Subkultur-Unternehmertum. Subkultur als Nährboden für unternehmerisches Denken und Gründungen in der Kreativwirtschaft


Thèse de Master, 2015

101 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Subkulturelles Kapital und Subkultur-Unternehmertum in der Kreativ­wirtschaft
2.1. Neues Unternehmertum in der Kreativwirtschaft
2.1.1. Die Kreativwirtschaft – Statistiken einer Boom-Branche
2.1.2. Individualisierung, Flexibilität, prekäre Existenz, Selbstständigkeit – Strukturelle Merkmale der Kreativwirtschaft
2.1.3. Die neuen Kulturunternehmer
2.2. Subkultur – Von der Straßengang zur Ästhetik neuer Subkulturen
2.2.1. Straßengangs und Delinquenz - Die Chicagoer Schule
2.2.2. Gegen das System – Die Subkulturtheorie von Rolf Schwendter
2.2.3. Teddys, Mods, Skins und Punks - Das CCCS und der Style
2.2.4. Die Ästhetisierung als Ende Subkultur
2.2.5. „Club Culture“ – Die Subkultur wandert in den Underground
2.2.6. Subkultur als Output kreativer, urbaner Szenen
2.3. Subkultur als Nährboden für Unternehmertum in der Kreativwirtschaft
2.3.1. Subkulturelles Kapital
2.3.2. Lernen in Szenen
2.3.3. Subkultur-interne Ökonomie
2.3.4. Subkultur als Innovationsstrategie der Kulturindustrie
2.4. Der Subkultur-Unternehmer

3. Die Praxis der Subkultur-Unternehmer
3.1. Forschungsdesign
3.1.1. Qualitative, explorative Sozialforschung
3.1.2. Das Leitfadeninterview
3.1.3. Auswahl der Interviewpartner
3.2. Vergleichende Auswertung der Leitfadeninterviews
3.2.1. Der Begriff „Subkultur“
3.2.2. Lernen In Szenen und subkulturelles Kapital
3.2.3. Zwischen subkultur-interner Ökonomie und Kulturindustrie
3.2.4. Subkultur-Unternehmertum
3.3. Zusammenfassung der Ergebnisse

4. Ein Gespräch mit Jürgen Enninger und Susanne Mitterer vom Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt München

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang A: Transkription des Interviews mit Zehra Spindler

Anhang B: Transkription des Interviews mit Michael Wiethaus

Anhang C: Transkription des Interviews mit Florian Kreier

Abstract

Diese Arbeit beschreibt in explorativer Weise Unternehmertum in der Kultur- und Kreativwirtschaft, das seine Wurzeln in der Subkultur hat. Es wird beschrieben, wie der gesamtgesellschaftliche Trend zur Individualisierung sowie veränderte strukturelle Arbeitsbedingungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft einen neuen Typus von Kulturunternehmer hervorgebracht haben der Selbstverwirklichung in der Arbeit sucht und häufig unter prekären Existenzbedingungen lebt. In einem zweiten theoretischen Schritt wird die Entwicklung der subkulturellen Theorie von den in der Kriminologie beheimateten ersten Studien der „Chicagoer Schule“ über die wegweisenden jugendkulturellen Untersuchungen am Centre for Contemporary Cultural Studies in Birmingham hin zu einer ästhetischen Theorie der Subkultur gezeichnet. Dabei kristallisiert sich für diese Arbeit ein Subkultur-Begriff heraus, der den Fokus auf ästhetische Produktion von „Kultur“-Produkten und -Prozessen sowie auf eine Abgrenzung vom kulturellen „Mainstream“ legt. Anhand des Konzepts des „subkulturellen Kapitals“ und des Konzepts vom „Lernen in Szenen“ wird schließlich gezeigt, wie sich Akteure der Subkultur innerhalb ihrer Subkultur Kompetenzen aneignen, die sie innerhalb wie außerhalb der Subkultur zur ökonomischen Existenzgründung einsetzen können. Darauf aufbauend wird schließlich der Begriff des Subkultur-Unternehmers eingeführt. Subkultur-Unternehmer sind neue Kulturunternehmer deren Prozess der Wertschöpfung weitestgehend auf dem Einsatz von „subkulturellem Kapital“ beruht. Im empirischen Teil dieser Arbeit werden anhand von qualitativen Leitfadeninterviews mit „Subkultur-Unternehmern“ drei Fälle miteinander verglichen, die Lebenswirklichkeit, Einstellungen, Entwicklung, Handeln und Selbsteinschätzung von „Subkultur-Unternehmern“ verdeutlichen und in explorativer Weise die Beschreibung dieses neuen Sozialraum-Typus mit Leben füllen. Dazu wurden Interviews mit der Zwischennutzungs-Expertin Zerah Spindler, dem Grafik-Designer und Skateboarder Michael Wiethaus und dem Musiker, Autor, Festival-Veranstalter und Musikjournalisten Florian Kreier geführt uns ausgewertet.

