„Placemaker“ nennt er sich selbst. Als „Imagineer“, „Prophet des neuen öffentlichen Raumes“, sogar „Master of Kitsch“ bezeichnen ihn andere. Die Rede ist von Jon Jerde, einem der erfolgreichsten zeitgenössischen Architekten. Für seine Gebäude, vornehmlich Hybride aus Shopping Malls, Freizeiteinrichtungen und öffentlichen Plätzen, gibt es mindestens ebenso viele Namen: „gigantisch[e] Implantate“, „architecture of pleasure“ oder „Ooohh-Aaahhrchitecture“ sind nur einige.
Der Architekt aus Kalifornien entwirft seit 1977 mit seiner Firma, The Jerde Partnership, weltweit sogenannte „Urban Entertainment Center“, mit dem Ziel, strukturschwache Innenstädte und Stadtviertel wiederzubeleben. Prominente Beispiele, wie Horton Plaza, Universal CityWalk oder Canal City Hakata, dienen als „Ersatz“-Stadtzentren, die nicht nur die Konsumenten aus den Vororten zurück ins Zentrum holen, sondern gleichzeitig einen Ort schaffen sollen, der Bürgern als neuer, öffentlicher Raum dient.
Das nennt Jerde „Placemaking“. Oft betont der Architekt, dass er keine Gebäude designt, sondern den Raum dazwischen, den Platz, auf dem die Menschen „work, eat, stay, shop, play, wander and live“, sodass aus der „community of consumers“ eine echte Gemeinschaft würde. Kritiker zweifeln jedoch genau diesen Anspruch auf Authentizität an.
Ein anderer „Imagineer“ seiner Zeit, für den der Platz in der Stadt eine ebenso wichtige Rolle spielte, war Camillo Sitte. Der Wiener Architekt veröffentlichte 1889 – fast 100 Jahre vor der Fertigstellung von Jerdes erstem Urban Entertainment Center, dem Horton Plaza in San Diego – sein theoretisches Hauptwerk „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ und eröffnete damit die Diskussion um die Rolle der Kunst beim Bau von öffentlichen Plätzen. Ausgehend von einer Kritik am vorherrschenden Bauprinzip in Wien, das durch ein „moderne[s] Häuserkastensystem“ und eine Mathematisierung und Technisierung geprägt war, analysierte Sitte in seinem Werk „schöne[...], alte[...] Platz- und überhaupt Stadtanlagen auf die Ursachen der schönen Wirkung hin“.
Nicht nur, dass Kritiker Sitte und Jerde gegenüber eine ähnliche Haltung hatten, beide Architekten verfolgten und verfolgen auch das gleiche Ziel: Genau wie Jerde sah Sitte in der Wirkung des Platzes auf die Menschen den Schlüssel für eine Gemeinschaftsstiftung im öffentlichen Raum.
Inhaltsverzeichnis
- Jon Jerde: Der „Placemaker“ der Postmoderne
- Leben und Werk
- Urban Entertainment Center
- Camillo Sitte: Der Verfechter „,alter Platzherrlichkeit“
- Leben und Werk
- „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“
- Jerde und Sitte: Neue Plätze nach altem Vorbild
- Der Tod des Platzes: Kritik am vorherrschenden System
- Das historische Vorbild: Der Platz als soziales Bindeglied
- Motive einer idealen Platzanlage
- Natürlich gewachsene Stadt: Unregelmäßigkeit der Plätze
- Geschlossenheit und Freihalten der Plätze
- Größe von Plätzen und ihre Anlage in Platzgruppen
- Perspektivische Wirkung: Die Stadt als Theater(kulisse)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Frage, ob in den städtebaulichen Ideen des zeitgenössischen Architekten Jon Jerde die Handschrift des Wiener Städtebauers Camillo Sitte wiederzuerkennen ist. Die Arbeit analysiert die Konzepte von Jerdes „Urban Entertainment Centern“ und vergleicht sie mit Sittes Theorie des „Städtebaus nach seinen künstlerischen Grundsätzen“. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Ideen beider Architekten herauszuarbeiten, insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung öffentlicher Plätze.
- Der Vergleich der städtebaulichen Konzepte von Jon Jerde und Camillo Sitte
- Die Rolle des Platzes als soziales Bindeglied in der Stadt
- Die Bedeutung der „alten Platzherrlichkeit“ für die Gestaltung öffentlicher Plätze
- Die Analyse von Jerdes „Urban Entertainment Centern“ im Kontext von Sittes Theorie
- Die Rezeption von Sittes Ideen im 21. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Dieses Kapitel stellt Jon Jerde als „Placemaker“ der Postmoderne vor und beleuchtet sein Leben und Werk. Es wird insbesondere auf die Entstehung und Entwicklung von Jerdes „Urban Entertainment Centern“ eingegangen.
- Kapitel 2: Dieses Kapitel behandelt Camillo Sitte, der als Verfechter der „alten Platzherrlichkeit“ gilt. Es wird auf seine Biografie, sein Hauptwerk „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ und die Kritik an seinen Ideen eingegangen.
- Kapitel 3: Dieses Kapitel vergleicht die städtebaulichen Ideen von Jerde und Sitte. Es werden die Kritik am vorherrschenden Stadtbauprinzip, das historische Vorbild des Platzes als soziales Bindeglied, sowie die Motive einer idealen Platzanlage nach Sitte untersucht.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind „Urban Entertainment Center“, „Placemaking“, „Platzherrlichkeit“, „Städtebau“, „öffentlicher Raum“, „Gemeinschaftsstiftung“, „Architektur“, „Jon Jerde“, „Camillo Sitte“, „historische Platzanlagen“, „moderne Stadtplanung“.
- Quote paper
- Sarah Curth (Author), 2014, Die städtebaulichen Ideen Camillo Sittes in Jon Jerdes Urban Entertainment Centern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313183