Resilienz und Unternehmensführung. Aktueller Wissensstand und Bedeutung des Führungsstils


Tesis de Máster, 2015

86 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1 Einleitung

2 Vorgehensweise und wissenschaftliche Fragestellung

3 Begriffsbestimmungen
3.1 Resilienz
3.2 Stress
3.3 Salutogenese
3.4 Führung

4 Resilienz als Ressource von Unternehmen
4.1 Resilienz und Unternehmenserfolg
4.2 Resilienzfaktoren in Unternehmen
4.3 Resilienzförderung in Unternehmen

5 Resilienz und Führungsforschung – eine Bestandsaufnahme
5.1 Methodik der Bestandsaufnahme
5.2 Ergebnisse der Bestandsaufnahme
5.3 Zusammenfassung und Diskussion der Bestandsaufnahme

6 Resilienzförderung und Führung
6.1 Transformationale Führung: Entstehungsgeschichte
6.2 Transformationale Führung: Weiterentwicklung
6.3 Transformationale Führung: Wirkung und Erfolg

7 Zusammenfassung und kritische Diskussion

8 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang 1: Literaturrecherche – Dokumentation der Such-Kriterien und Treffer-Quoten

Anhang 2: Literaturrecherche – Dokumentation der für die wissenschaftliche Fragestellung relevanten Trefferauswahl

Abstract

Die Arbeit gibt einen Literaturüberblick zum aktuellen Wissensstand über Resilienz und Unternehmensführung. Auf der Basis einer Literaturrecherche wird die Frage beantwortet, für welches Führungsmodell bzw. welchen Führungsstil sich Wirkungen auf die Resilienz von Beschäftigten und Unternehmen belegen lassen.

Die organisationale Resilienz eines Unternehmens ist nicht von der personalen Resilienz der Beschäftigten zu trennen. Sie beruht auf dem Zusammenspiel von Organisationsstrukturen, Arbeitsbedingungen, persönlichen Merkmalen und Kompetenzen der Mitarbeiter und Führungskräfte und auf deren Interaktionen.

Die Gesundheit der Beschäftigten gilt heute als eine Schlüsselressource für Unternehmen. Angesichts zunehmender Fehlzeiten und Berufsunfähigkeit durch Burnout und psychosomatische Beschwerden gewinnt die Stärkung der psychischen Widerstandskraft von Mitarbeitern und Führungskräften im betrieblichen Gesundheitsmanagement an Beachtung.

Die Literatur belegt die besondere Bedeutung eines transformationalen Führungsstils für die Resilienz von Mitarbeitern. Transformational agierende Führungskräfte werden im Vergleich zu jenen, die eher transaktionale oder laissez-faire-Führung praktizieren, als weniger Stress auslösend wahrgenommen. Transformational geführte Mitarbeiter fühlen sich wohler am Arbeitsplatz, sind seltener krank und zufriedener mit ihrer Arbeitsaufgabe – sie gelten als resilienter.

Die Transformation der Geführten erfolgt über die Vorbildfunktion der Führungskraft, die sich an psychischen Grundbedürfnissen der Mitarbeiter orientiert, gemeinsame Werte vermittelt und soziale Unterstützung anbietet.

Transformationale Führung erscheint gerade in Zeiten rascher Umbrüche und wirtschaftlicher Krisen als vorteilhaft für Unternehmen: sie unterstützt die Aufgeschlossenheit der Mitarbeiter gegenüber Veränderungen, entwirft ein optimistisches Zukunftsbild, erklärt den Veränderungsbedarf und regt neue Lösungsansätze an. Mitarbeiter und Führungskräfte resilienter Organisationen verfügen über vergleichsweise höhere Flexibilität, Adaptabilität und Leistungsbereitschaft.

1 Einleitung

„Der wichtigste Erfolgsfaktor eines Unternehmens ist nicht das Kapital oder die Arbeit, sondern die Führung“ (Reinhard Mohn, deutscher Medienunternehmer. In: Draht 2014, S. 49).

„Unser Ziel ist Resilienz, also Widerstandsfähigkeit – nicht nur für jeden einzelnen Beschäftigten, sondern vor allem auch für die Unternehmen als Ganzes“ (Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales. In: FAZ 19.11.2012, S. V2).

Die Relevanz von Führung für den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg ist ein in der Führungsforschung seit Jahrzehnten diskutiertes Thema und wird heutzutage sowohl wissenschaftlich als auch in der Unternehmenspraxis anerkannt. Resilienz, ursprünglich in den 1950er Jahren geprägt als Begriff für die Widerstandsfähigkeit von Menschen gegenüber psychischen und auch körperlichen Belastungen, hat seither einen beträchtlichen Bedeutungswandel erfahren und wird heute analog auch als Begriff für die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen und Organisationen gegenüber verschiedensten belastenden Einflüssen und Krisen verwendet (vgl. Draht 2014, S. 34 f.).

Das Zitat aus einem Beitrag der früheren Bundesministerin für Arbeit und Soziales in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 2012 bringt zum Ausdruck, welche Priorität der Resilienz sowohl von Individuen als auch Unternehmen auf der arbeits- und sozialpolitischen Agenda mittlerweile eingeräumt wird. Dafür gibt es aufgrund verschiedener Datenerhebungen eine Reihe gewichtiger sozioökonomischer Gründe (vgl. von der Leyen 2012. In: FAZ, S. V2).

