Entwicklung eines Ballsporttests für die Grundschule

Geeignet für Klasse 1 - 4. Mit Bildern, Beschreibung, verbale Testanweisung, Stationskarten


Master's Thesis, 2014

68 Pages

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Ganzheitliche Entwicklung in altersbezogenen Stufenkonzepten
2.2 Allgemeine Spielfähigkeit als Bedingung der Ballspiele
2.3 Motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten
2.3.1 Koordinative Fähigkeiten
2.3.2 Training der koordinativen Fähigkeiten
2.4 Sportmotorische Tests
2.5 Theoretische Zusammenfassung

3 Ballsport in der Grundschule: Das Forschungsprojekt
3.1 Hintergrund und Intention des Projektes
3.2 Zielstellung und Anwendungsbereich des Ballsporttests
3.3 Entwicklung der Testbatterie
3.4 Testbeschreibung und Durchführung
3.5 Teststationen nach X. (2013)
3.5.1 Ball hochhalten
3.5.2 Wandwurf
3.5.3 Hockey-Slalom
3.5.4 Fußball-Slalom
3.5.5 Prellen auf der Bank
3.5.6 Ballkoordination
3.6 Exemplarischer Test an der Grundschule
3.6.1 Auffälligkeiten bei der Durchführung
3.6.2 Auffälligkeiten bei den Stationen

4 Optimierung der Testbatterie
4.1 Aktuelle Teststationen (2014)
4.1.1 Zielwurf
4.1.2 Wandpass
4.1.3 Ball rollen
4.1.4 Prellen auf der Bank
4.1.5 Fußball-Slalom
4.1.6 Ballkoordination
4.2 Überblick zur optimierten Testbatterie
4.3 Verbale Testanweisung für die Stationen

5 Zusammenfassung und Diskussion

6 Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modell des spielerisch-impliziten Lernens (nach Roth, Memmert & Schubert,2006, S.12)

Abbildung 2: Ausbildungsstufen im Kinder- und Jugendbereich des Deutschen Fußball­Bundes. (DFB, S. 2013)

Abbildung 3: Das „ABC des Spielens und Übens“ im MSIL (Roth, Memmert & Schubert, 2006, S. 15)

Abbildung 4: Elementare Ballfertigkeiten (Roth & Kröger, 2011, S. 99)

Abbildung 5: Entwicklung von Kopf/Gehirn und allgemeinem Körperwachstum (Weineck, 1988, S. 54)

Abbildung 6: Allgemeine perzeptive und motorische Anforderungsklassen (nach Hohmann, Kolb & Roth, 2005, S. 329)

Abbildung 7: Darstellung der ballorientierten Koordination (Moosmann, 2009, S. 229)

Abbildung 8: exemplarischer Stationsaufbau für eine Standardturnhalle

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Funktionen von Spielen (Geis, 2009, S. 13)

Tabelle 2: Phasenmodell zur Entwicklung der Spielfähigkeit (nach Wimmer & Leitner, 2011, S.4)

Tabelle 3: Das „3 x 7“ der Anfängerausbildung (nach Kröger & Roth, 2006, S. 10)

Tabelle 4: Definition der Koordinationsbausteine (nach Roth & Kröger, 2011, S. 24)

Tabelle 5: Definition der Technikbausteine (nach Roth & Kröger, 2011, S. 25)

Tabelle 6: Normierte motorische Tests (Vgl. Bös, 2001)

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. “ (Friedrich Schiller)

Vorwort

Durch meine frühere Zeit als Handball-Bundesligaspielerin hängt mein Herz immer noch sehr am Ballsport. Trotz irreparabler Knorpelverletzung im Knie kann ich kaum die Finger von der runden Kugel lassen. Ich beginne, automatisch mit einem Ball zu spielen - ob prellen, mit dem Fuß jonglieren oder andere Kunststückchen. Ich verhalte mich wie ein Kleinkind, sobald ein Ball in Reichweite ist. Bei allen sportlichen Ange­legenheiten war ich schon seit meiner Kindheit sehr aktiv. Zur Grundschulzeit traf ich mich nach der Schule, meist mit den Jungen aus meiner Klasse, um auf dem Bolzplatz Fußball, Basketball oder Völkerball zu spielen. Wir waren in unserem Tun so gefan­gen, dass wir oftmals völlig das Gefühl für Zeit und Raum verloren haben. Auch wenn das Knie mal nach einem heiß umkämpften Streetballmatch blutete: Selten konnte uns das von unserm Spielen abbringen. So waren wir draußen unterwegs, bis es dunkel wurde. Ich behaupte, dass ich nahezu die beste natürliche Ballschule unbewusst durch­laufen habe.

