Das Saarbrücker School Shooting vom 25. Mai 1871. Täter, Tat, Öffentlichkeit


Master's Thesis, 2015

127 Pages, Grade: 1,1


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. School Shooting - ein zeitloses Phänomen jugendlicher Gewaltausbrüche?.
1.1. Forschungsinteresse und Leitfrage
1.2. Amokforschung mit Schwerpunkt School Shootings
1.2.1. Amerikanische und deutsche Schulamokforschung
1.2.2. Aufarbeitung des Falles Becker aus Saarbrücken
1.3. Quellenlage zum Fall Becker
1.4. Methodisches Vorgehen

2. Der Fall Becker: eine historische Einordnung

3. Täter: „hochfahrend und eingebildet, nicht aber verrückt“
3.1. Julius Becker aus Saarbrücken
3.2. Analyse Risikofaktoren
3.2.1. Individuell-biografische Faktoren
3.2.2. Individuell-schulische Faktoren
3.2.3. Waffenzugang
3.3. Erfahrungsgeschichte: Ein ‚harmloser Irrer‘?
3.4. Zwischenfazit

4. Tathergang: „frevelhafter“ Mordversuch oder School Shooting?
4.1. Ein Saarbrücker Mordversuch: „Wir stehen am Ende“
4.2. Warnung und Planung: Signale eines School Shootings
4.2.1. „Ich werde mich rächen“ - Tatankündigung: Leaking 1871
4.2.2. (K)ein Schema F - Tatverlauf damals und heute
4.2.3. Social Capital - Die legitimierte Blindheit von Gemeinschaften
4.3. Zwischenfazit

5. Öffentlichkeit: „Ein eben so seltsamer als bedauerlicher Vorfall“
5.1. Gerichtsverhandlung Saarbrücken
5.1.1. Assisenhof und Strafgesetzbuch
5.1.2. Zurechnungsfähigkeit Beckers
5.1.3. Öffentliches Interesse
5.2. Berichterstattung
5.2.1. Öffentliche Meinungsbildung
5.2.2. Aspekte der Singularität
5.3. „Schmerzliche Aufregung“: Ein öffentliches Trauma?
5.4. Zwischenfazit

6. School Shooting 1871 - ein historischer Nachweis

7. Bezeichnende Alternativen

8. Literatur

9. Anhang

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: heutige Friedenskirche um 1900

Abbildung 2: Geburtsakte Julius Beckers vom 04.01.1853

Abbildung 3: Klassenfoto der Prima und Sekunda 1871

Abbildung 4: Undatiertes Klassenfoto

Abbildung 5: Übersicht der Anstaltsaufenthalte Julius Beckers (1872-1907)

1. School Shooting - ein zeitloses Phänomen jugendlicher Gewaltausbrüche?

"Wenn man f ü nf ist und einem etwas weh tut, l äß t man das die ganze Welt mit gro ß em L ä rm wissen. Mit zehn wimmert man. Doch mit f ü nfzehn beginnt man die vergifteten Ä pfel zu essen, die auf dem inneren Baum des Schmerzes wachsen. Das ist die Art der Erleuchtung der westlichen Welt. Man stopft die F ä uste in den Mund, um die Schreie zu unterdr ü cken. Man blutet innerlich." 1

Charlie Decker ist der 17-jährige Protagonist in Stephen Kings Roman „Amok“, der dem Phänomen School Shooting - einer Form schwerer, zielgerichteter Schulgewalt2 - ein fiktives, jedoch real nachvollziehbares Gesicht verleiht. Er erschießt zwei seiner Lehrer und hält seine Mathematikklasse für mehrere Stunden fest, wobei die Jugendlichen in einer Art Therapiestunde3 die Schwierigkeiten des Heranwachsens in einer amerikanischen Kleinstadt aufarbeiten und ihre inneren Wunden nach außen zu kehren scheinen. Decker lässt „die ganze Welt mit großem Lärm wissen“, dass er verletzt ist und es scheint, als wäre er nicht der Einzige.

Bevor King 1977 seinen Roman veröffentlichte, erschießen zwischen 1966 und 1975 fünf Schüler insgesamt neun Menschen und verwunden weitere

28 an US-amerikanischen und kanadischen Schulen. Decker schien somit zum fiktiven Gesicht eines nordamerikanischen Problems zu werden, das in Europa zum ersten Mal 1989 für Aufsehen sorgte, hier jedoch bis 1999 im Gegensatz zu den 79 nachgewiesenen nordamerikanischen Fällen nur insgesamt sieben Mal auftrat.4 Der Seltenheitswert, gerade auf europäischem Boden, machte tötungsintendierte Übergriffe von Jugendlichen5 im Schulkontext lange Zeit zu einem Phänomen nordamerikanischer Gewaltkultur. So wurde infolgedessen der Roman „Amok“ aufgrund öffentlicher Anschuldigungen in den 1990er Jahren von King aus dem Druck genommen.6 Der negative Vorbildcharakter war jedoch kein neuer Vorwurf. Bereits 1871 hieß es in der Trierischen Volks-Zeitung:

„Americanische Schülerideen gedeihen auch mintunter auf deutschem Boden“7, nachdem der 18-jährige Gymnasiast Julius Becker aus Saarbrücken am 25. Mai des Jahres zwei Mitschüler mit einem Taschenrevolver schwer verwundete. Der Duktus der Tat erscheint bekannt und doch hieß es in der bisherigen theoretischen Auseinandersetzung, dass es sich bei School Shootings um ein noch recht junges Phänomen schwerer zielgerichteter Schulgewalt handelt. War Becker demnach kein School Shooter, sondern ein regulärer Mörder? Wo liegt der Unterschied? Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer historischen Untersuchung im Kontext der Schulamokforschung ergeben, stellen nicht nur aktuelle Erklärungsmuster für erschütternde Gewaltausbrüche in sicher geglaubten öffentlichen Institutionen auf die Probe. Sie eröffnen auch die Diskussion um den Mehrwert historischer Fallbeispiele für praxisorientierte Interventions- und Präventionsarbeit der Gegenwart.

Die vorliegende Arbeit wird hierbei anhand eines archivalischen Zufallsfundes aus Saarbrücken den Versuch unternehmen, empirische Forschungsergebnisse der letzten 20 Jahre zu bekannten School Shootings weltweit mit den verfügbaren Quellen von 1871 zu vergleichen und der Frage nachzugehen, ob es sich bei Julius Becker um einen School Shooter nach heutigen Standards handelte. Hierzu wird der Fall in drei Hauptanalysekategorien auf Besonderheiten des Täters, den Tatverlauf und die öffentlichen Reaktionen hin untersucht.

Eingangs wird der allgemeine Forschungsstand zu School Shootings, mit besonderem Augenmerk auf den USA und Deutschland, zusammengefasst. Da für die Fallanalyse im Rahmen der Arbeit in erster Linie mit Primärquellen gearbeitet wird, von denen einige bisher noch vollständig unbearbeitet waren, wird die Quellenlage näher erläutert, bevor die zugrunde liegenden Arbeitsthesen vorgestellt und das methodische Vorgehen der Arbeit erklärt wird. Im zweiten Kapitel erfolgt die historische Einordnung, die insbesondere in Hinblick auf kulturelle Skripts für männliche Jugendliche von Bedeutung ist. Hierzu wird ein Überblick zu Saarbrücken als preußischer Kreisstadt in der zweiten Hälfte des

19. Jahrhunderts und den Besonderheiten des institutionalisierten bürgerlichen Bildungsanspruches gegeben. Im Hauptteil der Arbeit wird der Fall Becker im Kontext verschiedener Erklärungsansätze der Forschung untersucht, wobei in Kapitel 3 Risikofaktoren anhand der Täterbiografie nachverfolgt, in Kapitel 4 Warnsignale in Bezug auf Tatvorfeld und -verlauf aufgezeigt werden und in Kapitel 5 Reaktionen der Öffentlichkeit, in Form von Gerichtsverhandlung und Pressespiegel, im Fokus stehen. Abschließend soll die Frage beantwortet werden, ob sich am 25. Mai 1871 in Saarbrücken das bisher älteste nachweisbare School Shooting der deutschen Geschichte ereignet hat. Der fiktive Decker und der reale Becker weisen demnach nicht nur eine Namensähnlichkeit auf, sondern können trotz ihrer Zuordnung zu verschiedenen Epochen als Vertreter einer jugendspezifischen Gewalt gelten, die ein extremer Ausdruck von versagenden Lösungsstrategien im Umgang mit Problemen der Hierarchisierung, Marginalisierung und Selbstfindung einer entscheidenden Entwicklungsphase ist.

Bildlich gesprochen hat also Decker, als er die Fäuste aus dem Mund nahm und niemand ihn schreien zu hören schien, seine Waffe nach außen gerichtet und seine Umwelt in das Spiegelbild seines inneren Blutbades verwandelt. Er war und ist nicht der Einzige.

1.1. Forschungsinteresse und Leitfrage

The Briefings. A national school safety symposium at Columbine. June 15-19 2015.8 Polizei ü bt Schul-Amoklauf in Wei ß ensee.9

In Konferenzen, Workshops oder Symposien, wie am ehemaligen Schauplatz des wohl berühmtesten School Shootings an der Columbine High School am 20. April 1999, versuchen Polizisten, Lehrkräfte und Wissenschaftler10 über Hintergründe, Ursachen und Interventionsmaßnahmen zu einem der medienwirksamsten und symbolisch hochaufgeladenen Phänomene der letzten Jahrzehnte zu informieren. In Deutschland schließen sich dem Sicherheitsbedürfnis ferner das Innenministerium und die Polizei mit Amok- Übungen für den Ernstfall an, wobei Notfallpläne und sogenannte Amokordner an Schulen spätestens seit dem 26. April 2002 mit dem Fall Steinhäuser in Erfurt eingeführt wurden. Trotz geringer Fallzahlen ist diese hohe Praxisorientierung ein Beispiel für den ambivalenten Umgang mit Gewalt in Industrienationen wie den USA und Deutschland. In diesen hat ein Zivilisationsideal nach Elias11 den Glauben an eine Gewaltabnahme und damit verbundener öffentlicher Sicherheit zu einem umso lauteren Umgang mit Angriffen auf Symbole westlich zivilisierter Institutionalisiertheit zur Folge. Schulen sind hierbei nicht nur Orte öffentlicher Repräsentation demokratischer Bildungsvorstellungen, sie beherbergen zudem auch die Zukunft der Gesellschaft, die sich in School Shootings selbst zu richten scheint. Diskussionen zum Einfluss moderner Massenmedien, gewalthaltiger Unterhaltungsmedien und dem Zugang zu Waffen sind hierbei nur ein Teil der öffentlichen Schuldzuweisungsprozesse. Die zivilisierte Moderne erschafft hiernach ihre eigenen Monster, die es zu verstehen gilt, um ihrer effektiv Herr werden zu können. Dieser Verstehensprozess wirkt hierbei jedoch meist einseitig, dämonisierend und sensationslustig, ohne sich der empirisch bereits belegten Multidimensionalität zu stellen. Diese wiederum wirft Fragen zu grundlegenderen Problemen der Gesellschaft auf und widerspricht dem öffentlichen Zivilisationsverständnis.

