Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Theoretische und begriffliche Überlegungen
2.1.Mobiles Lernen
2.2. Digitale Medien
2.3. Lernen in beruflichen Kontexten
3. Theoretische Überlegungen
3.1.Konstruktivistische Lerntheorien
3.2.Der Ansatz des situierten Lernens
3.3.Instruktionsdesigns des Situierten Lernens
3.4.Mikrolernen
4. Mobiles Lernen im Beruf
4.1.Potentiale des Mobilen Lernens mit digitalen Medien
4.2.Grenzen des Mobilen Lernens in beruflichen Kontexten
4.3.Dimensionen eines erfolgreichen Einsatzes Mobilen Lernens in beruflichen Kontexten
5.Schlussbetrachtung
5.1.Zusammenfassung
5.2.Fazit
Literaturverzeichnis
Erklärung
1. Einleitung
Der technologische Fortschritt im Kommunikations- und IT-Bereich hat den Umgang des Menschen mit Wissen und Lernen nachhaltig verändert. Wissen stellt heute ein Gut dar, dass durch eine immer kürzere Gültigkeit gekennzeich- net ist und den Lernenden vor die wachsende Herausforderung stellt, sich in im- mer kürzeren Abständen und unter ständig wandelnden Bedingungen Wissen so effektiv wie möglich anzueignen (de Witt/Sieber 2013, S. 7; DUW 2012; Specht/Kalz/Börner 2013, S. 55). Neben den klassischen Bereichen der Schule und der institutionalisierten Aus- und Weiterbildung ist in den letzten Jahrzehn- ten der Bereich der beruflichen Bildung immer stärker in den Fokus gerückt. Die Anforderung einer fortlaufenden und effektiven Qualifizierung der eigenen Mit- arbeiter stellt für Unternehmen zunehmend einen relevanten Faktor in Fragen der Wirtschaftlich- und Wettbewerbsfähigkeit dar. In den letzten Jahren haben sich neben der Etablierung von E-Learning und Blended Learning – ausgehend von einem rasanten Fortschreiten in der Mobiltechnologie – eine Vielzahl neuer didaktischer Konzeptionen und Einsatzszenarien innerhalb der beruflichen Bil- dung entwickelt (de Witt/Gloerfeld 2013; Dobischat/Düsseldorf 2009, S. 917; Körndle 2011, S. 38; Mandl/Kopp/Dvorak 2004, S. 2; Severing 2003; Theis/Ap- rea/Lauk/Ebner 2008, S. 2). In diesem Zusammenhang scheint es vor allem das Mobile Lernen mit digitalen Medien, das dem steigenden Bedarf nach Wissens- und Lerneinheiten am Arbeitsplatz und im Prozess der Arbeit zu entsprechen scheint. Es ermöglicht dem Lernenden innerhalb beruflicher Kontexte schnell und unkompliziert, bedarfsgerecht und ortsunabhängig auf Lerninhalte und In- formationen zuzugreifen und sich diese anzueignen (de Witt/Sieber 2013, S. 7; Dobischat/Düsseldorf 2009, S. 917; DUW 2012; Körndle 2011, S. 38; Mandl et al. 2004, 2; Theis et al. 2008, S. 2).
Mit der wachsenden Relevanz des Mobilen Lernens wurden in der Vergangen- heit allerdings zunehmend deutlich, dass zum einen der Bereich des formellen Lernens im Fokus steht und zum anderen Lehr- und Lernprozesse zu stark an den Bedingungen und Potentialen digitaler Medien ausgerichtet sind. Dabei er- fährt gerade der Bereich des informellen Lernens in der beruflichen Bildung eine wachsende Bedeutung, ohne dass diese Entwicklung in der Vergangenheit lern- theoretisch bzw. didaktisch-konzeptionell in einem angemessenen Maße berück- sichtigt würde (Dehnbostel 2015; De Witt/ Sieber 2013, S. 7; Dobischat/Düssel- dorf 2009, S. 922; Härtel 2012, S. 1 ff.; Pimmer/Pachler/Gröhbiel/Genewein 2008, S. 2; Severing 2003, S. 1 ff.; Specht et al. 2013, S. 56; Zimmer 2015, S. 22).