Zwanzig Jahre später reflektiere ich das erste Mal meine sportliche Kindheit von au­ßen. Durch eine Vertretungslehrerstelle an einer Koblenzer Grundschule bekam ich das Verhalten und Können der Kinder im Sportunterricht mit. Hierdurch wurde mir erst richtig bewusst, dass sich die heutige Kindheit wahnsinnig geändert hat. Wenn ich meine damaligen Freizeitaktivitäten mit der modernen Jugend vergleiche, muss ich mit Erschrecken feststellen, dass freiwillige Bewegung in Form von Ballspielen kaum noch Bestandteil des Tagesprogramms der Kinder ist - nur sehr wenige Schüler „be­herrschen“ das runde Sportgerät.

Das Spiel mit dem Ball ist meiner Meinung nach jedoch elementar und wichtig für eine solide sportliche Ausbildung und sollte daher zu jeder gesunden Kindheit dazugehö­ren. Mein Entschluss lautet deshalb, dass es einer viel größeren Förderung in den grundlegenden Ballfertigkeiten bedarf. Ich bin der Meinung, dass die sportliche Akti­vität zur Grundschulzeit wegweisend für das Ausmaß an sportlicher Bewegung im spä­teren Leben ist. Zusätzlich lassen sich die koordinativen Fähigkeiten in jungen Jahren bekanntlich am besten schulen. Daher meine Intention, einen Balltest zu entwickeln, der den Lehrpersonen und Schülern Aufschluss über koordinative Defizite im Umgang mit dem Ball gibt. Um Spaß an Ballspielen zu haben, ist es wichtig, dass das Spielge­rät beherrscht wird. Denn nur mit Spaß am Sport kann die Bewegung im Alltag der Kinder gefördert werden. Die Kinder müssen wieder auf die Bolzplätze.

Aufgrund der leichteren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsneutrale Form verzichtet, die männliche Schreibform schließt immer auch die weibliche Form mit ein.

1 Einleitung

Katzen spielen mit einem runden Wollknäuel, Hunde jagen hinter einer Gummikugel her, und der Mensch sitzt vor dem Fernseher. Doch sollte der Ball als Spielgerät nicht auch Bestandteil der Welt des Kindes sein? Immerhin wird er als „idealstes Spielgerät“ bezeichnet (Mendner, 1956).1

Legt man einem Kleinkind ab dem Alter von ungefähr einem Jahr einen Ball vor die Nase, wird es die „Tücke“ des Objektes schnell erfahren und seinem Untersuchungsre­flex folgen. Man spricht hier auch von „spielendem Experimentieren“, was zur stetigen Weiterentwicklung der Fertigkeiten führt. Das Kind spielt.

Wird hinterfragt, wie es überhaupt dazu kam, dass der Mensch mit dem Ballspielen begonnen hat, lässt sich feststellen, dass der Anfang schon Jahrtausende zurückliegt. Ursprünglich begann die ,Geschichte des Balles‘ mit dem Werfen eines Gegenstandes nach Beutetieren. Dieser gezielte Wurf wurde quasi im Zuge des Selbsterhaltungstrie­bes der Vorzeit entwickelt. Durch das Auffangen einer fallenden Frucht vom Baum wurde im gleichen Zuge das Fangen „entdeckt“. Diese hochkomplexen Mechanismen wurden in spielerischer Weise für den Ernstfall „trainiert“. Das geschah auch grup­penweise oder mit einem Partner, woraus „Abmachungen“ entstanden, also die ersten Vorstufen des Spielens. Wenn durch Fantasie neue Gedanken und Lösungen aufkamen, führte dies zu Weiterbildungen des Spiels. Somit erhielt das Spielen nach und nach ein System und wurde zum eigenständigen „Ballspielen“. Es ist zu erkennen, dass die ein­fache Gleichung „Werfen + Fangen + Partner = Spiel“ schon von Urbeginn an zum menschlichen Dasein gehörte.