Zudem stellt sich die Frage, inwiefern es die westliche Welt mit einem modernen sozialen Phänomen zu tun hat, wenn School Shootings laut Spiegel Online vor über 100 Jahren in Deutschland ihren historischen Ursprung in einem Bremer Attentat auf eine Mädchenschule hatten.12 Für die vorliegende Arbeit soll dahingehend ein weiterer, noch recht unbekannter und bisher wenig bearbeiteter Fall mit dieser Untersuchung in den Kontext der aktuellen Forschung gestellt werden. Hierbei handelt es sich um einen Mordversuch des Gymnasiasten Julius Becker aus Saarbrücken, der am 25. Mai 1871 zwei seiner Mitschüler in einer Unterrichtspause schwer mit einem Taschenrevolver verwundete. Die zugrundeliegende Frage der Arbeit lautet somit:

Handelt es sich bei dem Fall des Julius Becker vom 25. Mai 1871 am Saarbrücker Gymnasium um ein School Shooting nach aktuellen Maßstäben?

Für eine genauere Untersuchung der Leitfrage werden die folgenden drei Arbeitsthesen den Hauptanalysekapiteln vorangestellt:

a) Zum Täter: Dem Täter, Julius Becker, können verschiedene Risikofaktoren, die aus der empirischen Amokforschung abgeleitet wurden, zugewiesen werden.
b) Zur Tat: Der Tathergang entspricht in Vorfeld und Verlauf bekannten Mustern von School Shootings.
c) Zur Öffentlichkeit: Die öffentliche Reaktion und mediale Berichterstattung weisen auf Singularität des Vorfalles hin und verweisen somit nicht auf ein soziales Phänomen.

Das Forschungsinteresse liegt hierbei zunächst in einer sauberen Zuordnung historischen Quellenmaterials im Rahmen eines symbolisch hoch aufgeladenen Untersuchungsfeldes. Welchen Mehrwert und Nutzen die Aufarbeitung eines historischen Falles wiederum hat, kann hierbei nur an einigen Stellen angedeutet werden, da es den Rahmen der vorliegenden Arbeit übersteigen würde. Für eine solche theoretische Einordnung bedarf es eines etwas genaueren Überblickes des bisherigen Forschungsstandes zum Thema School Shooting, wobei auch ein Blick in die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Fall Becker geworfen wird.

1.2. Amokforschung mit Schwerpunkt School Shootings

"Über Reiseberichte tradiert erreicht der Amok als Signum des Anderen die westliche Welt, um schließlich in seiner aktuellen Ausprägung vor allem als School Shooting das Fremde im Eigenen heraufzubeschwören."13

Ein grundlegendes Problem der theoretischen Arbeit zu School Shootings liegt in der fehlenden definitorischen Einheitlichkeit. Während gerade in der breiten Öffentlichkeit das Wort „Amok“ selbstverständlich mit Fällen schwer erklärbarer Mehrfachmorde im öffentlichen Raum verbunden wird, hat sich in der Forschung die Diskussion über eine Abgrenzung der zunehmend im Fokus stehenden Schulamokläufe von anderen Gewaltformen entwickelt. Einigkeit herrscht zumindest über die irreführenden Assoziationen des Wortes Amok, das aus dem malaiischen Raum kommt und als „Wut“ und „besinnungsloses Töten“ übersetzt werden kann. In den Beobachtungen des britischen Arztes John Desmond Gimlette zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Zusammenhang von Amoktaten und einer Unzurechnungsfähigkeit der Täter aufgrund von Geisteskrankheit spiegelte sich die zunehmende Pathologisierung des Phänomens in der Öffentlichkeit wieder.14 Hiermit geht eine Ursachenzuweisung mit der öffentlichen Begriffsnutzung einher, die empirisch nicht haltbar ist und eine Vereinfachung eines eigentlich multifaktoriellen Problems beinhaltet.15 Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, werden verschiedene Bezeichnungen in der Wissenschaft angeboten. Amerikanische Studien unterscheiden die sogenannten „School Shootings“ oftmals auch in Hinblick auf die Opferzahlen, wobei der Fokus auf Mehrfachtötungen liegt, die dann als „rampage“16 und „school rampage shootings“17 oder in allgemeinerer Form als „targeted school violence“18 bezeichnet werden. In Europa hat sich anstelle von Amok die Bezeichnung „School Shooting“ durchgesetzt, wobei sich diese in Deutschland auch unter Synonymen wie „Amoklauf“19 oder „Schulmassaker“20 wiederfindet. Für die vorliegende Arbeit wird der Begriff School Shooting verwendet, der hier nach Scheithauer und Bondü als eine Form der schweren, zielgerichteten Schulgewalt mit Tötungsabsicht verstanden wird.21 Im Folgenden wird ein etwas genaueres Bild des aktuellen Forschungsstandes zu verschiedenen Erklärungsansätzen im Rahmen von School Shootings gezeichnet, bei dem auch die bisherige Bearbeitung des Falles Julius Becker kurz betrachtet wird. Durch die vorhandenen Bezeichnungsschwierigkeiten wird auf den wissenschaftlichen Untersuchungsrahmen als Schulamokforschung verwiesen, auch wenn ansonsten der Begriff School Shooting benutzt wird.

1.2.1. Amerikanische und deutsche Schulamokforschung

"Zwar gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den USA und Deutschland, insbesondere im Schul- und Ausbildungssystem und in der Verbreitung und Bedeutung kultureller Symbole wie die des Sports und der popul ä ren Musik- und Filmangebote. Aber in den letzten f ü nfzehn Jahren, von denen hier die Rede ist, haben sich kulturelle Unterschiede zwischen Nordamerika und Europa weiter erheblich vermindert." 22

Demnach erscheint es plausibel, dass ein Blick in den Forschungsstand zur Untersuchung deutscher School Shootings immer wieder auch auf amerikanische Studien und Literatur Bezug nehmen muss.

Durch die Häufung von School Shootings in den 1990er Jahren, wobei der Höhepunkt hierbei in der globalen Betrachtung auf dem Massaker an der Columbine Highschool in Littleton, Colorado am 20. April 1999 liegt, sah sich die US-amerikanische Regierung in öffentlichem Zugzwang. Die mangelnden Erklärungs-, Interventions-, oder gar Präventionsmuster veranlassten Forschungsprojekte mit enormer staatlicher Förderung. So erarbeiteten der Secret Service und das Department of Education mit der Safe School Initiative23 einen ersten umfangreichen Fallkatalog, wobei nach kriminologischen Ansätzen an einer sogenannten Threat Assessment (Gefährdungsanalyse) gearbeitet wurde, aus der bestimmte Risikofaktoren und Warnsignale retrospektiv abgeleitet wurden.24 In den USA folgten hierauf weitere Studien, die sowohl den Ansatz der Risikofaktoren für eine Art Profiling anzulegen versuchten als auch auf Präventions- und Interventionsmöglichkeiten schauten.

Zur Grundlagenliteratur der Schulamokforschung gehören unter anderem die Arbeiten um die Soziologin Katherine Newman zu einem multifaktoriellen Erklärungsansatz. Ihre Anwendung des Konzeptes des „social capital“ auf School Shootings ist dabei ausschließlich auf US-amerikanische Fälle bezogen.25 Die Kombination aus milieuspezifischen Reaktions- und Handlungsmustern, den damit verbundenen kulturellen Skripts und verschiedenen biografischen Risikofaktoren der Täter scheint jedoch in Hinblick auf die meist mittelständische und kleinstädtische Herkunft deutscher Täter26 auch für die europäische Forschung einen bisher wenig genutzten Mehrwert zu besitzen.

Der Soziologe Glenn Muschert konzentriert sich hingegen stark auf den Öffentlichkeitsaspekt von School Shootings, wobei er aber grundlegend fünf verschiedene Typen von schulortrelevanten Angriffen unterscheidet, von denen für die vorliegende Arbeit nur rampage shootings und school-related targeted shootings von Interesse sind, die sich vor allem durch ihren einerseits gesellschaftlich-symbolischen und andererseits individuellen Charakter unterscheiden.27 Hierzu sei angemerkt, dass eine solche Unterscheidung die personalen Aspekte von rampage shootings und symbolischen Aspekte von school-related targeted shootings zu Gunsten einer Abgrenzung zu vereinfachen scheint.28

Eine zäsurbestimmte Chronologie in der Bearbeitung von School Shootings und der Veränderung von Kategorisierungen, die sich auch in Muscherts unterschiedlichen Zielorientierungen der Täter zeigen, wird in den Arbeiten von Ralph Larkin deutlich. Hier wird die einschneidende Wirkung des bis dato bekanntesten School Shootings von 1999 an der Columbine High School in Hinblick auf eine Erweiterung kultureller, sozialer und individueller Erklärungsmuster sowie neuer Handlungs- und Legitimationsskripts ausführlich bearbeitet.29 In der Auseinandersetzung mit der Schlüsselrolle Columbines für die nachfolgende Entwicklung und Wahrnehmung von School Shootings weltweit wird klar, dass es sich hierbei um eine sowohl quantitative30 als auch qualitative Veränderung und somit um eine verstärkte Wahrnehmung als bedrohliches soziales Phänomen handelte. Ein Fall von 1871 würde demnach chronologisch in die Linie von School Shootings vor 1999 gestellt werden, wobei dies nicht heißt, dass Fälle mit individuellen Erklärungsmustern und zielgerichteter Opferauswahl nach 1999 keine Rolle mehr spielen, sie bekommen nur, wie Muschert herausgearbeitet hat, wesentlich weniger mediale Aufmerksamkeit, was ähnlich wie bei anderen Gewaltformen im Schulkontext zu einer Marginalisierung führt.

