen Institutionen
- 6. Zusammenfassung und Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit dem Europäischen Konvent aus politökonomischer Sicht. Sie analysiert die Arbeitsweise und den Vertragsentwurf des Konvents, untersucht die normative Begründung einer europäischen Verfassung und betrachtet die politökonomischen Interessen der beteiligten Akteure.
- Die normative Grundlage einer Verfassung für Europa
- Die politökonomischen Interessen der Akteure des Europäischen Konvents
- Die Folgen der Entscheidungsfindung im Europäischen Konvent
- Die Zentralisierungstendenzen im europäischen Integrationsprozess
- Der Einfluss der Finanzpolitik auf die Entscheidungsfindung im Konvent
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 bietet einen einleitenden Überblick über die Bedeutung einer Verfassung für Europa. Kapitel 2 ordnet den Europäischen Konvent in den Post Nizza-Prozess und die Erklärung von Laeken ein. Kapitel 3 beschreibt die Arbeitsweise des Konvents und den Aufbau des Vertragsentwurfs, einschließlich der Institutionen der EU und der Charta der Grundrechte. Kapitel 4 analysiert die normative Begründung einer Verfassung und untersucht die Kosten der Entscheidungsfindung, die direkte demokratische Kontrolle, die Konstituanten einer Verfassung, ein mögliches Zweikammernsystem, eine europäische Regierung, das Subsidiaritätsprinzip und eine föderale Struktur. Kapitel 5 untersucht die politökonomischen Interessen der beteiligten Akteure, insbesondere der Europäischen Kommission, der Vertreter der nationalen Regierungen, des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente, sowie das Zentralisierungsinteresse der Mitglieder des Konvents. Es analysiert die Rolle von Deliberation bei der Konsensfindung und untersucht die Zentralisierungstendenzen in verschiedenen Politikbereichen, einschließlich der Finanzpolitik.
Schlüsselwörter
Europäischer Konvent, Verfassung für Europa, politökonomische Analyse, Interessenvertretung, Entscheidungsfindung, Zentralisierung, Subsidiarität, Finanzpolitik, Deliberation, Konsensfindung.
- Quote paper
- Oliver Altenhoff (Author), 2004, Der Europäische Konvent aus politökonomischer Sicht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30941