Das Ballspielen geht demnach auf eine sehr lange Geschichte zurück. So war es bei­spielsweise schon vor Tausenden von Jahren Teil der Kulturgeschichte verschiedener Naturvölker.2 Besonders interessant ist die Tatsache, dass der Ballsport große Beliebt­heit in der griechischen Antike gefunden hat. Zur damaligen Zeit verschrieben zahlrei­che Ärzte intensives Ballspielen als Mittel gegen das Altern. Es wurde aber auch als Therapie gegen Magenleiden, Neuralgie und Diarrhöe sowie Drüsen- und Funktions­störungen verschrieben. Anstrengende und entbehrungsreiche Übungen wurden da­raufhin nur noch von Athleten durchgeführt, um die Schau- und Sensationslust zu be­friedigen. Der Großteil der Bevölkerung sah im Ballspielen aber eine Art „neues Le­benselixier“ und nutzte dies zur Erhaltung der eigenen Gesundheit. So entwickelten sich planmäßige Spielmethoden im Rahmen des allgemeinen therapeutischen Übungs­betriebes.

Doch wie sieht es mit dem Ballspielen und dem Bewegungserwerb heute aus?

„Bewegung und Sport gelten zu Recht als unverzichtbare Bestandteile der Erzie­hung des Kindes. Im Vorschulalter haben Bewegungserziehung, Turnen und Sport vor allem das Ziel, der natürlichen Lebensfreude des Kindes Raum zu ge­ben und so das Wohlbefinden und die motorischen Fähigkeiten zu stärken und ei­ne gesunde Entwicklung zu gewährleisten.“3

Den Medien zufolge wird diesem Bewegungserwerb aber immer weniger Aufmerk­samkeit geschenkt. Im Jahr 2014 leben Kinder und Jugendliche in der Generation Elektronik: Smartphone, Tablet oder auch Computerspiele gehören zum normalen All­tag. Kinder die draußen spielen, sind eher die Ausnahme als die Regel. Dahingehend ist es auch nicht verwunderlich, dass Meldungen zur körperlichen Fitness von Heran­wachsenden vermehrt negativ behaftet sind. So titelte der Stern im Jahr 2008: „Gene­ration Pommes. Dicke Kinder haben es nicht leicht: In der Schule werden sie gehän­selt. Im Sport gelten sie als Nieten. Sie leiden an Krankheiten, die sonst nur Erwachse­ne haben.“4

Den Bewegungsmangel deutscher Kinder bestätigen zahlreiche Studien. Eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit stammt aus der Zeitschrift ,Sportmedizin‘, in der eine Unter­suchung zum Zusammenhang von Gesundheit und Aktivität bei Grundschulkindern veröffentlicht wurde.5 Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass sich tägliche körperliche Aktivität in großem Maße auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Grund­schulkindern auswirkt. Daraus lässt sich folgern, dass eine breitgefächerte Förderung von körperlicher Aktivität auch außerhalb der Schule nötig ist, um Kindern schon in jungen Jahren eine aktive und damit gesunde Lebensweise zu vermitteln.6

Im Zuge der veränderten Lebensbedingungen der heutigen „Kinderwelt“ ist die Sorge um die Entwicklung der körperlichen Fitness also gerechtfertigt. Sah man Heranwach­sende vor einigen Jahren noch auf Bolzplätzen spielen, durch die Nachbarschaft toben oder auf Bäume klettern, sitzt die Generation des 21. Jahrhunderts zu Hause. Parallel dazu geht natürlich auch das Spielen mit dem Ball verloren. Fertigkeiten wie Werfen, Fangen oder Schießen gehörten früher zur Alltagsmotorik und waren selbstverständli­che Bestandteile der Lebenswelt. Zwei nachfolgende Zitate belegen, dass viele be­rühmte Ballsportler eine „natürliche Ballschule“ durchlaufen haben (Vgl. Roth & Kröger, 2011, S. 8 ff.):

Mehmet Scholl (Fußballspieler): Ich war immer ein bewegliches Kind, und wenn ein Ball dabei war, egal was für einer, war ich glücklich. Mittags bin ich aus dem Haus und abends heim, ob Regen oder Schnee war nebensächlich. Ich habe einfach gespielt wie ich Spaß hatte: mal Tischtennis, dann Basketball oder Handball, also alles, was mit Bällen zu tun hatte ...“7

Magnus Wieslander (Handballspieler): ,,... Wichtig in meiner Jugendzeit ist ge­wesen, dass wir viel Freude hatten, und es war nicht so wichtig, wie wir trainiert haben. Es war Spaß mit dem Ball. Nach Schulschluss sind wir sofort auf den Sportplatz gegangen, um zu spielen. In meiner Freizeit habe ich nur mit dem Ball gespielt; manchmal Fußball, manchmal Eishockey oder auch Handball ...“8