Im Zusammenhang mit Columbine wird auch der Anstieg von bekanntgewordenen School Shootings außerhalb der USA gesehen, die zwischen 2000 und 2002 bereits 30 Prozent aller Fälle ausmachten.31 Für Deutschland sind nach Bondü erst seit 1999 mit einem Fall in Meißen, bei dem ein 15-jähriger Schüler seine Lehrerin mit zwei Küchenmessern ersticht, School Shootings nachweisbar, was einen direkten Bezug auf Columbine auch im deutschen Untersuchungskontext deutlich macht. Entscheidend hierbei ist auch, dass erst mit dem Fall von Emsdetten 2006 ein Täter gezielt Mitschüler als Opfer ausgewählt zu haben scheint, während zuvor Lehrkräfte im Fokus der deutschen Täter standen.32

Im Bereich psychopathologischer Erklärungsansätze machte Peter Langman33 2009 mit seiner Veröffentlichung zu Beobachtungen aus der psychiatrischen Betreuung von School Shootern ein neues, aber stark monokausales Deutungsmuster auf. Hierbei stellte er die These auf, dass alle Täter psychisch krank sind und sich die Präventionsarbeit demnach auf den Umgang und das Erkennen psychischer Probleme oder Fehlentwicklungen richten sollte. Wilfried Huck verweist hierbei zwar auch auf fehlentwickelte Bewältigungsstrategien Jugendlicher, er unterstreicht jedoch ebenfalls, dass für eine empirische Stärkung eines rein psychopathologischen Erklärungsansatzes die Ergebnisse sehr uneindeutig sind. Nur ein Teil der Täter war im Vorfeld in psychiatrischer Behandlung, mindestens die Hälfte wurde jedoch im Nachgang als psychisch krank eingeordnet.34

Auf der Grundlage amerikanischer Studien und Forschungsthesen haben spätestens seit 2002 auch deutsche Untersuchungen zum Thema School Shooting vermehrt stattgefunden.

Aus kriminologischer Perspektive leiteten Frank Robertz und Ruben Wickenhäuser aus den Ergebnissen amerikanischer Studien vor allem praktische Ansatzpunkte für Lehrkräfte und Schüler im Alltag ab. Dabei geht Robertz von biopsychosozialen Vulnerabilitäten Jugendlicher aus, die aufgrund von Marginalisierungen und Niederlagen zu einem Kontrollverlust führen, der dann in seiner Bearbeitung vor allem durch die Vertiefung von Phantasiewelten kompensiert wird und unter bestimmten Umständen zu einer Tatumsetzung führen kann.35 Auch Britta Bannenberg geht von Prävention in Form von Aufklärung über Ursachen und Warnsignale schulbezogener Amoktaten aus, wobei ferner die neuen Medien und eine jugendspezifische Täterbiografie im Vordergrund stehen.36

Unter Einbeziehung globaler Forschungsergebnisse mit einer gezielten und abgrenzenden Untersuchung deutscher School Shootings sind die Ergebnisse der Arbeitsgruppen unter der Leitung Professor Scheithauers von der Freien Universität Berlin von besonderem Interesse für die vorliegende historische Fallstudie. Im Laufe verschiedener Forschungsprojekte konnten Definitionen, Risikofaktoren und Warnsignale empirisch belegt werden und bieten somit zurzeit den aktuellsten Überblick der deutschen Schulamokforschung.37

Im Berliner Leaking Projekt38, das im Rahmen der Arbeitsgruppen Entwicklungswissenschaft und Angewandte Entwicklungspsychologie stattfand, wurde beispielsweise an das Ergebnis der Safe School Initiative angeschlossen, wonach in allen Fällen eine vorausgehende Ankündigung, in direkter oder indirekter Form, der Tat nachweisbar ist. Im Anschluss hieran wurden dann zwischen 2009 und 2013 im Projekt NETWASS (Network against School Shootings) Forschungsarbeiten zur Erarbeitung von Präventions- und Interventionsstrategien für Lehrer, Eltern und Schüler erstellt und getestet.

Aktuell werden seit März 2013 in dem Forschungsverbund TARGET39 Tat- und Fallanalysen hochexpressiver Gewalt interdisziplinär untersucht, wobei in Hinblick auf Vorfeld und Tatablauf empirisch-begründete Entwicklungsmodelle erarbeitet werden, die der Gewaltprävention dienen. Für die vorliegende Arbeit wird sich dabei in erster Linie auf die Ergebnisse aus Untersuchungen zu jugendlichen Einzeltätern, die im Rahmen von School Shootings agierten, bezogen. Der Vorteil des Forschungsverbundes liegt in den Möglichkeiten, multidimensionale Erklärungsmuster professionell zu erarbeiten und in der Verbindung verschiedener Ansätze einen möglichst breiten Rahmen für eine effektive Präventionsarbeit zu stecken.

Die Risikofaktoren, die Newman als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen herausgearbeitet hat, verbinden bereits individuelle, soziale und kulturelle Risikofaktoren, unter anderem Marginalität, individuelle Vulnerabilität (schließt Psychopathologie ein), kulturelle Skripts, Versagen institutioneller Kontrolle und Waffenzugang.40 Dem lassen sich spezifischere sozial- und psychodynamische Faktoren hinzufügen, wobei beispielsweise das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer näher betrachtet wird und Vorfeldmuster, wie Leaking oder auslösende Ereignisse einbezogen werden.41

Für die Fallanalyse wird daher die von Rebecca Bondü genutzte kriteriengeleitete Definition zugrunde gelegt, die School Shootings als

„ gezielte Angriffe eines (ehemaligen) Sch ü lers an seiner bewusst als Tatort ausgew ä hlten Schule mit potentiell t ö dlichen Waffen und T ö tungsabsicht “ bezeichnet. Hierbei ist „ die Tat ( … ) durch individuell konstruierte Motive im Zusammenhang mit dem Schulkontext bedingt und richtet sich gegen mit der Schule assoziierte, zumindest teilweise zuvor ausgew ä hlte Personen oder Personengruppen. “ 42

Im Anschluss an die empirischen und theoretischen Befunde der angloamerikanischen und deutschen Forschung lässt sich ein überdurchschnittlich vertretener Typus des School Shooters zeichnen, nach dem es sich um männliche, weiße Jugendliche aus zumeist intakten Mittelschichtfamilien handelt, die häufig Symptome psychischer Erkrankungen aufweisen und im direkten Vorfeld der Tat signifikante Niederlagen oder Verluste erlitten haben und in direkter oder indirekter Form ihre Umwelt über Tatabsichten informieren.43

Problematisch bleibt jedoch bei derartigen Zuschreibungen und auch in Hinblick auf eine explizite Interventions- und Präventionsarbeit zu School Shootings, dass bei einer geringen Inzidenz die Validität empirischer Studien infrage gestellt werden muss und vor allem Aussagen zur psychischen Gesundheit der Täter und eindeutigen Ursachenzuweisungen durch die Retrospektive der Fallstudien und den hohen Anteil an Tätersuiziden kritisch zu hinterfragen sind.44 Hinzu kommt das bei dem geringen Umfang vorhandener Studien die darin untersuchten Fälle sich noch dazu oftmals überschneiden oder auch unterschiedlichen Definitionen folgen, was aussagekräftige Ergebnisse einschränkt.45

1.2.2. Aufarbeitung des Falles Becker aus Saarbrücken

Unter dem Titel „Revolverschüsse statt Pausenbrot“ veröffentlichte Peter Wettmann-Jungblut 201246 einen zweiten Artikel zum Fall Julius Becker aus Saarbrücken, bei dem er diesen als die „Erfindung“ oder „Prototyp“ des modernen School Shootings bezeichnete. Seine Beweisführung stützte sich dabei auf Jahres- und Direktionsberichte des Saarbrücker Gymnasiums, Zeitungsberichte und Aufzeichnungen zu Erinnerungen eines Mitschülers des Täters, anhand derer er die erste Erwähnung des Falles im Jahr 200447 im Rahmen des 400jährigen Jubiläums des Ludwigsgymnasiums, ehemals Saarbrücker Gymnasiums, um eine definitive Verbindung zu heutigen School Shootings erweiterte. Trotz eines zunehmenden Interesses von Seiten deutscher Arbeitsgruppen im Themenfeld schulischer Gewaltforschung verblieb es bisher bei diesen beiden Veröffentlichungen, die in erster Linie einen Platz in der Regionalgeschichte des Saarlandes einnehmen, was an den jeweiligen Veröffentlichungsmedien, einer Jubiläumsgeschichte und einem Kultur- und Geschichtsmagazin des Saarlandes deutlich wird. Es kann also festgehalten werden, dass ohne den Fund und die Grundlagenarbeit durch Wettmann- Jungblut der Fall Becker keinerlei Aufmerksamkeit erfahren hätte, dass er jedoch weder ausrecherchiert, noch in die aktuelle Forschung einbezogen wurde. Demzufolge kann eine nähere Analyse des Falles unter forschungsspezifischen Fragestellungen Aufschluss über die wissenschaftliche Relevanz dieses archivalischen Zufallsfundes für die aktuelle Schulamokforschung geben.

Im Zusammenhang mit der historischen Einordnung fehlen milieuspezifische Untersuchungen zum Saarländischen Bürgertum am Ende des 19. Jahrhunderts, weshalb hier vorwiegend auf die zweibändige Geschichte der Stadt Saarbrücken von Rolf Wittenbrock48 und die Regionalstudien zum Saarland von Olaf Kühne und Annette Spellerberg zurückgegriffen wird.