Die Forschungsfrage, die die vorliegende Arbeit im Folgenden zu beantworten suchen wird, lautet daher, ob in beruflichen Kontexten Lernprozesse durch das Mobile Lernen mit digitalen Medien gefördert werden können.
Zu Beginn der Arbeit wird der Forschungsrahmen thematisch und begrifflich abzugrenzen gesucht, bevor vielversprechende Theorien und Ansätze im Kon- text des Mobilen Lernens vorgestellt werden. Daraufhin werden mögliche Po- tentiale ebenso wie Einschränkungen, die sich aus dem Einsatz digitaler Medien im Mobilen Lernen ergeben, herausgearbeitet. Aufbauend auf die vermeintli- chen Potentiale und Beschränkungen sollen die Bedingungen für einen erfolg- reichen und effektiven Einsatz des Mobilen Lernens mit digitalen Medien in be- ruflichen Kontexten herausgearbeitet werden. Im Anschluss folgen Zusammen- fassung und Fazit.
2. Theoretische und begriffliche Überlegungen
Die Debatte um Lern- und Lehrprozesse in der beruflichen Bildung kennzeichnet sich, neben einer Vielzahl an klassischen und neueren Lerntheorien und –Ansät- zen, durch eine Masse an Begrifflichkeiten und Konzeptionen, die sich stark äh- neln, ineinandergreifen oder ergänzen. Im Rahmen dieses Kapitels sollen die für die Arbeit relevanten Begriffe möglichst trennscharf herausgestellt werden, um klar zu definieren was innerhalb dieser Arbeit Gegenstand der Betrachtung sein soll. Im Folgenden sind dies das Mobile Lernen, digitale Medien und das Lernen in beruflichen Kontexten.
2.1. Mobiles Lernen
In der Debatte um geeignete Lehr- und Lernszenarien innerhalb der beruflichen Bildung wird der Begriff des Mobilen Lernens oftmals fälschlicherweise als Teilaspekt des E-Learning gesehen, in dem E-Learning Angebote lediglich in mobiler Form angeboten werden (Rohs 2013, S. 78). Diese Ansicht ignoriert, dass der Kontextbezug als Form situativen Lernens das deutlichste Kennzeichen des mobilen Lernens gegenüber dem E-Learning darstellt (de Witt/ Gloerfeld 2013). Gemeinsam haben das Mobile Lernen und das E-Learning, dass sie der „Unterstützung von Lernprozessen durch Informations- und Kommunikations- technologien“ (Rohs 2013, S. 78) dienen.
Der Begriff des Mobilen Lernens lässt sich aufgrund verschiedener Perspekti- ven, Schwerpunkte und Einsatzfelder nur schwer klar definieren (de Witt 2013, S. 15; Liebscher/Jahnke 2012, S. 211; Seufert/Jenert/Kuhn-Senn 2012). Es wird daher um das Herausstellen möglichst allgemeingültiger Kennzeichen des Mo- bilen Lernens gehen. Ein wesentliches Kennzeichen stellen die genutzten End- geräte dar, die leicht und durch eine Akku-Nutzung unabhängig von Stromquel- len sind, drahtlose Netzwerke unterstützen und nutzen, über die Möglichkeit der permanenten Netzanbindung verfügen und einen allgegenwärtigen Zugang zu Wissen bieten. Die Größe der mobilen und portablen Endgeräte ist dabei offen gegenüber Änderungen (de Witt/Gloerfeld 2013, S. 6 ff.; Erpenbeck/Sauter 2013, S. 86; Liebscher/Jahnke 2012, S. 211). Neben den genannten „Möglich- keiten des situativen, kontextualisierten und ortsunabhängigen Lernens“ (de Witt/Gloerfeld 2013, S. 7), stellt die Möglichkeit einer vernetzten Kommunika- tion ein weiteres Charakteristikum dar (ebd.). Nach Kress und Pachler (2007, S. 13) schließt dies die „availability on demand as well as the creation of content ‘on the fly‘, i.e. in real time” mit ein. Diese Kennzeichen spiegeln vor allem den technologischen Aspekt bei der Betrachtung des Mobilen Lernens wieder, wobei inzwischen eine Reihe weiterer Konzepte, u.a. das der Kontextualisierung, der Personalisierung oder der Reflexion, in der Betrachtung des Mobilen Lernens Berücksichtigung finden (de Witt 2012; Traxler 2009, S. 2).