1. Einleitung

Im November 2013 veröffentlichte die Bayerische Staatskanzlei einen von einer Expertengruppe um den ehemaligen McKinsey-Unternehmensberater und Honorarprofessor der Fakultät der Betriebswirtschaft an der LMU München, Prof. Dr. Herbert Henzler, herausgegebenen Bericht zur Gründungsaktivität von Start-Ups in Bayern. Darin heißt es: „Vor allem im Kreativbereich muss dem Thema ‚Subkulturen’ mehr Bedeutung zugemessen werden. Für diese muss die Netzwerkbildung und Clusterung durch ein Angebot von geeigneten Räumlichkeiten, Events und Unterstützungsstrukturen gefördert werden (Henzler 2013, S.34).“ Subkultur scheint also heute ein Feld zu sein, in dem auch die Politik nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Potenziale und Entwicklungschancen sieht. Im krassen Gegensatz dazu konstatierte der Soziologe und Subkulturforscher Rolf Schwendter im Jahr 1971: „Die Soziologie der Herrschenden kann Subkultur so gut wie ausschließlich als Abweichung verstehen, als etwas, was zurechtgebogen werden muß, als ‚Anomie’, ‚Anpassungsschwierigkeiten’, ‚Statusunsicherheit’, ‚Desintegration’ (Schwendter 1971, S.19).“

Die öffentliche Wahrnehmung von Subkultur scheint sich also grundlegend verändert zu haben. Wurden Subkulturen einst als rebellische Gegenkulturen gesehen, die mit ihren von der Norm abweichenden Wertesystemen subversiv auf eine Gesellschaft einwirken, erkennen sowohl Politik als auch Ökonomie heute die Innovations- und somit auch wirtschaftlichen Potenziale der Subkultur. An dieser Schnittstelle zwischen Subkultur und Ökonomie setzt diese Arbeit an. Sie soll die leitende Forschungsfrage beantworten, inwieweit Subkultur Nährboden für Unternehmensgründungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft sein kann. Dabei soll das bisher wenig beleuchtete Forschungsfeld des subkulturellen Unternehmertums explorativ aufgeschlossen werden. So soll die Arbeit dazu beitragen, das Erkennen subkultureller Potenziale zu fördern sowie das Bewusstsein der Akteure der Subkultur selbst dafür zu schärfen, welchen Wert ihr „subkulturelles Kapital“ hat. Zudem soll auch kritisch auf die sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen eingegangen werden, die Mikro-Unternehmer in der Kultur- und Kreativwirtschaft in den Spagat zwischen individualistischer Selbstverwirklichung und prekärer Lebensführung zwingen.

Damit wird an eine kleine Zahl von wissenschaftlichen Arbeiten angeknüpft, die sich ebenfalls mit dem Spannungsfeld Subkultur/Ökonomie befassen. Die Arbeit steht in einer klaren Linie mit der Forschung von Sarah Thornton, die Anhand subkultureller Codes und subkultureller Ästhetik in den Club-Szenen Großbritanniens den Begriff des „subkulturellen Kapitals“ einführt (Thornton 1995; Thornton 1997). Hervorzuheben sind außerdem die Arbeiten von Angela McRobbie, die bei der Analyse von Second-Hand-Shops subkulturelles Unternehmertum ausmacht (McRobbie 1997) und die Entwicklung der Akteure der Rave- und Techno-Szene Großbritanniens „vom Club zum Unternehmen“ aufzeigt. Einen ähnlichen Forschungsgegenstand behandelt Bastian Lange, der mit dem Fokus auf Raum-Aneignung zeigt, wie tief in der Subkultur verwurzelte „Culturepreneurs“ das Bild des „hippen“ Berlin formen (Lange 2007). Interessant sind weiterhin die Arbeiten von Ingo Bader, der am Beispiel der Berliner Musikindustrie aufzeigt, wie Trends, Codes und Akteure der Subkultur die Kulturindustrie beeinflussen und formen (Bader 2005) und von Mathias Scheicher, der aufzeigt, wie sich Akteure der Subkultur Punk innerhalb der Subkultur Kompetenzen aneignen die den Akteuren auch berufliche Perspektiven bieten können (Scheicher 2008).

In einem ersten Schritt dieser Arbeit wird beschrieben, wie der gesamtgesellschaftliche Trend zur Individualisierung sowie veränderte strukturelle Arbeitsbedingungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft einen neuen Typus von „Kulturunternehmer (vgl. Mandel 2007; McRobbie 2001)“, einen „Culturepreneur (Klarmer 2011; Lange/Von Streit/Hesse 2011)“ hervorgebracht haben. Darunter versteht man „Kleinst- und Kleinunternehmer der Kulturwirtschaft, die jenseits der Global Player des Kultur- und Medienmarktes und jenseits traditioneller Kulturberufe, wie etwa Künstler, Designer oder Architekten, neue Dienstleistungen entwickelt haben, mit denen sie sich auf dem Markt behaupten (Mandel 2007, S.7).“

In einem zweiten theoretischen Schritt wird dann die Entwicklung der subkulturellen Theorie von den in der Kriminologie beheimateten ersten Studien der „Chicagoer Schule“ über die wegweisenden jugendkulturellen Untersuchungen am Centre for Contemporary Cultural Studies in Birmingham hin zu einer ästhetischen Theorie der Subkultur gezeichnet. Dabei kristallisiert sich für diese Arbeit ein Subkultur-Begriff heraus, der den Fokus auf ästhetische Produktion von kulturellen Produkten und Prozessen sowie auf eine Abgrenzung vom kulturellen „Mainstream“ legt.