1.3. Quellenlage zum Fall Becker

"Sie will und kann, das sei vorab bemerkt, vor allem in Ermangelung der fehlenden Landgerichtakten und Polizeiprotokolle weder die Hintergr ü nde und Motive der Tat ann ä hernd vollst ä ndig erkl ä ren, noch jene Tat in eine Reihe etwa mit den schrecklichen Ereignissen von Erfurt (Th ü ringen 2002) oder Littleton (USA 2003)49 stellen."50

Wettmann-Jungblut erkannte den Mehrwert des Kriminalfalles Becker von 1871 als er die Geschichte des Ludwigsgymnasiums recherchierte und stellte diesen 2004 noch sehr vorsichtig in den Kontext moderner Schulamokläufe, wobei er wenige Jahre später schon vom „Prototyp“ des School Shootings spricht. Der Quellenumfang hatte sich dabei nicht verändert, die Interpretation wurde jedoch nach dem Auftreten weiterer deutscher Fälle, deren Ähnlichkeit zum Saarbrücker Fall auf der Hand liegt, mutiger.

Vorab muss festgehalten werden, dass auch für diese Arbeit keine Landgerichtakten oder Polizeiprotokolle vorliegen, was eine vollständige Sicherheit in der Interpretation hinsichtlich der Motivlage auch weiterhin erschwert. Die bekannten Informationen zur öffentlichen Gerichtsverhandlung vom 15. November 1871 vor dem Assisengericht in Saarbrücken führten in der Recherche zum Landgericht Saarbrücken, wobei die zuvor im Landeshauptarchiv Koblenz liegenden Bestände an das Landesarchiv Saarbrücken abgegeben wurden. Hier wiederum beginnt der Bestand erst ab 1893, wobei eine kurze Anmerkung darauf verweist, dass ältere Zivilprozessakten 1944 im Staatsarchiv Koblenz verbrannt sind.51

Die vorhandenen Quellenbestände sind dennoch erstaunlich umfangreich, wobei die bereits ausgehobenen Materialien die Initialrecherche grundlegend erleichterten. So konnten in den regionalen Archiven der ehemaligen Rheinprovinz - Landeshauptarchiv Koblenz, Landesarchiv des Saarlandes, Stadtarchive Saarbrücken und Trier - die unvollständigen Jahresberichte über das Königliche Gymnasium und die Vorschule von Saarbrücken zwischen 1866 und 1904,52 Jahresberichte der Direktion für das Provinzialschulkollegium in Stadt Saarbrücken. Von der Zeit des stürmischen Wachstums bis zur Gegenwart. Saarbrücken 1999 (2). Koblenz sowie diverse Zeitungsberichte53 gesichtet werden. Eine intensivere Recherche mit Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort ergab zudem neue Quellenbestände, die ein detailliertes Bild des Lebens Beckers zeichnen helfen. Hierbei geben die Inskriptionsbücher54 und

Schülerverzeichnisse55 des Ludwigsgymnasiums Auskunft über die Brüder und Mitschüler Beckers. Ein Disziplinarfall eines Mitschülers von 187256 wirft weiterhin ein neues Licht auf einen der involvierten Lehrer. Von besonderem Mehrwert erweist sich der Fund von Krankenakten Beckers aus den Nervenheilanstalten Merzig57 und Andernach58, die als lose Blattsammlungen auch eine besondere Herausforderung in der Transkription und Sichtung darstellten. Die Streuung der Quellen liegt in der historischen Verwaltungsordnung der Rheinprovinz begründet, weshalb teilweise unvollständige und schwer lesbare Akten59 in Abschriften für das Kultusministerium in Berliner Archiven vorlagen, was sich im Laufe der Arbeit auf die Zitationsverweise auswirkt.60

Nach einer ersten Sichtung des Quellenmaterials wurde die Recherche auf Worms erweitert, wo die handschriftlichen Abiturschriften61 Beckers vorliegen sowie eine undatierte und eine im Herbst 1871 entstandene Klassenfotografie von Primanern und Sekundanern.62 Diese zeigen zwar nicht Julius Becker, sie bilden jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit einige seiner Wormser Mitschüler ab. Im Folgenden soll nun das methodische Vorgehen näher erläutert werden, mithilfe dessen die diversen erhobenen Quellen für die zugrundeliegende Leitfrage der Arbeit auf ihren Mehrwert hin untersucht werden. Es soll durchaus der Versuch unternommen werden, den Mordversuch Beckers von 1871 „in eine Reihe etwa mit den schrecklichen Ereignissen von Erfurt“63, Winnenden oder Littleton zu stellen.

1.4. Methodisches Vorgehen

"M ö glich ist nur eine Einzelfallanalyse, ausgehend von den vorhandenen F ä llen und ihren geschilderten Ü bereinstimmungen. Eine solche Analyse erlaubt eingeschr ä nkt eine, wenn auch prim ä r retrospektiv n ü tzliche Erkl ä rung einzelner Taten."64

In der Auseinandersetzung mit School Shootings als Kriminalfällen ohne eindeutig vorhersagbare Tatumsetzungen ist eine retrospektive Fallarbeit in einem Forschungsfeld mit geringer Inzidenz noch immer der beste Weg zur Ansammlung generalisierbarer Informationen, die für die Präventionsarbeit genutzt werden können. In diesem Zusammenhang unterscheidet sich also die Herangehensweise an aktuelle Fälle nicht von der Untersuchung eines historischen Falles. Zumal auch hier oftmals die Informationsbeschaffung für wissenschaftliche Zwecke, durch verschlossene Gerichtsakten und Polizeiberichte sowie fehlende Aussagen der Täter und deren Familien, eingeschränkt ist und sich dahingehend wenig von der Quellenlage des hier vorliegendes Falles unterscheidet.65

Konkret soll eine qualitative Einzelfallanalyse vorgenommen werden, die kriminologischen66, soziologischen67 und erziehungswissenschaftlichen Standards folgt.68 Hierbei wird angemerkt, dass die Uneinheitlichkeit der Herangehensweise innerhalb der Geschichtswissenschaft für die hier angedachte Analysearbeit zu einer gewissen Unschärfe führt. Aus diesem Grund wurde sich, was durchaus auch der theoretischen Verortung innerhalb der Schulamokforschung geschuldet ist, anderer Fachbereiche bedient. Die Arbeit wurde daher in die drei üblichen Analysethemen der Amokforschung in Täter, Tat und Öffentlichkeit unterteilt. Hierbei wurde die Reihenfolge an die chronologischen Bedürfnisse der historischen Bearbeitung angepasst, weshalb im Gegensatz zur üblichen Einführung der Tat hier die Täterbiografie am Anfang steht. Angelehnt an die empirischen Ergebnisse, vor allem quantitativer nordamerikanischer und deutscher Studien,69 werden diese Themen dann unter verschiedenen Kategorien untersucht, die für die Zwecke dieser Arbeit zusammengestellt wurden. Im Aufbau der einzelnen Kapitel werden im Kontext der Leitfrage jedem Untersuchungskapitel Arbeitsthesen zugrunde gelegt, denen dann die Schritte der Deskription, Analyse und Interpretation folgen, weshalb zumeist eine inhaltliche Quellenschau den aktuellen Untersuchungskategorien vorausgeht.

Im Detail wird zu Beginn die zentrale Täterbiografie im Kontext bekannter Risikofaktoren untersucht, die zu diesem Zweck in individuell-biografische und individuell-schulische Faktoren und den Faktor Waffenzugang unterteilt werden. Zur biografischen Abrundung wird eine Übersicht zur Entwicklung des Täters nach 1871 ergänzt, da diese in einem engen Zusammenhang mit der Tat stand. Der Tatverlauf wird anschließend auf Warnsignale wie Leaking, Tatplanung und -umsetzung hin untersucht, wobei auch das Konzept des social capital70 für eine historische Einordnung in kulturelle Skripts bildungsbürgerlicher Jugend genutzt wird. Der letzte thematische Schwerpunkt liegt anschließend auf der Untersuchung öffentlicher Reaktions- und Handlungsmuster, wobei gerade hier historisch bedingte Abweichungen aktueller Erklärungsmuster durch die Verschiebung administrativer und sozial-medialer Strukturen für den Aspekt der Ergebniserweiterung von besonderer Bedeutung sind. Reinhard Fatke stellte hierzu bereits fest, dass sich "aus dem Besonderen eines Einzelfalls (…) stets noch anderes von allgemeiner Relevanz ableiten (lässt) als nur das, was dem FRIEBERTSHÄUSER und ANNEDORE PRENGEL (Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim, München 1997.

Theoretiker in seinen kategorialen Blick gelangt."71 Somit dient die strukturelle Nachahmung qualitativer Fallanalysen vor allem der Vergleichbarkeit und der Emphase auftretender Besonderheiten, die vorhandenen Erklärungsansätzen eine gewinnbringende historische Perspektive hinzufügen und diese für neue Fragestellungen öffnet.

2. Der Fall Becker: eine historische Einordnung

O Saarland, Du Kleinod von strahlender Pracht, Du Grenzmark der deutschen Gefilde: Wir halten in Treuen wohl ü ber Dich Wacht,: Es dient jede Brust Dir zum Schilde. 72

In der kurzen Phase der Autonomie des Saarlandes unter französischem Protektorat nach dem zweiten Weltkrieg bedurfte es einer Hymne, die eine heimatliche Identifikation deutlich und möglich machte. Wie schwer eine solche Identifikation in der Grenzposition zwischen Frankreich und Deutschland auch 1950 noch sein würde, zeigt der Umgang mit der letzten Strophe des Saarliedes von Richard Limberger. Das oben abgedruckte Original von 1892 wurde von der Schutzmacht Frankreich aufgrund des deutschnationalistischen Kampfpathos gestrichen.73 Dabei zeigt es eine Entwicklung der ehemaligen preußischen Provinz, die zu Beginn der Eingliederung des Industriestandortes Saarland in die Rheinische Provinz nach dem 2. Pariser Frieden 181574 nicht absehbar war.75

Aufgrund eines verwaltungsrechtlichen und territorialen Machtkampfes der französischen und preußischen Regierungen wurde das 19. Jahrhundert für das Saarland zu einer Zeit infrage gestellter Loyalitäten76 und fehlender

