Die Medien werden heutzutage als vierte Gewalt gesehen und haben ein symbiotisches Verhältnis zur Politik. In dieser Ausarbeitung wird ihrer Position im politischen und sozialen System der BRD nachgegangen. Die exemplarische Analyse wird
am Beispiel des Falls Sebastian Edathy geführt, welcher des Gebrauchs von Kinderpornografie verdächtigt und schließlich auch
schuldig gesprochen wurde. Die Öffentlichkeit fordertte Edathys Rücktritt noch bevor die Justiz über seine Schuld urteilen konnte.
Sind die Medien eigenständige politische Akteure oder lediglich öffentliche Träger der Meinungsbildung?
Die Bundesrepublik Deutschland wurde seit ihrem Bestehen von einem stetigen Wachstum der Medienlandschaft begleitet. Heute gibt es eine beinah unübersehbare Vielzahl an Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehsendern sowie das Internet. Aufgrund dieser Präsenz und deren gesellschaftlicher Bedeutung wird die gegenwärtige Gesellschaft als Informations-, Kommunikations- und Mediengesellschaft bezeichnet (vgl. Donges/ Jarren 2011: 23). Die Bürger können sich über unterschiedliche Quellen umgehend über aktuelle Geschehnisse informieren, was ebenso viele unterschiedliche Sichtweisen auf ein Geschehen ermöglicht. Die jeweilige Perspektivität der Berichterstattung kann für den Rezipienten entweder positive oder negative Folgen haben.
Der jüngste Skandal um den Politiker Sebastian Edathy findet große Resonanz in den Medien. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD war in Verdacht geraten, Internetseiten mit Kinderpornografie genutzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein und durchsuchte die Wohnräume des Beschuldigten. Das gefundene Foto- und Filmmaterial wurde als grenzwertig eingestuft, der Beschuldigte legte zeitgleich sein Amt nieder. Öffentlich wird von seiner Seite bestritten, Kinderpornografie zu besitzen (vgl.Hickmann/ Leyendecker/ Mascolo/ Szymanski2014).
Innenminister Friedrich musste nach dem Bekanntwerden der Affäre ebenfalls sein Amt niederlegen. Er steht unter dem Verdacht des Geheimnisverrats und soll die SPD frühzeitig über mögliche Ermittlungen informiert haben (vgl. Plöchinger 2014).
Es hat den Anschein, als hätten die Medien den Verlauf der Affäre mitbestimmt. Zumal Friedrich und Edathy aus ihren Ämtern ausgeschieden sind, kurz nachdem die Vorwürfe öffentlich bekannt geworden und die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren. Daher stelle ich die These auf, dass die Medien eigenständige politische Akteure sind, was am Beispiel der Affäre um Sebastian Edathy bekräftigt werden soll.
Die Medien sind ein elementarer Bestandteil von Demokratien, sie unterrichten die Bürger und tragen zur Meinungsbildung bei. Gleichzeitig ermöglichen sie die Partizipation der Bürger am demokratischen Prozess der Willensbildung. Sie sind bedeutsames Bindeglied zwischen den Bürgern und der Politik (vgl. Wilke 2012: 407). Im Wesentlichen sollen die Medien drei Aufgaben erfüllen: die Information, die Mitwirkung an der Meinungsbildung und die Kontrolle und Kritik (vgl. Meyn/ Tonnemacher 2012: 245). Die Grundlage dafür bildet Artikel 5 des Grundgesetzes. In der Bundesrepublik Deutschland herrscht grundsätzlich Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit. Eine Vor-Zensur existiert nicht und der Empfang der Medien ist frei zugänglich. Die sogenannte Kulturhoheit liegt bei den Bundesländern, weil die Verfassung dem Bund keine Zuständigkeitsbefugnisse für den Bereich der Kultur verliehen hat. Daher verfügt jedes Bundesland über sein eigenes Landespressegesetz, in welchem die Pressefreiheit zusätzlich verankert ist. Des Weiteren existiert Zulassungsfreiheit im Pressewesen, daher hat jeder Bürger die Möglichkeit, einen Presseverlag zu gründen oder journalistische Tätigkeiten aufzunehmen (vgl. Meyn/ Tonnemacher 2012: 31/32). Die Pressefreiheit wird lediglich durch die Persönlichkeitsrechte beschränkt. Die Medien dürfen nicht zur Verleumdung, Beleidigung oder üblen Nachrede verwendet werden. Dabei existiert eine ständige Konfliktlinie zwischen dem öffentlichen Interesse und der Privatsphäre (vgl. Wilke 2012: 407).