Anhand des Konzepts des „subkulturellen Kapitals“, das Sarah Thornton (vgl. Thornton 1995) in Bezug auf Pierre Bourdieus Theorie des „kulturellen Kapitals (vgl. Bourdieu 1982)“ entwickelt hat und in Anschluss an Ronald Hitzlers Konzept vom „Lernen in Szenen (Hitzler/Pfadenhauer 2008)“ wird schließlich gezeigt wie sich Akteure der Subkultur innerhalb ihrer Subkultur Kompetenzen aneignen, die sie innerhalb wie außerhalb der Subkultur zur ökonomischen Existenzgründung einsetzen können.

Darauf aufbauend wird schließlich der Begriff des Subkultur-Unternehmers eingeführt. Subkultur-Unternehmer sind „neue Kulturunternehmer (vgl. Mandel 2007)“, deren Prozess der Wertschöpfung weitestgehend auf dem Einsatz von „subkulturellem Kapital“ beruht.

Im empirischen Teil dieser Arbeit werden Anhand von qualitativen Leitfadeninterviews mit „Subkultur-Unternehmern“ drei Fälle miteinander verglichen, die Lebenswirklichkeit, Entwicklung, Handeln und Selbsteinschätzung von „Subkultur-Unternehmern“ verdeutlichen sollen und in explorativer Weise die Beschreibung dieses neuen Sozialraum-Typus mit Leben füllen. Dazu wurden Interviews mit der Zwischennutzungs-Expertin Zerah Spindler, dem Grafik-Designer und Skateboarder Michael Wiethaus und dem Musiker, Autor, Festival-Veranstalter und Musikjournalisten Florian Kreier geführt uns ausgewertet.

Abschließend soll ergänzend Anhand eines Gesprächs mit Jürgen Enninger und Frau Mitterer vom Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt München eine Kultur- und wirtschaftspolitische Perspektive auf Subkultur-Unternehmertum aufgezeigt werden. Dabei soll, auf den eingangs erwähnten Bericht der Bayerischen Staatskanzlei „Start-Ups in Bayern“ bezugnehmend die Frage gestellt werden: Ist Förderung der Subkultur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft?

2. Subkulturelles Kapital und Subkultur-Unternehmertum in der Kreativwirtschaft

Im folgenden theoretischen Teil dieser Arbeit wird die These verhandelt, es gäbe einen neuen Typus des Subkultur-Unternehmers, der sein subkulturelles Kapital einsetzt um eine ökonomische Existenz aufzubauen. Bevor allerdings die Rolle der Subkultur als Nährboden für Unternehmensgründungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft beschrieben werden kann, muss zunächst das Konzept des „neuen Unternehmertums“ in der Kreativwirtschaft beschrieben werden.

2.1. Neues Unternehmertum in der Kreativwirtschaft

Die Bühne auf der die „neuen Kulturunternehmer“ agieren ist die Kultur- und Kreativwirtschaft. In der Folge soll zunächst ein Überblick über die Definitionen und Statistiken dieses stetig an Bedeutung gewinnenden Wirtschaftszweigs gegeben werden. Sodann werden die strukturellen Merkmale beschrieben, die zur Herausbildung der „neuen Kulturunternehmer“ geführt haben.

2.1.1. Die Kreativwirtschaft – Statistiken einer Boom-Branche

Womit haben wir es zu tun wenn wir von der Kultur- und Kreativwirtschaft sprechen? Die Ad-hoc Arbeitsgruppe Kulturwirtschaft der Wirtschaftsministerkonferenz hat im Jahr 2008 eine Definition vorgelegt, die heute einheitlich in den staatlichen Kreativwirtschaftsberichten Verwendung findet und die auch in der Forschung Konsens geworden ist. Sie definiert die Kultur- und Kreativwirtschaft wie folgt: „Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen (Wirtschaftsministerkoferenz 2009, S.5).“

Weiterhin führt die Wirtschaftsministerkonferenz eine Abgrenzung der Kultur- und Kreativwirtschaft nach Teilmärkten ein. Demnach gehören zur Kultur- und Kreativwirtschaft: Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Markt für darstellende Künste, Designwirtschaft, Architekturmarkt, Pressemarkt, Werbemarkt und Software/Games-Industrie (vgl. Wirtschaftsministerkonferenz 2009, S. 6).

In einem Forschungsgutachten der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 wird außerdem der „schöpferische Akt, als zentrales Element der Kultur- und Kreativwirtschaft betont. „Der wirtschaftlich verbindende Kern jeder kultur- und kreativwirtschaftlichen Aktivität ist der sogenannte schöpferische Akt. Damit sind alle künstlerischen, literarischen, kulturellen, musischen, architektonischen oder kreativen Inhalte, Werke, Produkte, Produktionen oder Dienstleistungen gemeint, die als wirtschaftlich relevanter Ausgangskern den elf Teilmärkten zugrunde liegen (Bundeministerium für Wirtschaft und Technologie 2009, S.3).“ Ebenso wird die Unterscheidung vom öffentlich finanzierten Kultursektor betont: „Nicht zu diesem Kreis zählen all jene Unternehmen, Einrichtungen oder sonstigen vereinsartigen Formen, die sich weitgehend nicht durch den Markt finanzieren, sondern durch öffentliche Finanzierung getragen, durch Gebührenfinanzierung unterhalten oder durch gemeinnützige Gelder bzw. private Geldgeber gefördert werden (BMWi 2014, S.2).“

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlicht jährlich ein Monitoring der wichtigsten Kennzahlen der Branche. Der aktuellste Bericht analysiert die statistischen Daten des Jahres 2013 und weist die Kultur- und Kreativwirtschaft als gesamtwirtschaftlich hoch relevanten Wachstumsmarkt aus:

