Der überwiegende Großteil der Autoren, welche sich mit internationaler politischer Theorie beschäftigen, können im Spektrum zwischen den Kategorien des Kosmopolitismus und eines Nicht-Kosmopolitismus verordnet werden. Die wesentliche Bruchlinie in dieser Bipolarität ist, ob die Menschen dieses Planeten in einer moralischen Gemeinschaft zusammengefasst werden könnten, oder ob wir uns in einem praktisch unüberwindlichen Zustand der Koexistenz relativ exklusiver partikularer moralischer Gemeinschaften befinden. Der Kosmopolitismus setzt sich hier für einen weltweiten Kanon elementarer moralischer Grundsätze ein, als notwendige Grundlage für jede moralische Gemeinschaft.
Es besteht schon aus funktionaler Sicht die Notwendigkeit zur Begründung eines gewissen Konsensus bezüglich dieser Grundnormen. Die zentrale Ausgangsfrage zu diesem Projekt könnte lauten, ob moralische Geltungsansprüche in einer objektiven Weise wahrheitsfähig sind. Insofern nun alle Adressaten ethischer Normen bewusstseinsfähige Menschen sind und ohne diesen personellen Bezugsrahmen Ethik weder nötig, möglich, noch ob ihres Wahrheitsgehalts überprüfbar scheint, muss bezüglich der untersuchten Normen keine objektiver Wahrheitsanspruch, sondern lediglich ein intersubjektiver Wahrheitsanspruch begründet werden. Intersubjektiv bedeutet, dass ein Geltungsanspruch unabhängig vom subjektiven Sozialisationsrahmen und Wertesystem, nachvollziehbare und akzeptabel scheint. Wir haben es also mit einem „wahrheitsanalogen“ Geltungsanspruch zu tun. Moralprinzipien mit diesem Anspruch kann man nichtsdestotrotz als „universalistisch“ bezeichnen.
Die Arbeitsthesen werden formuliert als:
1. Es ist möglich, ethische Grundnormen zu formulieren, die im Kontext des faktischen Pluralismus letzter Werteorientierung intersubjektiv wahrheitsfähig sind. Der in dieser Richtung aussichtsreichste Versuch wurde von der kognitivistischen Ethik geleistet, da diese in ihrer Begründung an geteilt menschliche Eigenschaften wie Vernunft und Empathie appelliert und ihre moralische Letztbegründung ein allgemein zugängliches Bezugssystem bietet.
2. Die kognitivistische Ethik wird in ihrem Kerngehalt diesem Anspruch gerecht. Die intersubjektive Wahrheitsfähigkeit dieses Kerngehalts kann empirisch belegt werden.
3. Es lassen sich empirisch Belege für die Universalität dieser Ethik finden.
Im Anschluss an den konstruktiven Theorieteil wird sich mit möglicher Kritik an dem universalistischen Ansatz auseinandergesetzt.
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung
- II. Ethik mit intersubjektiver Wahrheitsfähigkeit?
- 1. Deontologischer Konsens durch das „objektive Moralitätsprinzip”
- 2. Konsequenzialistischer Kompromiss durch das optimierte Interessenaggregat
- 3. Begründung des wahrheitsanalogen Geltungsanspruchs
- a) Der Kerngehalt der kognitivistischen Ethik
- b) Theoretische Begründung der intersubjektiven Wahrheitsfähigkeit
- c) Empirische Stützung: Eine alte und unabhängig wiederkehrende Idee
- III Kritik am universalistischen Ansatz
- 1. Wieso überhaupt Moral?
- 2. Wieso nur eine Moral?
- a) Der metaethische Kulturrelativismus
- b) Der ethische Kulturpluralismus
- IV Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die intersubjektive Wahrheitsfähigkeit ethischer Grundnormen im Kontext des internationalen Systems. Sie zielt darauf ab, zu ergründen, ob ein universalistischer Ansatz zur Begründung solcher Normen möglich und vertretbar ist. Die Arbeit analysiert bestehende ethische Theorien und prüft deren Eignung zur Begründung eines globalen moralischen Konsenses.
- Intersubjektive Wahrheitsfähigkeit ethischer Normen
- Universalistischer vs. partikularer Ansatz in der internationalen Ethik
- Deontologische und konsequentialistische Ethik
- Kritik am universalistischen Ansatz und die Frage nach dem moralischen Konsens
- Empirische Belege für die Universalität ethischer Prinzipien
Zusammenfassung der Kapitel
I Einleitung: Die Einleitung führt in die Debatte um Kosmopolitismus und Partikularismus in der internationalen politischen Theorie ein. Sie argumentiert für die Notwendigkeit ethischer Grundnormen angesichts wachsender globaler Interdependenzen und formuliert die zentrale Forschungsfrage nach der intersubjektiven Wahrheitsfähigkeit moralischer Geltungsansprüche. Der Fokus liegt auf der Begründung eines „wahrheitsanalogen“ Geltungsanspruchs für universalistische Moralprinzipien. Die Arbeitsthese postuliert die Möglichkeit, intersubjektiv wahrheitsfähige ethische Grundnormen im Kontext des Pluralismus letzter Werteorientierungen zu formulieren, wobei die kognitivistische Ethik als aussichtsreichster Ansatz präsentiert wird.