Weshalb wird eine natürliche Ballschule, wie sie von Scholl und Wieslander beschrie­ben wird, heute nicht mehr durchlaufen? Gibt es überhaupt noch eine „Straßenspielkul­tur“?9 Betrachtet man dazu die kindliche Lebenswelt genauer, so lässt sich eine Dis­krepanz feststellen: In den Kinderzimmern wird der Überfluss an Spielsachen - vor allem an elektronischen Geräten - stetig mehr, draußen dagegen finden sich mehr und mehr graue „Betonwüsten“ (Vgl. Größing & Größing, 2002, S. 37). Der Trend der Ju­gend geht dahin, dass die Zeit nach Schulschluss mit dem Computer und Spielkonsolen aller Art genutzt wird. Freiwillige Bewegung in der Freizeit ist immer weniger zu fin­den. Die Heidelberger Ballschule sagt dazu treffend: „... Gespielt wird deshalb immer häufiger nur noch mit der Maustaste. Statt durch einen Fallrückzieher wird der Ball eben mit einem „Klick“ ins Tor befördert.“10

Größing und Größing (2002, S. 37) halten fest, dass das Spielen (besonders das mit Bewegung verbundene) für Kinder in eine primäre Lebenskategorie einzuordnen ist. Dabei ist der Ball mit seinen zahlreichen Größen und Eigenschaften ein „unsterbliches Spielgerät“. Der große Vorteil der Ballspiele ist, dass sie von Jung und Alt, von Jungen und Mädchen gemeinsam ausgeübt werden können (Vgl. Größing & Größing, 2002, S. 38).

Die runde Kugel war offensichtlich immer schon Bestandteil der Historie: Ballspielen wurde und wird zu Übungszwecken für die Jagd genutzt, als Heilmittel in der Medizin oder als entwicklungsfördernder, persönlichkeitsbildender Teil des kindlichen Spiel­triebs. Warum also wollen Kinder nicht mehr spielen? Warum hat der Ball in der Frei­zeit eine immer geringer werdende Bedeutung?

Die Antwort lässt sich aus meiner Sicht wie folgt formulieren: Kinder haben infolge anderer Freizeitmöglichkeiten - vor allem im elektronischen Bereich - weniger Lust an Bewegung. Dadurch werden Heranwachsende unsportlich, ihre motorischen und koor­dinativen Fähigkeiten sowie Fertigkeiten werden bereits in jungen Jahren in Mitleiden­schaft gezogen. Infolgedessen können sie natürlich auch schlecht mit dem Ball umge­hen, finden keinen Spaß am Ballspielen und gelangen schnell in einen inaktiven Sta­tus. Die Gefahr eines „Teufelskreises“ ist schnell da: Denn wer sich als Kind nicht für Ballspiele begeistern kann, wird das auch in späteren Jahren nicht tun.

Um diesem Kreislauf Einhalt zu gewähren, ist es wichtig, Kinder schon in frühen Jah­ren für das Spielgerät Ball zu begeistern. Es ist normal, dass der Mensch nur dann Spaß an seinem Tun entwickeln kann, wenn er etwas gut kann, beziehungsweise die Grundlagen beherrscht. Von daher ist besonders die Grundschulzeit von immenser Be­deutung für Heranwachsende: Hier werden die Fundamente für die spätere körperliche Entwicklung geschaffen.

Besonders die sensiblen Phasen der koordinativen Fähigkeitsentwicklung gilt es im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren zu schulen.11 Zur Grundschulzeit werden maß­gebende Weichen der Bildung und Erziehung gestellt, deren Qualität über die Lerner­gebnisse der Kinder in den weiterführenden Schulen bestimmt. Wird der Unterricht nicht optimal gestaltet, kann dies negative Auswirkungen auf die motorische Leis­tungsfähigkeit der Schüler im weiteren sportlichen Leben haben. Ziel eines jeden Sportlehrers sollte es also sein, dass Kinder sich nicht nur im Unterricht bewegen, sondern auch motiviert werden, außerhalb der Schule Spaß an körperlichen Aktivitäten zu haben. Um diese Bewegung attraktiver zu gestalten, kann der Ball als Spielgerät verwendet werden. Da nicht alle Kinder gut im Umgang mit Bällen sind, empfiehlt es sich, diesen im Grundschulsport aktiv zu fördern. Dazu ist ein Ist-Wert der Schüler heranzuziehen, der durch nachfolgende Testbeschreibung erhoben werden kann. Dem Sportlehrer wird durch die Ergebnisse anschaulich gemacht, wie die aktuellen Fertig­keiten der einzelnen Schüler seiner Klasse sind. Defizite können dadurch leichter auf­gedeckt sowie frühzeitig verbessert werden. Zudem erhalten die Schüler einen Ein­druck von der Vielfältigkeit des Balls und finden idealerweise Spaß am Umgang mit dem Spielgerät.