„Im Jahr 2013 sind in der Kultur- und Kreativwirtschaft schätzungsweise rund 249 Tausend Unternehmen tätig, die zusammen ein Umsatzvolumen von 145 Milliarden Euro erwirtschaften. Dies entspricht einem Anteil von 7,56 Prozent aller Unternehmen, die einen Anteil von 2,36 Prozent am gesamtwirtschaftlichen Umsatzvolumen erzielen. Im Jahr 2013 liegt die Kernerwerbstätigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft somit bei rund 1.039.000 Erwerbstätigen. Berücksichtigt man zusätzlich die 352 Tausend geringfügig Beschäftigten und die 201 Tausend geringfügig Tätigen (Selbständige und Freiberufler mit einem Jahresumsatz unter 17.500 Euro), dann ergibt sich für das Jahr 2013 eine Gesamterwerbstätigenzahl in Höhe von rund 1,59 Millionen (BMWi 2014, S.4).“

Interessant für diese Arbeit ist dabei der hohe Anteil von Selbstständigen und Kleinunternehmen: „Die Branchenstruktur der Kultur- und Kreativwirtschaft ist durch eine hohe Anzahl von Klein- und Kleinstunternehmen gekennzeichnet. (BMWi 2014, S.4).“ „Knapp 78 Prozent der neu gegründeten Kultur- und Kreativunternehmen werden als Ein-Personen-Unternehmen gegründet, d.h. sie beschäftigen im ersten Geschäftsjahr auch keine weiteren Mitarbeiter als den Gründer selbst (BMWi 2014, S.16).“ Diese überproportional große Anzahl an Mikro-Unternehmen steht im Fokus dieser Arbeit und wird in den nächsten beiden Kapiteln strukturell durchleuchtet.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft trägt „65,3 Milliarden Euro und somit 2,32 Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung bei (BMWi 2014, S.4)“. Die wichtigsten Kennzahlen der Branche steigen jährlich an und sind Anzeichen für die wachsende Bedeutung der Branche. „Insgesamt stieg die Anzahl der Unternehmen um 1,18 Prozent gegenüber dem Vorjahr an, die Umsätze stiegen um 1,36 Prozent und die Bruttowertschöpfung um 2,55 Prozent. Somit setzt sich der positive Trend der Eckdaten für die Branche, der seit dem Krisenjahr 2009 zu beobachten ist, weitgehend fort (BMWi 2014, S.4).“

Statistiker und Wirtschaftspolitiker zeichnen also das Bild einer Wachstumsbranche die eine „bedeutsame Rolle für den Standort Deutschland insgesamt“ innehat und außerdem einen „Ausgangspunkt für Innovation“ darstellt (vgl. BMWi 2012, S.2). Außerdem wird die Bedeutung der Kulturwirtschaft als weicher Standortfaktor und Imageträger einer meist urbanen Region betont: „Einerseits hat die Akkumulation von kulturellen Einrichtungen und ‚kulturellem Kapital’ an einem Ort einen positiven Einfluss auf die Ansiedlungspolitik ortsungebundener Dienstleistungsökonomien. Andererseits avancieren die Cultural Industries unter diesem Blickwinkel zu einer sozial-kulturellen Einbettungs- und Attraktorstruktur für weitere technische, gewerbliche und wissenschaftliche Wissensträger (Lange 2007, S. 32).“

Aber woher kommt die hohe Anzahl an Selbstständigen und Klein- und Kleinstunternehmen in der Kreativwirtschaft? Was verbirgt sich hinter den zahlreichen „geringfügig Beschäftigten“ und „geringfügig Tätigen“, die die Kulturbranche bevölkern und in hohem Maße für ihre Wertschöpfung verantwortlich sind? Die Struktur der Kreativwirtschaft ist stark geprägt von einem modernen Geist des Individualismus, von neuen Formen flexibler Arbeitsorganisation und von selbstverwirklichungs-orientierten Lebens- und Berufsentwürfen. Diese strukturellen Merkmale der Kultur- und Kreativwirtschaft sollen in der Folge beschrieben werden.

2.1.2. Individualisierung, Flexibilität, prekäre Existenz, Selbstständigkeit – Strukturelle Merkmale der Kreativwirtschaft

Richard Floridas Bestseller „The Rise of the Creative Class“ ist das vielleicht meistdiskutierte Buch zur Kultur- und Kreativwirtschaft. Florida erhebt darin die Kreativität zum „key factor in our economy and society (Florida 2012, S.5)“. Für ihn geht dieser Entwicklung eine massive Veränderung von gesellschaftlichen Werten und Normen voraus. Im Zentrum dieser Veränderung: der Individualismus. „Members of the Creative Class exhibit a strong preference for individuality and self-expression. They are reluctant to conform to organizational or institutional directives and resist traditional group-oriented norms (Florida 2012, S.56).“

Auch andere Autoren sehen den Individualismus als Basis der Herausbildung der strukturellen Merkmale der Kreativwirtschaft. Unsere Kultur habe momentan kaum überzeugende Ausweichmodelle zum Individualismus zu bieten konstatiert beispielsweise Jan Verwoert. „Der Manager eines globalen Großkonzerns wird sich mit jedem Globalisierungsgegner aus der Subkultur darauf einigen können, Individualist zu sein, weltoffen, flexibel und mobil zu leben, sich mithilfe des Internets zu informieren und organisieren etc. (Verwoert 2003, S.8).“ So sieht Verwoert das Ideal „einer durch selbstbestimmte Arbeit begründeten individuellen Freiheit (Verwoert 2003, S.7)“ vor allem von den Akteuren der Kreativwirtschaft ausgelebt, die nach Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung in Beruf und Privatleben streben und so die Grenzen zwischen beiden Sphären immer mehr verwischen.