II. Ethik mit intersubjektiver Wahrheitsfähigkeit?: Dieses Kapitel untersucht die Begründung universeller Moralitätsprinzipien anhand zweier wichtiger Theoriestränge: der deontologischen Ethik Kants und des konsequentialistischen Präferenzutilitarismus Singers. Es analysiert die Kernelemente beider Ansätze, um einen gemeinsamen Nenner zu finden, der die intersubjektive Wahrheitsfähigkeit ethischer Grundnormen belegt. Der Fokus liegt nicht auf der spezifischen Theorie der Autoren, sondern auf der Identifizierung von Prinzipien, die unabhängig von subjektiven Sozialisationsrahmen nachvollziehbar und akzeptabel sind. Die methodischen und materiellen Aspekte der kognitivistischen Ethik werden detailliert beleuchtet, wobei auch auf potenziell subjektive Vorannahmen eingegangen wird. Der gute Wille bei Kant und die Nutzenmaximierung bei Singer werden als Beispiele für diesen universalistischen Ansatz analysiert.
III Kritik am universalistischen Ansatz: Dieses Kapitel widmet sich der Kritik am universalistischen Ansatz zur Begründung ethischer Normen. Es untersucht die Frage nach der Notwendigkeit und Möglichkeit moralischen Handelns im Allgemeinen und nach der Existenz eines gemeinsamen moralischen Bezugsrahmens. Hierbei werden metaethischer Kulturrelativismus und ethischer Kulturpluralismus als Herausforderungen für den universalistischen Anspruch diskutiert. Die möglichen Einwände gegen die im vorherigen Kapitel begründete intersubjektive Wahrheitsfähigkeit werden systematisch aufgegriffen und analysiert. Die mögliche „westliche“ Voreingenommenheit der untersuchten Theorien wird als ein zentrales Kritikpunkt adressiert, der im Rahmen des Kapitels einer fundierten Auseinandersetzung unterzogen wird.
Schlüsselwörter
Kosmopolitismus, Partikularismus, Internationale Ethik, Intersubjektive Wahrheitsfähigkeit, Moralprinzipien, Deontologie, Konsequentialismus, Kognitivistische Ethik, Kulturrelativismus, Universalismus, Kant, Singer, Globaler Konsens.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Intersubjektive Wahrheitsfähigkeit ethischer Grundnormen im Kontext des internationalen Systems
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Möglichkeit, intersubjektiv wahrheitsfähige ethische Grundnormen im Kontext des internationalen Systems zu begründen. Sie analysiert, ob ein universalistischer Ansatz zur Begründung solcher Normen möglich und vertretbar ist und prüft die Eignung bestehender ethischer Theorien zur Begründung eines globalen moralischen Konsenses.
Welche Theorien werden analysiert?
Die Arbeit analysiert deontologische Ethik (Kant) und konsequentialistische Ethik (Singer), um einen gemeinsamen Nenner für die intersubjektive Wahrheitsfähigkeit ethischer Grundnormen zu finden. Der Fokus liegt auf der Identifizierung von Prinzipien, die unabhängig von subjektiven Sozialisationsrahmen nachvollziehbar und akzeptabel sind.
Was ist die zentrale Forschungsfrage?
Die zentrale Forschungsfrage ist, ob ein "wahrheitsanaloger" Geltungsanspruch für universalistische Moralprinzipien formuliert werden kann, also ob ethische Grundnormen eine intersubjektive Wahrheitsfähigkeit besitzen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Begründung universeller Moralprinzipien, ein Kapitel zur Kritik am universalistischen Ansatz und eine Schlussbetrachtung. Die Einleitung führt in die Debatte um Kosmopolitismus und Partikularismus ein. Kapitel II untersucht deontologische und konsequentialistische Ansätze. Kapitel III widmet sich der Kritik am Universalismus, inklusive Kulturrelativismus und Kulturpluralismus.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind Kosmopolitismus, Partikularismus, Internationale Ethik, Intersubjektive Wahrheitsfähigkeit, Moralprinzipien, Deontologie, Konsequentialismus, Kognitivistische Ethik, Kulturrelativismus, Universalismus, Kant, Singer und Globaler Konsens.
Wird der Universalismus kritisiert?
Ja, das Kapitel III widmet sich der Kritik am universalistischen Ansatz. Es werden Einwände gegen die intersubjektive Wahrheitsfähigkeit ethischer Normen diskutiert, insbesondere die mögliche "westliche" Voreingenommenheit der untersuchten Theorien und die Herausforderungen durch metaethischen Kulturrelativismus und ethischen Kulturpluralismus.
Welchen Ansatz favorisiert die Arbeit?
Die Arbeit präsentiert die kognitivistische Ethik als aussichtsreichsten Ansatz zur Formulierung intersubjektiv wahrheitsfähiger ethischer Grundnormen im Kontext des Pluralismus letzter Werteorientierungen.
Welche Zusammenfassung der Kapitel wird gegeben?
Es werden Zusammenfassungen der Einleitung, des Kapitels zur Begründung universeller Moralprinzipien und des Kapitels zur Kritik am Universalismus angeboten. Diese liefern einen Überblick über die Argumentationslinien und Ergebnisse jedes Kapitels.
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- Benno Valentin Villwock (Author), 2014, Ist Moral wahrheitsfähig? Zum kosmopolitischen Werteuniversalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312170