Der einzige für jeden erkennbare Sinn des menschlichen Lebens ist für Freud das Streben nach Glück. Dieser in der menschlichen Psyche durch das Lustprinzip präsentierte Glücksanspruch findet in vielgestaltigen Wunschregungen seinen Ausdruck. Leider kollidieren viele unserer Triebansprüche mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit, und wir werden gezwungen, auf die Befriedigung zahlreicher Wünsche zu verzichten. Es versteht sich von selbst, „daß eine Hemmung übermäßiger Wünsche und zerstörerischer Aggressionen notwendig ist, um das menschliche Zusammenleben zu ermöglichen.“ Trotzdem erkannte Freud in den gesellschaftlich geforderten Versagungen den Ursprung für die Kulturfeindlichkeit der Menschen. Wie schafft es nun die Kultur den Einzelnen für seine Triebverzichte zu entschädigen? „Welcher Mittel bedient sich die Kultur, um die ihr entgegenstehenden Aggressionen zu hemmen, unschädlich zu machen, vielleicht auszuschalten?“ In seinen kulturtheoretischen Schriften suchte Freud nach den Kräften, die den Einzelnen daran hindern, seine Triebansprüche ungehemmt zu befriedigen und die eine Gemeinschaft trotz der Feindseligkeit der Menschen gegeneinander zusammenhalten. Der Moralität des Menschen kommt hierfür zweifelsfrei eine herausragende Bedeutung zu, denn sie „ist eines der bedeutendsten >Zwangsmittel<, deren sich die menschliche Gemeinschaft zur Bändigung egoistischer Instinkte bedient.“ Freud ging sogar soweit, dass er Moralität und Triebeinschränkungen als dasselbe auffasste. In seinen Arbeiten versuchte er zu beleuchten, welche psychischen Mechanismen und kulturellen Institutionen dafür sorgen, dass Menschen sich an moralische Normen und Regelungen halten und somit freiwilligen Triebverzicht leisten.
Getrieben von der Frage nach dem Ursprung des sittlichen Empfindens und der Moralvorstellungen des Menschen studierte Freud die Arbeiten zahlreicher Ethnologen über die Ureinwohner Australiens, Amerikas und Afrikas und untersuchte die Organisationsstrukturen dieser primitiven Völker mit dem methodischen Werkzeug des Psychoanalytikers, um so neue Erkenntnisse über den Anfang und die Bedingungen der menschlichen Zivilisation und Kultur zu gewinnen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Das totemistische System und das Wesen der Tabuvorschriften
- Totemismus und Exogamie
- Funktion und Inhalt der Tabuvorschriften
- Die Bedeutung von ambivalenten Gefühlsregungen
- Das Totemtier als Vaterersatz
- Der Vatermord als Ursprung des Totemismus und der Tabuvorschriften
- Das schöpferische Schuldbewusstsein
- Zur Terminologie
- Die Psychogenese des Über-Ichs als Träger der Moral
- Die Strenge des Gewissens
- Die Bedeutung des Ödipuskomplexes
- Kritik an Freuds Moraltheorie
- Freuds Kritik der herrschenden Moral
- Das totemistische System und das Wesen der Tabuvorschriften
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit zielt darauf ab, Freuds Überlegungen zum Ursprung der Moral zu beleuchten und darzustellen, wie er die Entstehung des Gewissens, der Sittlichkeit und der Moralität des Menschen erklärt.
- Das totemistische System und die Bedeutung der Tabuvorschriften für die Entwicklung der Moral
- Die Rolle des Vatermords als Auslöser für die Entstehung von Moral und Tabu
- Die Psychogenese des Über-Ichs als Träger der Moral
- Die Bedeutung des Ödipuskomplexes für die Internalisierung von moralischen Normen
- Freuds Kritik an der herrschenden Moral
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in Freuds Denkweise zum Wesen des menschlichen Strebens nach Glück und zur Entstehung der Kultur ein. Sie thematisiert die Notwendigkeit von Triebverzicht und die Rolle der Moral in der Gesellschaft.
Das totemistische System und das Wesen der Tabuvorschriften
Dieses Kapitel beleuchtet das Totemismus-System, das Freud als eine Vorstufe zur Kultur begreift. Es untersucht die Tabuvorschriften des Totemismus und insbesondere die Exogamie als einen zentralen Bestandteil der Moral in primitiven Gesellschaften.
Das schöpferische Schuldbewusstsein
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Entwicklung des Über-Ichs als Träger der Moral und untersucht, wie das Gewissen entsteht und welche Rolle der Ödipuskomplex dabei spielt. Freud argumentiert, dass die Internalisierung von moralischen Normen durch die Überwindung des Ödipuskomplexes geschieht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Begriffen aus der Psychoanalyse, der Ethnologie und der Kulturtheorie. Zu den Schlüsselbegriffen zählen: Totemismus, Tabuvorschriften, Exogamie, Vatermord, Über-Ich, Gewissen, Ödipuskomplex, Moralität, Triebverzicht, Kulturfeindlichkeit und die Kritik an der herrschenden Moral.
- Citation du texte
- Andre Fischer (Auteur), 2004, Freud und Moral - Eine Darstellungen von Freuds Betrachtungen zum Ursprung der Moral, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31249