Medizin und Recht, eine medizin-rechtshistorische Abhandlung


Scientific Essay, 2015

14 Pages


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Medizin und Recht, eine medizin-rechtshistorische Abhandlung

Im Altertum bildeten sich in den Hochkulturen von China, Indien und im Mittelmeerraum unterschiedliche Medizinsysteme heraus, die vielfach verändert und vermischt auch in der westlichen Alternativmedizin eine große Rolle spielen. Die traditionelle chinesische Medizin entstand etwa im zweiten Jahrtausend v.Chr. aus einfachen Dämonen- und Ahnenheilkulturen. Die praktische Medizin ist aus der Zeit um 300 v.Chr. bekannt. Die Ayurveda-Medizin Indiens wurde ebenfalls aus den älteren, magisch-theistischen Glaubensinhalten definiert. Sie beruht theoretisch auf einer Temperamentenlehre verbunden mit einer Gleichgewichtsphysilogie der Elemente Luft, Galle und Schleim, also auf Ernährung und Meditationsübungen, wie z.B.Yoga. (Das Gesundheitssystem, Ausgabe der deutschen Krankenkassen 1993-2006). In der Medizin der ägyptischen, griechischen und römischen Antike wurzelt die heute weltweit verbreitete westliche Medizin. Historiker teilen die antike Medizin in vier Phasen ein. Die erste, theurgisch-magische Medizin behandelte Kranke in Tempeln und versuchte, göttliche Heilwunder auszulösen. Ihr Ende wird mit der Lebenszeit des Hippokrates von Kos (460-380/70v.Chr.) assoziiert. Hippokrates war Namensgeber einer neuen Naturphilosophie aus Elementenlehre und Qualitätenpathologie, die ärztliches Handeln vom direkten Einfluß der Gottheiten unabhängig machte. Die hippokratische Praxis aus Diagnose, Therapie und Prognose ist bis heute üblich; die hippokratischen Fallbeschreibungen gelten als Ursprung der heutigen wissenschaftlichen Medizin. (Das Gesundheitssystem, s.o.) In der folgenden hellenistischen Phase bildeten sich neben der hippokratischen weitere Ärzteschulen aus, wie die der Empiriker, Methodiker und Pneumatiker. Darauf folgte die griechisch-römische Phase, deren anatomischen, pharmakologischen und chirurgischen Werke neben denen des Hippokrates das Denken des Abendlandes bis zur Aufklärung bestimmten. Die byzantinische Epoche, die seit der Trennung des oströmischen Reiches vom weströmischen beginnt, ergänzte die Medizin durch Pulslehre und Harnschau und endete mit dem Fall von Konstantinopel 1453. Danach übernahmen islamische Gelehrte die medizinischen Traditionen und entwickelten Schulen für Botanik, Diätetik und Chirurgie, welche durch das herausragende Werk des Avicenna gekrönt wurden, bis zum Eintritt in die Renaissance. Erst hier durch den Anatomen Andreas Vesal (1514/15-1564) setzte sich ein neuer Gelehrtentyp durch, der sich auf Grund eigener Sektionen und Erarbeiten umfangreicher anatomischer Werke, von den antiken Vorbildern des Hippokrates und Galen lösen konnte, auch Paracelsus (1493-1541) verwarf in seiner Iatrochemie die hippokratische Viersäftelehre. Mit den experimentellen Methoden des 17.Jh. wird dann das Zeitalter der wissenschaftlichen Medizin eingeleitet.