Die vorliegende Arbeit beschreibt die Entwicklung einer geeigneten Testbatterie für Grundschüler. Mit dieser Vorlage sollen Sportlehrer in den Grundschulen in Rhein­land-Pfalz künftig in der Lage sein, die sportmotorische Leistungsfähigkeit ihrer Schü­ler im Umgang mit Bällen zu ermitteln. Dabei werden unter anderem die koordinativen Fähigkeiten in der Ballbeherrschung getestet. Der Ballsporttest wird im Sportunterricht durchgeführt und lehnt sich an die großen Ballspiele (Fußball, Handball, Basketball) an. Zu Beginn der Arbeit erläutere ich die sportwissenschaftlichen Grundlagen und deren theoretischen Hintergrund. Sie sind die Basis für die Entwicklung des Tests. Konkret wird auf die ganzheitliche Entwicklung und die allgemeine Spielfähigkeit in Ballspielen eingegangen. Des Weiteren werden die zentralen Begriffe motorische Fä­higkeit und Fertigkeit entfaltet. Dabei wird auf die koordinativen Fähigkeiten sowie deren Training Bezug genommen. Anschließend wird der Ballsporttest in seiner Durchführung und mit den einzelnen Stationen vorgestellt und beschrieben.

2 Theoretischer Hintergrund

Bei den großen Ballspielen wird strukturell zwischen Zielschussspielen (Fußball, Handball, Basketball, Hockey) und Rückschlagspielen (Volleyball, Badminton, Ten­nis, Tischtennis) unterschieden (Vgl. Trunk, 2013, S. 4). Die Grundlagenvermittlung der großen Sportspiele ist jedoch in jedem Fall die Gleiche, so die einheitliche Mei­nung der Didaktiker. Das Vorgehen ist durch spielgemäße Konzepte gekennzeichnet, die von der Methodik zu Beginn des Lernprozesses nicht zu komplex sind. Hier gibt es für alle großen Sportspiele inzwischen einen umfangreichen Pool an Konzepten, die entwickelt worden sind, um eine spezifische Ausbildung schrittweise einzuleiten (Vgl. Medler & Schuster, 1996, S. 19).

Um die Entwicklung des Ballsporttests verstehen zu können, wird zunächst das theore­tische Wissen vermittelt. Alle folgenden Kapitel beziehen sich auf den Umgang mit dem Ball als Spielgerät.

2.1 Ganzheitliche Entwicklung in altersbezogenen Stufenkonzepten

Spiele können multifunktionell eingesetzt werden. Ihre durchweg positiven Eigen­schaften sind bekannt. In der Fachliteratur werden die Funktionen in drei übergeordne­te Kategorien gegliedert, was Tabelle 1 veranschaulicht.

Tabelle 1: Funktionen von Spielen (Geis, 2009, S. 13).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unter allen aufgezeigten Aspekten aus Tabelle 1 ist jedoch zu beachten, dass Spielen nur dann seine positive Wirkung entfaltet, wenn sich die Spielenden erfolgreich betei­ligen können (Vgl. Geis, 2009, S. 13).

Es ist ein weiter Weg, der sich über viele verschiedene Lernstufen vollstreckt, bis ein großes Sportspiel beherrscht wird. Bereits seit den 1980ern ist die übergreifende Spiel­schulung bekannt (Vgl. Medler & Schuster, 1996, S. 7). Bei einer sportspielübergrei­fenden Ballbeherrschung geht es um die Vermittlung breiter Sportspiel- und Bewe­gungserfahrungen. Sie bilden einen „fruchtbaren Nährboden“ für die Einführung spezi­fischer Sportspiele (Vgl. Roth & Kröger, 2011, S. 10).

In Sportvereinen wird dennoch viel zu häufig und vor allem viel zu früh sportartspezi­fisch gelehrt. Dies hat eine Frühspezialisierung mit einseitigen Belastungsanforderun­gen zur Folge. Dadurch können laut Roth und Kröger (2011, S. 9) Entwicklungsdisharmonien und Motivationsverluste entstehen, die oftmals zum vorzeitigen Sportausstieg führen. Es ist sehr wichtig, Kindern einen entwicklungsgemäßen, vielseitigen und freudebetonten Sportspielzugang zu ermöglichen.