Für Angela McRobbie ist die Individualisierung der Prozess, „in dem Strukturen wie der Wohlfahrtsstaat zu verschwinden scheinen und nicht mehr länger die erwarteten Funktionen übernehmen und in dem jeder Einzelne das aufgebürdet bekommt, was früher einmal Verantwortung und Zuständigkeit der Gesellschaft war (McRobbie 2001, S.280)“. Der moderne Individualist tauscht nach McRobbie traditionelle Familienwerte, soziale Klassen und Gemeinschaften gegen eine neoliberale Ökonomie, die Selbstverwirklichung in der Arbeit verspricht. Für sie wird „Arbeit als Symbol kultureller Identität immer wichtiger (McRobbie 2001, S.280)“.

Designer, Musiker, Grafiker, Architekten, Journalisten, Autoren – für einen Großteil der Ausübenden kreativer Berufe sind Arbeit und Selbstverwirklichung also untrennbar. „Arbeit wurde neu definiert, um den Bedürfnissen und Anforderungen einer Generation zu entsprechen, die, losgelöst von traditionellen Bindungen, der Auffassung ist, Arbeit müsse das eigene Ich verwirklichen helfen (McRobbie 2001, S.282).“ Dabei soll zugleich ein hohes Maß an Freiheit in der Gestaltung der eigenen Arbeitsprozesse gegeben sein und ein nicht nur monetär sondern auch durch sozialen Status und Prestige getriebenes Entlohnungssystem. „Die eigene Arbeit selbst zu organisieren, heißt, sich die Freiheit zu nehmen, die Ziele der eigenen Produktion selbst zu definieren, die Ergebnisse selbst zu verantworten und die Früchte der eigenen Arbeit selbst zu genießen (Verwoert 2003, S.14).“

Mit der Entstehung dieser neuen Werte geht die Entstehung einer ganzen Reihe neuer Arbeitsprozesse einher, die in der Kultur- und Kreativwirtschaft sozusagen ihr Experimentierfeld, ihr Laboratorium gefunden haben. Hochflexible, „temporäre, projektorientierte Arbeit (Reither 2008, S.164)“ ist Branchenstandard, die gleichzeitige Ausübung von mehreren Jobs ist üblich, informelles Networking, das tief in den persönlichen Sozialraum hineinreicht, ist unabdingbar für das Akquirieren neuer Aufträge und das Knüpfen möglicher Kundenkontakte (vgl. McRobbie 2001 S.281).

Diese neue Form auf individualistischen Werten beruhender, selbstverwirklichungs-orientierter Arbeitsgestaltung geht für die Mitglieder der kreativen Klasse aber mit einer ganzen Reihe von Unsicherheiten einher. „Ihre Arbeitsverhältnisse sind prekär, ihre Zukunftsaussichten unklar und ihr Einkommen kaum durch Standards abgesichert (Verwoert 2003, S.12).“ Hier setzt auch die Kritik an einer individualistischen Arbeitskultur an. So konstatiert beispielsweise Matthias Eutenauer in seiner Studie „Unternehmerisches Handeln und romantischer Geist“: „Nicht der künstlerische, kreative Mensch ist es hier, der nach Chancen der Selbstverwirklichung in der Ökonomie sucht, die Ökonomie bemächtigt sich vielmehr des ganzen Menschen mitsamt seiner Kreativität (Eutenauer 2011, S.25).“

McRobbie beklagt in ähnlichem Duktus: „Das Kapital findet neue Wege, sich seiner Verantwortung für die Arbeitnehmer zu entziehen, wobei sich die Arbeitnehmer diesem Rückzug des Kapitals nicht mehr als traditionelle und organisierte Arbeiterschaft entgegenstellen (McRobbie 2001, S.280)“. Verwoert spitzt dies weiter zu indem er die Frage stellt, „ob die Freiheit, die im Namen des Ideals vom unternehmerischen Individualisten versprochen wird, real einlösbar ist, oder ob im Windschatten des Freiheitsversprechens in Wahrheit die Grundlage sozialer Gerechtigkeit zerstört und der Zwang zur Leistung erhöht wird (Verwoert 2003, S.15)?“

Zusammenfassend kann konstatiert werden: Ein neuer individualistischer Wertekanon prägt die Kultur- und Kreativwirtschaft. Ihre Akteure streben nach Selbstverwirklichung in der Arbeit und nehmen dafür auch prekäre Existenzbedingungen und fehlende soziale Sicherungssysteme in Kauf. Projektbezogene Arbeit, kaum Festanstellungen und zeitliche wie räumliche Flexibilität der Arbeitskraft prägen die Branche.