Identifikationsklarheiten, da „eine so große Ferne von den politischen Machtzentren für die Saarstädte nachteilig war, zumal die Grenze zu dem vielfach als Bedrohung empfundenen Nachbarland Frankreich bis 1871 unmittelbar an das Stadtgebiet heranreichte."77 Nach 1815 gehört die Rheinprovinz zu einer von 12 preußischen Provinzen, die insgesamt um die 60 Prozent der Reichsbevölkerung ausmachten,78 und setzt sich aus 5 Regierungsbezirken zusammen, die wiederum in mehrere Kreise unterteilt waren. An deren südlichster Spitze lag, 1861 mit 15.726 Einwohnern belebt,79 die ehemalige Residenzstadt Alt- Saarbrücken als Verwaltungssitz im Kreis Saarbrücken,80 der wiederum zum Regierungsbezirk Trier gehörte (Süd). Die verschiedenen Zuständigkeitsbereiche wurden im preußischen Verwaltungssystem von Berlin aus kontrolliert und innerhalb der Rheinprovinz auf die Regierungsbezirke verteilt, wobei der liberale Westen, beeinflusst vom Code Napoleon, gegen die preußisch-konservativen Verwaltungsstrukturen in allen öffentlichen Bereichen protestierte,81 was es der preußischen Regierung erschwerte, „am Rhein bodenständig zu werden“, wobei dies nach Wilhelm Hankamer deren „eigene Schuld“ war, „weil sie altpreußische Gepflogenheiten auf die in der Selbstverwaltung groß gewordene rheinische Bevölkerung zu übertragen suchte."82 Hankamer geht hierbei sogar so weit, die Rheinprovinz als das „Aschenbrödel“ Preußens zu bezeichnen, dessen „wirtschaftliche Leistungen nicht selten für den rückständigen Osten ausgemünzt worden sind.“83 Die außerordentliche wirtschaftliche Entwicklung saarländischer Gebiete seit der Jahrhundertmitte fußte hierbei größtenteils auf den bereits privatisierten Kohlegruben, allgemein geographischen Vorteilen und, dank des Ausbaus des Eisenbahnstreckennetzes, dem Transportwesen.84 So erarbeitete sich Rheinpreußen im 19. Jahrhundert nach England und vor Frankreich die Position als Marktführer in Industrie und Fabrikwesen.85

Ein Großteil französischen Rechts wurde beibehalten,86 wobei zur gleichen Zeit ein sehr kleiner Kreis einer vorwiegend preußisch-protestantischen, bürgerlichen87 Oberschicht einer großen „katholischen-agroproletarischen Unterschicht“ gegenüberstand. Erst in den 1860er Jahren wandelte sich der „antipreußische Liberalismus hin zum regierungsfreundlichen Nationalliberalismus“ auch in weiteren Kreisen.88

Aus dem ursprünglichen Argwohn gegenüber den Preußen wurde spätestens mit der saarländischen Rolle im Deutsch-Französischen Krieg 1870 eine überschwängliche Huldigung und Identifikation mit der preußisch-deutschen Großmacht. Als „Grenzmark89 der deutschen Gefilde“ wurde die Bevölkerung des Saarlandes, allen voran die Saarstädte Saarbrücken und St. Johann, herausgefordert, ihre Treue unter Beweis zu stellen und gegen Frankreich „jede Brust (…) zum Schilde“90 zu formen. Der Triumph in der Schlacht von Spichern91 am 6. August 1870 wurde somit nicht nur ein Symbol militärischer Überlegenheit Preußens, sondern vor allem eine Manifestation deutscher Loyalität im Saarland, das sich selbst als Schutzwall mit Rückendeckung aus Berlin betrachtete. Hierbei ist bemerkenswert, wie die „selbstmörderische92 Schlacht“ zum „entscheidenden saarländischen Beitrag für das Vaterland auf seinem siegreichen Weg hin zum mächtigen Kaiserstaat“93 und damit zum „größten Ruhmesblatt der lokalen Geschichte“94 avancierte.

Doch Spichern war nicht nur aus identifikatorisch-nationaler Perspektive von großer Bedeutung, es involvierte vor allem die unmittelbare Umgebung, unter anderem auch das städtische Gymnasium. In dessen Chronik wird dann auch der direkte Einfluss des Kriegsgeschehens auf die Schule deutlich:

"Am 2. August, als der Feind unter heftigem Feuer die Stadt Saarbr ü cken besetzte, mu ß te der Unterricht ausgesetzt werden. Eine franz ö sische Gewehrkugel, die in die Quinta einschlug, verursachte keinen Schaden. Das siegreiche blutige Gefecht vom 6. August bei Spichern machte es nothwendig, da ß auch die R ä ume des Gymnasiums zur Aufnahme von Verwundeten eingerichtet wurden. Der Unterricht mu ß te daher abgebrochen werden; ebendamit fiel die Schulfeier fort." 95

Das Gymnasium stellte hierbei nicht nur Räume und Zeit zur Verfügung, sondern auch Soldaten. Aus der Prima und Sekunda traten insgesamt fünf Schüler in den Kriegsdienst ein und nahmen an der Schlacht von Spichern teil.96 Der Nationalstolz, der diese jungen Männer in den Krieg trieb, ist ebenso ein Zeichen des bürgerlichen Selbstverständnisses der Abiturienten, als auch der vollständigen Anerkennung „Preußens als Schutzmacht des saarländischen Bürgertums.“97 Die Rolle der Jugend, insbesondere der jungen privilegierten gebildeten Männer,98 in einer Region, die ihren Beitrag zur nationalen Geschichte zu einem Identifikationsmoment ihrer eigenen stilisierte, ist stark bestimmt von einem bürgerlichen Männlichkeitsideal, das „Stärke und Schönheit zu einem Symbol von Gesellschaft und Nation"99 verbindet. So fehlt es nach der Schlacht von Spichern nicht "an Vorbildern, waren doch allein in St. Johann zwischen Juli 1870 und März 1871 etwa 3.500 Offiziere, 88.000 Soldaten und 5.000 Pferde einquartiert."100 Inwieweit das klassische Gymnasium auch in so bedeutender Entfernung zu Berlin und so großer Nähe zu Frankreich den bürgerlich nationalen Erziehungsauftrag101 umzusetzen suchte, wurde bereits in der Festrede des Oberlehrers Wilhelm Schmitz am Saarbrücker Gymnasium zum 50-jährigen Jubiläum der Zugehörigkeit Saarbrückens zum preußischen Territorium 1865 deutlich:

"Hat das Gymnasium auch zun ä chst die Aufgabe, seinen Z ö glingen einen Schatz von n ü tzlichen, an und durch welche die Kraft des jugendlichen Geistes ge ü bt

und gest ä rkt werden soll, so darf es doch auch keine Gelegenheit vor ü bergehen lassen, in seinen Angeh ö rigen die Einsicht ü ber ihr Verh ä ltnis zu dem Gesamtorganismus des Lebens, dem sie als Glieder angeh ö ren, zu dem Staate,

von dem sie getragen werden, zu dem Vaterlande, dem sie in Treue zu dienen berufen sind zu wecken, damit das urspr ü nglich Gef ü hl der Zusammengeh ö rigkeit mit einer bestimmten Volksgemeinschaft sich in ihnen

erweitere und erhelle zu einer klaren, bewu ß ten Vaterlandsliebe." 102

Das Königliche Gymnasium zu Saarbrücken, seit 1904 Ludwigsgymnasium, wurde 1604 unter nassau-saarbrückischer Regierung gegründet und war auch 1871 noch das einzige Vollgymnasium103 im näheren Umkreis, das nächste war erst wieder in Trier zu finden.104 Im Gegensatz zu anderen Schulformen der Zeit konnte das Gymnasium seine elitäre Stellung verteidigen und wurde nicht durch wachsende Schülerzahlen, im Zuge eine „eruptiven“ Industrialisierung in Saarbrücken, zu stark in ihren Kapazitäten eingeschränkt.105 Hierdurch konnte noch bis 1892 die heutige Friedenskirche als Schulgebäude genutzt werden (siehe Abb. 1). Dies war unter anderem dem ständig ansteigenden Schulgeld zuzurechnen, das 1866 für die oberen Klassen 25 Taler und gestaffelt etwas weniger für die unteren Klassenstufen betrug,106 sowie einer sehr geringen Abiturientenrate von 19 Prozent im Gegensatz zum Rest Preußens. Mit der Reputation eines besonders selektiven Gymnasiums ging somit auch ein sehr hohes Ansehen der Saarbrücker Lehrerschaft, der Abiturienten und ihrer Familien einher.107 Für die Darstellung patriotischer Loyalität war es daher ungemein wichtig, dass die nationalen Feiertage mit „der Allmacht des Wortes“108 zelebriert wurden, was dann eine besondere Auszeichnung für die jeweiligen Festredner und darbietenden Schüler bedeutete.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: heutige Friedenskirche um 1900109

Der Anteil katholischer Schüler, im Sommersemester 1871 immerhin 59 von 231 Schülern,110 spiegelte zudem die konfessionelle Verteilung bildungsbürgerlicher Eliten in Saarbrücken wieder. 1871 waren 65,4 Prozent der Bevölkerung protestantisch, ähnlich wie in ganz Preußen war jedoch die bürgerliche Oberschicht auch hier fast vollständig protestantisch. Der Katholizismus hatte sich bereits seit geraumer Zeit durch die allgemein industriell geprägten rheinischen Gebiete mit katholischer Mehrheit und die konfessionelle Durchmischung wirtschaftsbedingter Zuwanderungswellen zur Unterschichten- religion entwickelt.111 Die Stellung des Gymnasiums, das unter preußischem Protektorat vollständig der Kontrolle durch Berlin und Koblenz unterlag,112 innerhalb Saarbrückens war dahingehend besonders repräsentativ für die Zeit. Aufgrund des konfessionell gespaltenen und bürgerlichen Klientels spiegelte es die Dynamiken der Bildungselite in Zeiten des Umschwungs in politischer, demographischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Saarbrücken, neben St. Johann die einflussreichste Stadt des Saarreviers, stellte Leitbilder für die gesamte Umgebung bereit.113

Das 19. Jahrhundert steht deutlicher als je zuvor für eine Veränderung gesellschaftlicher Aufstiegschancen außerhalb von Klassenzugehörigkeiten, da nun „der Bildungsweg und die berufliche Position den sozialen Status“ prägen und „das ästhetische Urteilsvermögen und kulturelle Kapital (…) über die Partizipation an der Kultur (mitentscheiden)."114 Hierbei wird häufig auch auf die Abkopplung der Herkunftsbedeutung hingewiesen. Allerdings wird der elitäre Charakter begünstigter Familien durch "das Sozialprestige der deutschen Bildungsdiplome in einer Zeit, in der weniger als 0,2 Prozent der Bevölkerung das Gymnasium, nicht einmal 0,1 Prozent eine Hochschule besuchten“115 besonders deutlich. Nun hatte sich in Saarbrücken durch die Modernisierung im Zuge der Industrialisierung ein gesellschaftlicher Wandel, vor allem individueller Lebenswelten, vollzogen, der einer ehemals agrarisch geprägten Region im städtischen Raum ein neues bürgerliches Gesicht verliehen hatte.