In der Literatur ist das Vorgehen der Spielvermittlung in Stufen beschrieben. Es ist die Rede von „allgemeinen grundlegenden Lern- und Leistungsvoraussetzungen“ oder „sportspielübergreifender Spielfähigkeit“, die sich als unerlässliche Basis eines jeden Spiels zeigt. Auf diesem Fundament bauen weitere spezifische Stufen auf, wie das Modell des spielerisch-impliziten Lernens (MSIL) in Abbildung 1 veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Modell des spielerisch-impliziten Lernens (nach Roth, Memmert & Schubert, 2006, S.12).

An dieser sportspielübergreifenden Ausbildung und dem MSIL orientiert sich auch die Ballschule Heidelberg. Dort spielen Vorschulkinder im Alter von drei bis sechs Jahren in der Mini-Ballschule. In der zweiten Stufe - für Kinder von sechs bis acht Jahren - steht das ABC des Spielenlernens im Vordergrund. Dabei werden allgemeine sport­spielübergreifende Spielfähigkeiten mit Bällen geschult. Das übergeordnete Ziel ist Spaß, Bewegung und vor allem Freude am Spiel. Auf der dritten Ebene kommt es dann zu einer ersten Gliederung. Kinder (acht bis elf Jahre) können zwischen Rückschlag- und Zielschussspielen wählen. In Stufe vier erfolgt dann eine endgültige Trennung der Ballspiele: Die Spiele werden nun sportartspezifisch und voneinander getrennt gelehrt.

Es ist deutlich zu erkennen, dass eine Spezialisierung erst nach einer mehrjährigen sportspielübergreifenden Grundausbildung eintreten sollte.12

Dieser typische Aufbau der Ausbildung lässt sich auch in den Dachverbänden des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), des Deutschen Handball-Bundes (DHB) und des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) finden. Ein Beispiel verdeutlicht Abbildung 2, in der die Ausbildungsstufen im Kinder- und Jugendbereich des DFBs dargestellt sind.13

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Ausbildungsstufen im Kinder- und Jugendbereich des Deutschen Fußball-Bundes.

Hinweis: Die Übergänge zwischen den Stufen sind je nach aktuellem Entwicklungs­stand fließend und geschlechtsspezifisch (DFB, 2013).

In Abbildung 2 ist eine Pyramide mit breitem Boden zu erkennen. Das übergeordnete Ziel dieses Fundamentes ist eine umfassende Bewegungsschulung (Stufe 1). Die Py­ramide ist in verschiedene Ausbildungsstufen untergliedert, beginnend mit einer all­gemeinen Ausbildung, weiterführend zu einer beginnenden Spezialisierung im mittle­ren Segment bis hin zur letzten Ausbildungsstufe, der sportartspezifischen Perfektio­nierung im Hochleistungsbereich (Stufe 7).

Beide vorgestellten Modelle verdeutlichen, dass die Ausbildungsstufen systematisch aufeinander aufbauen und jeweils auf die einzelnen Entwicklungsphasen der Heran­wachsenden abgestimmt sind. Sie gehen fließend ineinander über und richten sich gleichermaßen nach der früheren Straßenspielkultur. Das bedeutet, dass Kinder zuerst spielen sollten, bevor sie gesondert trainiert werden. In Phase 1 aus Tabelle 2 wird dieser Zusammenhang noch einmal aufgegriffen. Die jungen Spieler sollten zu Beginn einer Ausbildung reichlich Bewegungs- und Materialerfahrung sammeln. In dieser Zeit wird der Ball als Spielgefährte mit all seinen Eigenschaften kennengelernt. Ziel ist es, dass Kinder und Jugendliche ein Gefühl für das Spielgerät entwickeln.

Tabelle 2: Phasenmodell zur Entwicklung der Spielfähigkeit (nach Wimmer & Leitner, 2011, S. 4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Allgemeine Spielfähigkeit als Bedingung der Ballspiele

Der Erwerb der allgemeinen Spielfähigkeit ist die Basis für alle Spiele. Jeder benötigt sie, um am Spielgeschehen teilhaben zu können. Das „komplexe Gebilde“ ist sport- spielübergreifend und bezieht sich laut Medler und Schuster (1996, S. 14) sowohl auf die Zielschussspiele, als auch auf die Rückschlagspiele. Sie umfasst demnach keine spezifischen Details, sondern vielmehr die Ebene der Handlungsregulation, von der aus jede spezifische Ausrichtung erreichbar bleibt. Dies wird im Modell des spielerisch-impliziten Lernens (MSIL) deutlich.