In der vorliegenden Arbeit sollen unter dem Mobilen Lernen, Lern- und Infor- mationsprozesse verstanden werden, die über tragbare, mobile Endgeräte erfol- gen, dabei zeit- und ortsunabhängig sind und einen unverzüglichen und direkten Zugriff auf Informationen und Wissen ermöglichen. Ein weiteres zentrales Merkmal stellen die Möglichkeiten eines situativen und kontextualisierten Ler- nens dar (de Witt 2013, S. 15; de Witt et al. 2013, S. 7 ff.; Elsholz 2015a, S. 13; Wimmer/Hartmann 2014, S. 16; Zimmer 2015, S. 5). D.h. „Lernen und Infor- mieren sind also immer im jeweiligen Kontext möglich, und zwar wann und wo gerade Bedarf besteht“ (De Witt/Gloerfeld 2013, S. 9). Die technische Kompo- nente des Mobilen Lernens ist hier bewusst weit gefasst, da sich im Lernen in beruflichen Kontexten, bereits aus Faktoren wie der Unternehmensgröße oder – Branche, sehr unterschiedliche Möglichkeiten hinsichtlich der Eigenschaften und Rahmenbedingungen mobiler Endgeräte ergeben.
2.2. Digitale Medien
Unter Medien können grundsätzlich vermittelnde Elemente verstanden werden, die der Weitergabe und Verbreitung von Informationen mittels auditiver, visu- eller und audiovisueller Kanäle dienen. Dementsprechend bestehen zwischen analogen und digitalen Medien eine Vielzahl an Gemeinsamkeiten. Der ent- scheidende Unterschied zwischen analogen und – den häufig synonym zum Be- griff der Neuen Medien verwendeten – digitalen Medien findet sich in der „abi- lity to easily create, copy, and transmit digital Media. They can be streamed, downloaded, or stored on media as CD or DVD” (TSS 2006). Daraus kann man ableiten, dass sich digitale Medien durch die Eigenheit der Digitalisierung kenn- zeichnen, die immer im Zusammenhang mit einem Computer und damit einer rechnergestützten Handhabung gesehen werden muss. Durch diese, mittels Computertechnologie ermöglichte, Digitalisierung ergibt sich, neben den oben genannten, die Möglichkeit der interaktiven Nutzung (Rippien 2012, S. 93). Weitere Merkmale sind jene der Vernetzung, Globalität und in zunehmenden Maße der Mobilität (Heueis 2014, S. 37 ff.). Digitale Medien sind in den Kontext des Mobilen Lernens explizit mit eingeschlossen.
In der vorliegenden Arbeit sollen unter digitalen Medien, Medien verstanden werden, die Wissen und Informationen in digitaler Form transportieren und dar- stellen oder auf diese in digitaler Form zugreifen können und eine interaktive Handhabung ermöglichen. Es ist daher wichtig zu betonen, dass im Rahmen der Arbeit neben digitalen Audio- und Videoformaten auch damit zu assoziierende Endgeräte wie Computer, E-Book-Reader, Medienplayer etc., aber auch Dienste wie das Internet etc. zu verstehen sind.
2.3. Lernen in beruflichen Kontex- ten
Lernen findet in Deutschland in den verschiedensten Kontexten statt. Einen aus- gesprochen großen Bereich stellt das Lernen im und für den Beruf dar. Hier ist neben der reinen Berufsausbildung auch zwischen der betrieblichen und berufli- chen Weiterbildung zu unterscheiden. Während die berufliche Weiterbildung vor allem der individuellen Karriereentwicklung und –förderung dient, handelt es sich bei der betrieblichen Bildung, in erster Linie um Bildungsanstrengungen, die vom Unternehmen getragen oder gefördert und eine Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters voraussetzen. Die Maßnahmen im Rahmen der betrieblichen Bildung finden unter ökonomischen Aspekten statt und werden – häufig flankiert durch eine betriebliche Personalentwicklung – als Investition des Unternehmens gesehen, da sie dem Erhalt und Ausbau von Qualifikationen und Kompetenzen der Mitarbeitenden dienen (Böhler/Lienhardt/Robes/Sauter/Süß/Wessendorf 2013; Herber/Schmidt-Hertha/Zauchner-Studnicka 2013; Seufert/Meier 2013; Severing 2003).