Die Politik muss sich heute medial verkaufen können. Jede bedeutende Partei hat eine eigene PR-Agentur, die versucht, ihre Mitglieder ins beste Licht zu rücken und die Partei so positiv wie möglich darzustellen (vgl. Meyn/ Tonnemacher 2012: 245). Die Relevanz der Massenmedien ist sehr hoch. Massenmedien wie Zeitung und Fernsehen werden als „Push-Medien“ bezeichnet, weil sie dem Empfänger ihre Botschaft förmlich aufdrücken. Sie erreichen täglich zwischen 44 und 86 % der Bevölkerung. Gerade das Phänomen der Anschlusskommunikation ist dabei für die Politik von gesteigerter Bedeutung, denn die Rezeption des Medienauftritts der Politiker entscheidet über positive beziehungsweise negative Wahrnehmung von Seiten der Bevölkerung (vgl. Donges 2011: 40/41). Am Beispiel der Bundestagswahl 2005 hat sich gezeigt, dass die Anschlusskommunikation an die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen Einfluss auf Wahlentscheidungen hatte (vgl. Schmidt-Beck/ Mackenrodt 2009: 425). Auf die Berichterstattung der Qualitätsmedien legt die Politik besonderen Wert. Diese haben eine große Resonanz und dementsprechend viele Empfänger. In der bundesrepublikanischen Mediengesellschaft haben sich der Spiegel, die ARD-Tagesschau und die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu Qualitätsmedien entwickelt. Darüber hinaus haben diese Medien eine Leitfunktion inne, das heißt: Sie werden von einem Großteil der Journalisten für bedeutend empfunden und als Leitlinie für die eigene Berichterstattung verwendet (vgl. Weischenberg/ Malik/ Scholl 2006: 359). In der heutigen Mediengesellschaft ist die Politik um positive mediale Unterstützung bemüht, besonders bei Wahlkämpfen und bei der Durchsetzung von politischen Programmen ist medialer Rückhalt sehr wichtig, denn die kommunikative Leistung ist bedeutend, um Politik zu legitimieren (vgl. Perc/Pfetsch 2003: 25). Des Weiteren können Medien, ohne institutionelle Sanktionsmöglichkeiten zu besitzen, die Politik zum Handeln bewegen, indem sie den Fokus auf ganz bestimmte Themen lenken (vgl. ebd.).
Im Fall Edathy ist zweifelsfrei zu erkennen, dass seit dem Bekanntwerden seiner Verbindung zu Kinderpornografie der Skandal um seine Person wochenlang medial thematisiert wurde. Innerhalb der Agenda-Setting-Forschung wird hier von Effekten des „Framing“ und „Priming“ gesprochen. „Framing“ bedeutet, dass die Medien den Rahmen der Deutung festlegen. Das sogenannte „Priming“ bestimmt, welche Informationen verfügbar sind und im Vordergrund stehen. Im Fall Edathy wurde ein Rahmen gewählt, der die moralisch verwerfliche Handlung hervorhebt, seine pädophile Neigung betont und die juristische Sicht vernachlässigt. Die anscheinende Nutzung von Kinderpornografie steht im Vordergrund der Berichterstattung, auch wenn Edathys Schuld nicht bewiesen ist und das gefundene Material offenbar nicht für ein Verfahren ausreicht (vgl. Plöchinger 2014). Obwohl sein Verhalten moralisch höchst fragwürdig war, wurde er strafrechtlich nicht belangt und gilt momentan noch als unschuldig. Dazu kommt, dass eine Verurteilung eher unwahrscheinlich ist. Dennoch wurde die Politik nicht zuletzt aufgrund des großen medialen Einflusses zum Handeln bewegt. Wie bereits erwähnt, schieden Innenminister Friedrich und Edathy aus ihren Ämtern.
Die Macht der Medien ist in der heutigen Gesellschaft außerordentlich groß, deshalb werden die Medien auch als „vierte Gewalt“ bezeichnet (vgl. Wilke 2012: 409). Das Beispiel Edathy verdeutlicht die Macht der Medien. Das Bundeskriminalamt, die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Hannover haben Edathys Verhalten als nicht strafbar eingestuft, trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass die Behörden die Ermittlungsakte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur Verfügung gestellt haben. Edathy wirft den Behörden Missachtung der Unschuldsvermutung und Verletzung von Dienstgeheimnissen vor. Er fühle sich verfolgt, heißt es (vgl. Röwekamp 2014). Obwohl er nicht schuldig gesprochen wurde und es anscheinend kein Gerichtsverfahren gegen ihn geben wird, ist sein öffentliches Ansehen ruiniert. Die SPD bereitet derweil ein Ausschlussverfahren vor, weil sein moralisch verwerfliches Verhalten nicht mit den Grundzügen der Partei vereinbar sei. Er habe als Volksvertreter mit Vorbildfunktion und als Parteimitglied versagt (vgl. ebd.). Edathys Niedergang endet damit, dass die weiterführende Bekleidung eines öffentlichen Amtes in der Bundesrepublik Deutschland durch seine Person vollkommen untragbar erscheint und seine politische Karriere damit beendet sein dürfte.
[...]
- Quote paper
- Thomas Bäcker (Author), 2014, Sind die Medien eigenständige politische Akteure oder öffentliche Träger der Meinungsbildung? Der Fall Edathy, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311767
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.