Die Saarbrücker Gymnasiasten repräsentieren somit einen zukunftstragenden Leitbildcharakter und stellen auch den Fokus der vorliegenden Fallanalyse dar, da der Großteil von ihnen direkt in die Tat des Primaners Julius Becker am 25. Mai 1871 involviert war. Im Folgenden wird zum besseren Verständnis der Tat die Biografie Beckers mit dem Lebensumfeld Schule verbunden und auf eventuelle Risikofaktoren hin untersucht.116

3. Täter: „hochfahrend und eingebildet, nicht aber verrückt“

"Erst wenn wir der Gewalt nicht bloß mit Empörung begegnen, sondern die Vorstellungswelt der Täter zu analysieren versuchen, ergeben sich auch Chancen einer erfolgreichen Intervention gegen Gewalttaten."117

Um der Vorstellungswelt, insbesondere jugendlicher School Shooter, näher zu kommen, bedarf es einer sehr genauen Betrachtung biografischer Besonderheiten einzelner Täter. Aufgrund der Historizität des zugrunde liegenden Falles dieser Arbeit, muss noch dazu eine historische Einordnung dieser Vorstellungswelt vorgenommen werden. Zu diesem Zweck soll die Person Julius Becker eingangs etwas detaillierter vorgestellt werden. Auf die biografische Darstellung folgt der Analyseteil zu täterorientierten Risikofaktoren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Geburtsakte Julius Beckers vom 04.01.1853118

[...]


1 STEPHEN KING: Amok. Aus dem Engl. von Joachim Honnef. München 1988, S. 205.

2 REBECCA BONDÜ und HERBERT SCHEITHAUER: School Shootings in Deutschland: Aktuelle Trends zur Prävention von schwerer, zielgerichteter Gewalt an deutschen Schulen. In: Praxis der Kinderpsychologie & Kinderpsychiatrie. Bd. 58 2009, S. 685-701, S. 686.

3 Smythe beschreibt die zunehmende Identifikation der Geiseln mit Decker als Stockholm-Syndrom. JAMES SMYTHE: Rereading Stephen King: week four-Rage. In: the Guardian, 3. Juli 2012.

4 REBECCA BONDÜ: School Shootings in Deutschland. Internationaler Vergleich, Warnsignale, Risikofaktoren, Entwicklungsverläufe. Dissertation. Berlin 2012, S. 472.

5 Die Anzahl von Täterinnen wird momentan auf 6 Prozent geschätzt, was nicht unbedeutend ist, aber im Zusammenhang mit einer, vor allem im historischen Kontext, rein männlichen Schulgewalt hier zu vernachlässigen. Es wird daher im Folgenden die männliche Form benutzt und bei Bedarf auf Geschlechterdifferenzen hingewiesen.

6 SMYTHE (siehe Anm. 3)

7 STADTARCHIV TRIER: Vermischtes. Saarbrücken. In: Trierische Volks-Zeitung, 27. Mai 1871, S. 2. 4

8 "I LOVE U GUYS" FOUNDATION: The Briefings. A national school safety symposium at Columbine 2015. Verfügbar unter: http://thebriefings.org/. Zugriff am 12. September 2015.

9 Grossübung in Berlin. Polizei übt Schul-Amoklauf in Weißensee. In: Berliner Zeitung, 23. Juli 2015

10 Hier wird der Einfachheit halber auf eine Differenzierung männlicher und weiblicher Formen in der Schreibung verzichtet.

11 NORBERT ELIAS: Über den Prozeß der Zivilisation. Basel 1939. 5

12 RENÉ SCHLOTT: Bremer Schulmassaker 1913. "Onkel, erschieß uns nicht!". In: Spiegel Online, 19. Juni 2013.

13 DANIEL ZIEGLER: Der Fall "Breivik" in den Massenmedien. Gesellschaftliche Verarbeitungspraktiken von Phänomenen entgrenzter Gewalt. In: Amok und Schulmassaker. Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen. Hrsg. von Ralf Junkerjürgen und Isabella von Treskow. Bielefeld 2015, S. 101-119, S. 106.

14 Amok. In: The British Medical Journal 1 (1901), No. 2112. Zugriff am 11. September 2015, S. 1569-1570. Es gibt durchaus differenziertere Betrachtungen zu Amokläufen, in denen auch die kriegerisch oder religiös ritualisierten Elemente im Vordergrund stehen und ein Zusammenhang zu heutigen „homocide-suicides“ hergestellt wird. JOHN C. SPIRES: Running Amok: An Historical Inquiry. Athens, Ohio 1988 (International Studies, Southeast Asia Series 48).

15 LOTHAR ADLER: Amok. Geschichte und Ergebnisse aus psychiatrischer Perspektive. In: Amok und Schulmassaker. Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen. Hrsg. von Ralf Junkerjürgen und Isabella von Treskow. Bielefeld 2015, S. 17-49.

16 KATHERINE S. U.A. NEWMAN: rampage. the social roots of school shootings. Why violence erupts in close-knit communities-and what can be done to stop it. New York 2005.

17 R. W. LARKIN: The Columbine Legacy. Rampage Shootings as Political Acts. In: American Behavioral Scientist 52 (2009), H. 9. Zugriff am 12. Juni 2015, S. 1309-1326; GLENN W. MUSCHERT: Research in School Shootings. In: Sociology Compass 1 (2007), H. 1. Zugriff am 25. Juni 2015, S. 60-80; MICHAEL ROCQUE: Exploring school rampage shootings. Research, theory, and policy. In: The Social Science Journal 49 (2012), H. 3. Zugriff am 19. August 2015, S. 304-313.

18 ROBERT FEIN, BRYAN VOSSEKUIL, WILLIAM POLLACK, RANDY BORUM UND MODZELESKI, WILLIAM & REDDY, MARISA: Threat assessment in schools: A guide to managing threatening situations and to creating safe school climates. Washington D.C. 2002.

19 BRITTA BANNENBERG: Amok. Ursachen erkennen - Warnsignale verstehen - Katastrophen verhindern. Gütersloh 2010. FRANK J. ROBERTZ UND RUBEN WICKENHÄUSER: Der Riss in der Tafel. Amoklauf und schwere Gewalt in der Schule. 2., aktualisierte Auflage. Berlin, Heidelberg 2010.

20 RALF JUNKERJÜRGEN und ISABELLA von TRESKOW (Hrsg.): Amok und Schulmassaker. Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen. Bielefeld 2015.

21 BONDÜ und SCHEITHAUER (siehe Anm. 2), S. 686. 8

22 HENNING ERNST MÜLLER: Anmerkungen zum Schulmassaker aus kriminologischer Sicht. In: Amok und Schulmassaker. Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen. Hrsg. von Ralf Junkerjürgen und Isabella von Treskow. Bielefeld 2015, S. 51-68, S. 54.

23 FEIN, VOSSEKUIL, POLLACK, BORUM AND MODZELESKI, WILLIAM & REDDY, MARISA (siehe Anm. 18)

24 Die Untersuchung startete im Juni 1999 und umfasst 37 Fälle von School Shootings zwischen 1974 und 2000.

25 NEWMAN (siehe Anm. 16)

26 REBECCA BONDÜ, SABINE MEIXNER, HEIKE DELE BULL, FRANK J. ROBERTZ und HERBERT SCHEITHAUER: Schwere, zielgerichtete Schulgewalt: School Shootings und "Amokläufe". In: Problemverhalten und Gewalt im Jugendalter. Erscheinungsformen, Entstehungsbedingungen, Prävention und Intervention. Hrsg. von Herbert Scheithauer, Tobias Hayer und Kay Niebank. Stuttgart 2008, S. 86-98, S. 90.

27 MUSCHERT (siehe Anm. 17), GLENN W. MUSCHERT und JOHANNA SUMIALA (Hrsg.): School Shootings: Mediatized Violence in a Global Age 2012 (Studies in Media and Communications Vol. 7).

28 Auch Newman et al. kennzeichnen die Opferwahl während rampage shootings in Abgrenzung zu allgemeinen School Shootings als primär symbolisch. ROCQUE (siehe Anm. 17), S. 306.

29 LARKIN (siehe Anm. 17)

30 Nach Huck sind vor 1999 neun Fälle bekannt, zwischen 1999 und 2009 bereits 29. WILFRIED HUCK: Amok. School Shooting und zielgerichtete Gewalt aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht. Berlin 2012.

31 BONDÜ, MEIXNER, DELE BULL, ROBERTZ und SCHEITHAUER (siehe Anm. 26), S. 87.

32 BONDÜ (siehe Anm. 4), S. 33f.

33 PETER LANGMAN: Amok im Kopf. Warum Schüler töten. Mit einem Vorwort von Klaus Hurrelmann. Weinheim, Basel 2009.

34 HUCK (siehe Anm. 30), S. 34. Huck gibt hier an , dass 17 Prozent der Täter zuvor in psychiatrischer Behandlung waren, was jedoch erneut kritisch betrachtet werden muss, da auch hier das erhobene Material einer eindeutigen Validität entbehrt, es kann jedoch Tendenzen aufzeigen. "Die meisten Täter wuchsen in 'intakten Familien' auf, eckten in ihrem sozialen Umfeld nur selten an und blieben in der Schule meist unauffällig. Von außen gesehen lebten sie in einer 'heilen Welt', die sie aber schließlich - für ihre Umgebung unverständlich - durch einen Gewaltakt zerstörten." Ebd., S. 4.

35 ROBERTZ AND WICKENHÄUSER (siehe Anm. 19); FRANK J. ROBERTZ: School Shootings. Über die Relevanz der Phantasie für die Begehung von Mehrfachtötungen durch Jugendliche. Frankfurt am Main 2004.