Die nachfolgende Abbildung illustriert die drei Zielbereiche des MSIL, welche die Grundlage der untersten Stufe aller Ballsportarten bilden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Das „ABC des Spielens und Übens“ im MSIL (Roth, Memmert & Schubert, 2006, S.15).

Tabelle 3 vermittelt einen Überblick zu den „Bausteinen“ des MSIL. Sie sind in allen Stufen des Modells Bestandteil. Die Trainingsinhalte setzen sich aus Taktik, Koordina­tion und Technik zusammen. Diese drei Säulen können auch als spielerisch-taktischer, fähigkeitsorientierter und fertigkeitsorientierter Zugang verstanden werden. Während beim fähigkeitsorientierten Zugang die Verbesserung der Ballkoordination das Ziel ist, werden in der fertigkeitsorientierten Stufe grundlegende und bereits vorhandene Ball­fertigkeiten optimiert und aufeinander abgestimmt. Im nachfolgenden Kapitel werden die motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten nochmals eingehend betrachtet. Alle drei Säulen aus Tabelle 3 sind ergänzende Bausteine zum ABC des Spielenlernens der Ballschule. Der spielerisch-taktische Bereich ist kein Bestandteil der hier vorliegenden Arbeit, da er durch Einzeltests nicht gemessen werden kann.

Tabelle 3: Das „3 x 7“ der Anfängerausbildung (nach Kröger & Roth, 2006, S. 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Anfängerausbildung in allen großen Sportspielen mit einer sportspielübergreifenden Schulung der Basisfähigkeiten und -fertigkeiten erfolgen soll. Diese beiden Bereiche sind untrennbar miteinander verbunden. Eine grundlegende Verbesserung der Ballkoordination sollte immer im Fokus stehen. Vereinfacht ausgedrückt, benötigen Kinder eine sportlich vielseitige (=polysportive) Ballausbildung in jungen Jahren, bei der die Ausbildung der allgemei­nen Spielfähigkeit höchste Priorität genießen sollte. Demnach ist es von großer Bedeu­tung, die koordinativen Fähigkeiten zu schulen, denn nur so können auch die Ballfer­tigkeiten verbessert werden. Klaus Bös, einer der führenden deutschen Sportwissen­schaftler der Motorikforschung, definiert Fähigkeiten als latente Konstrukte, die nicht direkt der Beobachtung zugänglich sind, sondern aus beobachtbaren Indikatoren er­schlossen werden. So schreibt er die Fähigkeiten der Prozessebene (Innenaspekt) zu, wohingegen sich die Fertigkeiten in der manifesten Verhaltensebene (Außenaspekt) zeigen. Motorische Tests werden daher immer anhand der Fertigkeiten, durch Zeiten oder Meter gemessen. Die eigentlich interessanten Größen stellen aber die dahinter verborgenen latenten Fähigkeiten dar.

Abbildung 4 zeigt die fundamentalen Ballfertigkeiten auf, von denen in nachfolgen­dem Ballsporttest Werfen, Rollen, Prellen, Schießen und Fangen evaluiert werden sol­len.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Elementare Ballfertigkeiten (Roth & Kröger, 2011, S. 99).

2.3 Motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten

Die motorischen Fähigkeiten sind in Tabelle 3 (s. Kapitel 3.2) abgebildet. Sie werden als allgemeine bewegungs- und technikübergreifende Leistungsvoraussetzungen ver­standen. Sie sind Determinanten einer Vielzahl differenzierter Bewegungen (Vgl. Moosmann, 2009, S. 225 ff.) und somit Grundlage für den daraus resultierenden Erwerb von Fertigkeiten. „Je besser diese grundlegenden Fähigkeiten ausgebildet sind, desto schneller und besser lassen sich dann auch neue motorische Fertigkeiten erlernen“ (Trunk, 2013, S. 41). Die Ballkoordination wird mit unterschiedlichen allgemeinen Druckbedingungen verbessert (Siehe Tabelle 4).

Tabelle 4: Definition der Koordinationsbausteine (nach Roth & Kröger, 2011, S. 24).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die allgemeinen Faktoren des fähigkeitsorientierten Ansatzes werden auch als koordinativen Fähigkeiten bezeichnet. Heranwachsende mit einer ausgeprägten Koordination, in der Fachsprache auch als „motorische Intelligenz“ bezeichnet, erlernen neue Bewegungen deutlich leichter (Vgl. Kröger & Roth, 2006, S. 17). Kinder mit einer umfassend ausgebildeten Koordination sind in der Lage, ihr beherrschtes Technikrepertoire optimal auf wechselnde situative Bedingungen anzupassen. Darüber hinaus sind koordinative Fähigkeiten vermutlich nicht unabhängig von Talent und Erbgut, die Literatur bestätigt aber, dass sie in hohem Maße trainierbar sind (Vgl. ebd., 2006, S. 11; 18 ff.).