In der Erwerbstätigenbefragung 2006 des Bundesinstituts für Berufsbildung gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gab fast ein Drittel der ca. 20.000 Befragten an, häufig unter starkem Zeitdruck arbeiten zu müssen und sich dadurch belastet zu fühlen. Dies entspricht umgerechnet auf die Bundesrepublik Deutschland über 10 Millionen Erwerbstätigen. Unter den europäischen Arbeitgebern betrachten 79% arbeitsbedingten Stress als wichtiges Gesundheitsproblem. Zu den wichtigsten Faktoren, die psychische Risiken bergen, zählen Manager Zeitdruck (52%) und Umgang mit schwierigen Kunden, Patienten, Schülern usw. (50%) (vgl. Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie 2013, S. 1).

Eine zur Evaluation der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie durchgeführte Betriebs- und Beschäftigtenbefragung kommt zu dem Ergebnis, dass psychische Belastungen durch hohen Zeitdruck oder organisatorisch bedingte Probleme von 20% der Betriebe und 31% der Beschäftigten angegeben werden. Psychischen Belastungen durch den Umgang mit schwierigen Personengruppen wird im Gesundheits- und Sozialwesen von 42% der Betriebe und 43% der Beschäftigten ein hoher Stellenwert beigemessen, in den Bereichen Verwaltung, Bildung und Erziehung tun dies 33% der Betriebe und 34% der Beschäftigten (vgl. Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie 2013, S. 2).

Der BKK-Gesundheitsreport dokumentiert 2011 einen kontinuierlichen Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) aufgrund von psychischen Störungen. 1991 hatten sie noch 3,8% aller AU-Tage ausgemacht und den 7. Rang aller Krankheitsursachen bei Arbeitsunfähigkeit eingenommen. 2011 bildeten psychische Erkrankungen bereits die viertwichtigste Krankheitsgruppe. Bei den Frauen stand diese Krankheitsursache mit 15,5 % der AU-Tage an zweiter und bei Männern mit 9,0 % an vierter Stelle (vgl. BKK Bundesverband 2011, S. 41 ff.).

2010 wurden 53,5 Mio. Krankheitstage registriert, die auf psychische Störungen zurückgehen, was gegenüber 1997 einen Anstieg um mehr als 80% bedeutet. Der durch Ausfallzeiten infolge psychischer Belastungen bedingte Produktionsausfall belief sich 2010 auf 5,1 Milliarden Euro. Die Zahl der Frühverrentungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit stieg von 2007 bis 2010 um 13% (Durchschnittsalter 48 Jahre), verbunden mit einer deutlichen Zunahme von psychischen Erkrankungen als Ursache (vgl. Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie 2013, S. 2).

Der jährlich erscheinende Fehlzeiten-Report trug im Jahr 2011 den Untertitel Führung und Gesundheit. Im Vorwort führen die Autoren aus, dass Mitarbeiter in „[…] einer sich ständig verändernden Arbeitswelt […] das wichtigste Leistungspotenzial eines Unternehmens [bilden]“ und Führungskräfte „[…] Verantwortung für die Mitarbeiter […] nicht nur im Hinblick auf die Leistungen, sondern auch für ihre Gesundheit [tragen], denn nur gesunde und motivierte Mitarbeiter sind auch produktive Mitarbeiter“. Da Führungskräfte selbst hohen Belastungen und Beanspruchungen ausgesetzt sind, „[…] kommt ihnen eine Doppelrolle zu: Sie müssen Verantwortung für die Leistungen und die Gesundheit der Mitarbeiter wie auch für sich selbst übernehmen“ (Badura et al. 2011, S. V).

Ausgangspunkt der 2013 von der Bertelsmann Stiftung publizierten Studie Führung, Gesundheit und Resilienz war die von allen Krankenkassen berichtete, stetig wachsende Zahl von Burnout-Fällen sowie von Fehlzeiten und Berufsunfähigkeiten aufgrund psychischer Erkrankungen. Untersucht wurde der Einfluss von Führung auf die psychische Gesundheit von Mitarbeitern, um daraus Empfehlungen für Maßnahmen zur Förderung der psychischen Widerstandsfähigkeit im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements, z.B. Resilienz-Trainings, abzuleiten (vgl. Mourlane et al. 2013).

Diese Daten und Fakten verdeutlichen den sozioökonomischen und psychosozialen Hintergrund und die Tragweite des Themas der Arbeit. Im folgenden Kapitel werden die Vorgehensweise und die wissenschaftliche Fragestellung erläutert.

2 Vorgehensweise und wissenschaftliche Fragestellung

Nach Besprechung der Schlüsselbegriffe Resilienz, Stress, Salutogenese und Führung wird ein Literaturüberblick zum aktuellen Wissensstand über Resilienz und Unternehmensführung gegeben.

Anschließend wird eine Literaturrecherche zu Publikationen der Führungsforschung präsentiert, die sich im Zeitraum 1995-2015 mit Resilienz und Führung beschäftigen.

Auf Basis des Überblicks und der Recherche wird die wissenschaftliche Frage beantwortet, für welches Führungsmodell bzw. welchen Führungsstil sich in der Literatur Wirkungen auf die Resilienz von Beschäftigten und Unternehmen belegen lassen.

3 Begriffsbestimmungen

3.1 Resilienz

„Resilience is neither ethically good or bad. It is merely the skill and the capacity to be robust under conditions of enormous stress and change” (Diane Coutu. In: Amann / Alkenbrecher 2015, S. 19).