36 BANNENBERG (siehe Anm. 19); BRITTA BANNENBERG, PETRA BAUER und ALEXANDRA KIRSTE: Erscheinungsformen und Ursachen von Amoktaten aus kriminologischer, forensischpsychiatrischer und forensisch-psychologischer Sicht. In: Forens Psychiatr Psychol Kriminol 8 (2014), H. 4. Zugriff am 5. September 2015, S. 229-236.

37 VINCENZ LEUSCHNER und NILS BÖCKLER: School Shootings. Aktueller Forschungsstand. In: Wissenschaft & Frieden (2014), H. 1. Verfügbar unter: http://wissenschaft-und- frieden.de/seite.php?artikelID=1943. Zugriff am 25. Juli 2015, S. 25-29.

38 BONDÜ (siehe Anm. 4)

39 HERBERT SCHEITHAUER und VINCENZ LEUSCHNER: TARGET- Tat- und Fallanalysen hochexpressiver zielgerichteter Gewalt. Komparative Analysen nationaler und internationaler Fallakten zur Ermittlung kausaler Risikofaktoren und zur Verbesserung von Prädiktion, Prävention und Intervention. In: forum kriminalprävention (2014). Zugriff am 25. Juli 2015, S. 43-45.

40 NEWMAN (siehe Anm. 16), S. 229f.

41 FRIEDRIKE SOMMER, VINCENZ LEUSCHNER und HERBERT SCHEITHAUER: The Crucial Role of Social Dynamics in the Development of School Shootings. In: International Journal of Developmental Science 8 (2014). Zugriff am 21. Mai 2015, S. 3-24.

42 BONDÜ (siehe Anm. 4), S. 25. HERBERT SCHEITHAUER: Berliner Leaking Projekt. Verfügbar unter: http://www.leaking-projekt.de/. Zugriff am 9. September 2015.

43 HUCK (siehe Anm. 30), S. 8.

44 BONDÜ, MEIXNER, DELE BULL, ROBERTZ und SCHEITHAUER (siehe Anm. 26) 13

45 HUCK (siehe Anm. 30), S. 23.

46 PETER WETTMANN-JUNGBLUT: Revolverschüsse statt Pausenbrot. In: saargeschichten. Magazin zur regionalen Kultur und Geschichte. Bd. 3. Alsweiler 2012, S. 26-33.

47 PETER WETTMANN-JUNGBLUT: „Wir stehen am Ende“. Gewalt des Krieges und Gewalt unter Schülern des Saarbrücker Gymnasiums in den Jahren 1870/1871. In: 400 Jahre Ludwigsgymnasium Saarbrücken. Kontinuität und Wandel. Hrsg. von Ludwigsgymnasium Saarbrücken. Saarbrücken 2004, S. 213-224.

48 ROLF WITTENBROCK (Hrsg.): Geschichte der Stadt Saarbrücken. Von den Anfängen zum industriellen Aufbruch (1860). Saarbrücken 1999 (1). ROLF WITTENBROCK (Hrsg.): Geschichte der

49 Littleton beschreibt hier das School Shooting an der Columbine High School von 1999.

50 LUDWIGSGYMNASIUM SAARBRÜCKEN (Hrsg.): 400 Jahre Ludwigsgymnasium Saarbrücken. Kontinuität und Wandel. Saarbrücken 2004, S. 217.

51 ARCHIVPORTAL FÜR DEN SÜDWESTEN: Bestand LG.SB Landgericht Saarbrücken. Verfügbar unter: http://www.archivdatenbank.lha-rlp.de/saarbr/b/v/. Zugriff am 12. September 2015.

52 Diese liegen in vollständiger Kopie auch im Archiv der Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin vor.

53 Es wurden zudem auch Zeitungsberichte aus dem Online-Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek zu Berlin gewonnen. STIFTUNG PREUSSISCHER KULTURBESITZ: ZEFYS Zeitungsinformationssystem. Verfügbar unter: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/. Zugriff am 12. September 2015.

54 LANDESARCHIV SAARBRÜCKEN: Inscriptionsbuch des Gymnasiums zu Saarbrücken, Teil III [Michaelis 1858 bis Ostern 1886], Landesarchiv Saarbrücken, Best. LuGym.SB, Nr. 20.

55 LANDESARCHIV SAARBRÜCKEN: Verzeichnis der Schüler nach den Klassen, Teil III [1858-1871], Landesarchiv Saarbrücken, Best. LuGym.SB, Nr. 19. S

56 PROVINZIALSCHULKOLLEGIUM KOBLENZ: Disziplinaraufsicht auf Lehrer und Schüler. Sachakte zu Disciplinar-Angelegenheiten bei dem Gymnasium zu Saarbruecken Nr. 55 [1841-1909], Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 405, Nr. 4825.

57 LANDESARCHIV SAARBRÜCKEN: Krankenakte(n) Julius Becker. Loseblattsammlung verschiedener privater Korrespondenzen, Interviewabschrift, Journaleinträge, etc. [1776 - 1882], Landesarchiv Saarbrücken, Best. LKH.MZG (= Landeskrankenhaus Merzig).

58 LANDESHAUPTARCHIV KOBLENZ: Krankenakte(n) Julius Becker (Provinzialirrenanstalt Andernach). Loseblattsammlung privater und offizieller Korrespondenzen, Protokolle, etc. zum Patienten J. Becker [1882-1907], Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 426,006, Nr. 16398.

59 LANDESHAUPTARCHIV KOBLENZ: Jahresberichte der Direktion des Gymnasiums zu Saarbrücken an das Schul-Kollegium der Rheinprovinz [1826-1873], Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 405, Nr. 4826.

60 GEHEIMES STAATSARCHIV PREUßISCHER KULTURBESITZ: Berichte zum Gymnasium in Saarbrücken der Geheimen Registratur des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten Berlin. Kultusministerium, VI Sekt. XXVII z Nr. 5 Bd. 7 Gymnasium in Saarbrücken [1867-1877], Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76, es handelt sich hierbei um Abschriften der eigentlichen Berichterstattung Direktor Hollenbergs an das Provinzialschulkollegium in Koblenz für das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten in Berlin; ARCHIV DER BIBLIOTHEK FÜR BILDUNGSGESCHICHTLICHE FORSCHUNG: Jahresbericht über das Königl. Gymnasium und die Vorschule zu Saarbrücken [1866- 1904], Archiv der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, 2AS3632.

61 STADTARCHIV WORMS: Schriftliche Abiturarbeiten Julius Becker. Bestand Altsprachliches Gymnasium (Rudi-Stephan Gymnasium) [3. Juli 1872], Stadtarchiv Worms, Abt. 55/1 Nr. 249A; STADTARCHIV WORMS: Abschrift Abiturzeugnis Julius Becker. Bestand Altsprachliches Gymnasium (Rudi-Stephan Gymnasium) [31. August 1872], Stadtarchiv Worms, Abt. 55/1 Nr. 213A.

62 STADTARCHIV WORMS: Prima und Sekunda des Wormser Gymnasium. Schülerfotografie [Herbst 1871], Stadtarchiv Worms, Abt. 55-1, Nr. 804_1871; STADTARCHIV WORMS: Klassenbild (o.A.) des Wormser Gymnasium. Schülerfotografie im Schulhof der Wollstraße [undatiert], Stadtarchiv Worms, Abt. 55-1, Nr. 804.

63 WETTMANN-JUNGBLUT (siehe Anm. 47), S. 217.

64 MÜLLER (siehe Anm. 22), S. 58.

65 BONDÜ (siehe Anm. 4), S. 42.

66 JENS HOFFMANN UND CORNELIA MUSOLFF: Fallanalyse und Täterprofil. Geschichte, Methoden und Erkenntnisse einer jungen Disziplin. Wiesbaden 2000 (BKA-Forschungsreihe 52).BKA: Methoden der Fallanalyse. Ein internationales Symposium. Wiesbaden 1998 (BKA-Forschungsreihe 38.1).

67 PHILIPP MAYRING: Einführung in die Qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Denken. 5. Aufl. Weinheim, Basel 2002.

68 UWE FLICK, ERNST VON KARDOFF, HEINER KEUPP und ROSENSTIEL (Hrsg.): Handbuch qualitative Sozialforschung Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. München 1991. BARBARA

69 Zwischen 1999 und 2010 wurden insgesamt 15 Studien durchgeführt, wobei nicht alle Arbeitsgruppen School Shootings als Alleinstellungsmerkmal untersuchten und auch nur zwei im deutschen Kontext entstanden. Der Großteil dieser Studien wurde zudem um 2000 herum durchgeführt und nimmt seit dem wieder kontinuierlich ab. Bondü veröffentlichte in ihrer Dissertation von 2012 die Ergebnisse einer Studie des Leaking-Projektes Berlin, in der 187 Fälle weltweit untersucht wurden und bietet somit den bisher umfangreichsten quantitativen Untersuchungsrahmen. BONDÜ (siehe Anm. 4), S. 40f.

70 NEWMAN (siehe Anm. 16); Hier auch mit Bezug zu Bourdieus Sozialkapital. 18

71 REINHARD FATKE: Fallstudien in der Erziehungswissenschaft. In: Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Hrsg. von Barbara Friebertshäuser und Annedore Prengel. Weinheim, München 1997, S. 56-68, S. 64.

72 ANDREAS NEUMANN (Hrsg.): K.D.StV. Carolus Magnus zu Saarbrücken im CV. 1953-2013, Zum 60. Stiftungsfest, Historisches zur Verbindung und Fuxenfibel. Norderstedt 2013, S. 110., S. 110.

73 Ebd., S. 109f.

74 MAX BÄR: Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815. 2. Nachdr. der Ausg. Bonn, 1919. Düsseldorf 1998 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 35), S. 92f. Hierbei stellen die linksrheinischen Gebiete eine Art „Trostpreis“ für die ursprünglich vollständig geforderte Annexion Sachsens durch Preußen. ANSELM DOERING-MANTEUFFEL: Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871. 3., um einen Nachtrag erw. Aufl. München 2010 (Enzyklopädie deutscher Geschichte 15), S. 5.

75 OLAF KÜHNE UND ANNETTE SPELLERBERG: Heimat in Zeiten erhöhter Flexibilitätsanforderungen. Empirische Studien im Saarland. Wiesbaden 2010, S. 51.