Betriebliches Lernen stellt einen Teilbereich der beruflichen Bildung dar und kann nach Dehnbostel (2007, S. 51) sowohl in einem formellen, wie auch in einem informellen Kontext stattfinden. Beim Lernen in formellen Kontexten handelt es sich in der Regel um Seminare, die intern und extern stattfinden kön- nen und vor allem der Vermittlung von theoretischen Grundlagen dienen. Dem- gegenüber dient das Lernen im informellen Kontext vor allem der Vermittlung von Erfahrungswissen und kann in verschiedensten Formen wie Gruppen- und Projektarbeit oder dem reinen Wissensaustausch mit Kollegen stattfinden (Reh- feldt 2012, S. 44 ff.). Neben der Unterscheidung in einen formellen und infor- mellen Kontext kann das betriebliche Lernen auch danach systematisiert werden, in welchem räumlichen und zeitlichen Verhältnis Arbeitsplatz und Lernort zuei- nander stehen. Sind sie identisch (arbeitsgebundenes Lernen), getrennt, aber in räumlicher Nähe und organisatorischer Verbindung (arbeitsverbundenes Ler- nen) oder fehlt eine direkte Verbindung (arbeitsorientiertes Lernen). Findet das informelle Lernen im Prozess der Arbeit statt, ist es nach Kaufmann (2012, S. 41) „zufällig, erfahrungsbezogen, selbstgesteuert als auch subjekt- und arbeits- gebunden“ (Elsholz 2015a, 2015b, S. 5 ff.; Rehfeldt 2012, S. 44).
In der vorliegenden Arbeit beziehen sich berufliche Kontexte ausschließlich auf das informelle arbeitsverbundene und arbeitsgebundene Lernen. Dies resultiert zum einen aus der wachsenden Bedeutung des informellen beruflichen Lernens auf der einen und der Stagnation bei der Entwicklung des beruflichen Lernens in Lehrgängen und Seminaren auf der anderen Seite. Zum anderen stellt das Ler- nen am Arbeitsplatz, die dominante Form des Lernens in der betrieblichen Bil- dung dar (Elsholz 2012; Elsholz 2015a, S. 5 ff.; Rehfeldt 2012, S. 46; Severing 2003).
3. Theoretische Überlegungen
Der erfolgreichen Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements bedarf es eines theoretischen Grundgerüstes vor dessen Hintergrund die verschiedenen Formen des Lernens diskutiert, verstanden und begründet werden können. Dies gilt im besonderen Maße für die Gestaltung des mobilen Lernens mit digitalen Medien, das sowohl didaktisch als auch in technischer Hinsicht auf vielfältige Weise er- folgen kann (Mitschian 2000, S. 45). Der vermeintliche Mehrwert des Mobilen Lernens entsteht nicht automatisch, sondern hängt im großen Maße von einer aktiven und durchdachten instruktionalen Gestaltung der Lernumgebung ab. Es gilt hierbei zu berücksichtigen, dass es nicht darum gehen darf Lehr- und Lern- prozesse an den digitalen Medien und ihren Potentialen im Kontext des Mobilen Lernens auszurichten, sondern diese organisiert und durchdacht in didaktische Konzepte und entsprechende Rahmenbedingungen einzubetten (Härtel 2012, S. 4). Je nach konkretem Einzelfall kann dies verschiedene theoretische Ansätze zur Erklärung bzw. Begründung erfordern (Fischer/Mandl/Todorova 2010, S. 753 ff.; Rippien 2012, S. 74; Zimmer 2015, S. 52 ff.).
Im folgenden Kapitel sollen – mit Blick auf das informelle Mobile Lernen mit digitalen Medien in beruflichen Kontexten – aktuelle Bezüge zu verschiedenen lerntheoretischen Ansätzen hergestellt werden. Neben eher allgemeinen Bezü- gen der Lerntheorie des Konstruktivismus sind es vor allem die Theorie des si- tuierten Lernens und der Ansatz des Mikrolernens, die als Begründungsrahmen für ein informelles mobiles Lernen mit digitalen Medien herangezogen werden können (Rohs 2013, S. 83 ff.).