Somit bietet die Kultur- und Kreativwirtschaft „den idealen Nährboden für die vermutete Ausbildung einer neuartigen kulturellen Vorstellung des Arbeitssubjektes, in dem künstlerische und unternehmerische Kompetenzen zu einem ästhetisch-expressiven Arbeits- und Lebensstil amalgamiert werden (Entenauer 201, S.53).“ Dieses „neue Arbeitssubjekt“ wird „Kulturunternehmer“ oder „Culturepreneur“ genannt. In der Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine überproportional hohe Gründungsaktivität erkennbar. 13 Prozent aller Existenzgründungen in Deutschland sind der Kreativwirtschaft zuzurechnen, pro Jahr machen sich etwa 100.000 bis 120.000 Personen in der Kreativwirtschaft selbstständig (vgl. KFW 2011). Dies spiegelt sich auch in der enorm hohen absoluten und relativen Zahl von Selbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft wider: „Mit einem Umfang von rund 480.000 Selbstständigen beträgt ihr Anteil im Kultursektor rund 32 Prozent und umfasst damit nahezu ein Drittel der Erwerbstätigen des gesamten Kultursektors. Im Vergleich zu allen Erwerbstätigen ist dort der Selbständigenanteil mit etwas mehr als einem Zehntel deutlich geringer ausgeprägt (Söndermann 2012, S.14).“

Eine ganze Reihe von Autoren hat einen neuen Typus des Unternehmers als treibende Kraft dieser Entwicklung ausgemacht (McRobbie 2001, Ellmeier 2003, Verwoert 2003, Lange 2007/2011, Mandel 2007, Reither 2008, Hesse 2011, Klamer 2011). In der Folge sollen die wichtigsten Ansätze zu einem Bild des neuen Kulturunternehmers zusammengefügt werden.

2.1.3. Die neuen Kulturunternehmer

„Finde einen billigen Ort, sorge für Musik, Getränke, Video- und Kunstinstallationen, kassiere von Freunden und anderen am Eingang ab, lerne mit der Polizei und den Behörden zu verhandeln, gründe und fördere Clubs und werde somit Kulturunternehmer (McRobbie 2001, S.281).“ So provokant lapidar formuliert die britische Kulturwissenschaftlerin Angela McRobbie in ihrer Studie „Vom Club zum Unternehmen“ den Prozess der Gründung in der Kultur- und Kreativwirtschaft um dann etwas ernsthafter zu konstatieren: „Man könnte sagen, dass die Durchdringung des kulturellen Bereichs durch unternehmerisches Denken und Handeln extrem fortgeschritten ist (McRobbie 2001, S.287).“

McRobbie sieht daher die Kreativwirtschaft als ein Experimentierfeld für eine postindustrielle, postfordistische Industrie, die von einem utopischen Grundgedanken junger Menschen getragen wird, die voller Sehnsucht nach einem Leben jenseits der Arbeitstage von neun bis fünf, nach einem Leben voller Begeisterung und Freude in die vermeintlich frei gestaltete Selbstständigkeit gehen (vgl. McRobbie 2001, S.283). McRobbie entlarvt diese Utopie aber umgehend mit dem Verweis auf fehlende Sozialversicherungen, unbezahlbar hohe Kosten der Privatversicherungen, nicht überschaubare soziale Folgen eines völlig individualisierten und an Netzwerken orientierten kreativen Arbeitsmarktes und fehlenden Strategien im Umgang mit dem „eigenen“ Postfordismus (McRobbie 2001, S,287). Sie geht sogar so weit zu behaupten, für eine ganze Generation junger Menschen entstünde „das bittere Gefühl von Vergänglichkeit, Unbeständigkeit und sogar Einsamkeit (McRobbie 2001, S.289).“

Einen weit weniger kritischen dafür definitorisch präziseren Ansatz hat Birgit Mandel, die für ihre Studie „Die neuen Kulturunternehmer“ 10 Porträts ebensolcher anstellte. Mit ihrer Definition meint Mandel „Kleinst- und Kleinunternehmer der Kulturwirtschaft, die jenseits der Global Player des Kultur- und Medienmarktes und jenseits traditioneller Kulturberufe, wie etwa Künstler, Designer oder Architekten, neue Dienstleistungen entwickelt haben, mit denen sie sich auf dem Markt behaupten (Mandel 2007, S.7).“ Mandel sieht die Aktivitäten der neuen Kulturunternehmer auf den Gebieten der künstlerisch-kulturell gestaltenden, Kultur vermittelnden, Kultur managenden und Kultur beratenden Dienstleistungen (vgl. Mandel 2007, S.8). Dabei betont sie die Unterscheidung zwischen Kulturunternehmertum und freier Kunst. „Trotz ihrer Nähe zu den Künsten und der Integration künstlerischer Denk- und Gestaltungsprinzipien in ihre Arbeit, sind die Neuen Kulturunternehmer keine ‚autonomen’ Künstler. Sie sind Dienstleister und agieren damit auf der Basis eines anderen Verständnisses, als wenn Kunst als Selbstzweck bzw. ohne spezifischen Auftrag praktiziert wird (Mandel 2007, S.8).“ Vielmehr sieht Mandel eine Kunden- und Dienstleistungsorientierung bei den neuen Kulturunternehmern im Vordergrund.