„Im Leben geht es nicht nur darum, gute Karten zu haben, sondern auch darum, mit einem schlechten Blatt gut zu spielen“ (Robert Louis Stevenson. In: Draht 2014, S. 101).

Resilienz ist in der Entwicklungspsychologie und Kinderpädagogik seit den 1950er Jahren Thema wissenschaftlicher Diskussionen, Forschungen und Publikationen. Die Resilienz- und Invulnerabilitätsforschung sucht wie die Stress- und Stressbewältigungsforschung nach Faktoren, welche die psychische und physische Gesundheit von Individuen schützen und erhalten, ihr Gegenstand ist eine gesunde und stabile Persönlichkeits- und Verhaltensentwicklung trotz ungünstiger Erfahrungen und Belastungen in der frühen Kindheit (vgl. Draht 2014, S. 101; vgl. Leypold 2009, S. 8 ff.; vgl. Bengel 2004, S. 63).

Der Begriff Resilienz leitet sich vom lateinischen Verb resilire ab, bedeutet so viel wie zurückspringen oder abprallen und kommt ursprünglich aus der Materialwissenschaft, wo er die Fähigkeit eines Körpers beschreibt, auf eine äußere Einwirkung elastisch zu reagieren, um anschließend wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzukehren (vgl. Draht 2014, S. 101; vgl. Amann/Alkenbrecher 2015, S. 19). Laut Draht kann Resilienz mit Elastizität oder Wiederherstellungsfähigkeit übersetzt werden. Auf den Menschen bezogen, beschreibt Resilienz die Fähigkeit, Krisen unbeschadet zu bewältigen, an ihnen zu wachsen und gestärkt daraus hervorzugehen. Fehlende Resilienz wird auch als Vulnerabilität bezeichnet, abgeleitet vom lateinischen Wort vulnus für Wunde (vgl. Draht 2014, S. 101). Manche Autoren sprechen von der Kunst des Stehaufmännchens oder allgemein von Widerstandskraft einer Person (vgl. Amann/Alkenbrecher 2015, S. 19; vgl. Leypold 2009, S. 6).

Der Begriff Resilienz wird zur Umschreibung von Stressresistenz, psychischer Robustheit oder Elastizität verwendet (vgl. Amann/Alkenbrecher 2015, S. 19). Im angloamerikanischen Sprachraum ist resilience ein feststehender Begriff, der generell die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen beschreibt, im Englischen auch to bounce back – wieder auf die Beine kommen genannt. Resilienz steht synonym für eine allgemeine Krisenkompetenz, die Menschen jeden Alters, aber auch Systeme befähigt, Krisen und Veränderungsprozesse durch Rückgriff auf persönliche und strukturelle Ressourcen erfolgreich zu bewältigen (vgl. Amann/Alkenbrecher 2015, S. 20). Für Emmy Werner, die bekannteste Pionierin der Resilienzforschung, ist Resilienz kein statisches Charaktermerkmal, sondern „das Endprodukt von Pufferungsprozessen, welche Risiken und belastende Ereignisse zwar nicht ausschließen, es aber dem Einzelnen ermöglichen, mit ihnen erfolgreich umzugehen“ (Werner 2011. In: Amann / Alkenbrecher 2015, S. 20).

Leypold beschreibt Resilienz als Konstrukt aus persönlichen Merkmalen wie Eigenständigkeit (self-reliance), Unabhängigkeit (independence), Bestimmtheit (determination), Unbesiegbarkeit (invincibility), Beherrschung (mastery), Findigkeit (resourcefulness) und Ausdauer (perseverance) (vgl. Leypold 2009, S. 6).

Resiliente Menschen akzeptieren das Leben und die eigene Person, sind anpassungsfähig, flexibel und haben die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen (vgl. Leypold 2009, S. 6; vgl. Gunkel/Kruse 2004, S. 28). Resiliente Organisationen zeichnen sich durch Mitarbeiter aus, die vergleichsweise mehr Flexibilität, Adaptabilität und Risikobereitschaft zeigen (vgl. Doe 1994. In: Moritz 2011, S. 13).

3.2 Stress

Für ein Individuum resultiert Stress aus einem Ungleichgewicht zwischen äußeren Anforderungen und den verfügbaren Mitteln zu deren Bewältigung. Als Ressourcen gelten persönliche Merkmale, die den erfolgreichen Umgang mit Stressoren unterstützen und erleichtern (vgl. Lohmann-Haislah 2012, S. 13).

Der Begriff Stress (engl.: Druck, Anspannung; lat. stringere: anspannen) wurde erstmals 1914 von Cannon auf Alarmsituationen angewendet und bezeichnet durch spezifische äußere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische Reaktionen von Lebewesen. Diese Reaktionen sollen helfen, schwierige Situationen besser zu bewältigen und mit eventuell dadurch entstehenden körperlichen und geistigen Belastungen besser umzugehen. Selye beschrieb Stress, basierend auf den Arbeiten von Cannon, als körperlichen Zustand unter Belastung, der durch Anspannung und Widerstand gegen äußere Stressoren gekennzeichnet ist (generelles Adaptationssyndrom). Der Stressbegriff bei Selye hat Bezüge zur Physik und Werkstoffkunde, die Stress als Veränderung eines Materials durch äußere Krafteinwirkung definieren, einhergehend mit Anspannung, Verformung und Verbiegung (vgl. Selye. Online im Internet. Abgerufen am 30.05.2015).