3.1. Konstruktivistische Lerntheo- rien
Beim Konstruktivismus handelt es sich, ebenso wie beim Behaviorismus und Kognitivismus um eine klassische Lerntheorie, die sich im Zeitalter digitaler Medien als ausgesprochen anschlussfähig erwiesen hat und in einer Vielzahl an Varianten zu finden ist (Mitschian 2000, S. 45; Pörksen 2014). Konstruktivisti- sche Theorien gehen davon aus, dass das Lernen einen aktiven Prozess darstellt, in dem Wissen durch selbständiges und eigeninitiiertes Handeln des Lernenden erworben wird. „Lernende konstruieren ihr Wissen, indem sie wahrnehmungs- bedingte Erfahrungen interpretieren, und zwar in Abhängigkeit von ihren Wün- schen, Zielen, Gefühlen; von ihrem Wissen und Gedächtnis[…]“ (Konrad/Traub 2005, S. 13) Erlebtes und neu Gelerntes wird also in Beziehung zu bereits vor- handenem Wissen gesetzt, woraus schließlich neues Wissen gebildet werden kann (Mandl et al. 2004, S. 9). Im Konstruktivismus wird Lernen darüber hinaus als emotionaler Prozess verstanden, negative Gefühle gilt es dementsprechend zu verhindern und positive zu fördern (ebd.). Der Prozess des Lernens wird zu- dem selbstgesteuert, d.h. der Lernende befindet sich in der Pflicht, den eigenen Lernprozess zu überwachen und zu kontrollieren. Lernen wird in der konstruk- tivistischen Betrachtung ferner als sozialer Prozess verstanden, in dem der Wis- senserwerb nie für sich, sondern immer auch in der Interaktion mit anderen ge- schieht. Gleichzeitig ist dieser Erwerb an einen spezifischen Kontext oder eine bestimmte Situation gebunden und besitzt dementsprechend einen situativen Charakter (Bovet/Huwendiek 2004, S. 50; Gerstenmaier/Mandl 2009, S. 171; Konrad/Traub 2005, S. 13; Mandl et al. 2004, S. 10; Zimmer 2015, S. 54 ff.).
Nach Bovet und Huwendiek ( 2004 , S . 50) besitzen konstruktivistische Ansätze grundsätzlich großes Potential hinsichtlich der Gestaltung und des Einsatzes di- gitaler Medien, da Wissen mithilfe von Computertechnologie aktiv und selbst- gesteuert konstruiert und angeeignet und der Lerner gleichzeitig motiviert und damit im Lernprozess zusätzlich unterstützt werden kann. Die Betonung des si- tuativen Charakters von Lernprozessen im Konstruktivismus besitzt zudem, hin- sichtlich des Mobilen Lernens im spezifischen Kontext des betrieblichen Ler- nens große Relevanz (Fischer et al. 2010, S. 754 ff.).
3.2. Der Ansatz des situierten Ler- nens
In der konstruktivistischen Perspektive wird u.a. Lernen als situativer Prozess aufgefasst und der Erwerb von Wissen als an einen spezifischen Kontext bzw. eine spezifische Situation gebunden verstanden. In diesem Kontext finden eine aktive Auseinandersetzung und ein aktives Bezugnehmen des Individuums auf die es umgebene Umwelt statt. Es ist somit nicht möglich, Wissen unabhängig vom Kontext in dem es entstand, zu betrachteten (Spieler 2006). Der Ansatz des situierten Lernens baut auf dieser Annahme auf und misst der Lernsituation bzw. der Lernumgebung die herausragende Bedeutung zu. Eine situierte Lernumge- bung kann nach Gerstenmaier und Mandl (2001, S. 5) als die Zusammenführung psychologischer, technologischer und philosophischer Elemente betrachtet wer- den (Pferdt/Kremer 2010, S. 294). Eine wesentliche Bedingung situierter Ler- numgebungen ist deren Authentizität, d.h. Lern- und die Anwendungssituation sollten sich so weit wie möglich ähneln, da ansonsten die Gefahr besteht, dass vorhandenes Wissen nicht zur Anwendung kommt (Fölling-Albers/Hartin- ger/Mörtl-Hafizovic 2004, S. 727 ff.). Ferner erfordert das Lernen in situierten Lernumgebungen vom Lernenden, dass dieser bereits während des Lernprozes- ses Aufgabenstellung und Lerninhalt aus so vielen Perspektiven und Kontexten wie möglich zu betrachten sucht. Hierbei wird zugleich der Tatsache Rechnung getragen, dass Lernsituationen weder vollkommen authentisch, noch alle denk- baren Anwendungssituationen Beachtung finden können. Durch die Möglichkeit bzw. die Forderung einer mehrperspektivischen Betrachtungsweise, fördert der Ansatz des situierten Lernens die kognitive Flexibilität