Den Grund für das Aufkommen dieses neuen Unternehmertypus sieht Mandel in einem „Mangel an Festanstellungen bei gleichzeitig hohem Bedarf an professionellen Dienstleistungen im Kultursektor (Mandel 2007, S.8).“ Mandel wünscht sich außerdem ein größeres Verständnis der Politik für die Innovations- und Wachstumspotenziale der neuen Kulturunternehmen und eine positive Besetzung des Begriffs „Unternehmer“. Überhaupt zeichnet Mandel ein größtenteils unkritisches, außerordentlich positives Bild der neuen Kulturunternehmer als Entwicklungsfaktor der Kulturgesellschaft: „Sie entdecken und sie wecken kulturelle Bedürfnisse als eine am Markt nachgefragte Dienstleistung, sie tragen zur positiven kulturellen Entwicklung von Städten und Regionen bei, sie bringen kulturelle Kompetenzen in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche ein (Mandel 2007, S.10).“

Saskia Reither nähert sich den neuen Kulturunternehmern aus einer Perspektive des Selbstmanagements (Reither 2008). Auch sie formuliert das Aufkommen der neuen Kulturunternehmer zunächst als Reaktion auf veränderte Arbeitsverhältnisse in der Branche. Reither weist darauf hin, „dass Kulturschaffende (Kulturvermittler oder -manager) mehr und mehr Interesse gewinnen, sich in einer Branche, die ohnehin beinahe keine festen und dauerhaften Beschäftigungsverhältnisse mehr kennt, selbständig zu machen. Sie initiieren Projekte, bieten sich und ihre speziellen Kenntnisse für full service-Leistungen an und arbeiten als Freie in immer neuen Projekten mit befristeter Laufzeit. Sie nutzen die Lücken und Freiräume eines Kulturmarktes kreativ und setzen die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse in Form eines Büros, einer Agentur oder eines Netzwerks freiberuflich um (Reither 2008, S.165).“ Reither verortet die Kulturunternehmer in den Tätigkeitsfeldern der Kultur-Gestaltung, -Vermittlung, -Organisation, -Akquise, -Beratung und -Leitung (vgl. Reither 2008, S.179) und sieht ihren Weg in die Selbstständigkeit auch als Selbstschutzmechanismus um der Stigmatisierung durch Arbeitslosigkeit zu entrinnen. Dabei unterstreicht sie das Selbstmanagement als Kernkompetenz der Kulturunternehmer, die immer wieder in der Situation sind, „wie ein Freiberufler zu denken und zu handeln, zu akquirieren, zu organisieren und sich selbst zu managen. Aus diesem Grund liegt es nahe, die Perspektive zu wechseln, und sich statt ‚negativ’ als Angestellter auf der permanenten Suche nach dem nächsten befristeten Job zu begreifen, ‚positiv’ als mehr oder weniger unabhängiger Freiberufler zu sehen (Reither 2008, S.177)“.

Einen grundverschiedenen Ansatz der Definition des Kulturunternehmers hat Arjo Klamer, der keine deskriptive Definition vorlegt sondern moralisch getrieben ein Idealbild des „Cultural Entrepreneurs“ entwirft (Klamer 2011). „Cultural entrepreneurs are cultural because they are about the cultural. Being focused on the (cultural) content, being about the art itself and the creative process is a moral attribute of the cultural entrepreneur (Klamer 2011, S.154).“ Damit unterscheidet sich Klamers Entwurf deutlich von dem Mandels, die den freien Künstler vom Kulturunternehmertum ausschließt und die Orientierung an Kunden und Aufträgen in den Mittelpunkt rückt. Solche Kulturunternehmer, für die Kultur ein bloßes Instrument zur Profitgewinnung darstellt sind Klamer suspekt. Er versucht vielmehr herauszufinden, was einen im moralischen Sinne „guten“ Kulturunternehmer ausmacht, dessen große Herausforderung es ist, zum Allgemeingut der Kunst beizutragen (vgl. Klamer 2011, S.154). Dabei endet Klamer bei fünf Punkten die für ihn gute Kulturunternehmer ausmachen:

- Sie erkennen unternehmerische Chancen.
- Sie sind kreativ, sowohl in der Produktion künstlerischer Produkte als auch in der Organisation ihrer Kommunikation und ihrer Finanzen.
- Die Kunst ist ihre Leidenschaft. Alles andere, einschließlich der Ökonomie ist für sie nur ergänzend relevant.
- Sie sind überzeugend gegenüber Kooperationspartnern und Investoren.
- Sie sind umsichtig, mutig und selbstbewusst in ihren Aktionen (vgl. Klamer 2011, S.155).

Dieser moralisch-idealistische Definitionsansatz von Klamer ist als utopische Vision äußerst interessant, wirft aber die Frage auf, wo er in der reellen Welt verwirklicht ist. Der Ansatz vernachlässigt die faktisch existenziellen Finanzierungsnöte, die eine große Anzahl Kreativer zur Marktorientierung zwingt.

Bastian Lange schließlich entwirft in seiner Analyse des kreativen Berlins den schmissigen Anglizismus des „Culturepreneurs (Lange 2007)“. „Die Kreativwirtschaft wird (in Berlin) ganz wesentlich durch einen neuen Sozialraumtypus getragen, einen kulturellen Unternehmer (...). Als Unternehmer seines Selbst bietet er sein Erfahrungs- und Symbolwissen Dienstleistern an und erfüllt dadurch eine Brückenfunktion zwischen den vormals tendenziell eher getrennt voneinander operierenden Subsystemen Wirtschaft und Kultur (Lange 2007, S.14).“