Fertigkeiten bezeichnen im Allgemeinen einen erlernten oder erworbenen Anteil des Verhaltens. „Motorische Fertigkeiten sind spezielle, der Realisierung ganz spezifischer Bewegungen und Techniken dienende Leistungsvoraussetzungen“ (Moosmann, 2009, S. 225). Trunk (2013, S. 43) übersetzt motorische Fertigkeiten mit Techniken eines Sportspiels. Sie stellen demnach die Lösung einer konkreten Bewegungsaufgabe dar. Zu den grundlegenden motorischen Fertigkeiten zählen Basisformen wie Gehen, Lau­fen, Springen oder Hüpfen. Sie bilden das Fundament vieler anderer Bewegungsfertig­keiten im Alltag. Ebenso gibt es grundlegende Ballfertigkeiten, die meist etwas kom­plexer sind. Dazu gehören unter anderem Ballannahme, Ballmitnahme, Passen, Fangen, Dribbeln, Zielwurf und -schuss sowie das Schlagen des Balles mit Hand oder Schläger.

Tabelle 5 veranschaulicht die Technikbausteine. Die oberen drei Merkmale sind perzeptive Aufgabenbestandteile, die auch als Antizipations- oder Wahrnehmungspha­se bezeichnet werden. Das Erkennen der Flugbahn des Balles sowie der Mit- und Gegenspielerbewegung ist der Ausgangspunkt einzelner Spielhandlungen. Danach folgt der Übergang zur perzeptiv-motorischen Realisierungsphase, in der der Laufweg und die Stellung zum Ball angepasst werden. Ballannahme, Ballmitnahme und Steuerung der Ballabgabe stehen am Ende.

Tabelle 5: Definition der Technikbausteine (nach Roth & Kröger, 2011, S. 25).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Ich beziehe mich im folgenden Abschnitt, wenn nicht anders vermerkt, auf Mendner (1956, S. 14 ff).

2 Vgl. Mendner (1956, S. 16).

3 Vgl. http://www.ifp.bayern.de/projekte/laufende/krombholz-bewegung1.html# (10.12.2013)

4 Vgl. http://www.stern.de/emaehrung/uebergewicht-abnehmen/uebergewicht-bei-kindem-generation-pommes-615768.html (10.12.2013)

5 Vgl. Kettner, Wirt, Fischbach, Kobel, Kesztyüs, Schreiber, Drenowatz & Steinacker (2012).

6 Vgl. Kesztyüs, Kettner, Kobel, Fischbach, Schreiber, Kilian & Steinacker (2013, S. 293); Geis (2011,S. 8); Maruschke (2013); Liebisch, Schieb, Woll, Wachter & Bös (2004, S. 12 ff).

7 Vgl. Roth & Kröger (2011, S. 8)

8 Vgl. ebd. (2011, S. 9)

9 Vgl. Roth, Memmert & Schubert (2006, S. 14); Kröger & Roth (2006, S. 9).

10 Vgl. http://www.ballschule.de/index.php?option=com_content&view=article&id=8&Itemid=108(21.11.2013)

11 Vgl. Trunk (2013, S. 58).

12 Vgl. http://www.ballschule.de/index.php?option=com_content&view=article&id=8&Itemid=108(21.11.2013)

13 Diese Darstellung soll stellvertretend für alle anderen großen Sportspiele gelten.

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Details

Title
Entwicklung eines Ballsporttests für die Grundschule
Subtitle
Geeignet für Klasse 1 - 4. Mit Bildern, Beschreibung, verbale Testanweisung, Stationskarten
College
University of Koblenz-Landau  (Sport Grundschullehramt)
Year
2014
Pages
68
Catalog Number
V313839
ISBN (eBook)
9783668129146
ISBN (Book)
9783668129153
File size
2049 KB
Language
German
Keywords
Ballsporttest, Grundschule, Testbatterie, allgemeine Spielfähigkeit, motorische fähigkeit, koordinative fähigkeit, sportmotorische tests, stationen, ganzheitliche entwicklung, ballkoordination, prellen, passen, fangen, dribbeln, zielwurf
Quote paper
Anonymous, 2014, Entwicklung eines Ballsporttests für die Grundschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313839

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