der Lernenden (Fölling- Albers et al. 2004, S. 727; Gerstenmaier/Mandl 2001, S. 3 ff.; Gersten- maier/Mandl 2009, S. 172 ff.; Pferdt/Kremer 2010, S. 294). Im Bereich des be- trieblichen Lernens geht es, dem Ansatz des situierten Lernens entsprechend, also darum, den Lernenden mit Aufgaben zu konfrontieren, die aus seinem be- ruflichen Alltagskontext stammen, problemorientiert und in realistischen situa- tiven Kontexten eingebettet sind. Situiertes Lernen in beruflichen Kontexten und die Konstruktion neuen Wissens geschieht dementsprechend in Form eines ak- tiven Lernens „on authentic and realistic tasks that reflect the real world thus providing meaningful learning and facilitating transfer of knowledge to real life situations” (Seow/Tang 2005, S. 1519). Eine situierte Lernsituation definiert sich zudem immer auch dadurch, dass sie den Lernenden, Gestaltungsräume hinsicht- lich der Lernzeiten, -absichten und –methoden gewährt und somit eine aktive Selbstgestaltung von Lernprozessen unterstützt (Konrad/Traub 2005, S. 4; Mess- ner/Reusser 2000, S. 285; Pferdt/Kremer 2010, S. 294).
3.3. Instruktionsdesigns des Situ- ierten Lernens
Nach Mandl, Gruber und Renkl (2002, S. 140) kann „Wissen nicht einfach von einer Person auf die andere weiter gereicht werden“, vielmehr bedarf der Wis- senserwerb und – transfer eine effiziente Konzeption sowie ein „systematisch begleitendes und koordinierendes Projektmanagement“ (Niegemann/Hes- sel/Hochscheid-Mauel/Alanski/Deimann 2004, S. 91). Für das Situierte Lernen bedeutet dies, dass trotz der herausgestellten Bedeutung von Lehr- und Lernum- gebungen, diese für sich nicht ausreichend sind. Inwieweit Lernumgebungen des Situierten Lernens ihr Potential ausschöpfen können, hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit bei der Gestaltung konkrete Instruktionsmodelle Berücksichtigung finden. Bezogen auf das Lernen mit digitalen Medien sind es u.a. die Anchored Instruction, der Cognitive Apprenticeship und die Cognitive Flexibility, die als Gestaltungsformen von Lernsituationen bedeutsam sind (Fischer et al. 2010, S. 753 ff.; Gerstenmaier/Mandl 1999, S. 8; Mandl et al. 2004, S. 16 ff.; Zimmer 2015, S. 55).
Anchored Instruction zielt darauf ab über die Verankerung von Wissenskonzep- ten und Fertigkeiten in authentischen und komplexen Problemlösekontexten die Bildung „trägen“ Wissens – also Wissen, das zwar vorhanden, aber in Problem- situationen nicht abrufbar ist – zu vermeiden. Der Lernende soll die Kompetenz erwerben, auf reflexivem Wege, vielschichtige Probleme identifizieren und de- finieren zu können. Gleichzeitig sollen Lernende hinsichtlich der Wahrnehmung und des Verstehens dieser Probleme gefördert werden. Um dies zu erreichen, sieht der Ansatz multimediale Lernarrangements vor, die sowohl das Interesse am Lerngegenstand wecken, als auch die Lernmotivation fördern sollen (Kon- rad/Traub 2005, S. 14; Mandl et al. 2004, S. 16 ff.; Zimmer 2015, S. 55). Cog- nitive Apprenticeship erfordert die Anleitung und Unterstützung des Lernenden bei der Lösung von Problemen. Zentrales Anliegen stellt hier eine möglichst pra- xisnahe Einbettung von Problemstellungen in Anwendungskontexten, die von Lernenden kooperativ gelöst werden sollen. Lernen findet so in einem sozialen Kontext statt, der zum wesentlichen Bestandteil der Lernumgebung wird. Im Prozess des Lernens stellen die Artikulation der eigenen Denkprozesse, die Re- flexion der eigenen Lernstrategie und die Exploration des eigenen Wissens in anderen Problemstellungen wichtige Komponenten dar, die die Eigenaktivität des Lernenden fördern sollen (Mandl et al. 2004, S. 16 ff.; Konrad/Traub 2005, S. 15 ff.; Zimmer 2015, S. 55). Cognitive Flexibility zielt – wie der Name bereits impliziert – darauf ab, dass Lernende durch die Einnahme multipler Perspekti- ven, der kognitiven Repräsentation und Speicherung von Lerninhalten in unter- schiedlichen Arten und Weisen, in ihrer kognitiven Flexibilität gefördert und vor „Übervereinfachung“ geschützt werden (Konrad/Traub 2005, S. 7 ff.; Zimmer 2015, S. 55).