Analog zur Theorie von Angela McRobbie sieht auch Bastian Lange die auf individualistischen Werten und neoliberaler Ökonomie beruhende „Subjektivierung von Arbeit (Lange 2007, S.14)“ und Verwertung der „Ich-Ressource (Lange 2007, S.310)“ und somit eine Glorifizierung des Unternehmertums als konstitutives Element der Kreativwirtschaft in Berlin (vgl. Lange 2007, S.14). Die „Culturepreneurs“ sind für Lange sogar Vorbilder, Prototypen, Gallionsfiguren des Individualistischen Zeitalters. „In dieser Rolle übernehmen sie über ihre Profession hinaus Verantwortung für die Implementierung expressiver Werte in ein ökonomisches System (Lange 2007, S.22).“

Langes Definition des „Culturepreneurs“ ist für diese Arbeit von ganz besonderem Interesse, da sie einen Schwerpunkt auf die Verwurzelung des Kulturunternehmers in lokalen Szenen, Milieus, Subkulturen legt, die Lange als „Wissensnetze“ bezeichnet: „Culturepreneurs nehmen bei der Übermittlung von Wissen, Stilen und Informationen in Kreativszenen eine zentrale Rolle ein. Diese unternehmerischen Subjekte operieren nie allein, sondern immer in kommunikativ eingerichteten Wissensnetzen (Lange 2007, S.15).“ Neben der Bereitschaft zur Selbstverwertung sieht Lange also in Subkulturen erlerntes Wissen als wichtigste Ressource für den „Culturepreneur“: „Subkulturelle Kompetenz sowie die Bereitschaft zur Entdeckung seines Selbst erweisen sich als konstitutive Motivdispositionen dieser Akteure (Lange 2007, S.311).“

Bevor aber tiefer darauf eingegangen werden kann, wie diese subkulturellen Kompetenzen zum Erfolg von Mikro-Unternehmern in der Kultur- und Kreativwirtschaft beitragen können muss zuerst ein Versuch angestellt werden, den komplexen Begriff der Subkultur in für diese Arbeit sinnvoller Weise zu fassen.

2.2. Subkultur – Von der Straßengang zur Ästhetik neuer Subkulturen

Eine einheitliche Definition von „Subkultur“ kann in der Literatur nicht gefunden werden. Vielmehr weisen zahlreiche Autoren darauf hin, wie schwierig es ist, den Begriff „Subkultur“ zu fassen. „Sind gemeinhin die Definitionsbestimmungen dessen, was gemeinhin Kultur zu nennen ist, schon Resultate von reduzierenden Auslassungen oder relativierenden Überdehnungen des Begriffs, so ist leicht einsehbar, um wieviel größer die Schwierigkeiten werden, wenn zudem noch eine Schicht unterhalb dem einmal als Kultur Bestimmten vermutet wird (Behrens 1998, S.134)“, konstatiert beispielsweise Behrens und Baacke erkennt in dem Begriff ein Sammelbecken für diverse Phänomene, „die man sich auf einer gleitenden Skala von den Peer-Groups der 50er Jahre, den Teenage-Kulturen und dem Mainstream der Pop-Musik über eine stärker durch grundsätzliche Ablehnung gesellschaftlicher Werte bestimmte Jugend bis zur radikalen Absage an Ordnungen und bisherige Gewohnheiten vorstellen muß (Baacke 2004, S.131).“

Jenks hält das Konzept der Subkultur gar für einen anti-modernen Begriff, der verkürzenden Umgang mit sozialer Wirklichkeit befördert, den Fokus auf die Nische richtet und den Blick aufs Große und Ganze verschleiert: „The idea has run it’s course. As a device in the hands of sociologists, or more recently the exponents of cultural studies, it has keenly avoided the difficulties that are present when we attempt to explain elements of the social world in terms of society itself. Instead of addressing the difficulties that the idea of ‚society’ presents, the theorist rejects or leaves behind the grand, totalizing concept with an ideological justification in terms of the politics of today (Jenks 2005, S.145).“

Vom Ende der Subkultur zu sprechen ist theoretisch durchaus nachvollziehbar, in der kolloquialen Praxis hält sich der Begriff aber, im Sprachgebrauch gerade der Klasse der urbanen Kreativen ist er fest verankert und wird immer wieder herangezogen. In dem Radiofeature „Spielwiese: Subkultur“ des Bayerischen Rundfunks beispielsweise konstatiert der Journalist Ralph Glander: „Jede Stadt braucht Subkultur (Glander 2015).“ Da dies keine Subkultur-historische Arbeit ist sollen in der Folge nur kurz die wichtigsten Forschungsgeschichtlichen Stationen des Begriffs „Subkultur“ skizziert werden um darauf aufbauend einen Begriff von Subkultur zu entwickeln, der in einem Verhältnis steht zur Kultur- und Kreativwirtschaft und somit sinnvoll für diese Arbeit ist.

[...]

Fin de l'extrait de 101 pages

Résumé des informations

Titre
Subkultur-Unternehmertum. Subkultur als Nährboden für unternehmerisches Denken und Gründungen in der Kreativwirtschaft
Université
University of Music and Performing Arts Munich  (Kulturmanagement)
Note
1,0
Auteur
Année
2015
Pages
101
N° de catalogue
V312091
ISBN (ebook)
9783946458142
ISBN (Livre)
9783946458173
Taille d'un fichier
494 KB
Langue
allemand
Mots clés
Subkultur, Kreativwirtschaft, Unternehmertum, Kulturunternehmer, Szene, kulturmanagement, entrepeneurship
Citation du texte
Tobias Tzschaschel (Auteur), 2015, Subkultur-Unternehmertum. Subkultur als Nährboden für unternehmerisches Denken und Gründungen in der Kreativwirtschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312091

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