76 Saarbrücken wurde nach den napoleonischen Reformen von 1798 zur Arrondissementhauptstadt, hierzu wurde berichtet, dass der Kaiser siebenmal durch die Stadt reiste, was dem staatlich verordneten Herrscherkult besonders viel Raum gab, was eine Infragestellung saarländischer Loyalitäten durchaus berechtigt. In: WOLFGANG BEHRINGER UND GABRIELE CLEMENS: Geschichte des Saarlandes. München 2009., S. 68-72.

77 ROLF WITTENBROCK: Die drei Saarstädte in der Zeit des beschleunigten Städtewachstums (1860- 1908). In: Geschichte der Stadt Saarbrücken. Von der Zeit des stürmischen Wachstums bis zur Gegenwart. Hrsg. von DERS. Saarbrücken 1999 (2), S. 11-130, S. 13.

78 HANS-ULRICH WEHLER: Von der <<Deutschen Doppelrevolution>> bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. 1849-1914. Frankfurt am Main 1995 (Deutsche Gesellschaftsgeschichte 3), S. 8ff.

79 WITTENBROCK (siehe Anm. 77), S. 13.

80 BÄR (siehe Anm. 74), S. 269f.

81 WEHLER (siehe Anm. 78), S. 15f.

82 Die preußische Regierung besetzte beispielsweise einflussreiche Ämter mit Nichtrheinländern, die ein großes Misstrauen in der Bevölkerung weckten. WILHELM HANKAMER: Preußen und die Rheinlande. im Spiegelbild der Wahrheit. Essen 1925, S. 16f.

83 Ebd., S. 3.

84 WITTENBROCK (siehe Anm. 77), S. 13-15.

85 FR. ADOLPH W. DIESTERWEG: Die preußischen Rheinprovinzen. Ein historisches Handbuch für Schule und Haus. Duisburg 1990, S. 173-177. Das globale Ausmaß rheinischer Exportkultur zeigt sich beispielsweise in der Aussage: "Was nicht alles geschehen muss, bevor ein Mensch in Mexiko sich in ein in Krefeld verfertigtes Seidentuch kleiden kann!“ In: Ebd. S. 173.

86 BUREAU DES JUSTIZ-MINISTERIUMS: Jahrbuch der Preußischen Gerichtsverfassung. Berlin 1868, S. 61f.; HANS-WALTER HERRMANN: Die Errichtung des Landgerichtes Saarbrücken und die Ausdehnung seiner Zuständigkeit auf das Saarindustrierevier. In: 150 Jahre Landgericht. Festschrift. Hrsg. von Präsident des Landgerichts/Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität des Saarlandes. Köln, Berlin, Bonn, München 1985, S. 3-32, S. 4.

87 Neben der Bedeutung einer rechtlich festgelegten Staatsbürgerlichkeit steht das 19. Jahrhundert vor allem für ein neues gesellschaftliches Selbstverständnis der Klasse der Bürger. Besitz und Bildung werden zu prägenden Merkmalen einer liberalen Bürgerlichkeit. JÜRGEN KOCKA: Bürger und Bürgerlichkeit im Wandel. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 9-10 (2008), S. 3-9, S. 3ff.

88 KÜHNE AND SPELLERBERG (siehe Anm. 75), S. 53. Noch 1865 vermieden die Stadtverordnetenversammlungen der Saarstädte zum 50. Jahrestag des 2. Pariser Friedens „große Jubelfeiern und Loyalitätsbekundungen zugunsten der preußischen Krone“. Wobei dies eher als politisches Statement gegen Bismarck zu verstehen war, denn in Abgrenzung zu Frankreich wurde gerade in den Saarstädten ein deutscher Patriotismus hochgehalten. WITTENBROCK (siehe Anm. 77), S. 25.

89 Saarbrücken selbst beispielsweise verliert diesen direkten Grenzcharakter erst mit der Annexion Lothringens 1871 und wurde somit von einem politischen Druck befreit. Ebd., S. 15.

90 NEUMANN (HRSG.) (siehe Anm. 72), S. 110.

91 Auch wenn der Krieg eigentlich erst mit der Schlacht von Sedan einen Monat später gewonnen ist, sehen sich die Saarländer als zentrale Stütze des Sieges. DOERING-MANTEUFFEL (siehe Anm. 74), S. 50f.

92 Interessant ist hierbei, dass eine französische Besetzung Spicherns nur durch den Rückzug preußischer Truppen möglich war, die hohen Verluste waren also durchaus unnötig, steigerten aber womöglich den symbolischen Wert der Opferbereitschaft der Saarländer für das Vaterland.

93 BEHRINGER AND CLEMENS (siehe Anm. 76), S. 80.

94 WITTENBROCK (siehe Anm. 77), S. 27.

95 ARCHIV DER BIBLIOTHEK FÜR BILDUNGSGESCHICHTLICHE FORSCHUNG (siehe Anm. 60), hier Jahresbericht 1870, S. 5.

96 WILHELM GLABBACH: Vaterlandsliebe. Saarbrücker Gymnasiasten in den Kriegen mit den Franzosen, nach einer Sammlung von freiwilligen Beiträgen früherer Gymnasiasten. Saarbrücken 1910, S. 89f. Es ist zudem bekannt, dass 13 ehemalige Schüler des Gymnasiums in der Schlacht bei Spichern starben. LUDWIGSGYMNASIUM SAARBRÜCKEN (HRSG.) (siehe Anm. 50), S. 214.

97 KÜHNE AND SPELLERBERG (siehe Anm. 75), S. 53 f.

98 GIOVANNI LEVI und JEAN-CLAUDE SCHMITT: Einleitung. In: Geschichte der Jugend. Von der Antike bis zum Absolutismus. Hrsg. von DERS. Frankfurt am Main 1996 (Geschichte der Jugend 1), S. 9- 20, S. 16-20.

99 GEORGE L. MOSSE: Das Bild des Mannes. Zur Konstruktion der modernen Männlichkeit. Frankfurt am Main 1997, S. 35f.

100 LUDWIGSGYMNASIUM SAARBRÜCKEN (HRSG.) (siehe Anm. 50), S. 214. Hier nach St. Johanner Zeitung, Nr. 63, 15. März 1871.

101 JEAN-CLAUDE CARON: Jugend und Schule: Gymnasiasten in Frankreich und Europa (1780-1880). In: Geschichte der Jugend. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Hrsg. von Giovanni Levi und Jean-Claude Schmitt. Frankfurt am Main 1997 (Geschichte der Jugend 2), S. 167-238, S. 173.

102 ARCHIV DER BIBLIOTHEK FÜR BILDUNGSGESCHICHTLICHE FORSCHUNG (siehe Anm. 60), hier Jahresbericht 1866, S. 1. Nach der Währungsumstellung 1873 entsprach 1 Thaler 3 Mark. Wittenbrock gibt denn auch für das Jahr 1875 bereits ein Schulgeld für die oberen Klassen in Höhe von 84 Mark an. In: WITTENBROCK (siehe Anm. 77), S. 100f.

103 In Saarlouis und St. Wendel gab es beispielsweise Progymnasien, welche erst nach der Jahrhundertwende den Status von Vollgymnasien erlangten.

104 MANFRED BOHN UND MANFRED EISENBEIS: Geschichte 2004. Verfügbar unter: http://www.ludwigsgymnasium.com/ueber-uns/geschichte.html. Zugriff am 30. August 2015

105 EDWIN DILLMANN: Schule und Volkskultur im 18. und 19. Jahrhundert. Erkundungen zum Modernisierungsprozeß im saarlandisch-trierischen Raum. Köln, Weimar, Wien 1995, S. 227. 106 ARCHIV DER BIBLIOTHEK FÜR BILDUNGSGESCHICHTLICHE FORSCHUNG (siehe Anm. 60), hier Jahresbericht 1866, S. 20.

107 WITTENBROCK (siehe Anm. 77), S. 100f.

108 CARON (siehe Anm. 101), S. 180.

109 WETTMANN-JUNGBLUT (siehe Anm. 46), S. 27.

110 ARCHIV DER BIBLIOTHEK FÜR BILDUNGSGESCHICHTLICHE FORSCHUNG (siehe Anm. 60), hier Jahresbericht 1871, S. 6. Großteil der Rheinpreußen ist katholisch, größter Anteil in Bezirk Trier (Düsseldorf die meisten Protestanten). In: DIESTERWEG (siehe Anm. 85), S. 222.

111 WITTENBROCK (siehe Anm. 77), S. 47.

112 Inspektionen durch Vertreter des Provinzialschulkollegiums in Koblenz wurden regelmäßig in den Jahresberichten vermerkt, zudem gingen regelmäßig Vorgaben aus Berlin ein. ARCHIV DER BIBLIOTHEK FÜR BILDUNGSGESCHICHTLICHE FORSCHUNG (siehe Anm. 60)

113 WITTENBROCK (siehe Anm. 77), S. 38.

114 ANDREAS SCHULZ: Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert. München 2005 (Enzyklopädie deutscher Geschichte 75), S. 2.

115 WEHLER (siehe Anm. 78), S. 115.

116 STADTARCHIV SAARBRÜCKEN: Vermischtes. Saarbrücken. In: Saarbrücker Zeitung, 16. November 1871, S. 2f. Siehe Anhang 1.

117 BERNHARD GIESEN, WERNER BINDER, MARCO GERSTER und KIM-CLAUDE MEYER: Amok, Folter, Hooligans. Gewaltsoziologie nach Georges Bataille und Victor Turner. In: Zur Gewaltsoziologie von Georges Bataille. Hrsg. von Michael Riekenberg. Leipzig 2012, S. 73-102, S. 101.

118 STADTARCHIV SAARBRÜCKEN: Geburtsurkunde Julius Becker [4. Januar 1853], Stadtarchiv Saarbrücken, Personalstandsregister.

Excerpt out of 127 pages

Details

Title
Das Saarbrücker School Shooting vom 25. Mai 1871. Täter, Tat, Öffentlichkeit
College
University of Leipzig
Grade
1,1
Author
Year
2015
Pages
127
Catalog Number
V310106
ISBN (eBook)
9783668085237
ISBN (Book)
9783668085244
File size
7456 KB
Language
German
Keywords
School Shooting, Amoklauf Saarbrücken, Jugendgewalt
Quote paper
Tanja Bialojan (Author), 2015, Das Saarbrücker School Shooting vom 25. Mai 1871. Täter, Tat, Öffentlichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310106

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