Mit der sogenannten kognitiven Wende von der behavioristischen zur kognitiven Psychologie in den 1970er Jahren traten die subjektive Bewertung und Bewältigung von Stress (Coping) verstärkt in den wissenschaftlichen Fokus. Heute besteht in der Psychologie weitgehend Einigkeit darüber, dass subjektive Bewertungsprozesse in der Auseinandersetzung mit belastenden Ereignissen bedeutsamer sind als objektive Faktoren (vgl. Bengel 2001, S. 60).

Die wohl einflussreichste Stressbewältigungstheorie ist das transaktionale Stressmodell nach Lazarus und Folkman. Sie eröffnet einen Perspektivenwechsel von der (objektiven) Belastung hin zu (subjektiven) Bewältigungsprozessen. Stress verändert sich sowohl durch Informationsverarbeitung des Individuums als auch durch situationsbezogene Variablen und ist demzufolge keine unveränderbare Einflussgröße (vgl. Lazarus/Folkman 1987. In: Bengel et al. 2001, S. 60). Das transaktionale Stressmodell unterscheidet einen primären Bewertungsprozess, der sich auf die Merkmale einer Situation bezieht, von einem sekundären Prozess, der auf die Einschätzung der persönlichen und sozialen Ressourcen abzielt.

Lazarus und Folkman unterscheiden fünf Stressbewältigungsreaktionen, die sowohl problemlösende als auch emotionsregulierende Funktionen erfüllen:

- Informationssuche,
- Direkte Aktion zur Stressbewältigung,
- Unterlassen von Handlungen,
- Intrapsychische Prozesse (Abwehr, Vermeidung, Selbsttäuschung etc.) und
- Suche nach sozialer Unterstützung.

Geeignete oder erfolgreiche Bewältigungsstrategien werden in der Stressforschung als gesundheitliche Ressourcen des Individuums betrachtet. Sie helfen dabei, schädigende Bedingungen zu reduzieren, emotionales Gleichgewicht wiederherzustellen, befriedigende Beziehungen aufzubauen und beeinflussen auf diese Weise das Wohlergehen und den Gesundheitszustand. Eine wichtige Voraussetzung für effektive Stressbewältigung scheint der flexible Einsatz verschiedener Verhaltensmuster zu sein (vgl. Bengel 2001, S. 61).

Die Grundaussagen des transaktionalen Stressmodells boten Antonovsky den Rahmen für sein Konstrukt des Kohärenzgefühls (sense of coherence; SOC). Die primäre Stressbewertung im Modell nach Lazarus und Folkman kann mit der SOC-Komponente Bedeutsamkeit verglichen werden, die sekundäre Bewertung weist Ähnlichkeiten mit der Handhabbarkeit auf. Für Antonovsky sind Stressoren nicht per se pathogenetisch, sondern allgegenwärtiger Bestandteil des Lebens und nur unter bestimmten Umständen gesundheitsschädigend (vgl. Bengel 2001, S. 61).

So lässt sich von positivem Stress oder Eustress sprechen, wenn Stressoren den Organismus in vorteilhafter Weise beanspruchen; Eustress geht mit erhöhter Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit einher. Negativer Stress oder Dysstress hingegen kann durch einen Organismus nicht mehr kompensiert werden und wird als bedrohlich und überfordernd empfunden, da keine Bewältigungsmöglichkeiten gesehen werden.

3.3 Salutogenese

Hinter dem Begriff Salutogenese verbirgt sich ein sowohl in der Psychologie als auch in der Psychotherapie bekanntes Konzept (vgl. Gunkel/Kruse 2004, S. 12; vgl. Bengel et al. 2001, S. 73ff.). In der medizinischen Prävention und Gesundheitsförderung hat das Thema Salutogenese seit den 1990er Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen (vgl. Bengel et al. 2001, S. 9; vgl. Gunkel/Kruse 2004, S. 12) und wurde insbesondere durch den amerikanisch-israelischen Medizinsoziologen und Stressforscher Aaron Antonovsky in die gesundheitswissenschaftliche und gesundheitspolitische Diskussion eingebracht.

Antonovsky fragte sich anders als die klassische, auf Krankheit fokussierende westliche Medizin, warum z. B. manche Menschen trotz vielfältiger potentieller gesundheitsgefährdender Einflüsse gesund bleiben. Wie schaffen sie es, sich von Erkrankungen rasch wieder zu erholen und was zeichnet Menschen aus, die trotz hoher Belastungen nicht krank werden (vgl. Bengel et al. 2001, S. 24; vgl. Antonovsky 1997, S. 15)? Der Neologismus Salutogenese (Salus, lat.: Unverletztheit, Heil, Glück; Genese, griech.: Entstehung), wurde von Antonovsky geprägt, um den Gegensatz zwischen der traditionell in der Medizin dominierenden Pathogenese und dem salutogenetischen Ansatz hervorzuheben. Aus Antonovskys Perspektive sind alle Menschen als mehr oder weniger gesund oder krank zu betrachten. Daraus ergibt sich die Frage: Wie wird ein Mensch mehr gesund und weniger krank (vgl. Bengel et al. 2001, S. 24)? Für Gunkel und Kruse ist Salutogenese „die aktive Anpassung des Menschen an die jeweiligen (sich ändernden) Umweltbedingungen und das konstruktive Bewältigen selbst schwer belastender Einflüsse“ (Gunkel/Kruse 2004, S. 13). Für Antonovsky stehen Ressourcenförderung, Gesundheitsschutz und Prävention im Vordergrund.