3.4. Mikrolernen
Innerhalb des beruflichen Lernens hat sich das Mikrolernen zu einem sehr er- folgreichen Lernkonzept entwickelt, wobei dieser Erfolg nicht zuletzt aus tech- nologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen resultiert. Ebenso wie das Mobile Lernen profitiert das Mikrolernen von der zunehmenden Ver- breitung und der fortlaufenden Weiterentwicklung tragbarer Geräte wie Smart- phones und Tablets und einem zunehmend vereinfachten und intuitiven Bedien- konzept (MMB 2010, S. 3). Der relativ junge Begriff des Mikrolernens fungiert als eine Sammelbezeichnung „für verschiedene informelle Lernaktivitäten im Kontext von Social Software-Anwendungen: inzidentelles Lernen mit digitalen Medien, mechanistisches Lernen mit »Lernobjekten«, SMSAnwendungen etc.“ (Hug 2010a, S. 201). Grundsätzlich kann unter Mikrolernen, das Lernen mit kleinen und kleinsten Einheiten verstanden werden, welches vom Lernenden au- tonom, selbstbestimmt und selbstgesteuert durchgeführt werden kann. ‚Mikro‘ bezieht sich dabei, neben der Größe und dem Umfang des Lerninhaltes, auf zeit- lich sehr kurz gehaltene Einheiten mit möglichst schnellem Feedback (Hug 2010a, S. 201; Hug 2010b, S. 227 ff.).Im Zusammenhang mit den Herausforde- rungen des Web 2.0 und digitaler Medien haben sich charakteristische Kennzei- chen des Mikrolernens herausgebildet. So wird unter dem Begriff des Mikroler- nens ein kurzes, maximal 10-15 Minuten langes Lernformat verstanden. Der zu behandelnde Lernstoff wird in möglichst kleine, in sich geschlossene und the- matisch abgegrenzte Lerneinheiten aufgeteilt, wobei eine Lerneinheit bereits das kleinste Teil darstellt und nicht weiter verkürzt werden kann, ohne dass ein Be- deutungsverlust zu erwarten wäre. (Hug 2000a, S. 202) Die Einheiten weisen zudem eine bestimmte Struktur auf und enthalten spezifische Informationen über Autor, Titel etc., daneben sind sie eindeutig zuzuordnen und über eine URL zu adressieren. Im Lernen mit digitalen Medien werden für das Mikrolernen ver- schiedene Formate genutzt, wie bspw. Videos, SMS, Podcasts, Lernspiele etc. (Hug 2000b, S. 230).
Aufgrund der vielfältigen Kontexte, der inhaltlichen und technischen Anwen- dungsmöglichkeiten in denen das Mikrolernen stattfinden kann und der relativ weit gefassten Definition des Begriffs, ist es nicht einer spezifischen Lerntheorie verpflichtet. Es besitzt in vielen Bereichen eine Art Brückencharakter und er- laubt bspw. die Verbindung informeller und formeller Lernformen. Einen gro- ßen Vorteil des Mikrolernens sind dementsprechend die vielfältigen und flexib- len Kombinationsmöglichkeiten mit verschiedenen didaktischen Konzepten und Designs (Hug 2000b, S. 221 ff.; Hug 2000a, S. 202; Kerres 2013, S. 6 ff.).
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