Die biomedizinische Theorie der Salutogenese steht in engem Zusammenhang mit dem ebenfalls von Antonovsky eingeführten Konstrukt des Kohärenzgefühls (sense of coherence, SOC), was so viel wie Stimmigkeit in der Grundhaltung eines Individuums gegenüber der Welt und dem eigenen Leben bedeutet. Je ausgeprägter das Kohärenzgefühl einer Person ist, desto gesünder sollte sie sein, werden oder bleiben und desto widerstandsfähiger sollte sie gegenüber Stressoren sein. Ein gut entwickeltes Kohärenzgefühl befähigt Menschen, innere und äußere Ressourcen zu mobilisieren, mit schwierigen Situationen und Herausforderungen oder auch traumatischen Erlebnissen besser umzugehen, was durch empirische Studien belegt werden konnte (vgl. Gunkel/Kruse 2004, S. 14).

Zur erfolgreichen Stressbewältigung bedarf es nach Antonovsky neben einem gut entwickelten sense of coherence (SOC) der Gefühle von Verstehbarkeit (sense of comprehensibility), Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit (sense of manageability) und Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit (sense of meaningfulness).

Der SOC verbindet ein dynamisches Gefühl der Zuversicht mit der Mobilisierung von Widerstandsressourcen und ist zusammen mit den drei anderen o. g. emotionalen Kategorien von Bedeutung für die Erklärung salutogener Prozesse. Als Rahmentheorie der Gesundheit, Gesundwerdung und Gesunderhaltung richtet der salutogenetische Ansatz den Blick auf Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen gesundheitlichen Risiko- und Protektivfaktoren (vgl. Kuhn-Jahns 2015, S. 9 ff.).

3.4 Führung

Gablers Wirtschaftslexikon beschreibt Führung prägnant als eine „durch Interaktion vermittelte Ausrichtung des Handelns von Individuen und Gruppen auf die Verwirklichung vorgegebener Ziele; [sie] beinhaltet asymmetrische und soziale Beziehungen der Über- und Unterordnung“ (Gabler Wirtschaftslexikon 2010, S. 1142). In der ausführlichen Erläuterung wird darauf hingewiesen, dass Führungsfunktionen neben der Orientierung auf die Zielerreichung durch Individuen und Gruppen auch in der Motivation der Mitarbeiter und der Sicherung des Gruppenzusammenhalts bestehen.

Allgemein wird Führung als psychologische und soziale Fähigkeit einer Person im Umgang mit Menschen betrachtet. Für erfolgreiche Führung bedarf es verschiedener Faktoren wie Persönlichkeitseigenschaften des Vorgesetzten, fachlicher Autorität, situativer Bedingungen, des Einsatzes von Führungstechniken sowie sozialer Beziehungen. Die Führungskompetenz wird durch die formelle Organisation definiert und abgegrenzt (Gabler Wirtschaftslexikon 2010, S. 1142).

Blessin und Wick geben eine Synopsis der Führungsdefinitionen über sieben Jahrzehnte und kommen dabei auf eine Anzahl von acht unterschiedlichen Definitionen. Sie stellen fest, dass die verschiedenen Definitionen einige Gemeinsamkeiten aufweisen, aus denen sich ein gewisser Grundkonsens ableiten lässt (vgl. Blessin/Wick 2014, S. 28):

- Führung ist ein Prozess,
- Führung intendiert die Beeinflussung anderer Personen,
- Führung findet im Kontext einer Gruppe statt,
- Führung beinhaltet die Erreichung von Zielen und
- Ziele werden von Führenden und Geführten geteilt.

An dieser Stelle erscheint es angebracht, auf die in der angloamerikanischen Literatur übliche Unterscheidung von Leader und Manager hinzuweisen. Im deutschen Sprachraum wird die Bezeichnung Manager hingegen in der Regel als Synonym für Führer verwendet.

Manager werden als Personen beschrieben, die zu den Zielen des Unternehmens eine emotional eher nüchterne und distanzierte Beziehung haben. Sie bevorzugen etablierte Problemlösungen, verwalten und bewahren, vertrauen auf bestehende Strukturen und sehen Mitarbeiter als Funktionsträger, die es zu kontrollieren gilt. Alle diese Aspekte schwingen mit in der von Staehle gebrauchten Formulierung: „Managers do things right“ (Staehle 1999. In: Kaufmann 2013, S. 35).

Im Gegensatz zur nüchtern-bürokratischen Aura des Managers erscheint der Leader oder Führer visionär, risikofreudig, begeisterungsfähig und ist den Mitarbeitern gegenüber empathisch eingestellt. In Analogie zur Charakterisierung des Managers formuliert Staehle: „Leaders do the right things“ (Staehle 1999. In: Kaufmann 2013, S. 35).

Die heute übliche Unterscheidung zwischen Führung und Management hat ihre Wurzeln in der Gegenüberstellung von leadership und headship in der amerikanischen Fachdiskussion der 1960er und 1970er Jahre. Seither steht Führung für eine personale und interaktionale Akzentsetzung, während Management die strukturellen und institutionellen Aspekte der Führungsfunktion hervorhebt (vgl. Blessin/Wick 2014, S. 113).

Durch die Unterscheidungen von leadership vs. headship und Führung vs. Management deckte die Führungsdiskussion eine Differenz auf, die für Burns, einen amerikanischen Politikwissenschaftler und Historiker, und einige andere Autoren den Weg zu den Konzepten transaktionaler und transformationaler Führung ebnen sollte, auf die später noch eingegangen wird (vgl. Burns 1978. In: Blessin/Wick 2014, S. 116).

Felfe hält es für zweckmäßig, zwischen Führung und Management zu unterscheiden. Er sieht den fundamentalen Zweck von Management im Funktionieren eines laufenden Systems, jenen von Führung im Bewirken nützlicher Veränderungen. „Führung läuft über Menschen und Kultur, Management über Hierarchien und Systeme. Führung ist mehr informell und emotional, Management ist härter und kühler“ (Felfe 2015, S. 5). Für Felfe ist Führung die wesentliche Triebfeder erfolgreichen Wandels. „Zu viel Führung ohne Management läuft Gefahr, im Chaos zu versinken, und zu viel Management ohne Führung erschöpft sich am Ende in lähmender Bürokratie […] “ (Felfe 2015, S. 5).

Zum Grundkonsens üblicher Führungsdefinitionen gehört, dass Vorgesetzte ihre Mitarbeiter bewusst und zielgerichtet führen. Die Aufgabe der Führungspersonen lässt sich als Steuerung des Einsatzes der Ressource Mensch mit Hilfe von Mitarbeiterführung und Organisationsprozessen auffassen, um vorgegebene Wirtschaftlichkeits-, Produktivitäts- und Qualitätsziele zu erreichen. Die Art und Weise der dazu notwendigen Interventionen äußert sich sowohl im Führungsverhalten als auch im Führungsstil. „Während mit Führungsverhalten empirisch beobachtbare Beeinflussungsversuche eines Führers bezeichnet werden, die situationsabhängig variieren können, versteht man unter Führungsstil ein langfristiges relativ stabiles, situationsinvariantes Verhaltensmuster des Führers“ (Staehle 1999. In: Kaufmann 2013, S. 38). Der Führungsstil wird durch die persönliche Grundeinstellung gegenüber den Mitarbeitern geprägt und ist selbst durch Training zur Verhaltensmodifikation nur schwer veränderbar. Für Staehle ist die üblicherweise ganzheitliche Wahrnehmung des Verhaltens von Vorgesetzten durch die Geführten ein möglicher Grund für die in der Literatur gelegentlich wenig differenzierte Verwendung der Begriffe Führungsstil und Führungsverhalten (vgl. Staehle 1999. In: Kaufmann 2013, S. 38).

Laut Kaufmann beziehen Blake und Mouton Führung auf zwei Kernbereiche: einerseits widmet sich die Führungsperson der unternehmerischen Aufgaben- oder Leistungserfüllung, andererseits den Belangen der Beschäftigten. Im Fokus steht dabei ein durch Respekt und freundliche Zuwendung geprägtes Bemühen um die Mitarbeiter (vgl. Kaufmann 2013, S. 37). Clemens versteht Fürsorge sowohl in ruhigen als auch Krisenzeiten als Teil der Führungsaufgabe. Jeder Mitarbeiter sollte den Platz zugewiesen bekommen, an dem er sich mit seinen Eigenschaften und Fähigkeiten am besten entwickeln kann, verbunden mit konstruktiver Kritik, Anerkennung und Förderung. So können psychische Belastungen vermieden werden und Mitarbeiter gesund bleiben (vgl. Clemens 2009. In: Kaufmann 2013, S. 37).

4 Resilienz als Ressource von Unternehmen

Nach Erläuterung der Schlüsselbegriffe Resilienz und Führung und der eng mit Resilienz verbundenen Begriffe Stress und Salutogenese widmet sich das folgende Kapitel der Betrachtung von Resilienz als Ressource im Kontext von Unternehmen.

4.1 Resilienz und Unternehmenserfolg

Unternehmen und Organisationen sind heute mit einem dynamischen, turbulenten und globalisierten Umfeld konfrontiert, das starken Einfluss auf wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg nimmt (vgl. Moritz 2011, S. 7). Anders als in früheren Zeiten werden häufigere Wechsel in Führungspositionen beobachtet (vgl. D´Aveni. In: Moritz 2011, S. 8).

Eine Studie des Center for Creative Leadership, in der 230 hochrangige Manager zum Thema Führung und Stress befragt wurden, belegt, dass Manager in Unternehmen mehr denn je unter Druck stehen (vgl. Draht 2014, S. 44). Menschen zu führen ist eine der schwierigsten Aufgaben, die es gibt und es sollte selbstverständlich sein, Führungskräfte adäquat darauf vorzubereiten. Bis in die Gegenwart herrscht allerdings selbst an Business Schools oft die Meinung vor, Führung mit bewusstem Einsatz und Steuerung von Emotionen in einem Arbeitskontext sei nicht wirklich relevant für den Unternehmenserfolg (vgl. Draht 2014, S. 44 f.).

Besorgniserregend erscheint die steigende Anzahl der Fälle von Burnout und Suiziden bei Führungskräften in den letzten Jahren. Nach Draht hat Freye, eine Sozialwissenschaftlerin, die Karrieren deutscher Vorstände in den letzten Jahrzehnten analysiert und festgestellt, dass deren Verweildauer im Amt seit 1990 von durchschnittlich 10 Jahren mit weiterhin fallender Tendenz auf 7,5 Jahre zurückgegangen ist. Verantwortlich sind vermutlich eine Reihe von Faktoren, deren Zusammentreffen mit der Zeit das Potential an innerer Widerstandsfähigkeit, die Resilienz der Führungskräfte, übersteigt und zu erhöhtem Risiko für Burnout oder Suizid führen kann (vgl. Draht 2014, S. 46).

„Wer sich selbst nicht zu führen versteht, kann auch andere nicht führen“ (Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank. In: Draht 2014, S. 89). Herrhausens Formulierung legt die Vermutung nahe, dass erst die angemessen entwickelte Selbstführung einer Führungskraft Voraussetzungen für die erfolgreiche Förderung der Motivation, Zufriedenheit und Widerstandsfähigkeit von Mitarbeitern schafft. Ein Indiz für die zunehmende Bedeutung einer an den Bedürfnissen der Mitarbeiter orientierten Führung für den Unternehmenserfolg sind die Ergebnisse einer Studie der Harvard Business School aus dem Jahr 1998. Diese zeigte, dass US-amerikanische Unternehmen mit der besten Aktienperformance auf langfristiges Personalmanagement, Dezentralisierung, flache Hierarchien, Transparenz, Förderung von Selbstmanagement der Mitarbeiter und Investitionen in deren Weiterbildung setzten (vgl. Draht 2014, S. 94). Eine Untersuchung des Bertelsmann-Konzerns von 2007 belegte, dass eine als partnerschaftlich wahrgenommene Führung und eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen in Beziehung zu den besten Umsatzrenditen standen (vgl. Draht 2014, S. 94).

Die Annahme, eine resilienzfördernde Führungskultur trage auch zum Unternehmenserfolg bei, erscheint allgemein plausibel (vgl. Draht 2014, S. 97). Collins und Hansen gingen der Frage nach, was Unternehmen in Zeiten zunehmender Komplexität, Geschwindigkeit und Unsicherheit im Vergleich zu anderen erfolgreicher macht und welche Rolle die Resilienz von Führungskräften dabei spielt. Die Autoren identifizierten die folgenden Aspekte in der persönlichen Haltung erfolgreicher Manager als Kennzeichen von Resilienz:

- Akzeptanz der Umstände,
- Kontrollüberzeugung,
- Lösungsorientierung,
- Erwartung von Schwierigkeiten,
- Werteorientierung und Disziplin sowie
- Innere Autonomie und Sinn (vgl. Collins/Hansen 2012. In: Draht 2014, S. 99 f.).

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Moritz: aus der Volatilität des Unternehmensumfelds resultieren neben der Notwendigkeit von Flexibilität und Adaptabilität der Organisation auch höhere persönliche Leistungsanforderungen für die Mitarbeiter. Hinzu kommt der demographische Wandel, durch welchen Förderung und Erhalt von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz zunehmend wichtiger werden (vgl. Moritz 2011, S. 10).

Damit Unternehmen und Organisationen den rasch wechselnden Herausforderungen auch zukünftig gewachsen sind, verfolgt das strategische Management zwei wesentliche Entwicklungsstränge: Unternehmenserfolg wird einerseits durch die optimale Wahl der Strategie zur Anpassung an die Marktbedingungen erklärt (Market-based view). Andererseits werden die internen Ressourcen des Unternehmens betrachtet, die für den langfristigen Unternehmenserfolg mit verantwortlich sind (Resource-based view) (vgl. Schober 2005. In: Moritz 2011, S. 12).

Um auf Dauer am Markt bestehen zu können, müssen Arbeitnehmer und Unternehmen widerstandsfähig gegenüber äußeren Belastungen und Krisen sein (vgl. Doe 1994. In: Moritz 2011, S. 13; vgl. Gunkel et al. In: Badura et al. 2014, S. 258). Doe interpretiert Resilienz als Schlüsselressource von Organisationen, um erfolgreich mit Krisen umzugehen. Vergleichsweise resilientere Mitarbeiter sind aus dieser Perspektive anpassungsfähiger und produktiver. Gunkel et al. spannen den Bogen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement mit gezielter Resilienzförderung als unverzichtbarem Baustein. Im Fokus steht dabei insbesondere die mittlere Führungsebene und deren Resilienz als wichtige Führungsqualifikation (vgl. Gunkel et al. In: Badura et al. 2014, S. 258).

In der organisationswissenschaftlichen Forschung hat sich weitgehend der Ansatz etabliert, eine wirtschaftliche Bedrohung als Wachstumschance zu sehen. Nach Coutu ist eine Organisation dann resilient, wenn sie effektive situationsspezifische Reaktionen entwickelt und verstärkt Transformationsprozesse vorantreibt (vgl. Coutu 2002. In: Wolf 2013, S. 7). Die European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions vertritt ein Resilienzverständnis, das sich durch Langlebigkeit, Lernen durch Widrigkeiten, Nachhaltigkeit und kontinuierliche prozesshafte Anpassung einer Organisation an veränderte Bedingungen auszeichnet (vgl. Wolf 2013, S. 8). Antizipatorische Resilienz zeichnet Organisationen aus, die über ein Handlungskonzept für zukünftige Gefahren und Risiken verfügen. Krisenmanagement-Resilienz ist in diesem Kontext die Fähigkeit einer Organisation, erfolgreich mit unvorhergesehenen Ereignissen umzugehen.

Für Riolli und Savicki ist Achtsamkeit der Schlüsselbegriff für die Qualität von Beziehungen unter den Mitarbeitern und betrieblicher Abläufe, um Krisen nach Möglichkeit gar nicht erst entstehen zu lassen (vgl. Riolli/Savicki 2003. In: Wolf 2013, S. 9). Die Autoren sind sich einig, dass die in sog. High Reliability-Organisationen (z. B. Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Energieversorger etc.) verankerte Achtsamkeit Grundvoraussetzung für deren Fähigkeit zur Antizipation und Bewältigung krisenhafter Ereignisse ist.

Das Resilienzpotential solcher auf hohe Verlässlichkeit und ständige Verfügbarkeit ausgerichteten Organisationen oder Unternehmen lässt sich durch fünf allgemeine Organisationsprinzipien charakterisieren:

- Pflege einer Kultur, die das Auftreten von Fehlern einkalkuliert,
- Förderung von Komplexität,
- Sensibilität für betriebliche Abläufe,
- Handlungsspielräume für Mitarbeiter sowie
- Rollenflexibilität und Verantwortungsbereitschaft bei Mitarbeitern und Führungskräften.

Zusammenfassend kann organisationale Resilienz durch die Trias aus hoher organisationaler Reaktions- und Anpassungsfähigkeit, Lernen aus Rückschlägen und präventiver Risiko- und Krisenvermeidung mittels Achtsamkeit beschrieben werden. In der Literatur herrscht Einigkeit, dass organisationale Resilienz nicht von der personalen Resilienz der Mitarbeiter zu trennen ist und auf dem Zusammenspiel von Organisationsstrukturen, persönlichen Merkmalen und Kompetenzen der Mitarbeiter und Führungskräfte sowie deren Interaktionen beruht (vgl. Wolf 2013, S. 14).

4.2 Resilienzfaktoren in Unternehmen

Das betriebliche Gesundheitsmanagement beschäftigt sich im Wesentlichen mit Ressourcenförderung, Gesundheitsschutz und Prävention.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Resilienzfaktoren im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (vgl. Gunkel et al. 2014. In: Badura et al. [Hrsg.] 2014, S. 259).

Damit verfolgt betriebliches Gesundheitsmanagement den salutogenetischen Ansatz, dass die Resilienz von Mitarbeitern unter dem Einfluss von Protektivfaktoren gezielt entwickelt werden kann (vgl. Bengel/Lyssenko 2012, S. 27) und bezieht sich dabei auf vier Konstrukte: Soziale Unterstützung, Selbstwirksamkeit, Kohärenzgefühl und Aktives Coping (vgl. Gunkel et al. 2014, S. 259).

Die Entwicklung einer salutogenen Organisation verlangt Angebote der Resilienzförderung in allen Bereichen des Unternehmens, verbunden mit einer gelebten Unternehmenskultur, die durch Transparenz und Partizipation geprägt ist. Gefordert ist besonders die mittlere Führungsebene, die einerseits für das Erreichen der Arbeitsergebnisse Verantwortung trägt und andererseits die Entwicklung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen sowohl für Mitarbeiter als auch Führungskräfte unterstützen soll (vgl. Gunkel et al. 2014, S. 260).

Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse konnten für jeden der o. g. Protektivoder Resilienzfaktoren geeignete Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, die auf den Interventionsebenen von Organisation, Führungshandeln und Selbstaktivierung der Person ansetzen (vgl. Gunkel et al. 2014, S. 260; vgl. Draht 2014, S. 89 ff.; vgl. Mourlane et al. 2013, S. 12 f.).

4.2.1 Soziale Unterstützung

Soziale Unterstützung als Schutzfaktor für die psychische Gesundheit ist empirisch am besten erforscht. Menschen mit einem sozial funktionierenden Netzwerk weisen ein geringeres Erkrankungs- und Mortalitätsrisiko als isoliert lebende Menschen auf, wie bereits eine Studie in den 1970er Jahren nachwies (vgl. Gunkel et al. 2014, S. 261). Soziale Unterstützung wirkt offenbar unabhängig von konkreten Belastungssituationen wie ein Schutzschild und wird zu einer der wichtigsten betrieblichen Ressourcen, was sowohl praktische Projekte der betrieblichen Gesundheitsförderung als auch arbeits- und organisationspsychologische Forschungen gezeigt haben (vgl. Gunkel et al. 2014, S. 260). Schon allein antizipierte soziale Unterstützung entfaltet bereits eine protektive Wirkung, sofern sie als situativ angemessen empfunden wird. Um soziale Unterstützung zu gewähren, bedarf es ausreichend qualifizierter Führungskräfte und Mitarbeiter. Erreicht wird dies durch Vertrauen und Wertschätzung, direktes Lob und Anerkennung, ein offenes Ohr für Mitarbeiteranliegen und die aktive Bearbeitung von Konflikten. Eine Stärkung des Selbstwertgefühls erleichtert dem Adressaten die Annahme sozialer Unterstützung (vgl. Gunkel et al. 2014, S. 261; vgl. Kaufmann 2013, S. 56).

[...]

Final del extracto de 86 páginas

Detalles

Título
Resilienz und Unternehmensführung. Aktueller Wissensstand und Bedeutung des Führungsstils
Universidad
University of Education Ludwigsburg  (Bildungsmanagement)
Calificación
1,3
Autor
Año
2015
Páginas
86
No. de catálogo
V313330
ISBN (Ebook)
9783946458043
ISBN (Libro)
9783946458074
Tamaño de fichero
860 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Resilienz, Führung, Führungsstile, Unternehmensführung
Citar trabajo
Ute Kuhn-Jahns (Autor), 2015, Resilienz und Unternehmensführung. Aktueller Wissensstand und Bedeutung des Führungsstils, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313330

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