Dem kurzen medizinhistorischen Abriß soll jetzt eine rechtshistorische Betrachtung folgen. Da das Zusammenleben der Menschen so geregelt ist, dass Konflikte weitgehend vermieden werden sollen, müssen die Ansprüche eines Individuums in der Gesellschaft geregelt werden. So entstanden Verhaltensnormen für das Leben in einer sozialen Gemeinschaft, die zunächst an das Bestehen von Gesetzen nicht gebunden waren. Dabei spielten die gesellschaftlichen Gegebenheiten und die Interessen der sozialen Machtpositionen eine große Rolle, die ein spezifisches Normensystem des Rechts schaffen mussten, die Gesetze. In der Geschichte des Medizinrechts in Europa lassen sich griechische, römische und kanonische Wurzeln nachweisen. „Zu den bleibenden Errungenschaften des griechischen Rechts gehört die Einsicht in die ungeschriebenen Gesetze einer Ethik, die über allem positiven Recht steht.“ (Winkler, H.A.:Geschichte d.Westens,S.29). Damit beansprucht in einem tragischen Konflikt das Gewissen eines einzelnen Menschen Vorrang vor dem Gesetz der Gemeinschaft. Wobei in der vorchristlichen und hellenistischen Zeit das athenische Vorbild als maßgebend angesehen wird, wo unter dem Begriff der Polis ein von Vollbürgern (mit Bürgerrecht) geführter demokratischer Staat verstanden wurde in dem auch rechtlose Sklaven und Hörige lebten. (Busolt,G.: Griechische Staatskunde, München 1920). Das griechische Recht breitete sich bsd. in den Donaufürstentümern aus und ist auch in den Gesetzen der Normannen, Langobarden und Staufer zu finden. Im römischen Recht findet durch die Isolierung der Rechtsfragen von allen anderen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Aspekten, die „Konstituierung einer eigenständigen Rechtswelt“statt.(Wieacker,zit. bei Troje,H.E.,S.250). Das römische Recht entwickelt sich, als Privatrecht, auf dem Boden einer streng aristokrakratisch verfassten Res publica, die erbliche Anhäufung von Reichtum und Macht begünstigt.(Troje,H.E.: Euopa und griechisches Recht,Antrittsvorlesung 1970).“ Das mächtige Ringen zwischen fester Tradition (ius) und fortschreitender Auflockerung (aequitas), das die ganze römische Rechtsgeschichte durchzieht, wird von dem orientalischen Gedanken abgelöst, dass der Despot jeden Fall nach dem, was ihm billig scheint, nach eigenem Gutdünken entscheidet und befreit von der Fessel des überlieferten Rechts“ (Pringsheim,F.: Ge-smmelte Abhandlungen, Heidelberg 1961, S.60). In dem Rangverhältnis der Geschlechter fiel dem Mann die patria potestas auch über die Frau zu; die Frau braucht die Führung des Mannes und gerät ohne diese auf Abwege. Das klassisch-antike römische Recht war in der ausgehenden Spätantike (533/534) im Corpus Iuris Civilis aufgezeichnet worden und zählte seit seiner Wiederentdeckung im 12. Jh. zu den an den Universitäten gelehrten Disziplinen.Im Zuge der sog.Rezeption um 1500 hatte das universitär weiterentwickelte römische Recht als sogenanntes Gemeines Recht (ius communis) auch im gewonheitsrechtlichen Weg Eingang in die Rechtspraxis gefunden. Die Beschäftigung mit römischem Recht war somit bis zum Inkrafttreten der großen Kodifikationen (französischer Code Civil 1804, deutsches Bürgerliches Gesetzbuch 1900) kein rein historisches Anliegen. (Olechowski,Th. Gamauf R., Mainz, Wien 2006). Nach der Kodifizierung galt es noch für das europäische Privatrecht als universitäres Propädeutikum.

Die römisch-katholischen Geistlichen lebten überall nach dem Recht der römischen Kirche, zu welchem das römische Recht des Corpus Iuris Civilis in einem nahen Verhältnis stand. Denn vieles daraus war als grundlegend in die kanonischen Satzungen teils wörtlich, teils dem Inhalt nach eingegangen. Es war im Allgemeinen anerkannt, „das den Römisch- Justinianischen Rechtsbüchern die Bedeutung von ergänzenden und aushelfenden Quellen für das Recht der Kirche zukomme.“ (Muther,Th.,Vortrag 1871,S.5). Die Kleriker zeigten damals sowohl Kenntnisse des kanonischen als auch des römischen Rechts. Jedoch war kirchlichen Personen zum Studium nur Theologie und kanonisches Recht gestattet, Zivilrecht war verboten. Da sich mit den oft einfach zugeschnittenen Sätzen des einheimischen Rechts, nicht alle Rechtsfragen entscheiden ließen, waren viele Städte bestrebt, einen geistlichen Juristen zu engagieren, weil sie oft in Abhängigkeit oder Kämpfen mit der Kirche oder kirchlichen Personen standen. Da es im 12.und 13.Jh. im deutschen Reich nur Kloster- und Domschulen für die Jurisprudenz gab, waren Kenner der ausländischen Rechte äußerst selten. Außerdem galt der Grundsatz, dass jede Rechtsverletzung auch sündig sei und deshalb ein geistlicher Richter nötig sei. Das Volk achtete das Recht der Kirche und man forderte, dass das von weltlichen Gerichten zur Anwendung gebrachte Recht nicht gegen die kirchlichen Satzungen verstoßen dürfe. Das römische Recht wurde geachtet, weil die Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation als Reichs- und Rechtsnachfolger der alten römischen Kaiser galten. Kaiser und Fürsten liebten das römische Recht wegen der im Justinianischen Kodex hervortretenden monarchischen Tendenzen. Der Begriff „deutsches Recht“ war im Mittelalter nicht bekannt. Es gab regionale Rechte, z.B. sächsisches und schwäbisches Landrecht und Magdeburger und Lübecker Stadtrecht. Nach mittelalterlicher Auffassung fiel das gesamte Schulwesen in den Geschäftsbereich der Kirche. Das wachgewordene Bildungsbedürfnis der deutschen Nation führte dann in der zweiten Hälfte des 14.und 15. Jh. zur Gründung der deutschen Universitäten (Heidelberg 1386, Erfurt 1379/89, Köln 1388). Die meisten wurden vom Papst auf Ersuchen der Landesfürsten und auf Betreiben der Stadtobrigkeiten privilegiert und sollten zu Pflanzschulen der Rechtswissenschaft werden. Die kirchlichen Gerichte hatten im 14.Jh. an Bedeutung gewonnen, der Grund ist darin zu suchen, dass dem kirchlichen Pro-zeß eine wirksame Exkommunikation und eine im Interdikt gipfelnde Exekution folgen konnte, welche im ganzen Reich durchführbar war. Während weltliche Richter meist nur über beschränkte Gebiete richten konnten. So wurden Wege gesucht, weltliche Rechtsstreitigkeiten auch bürgerliche Schuldsachen , einer kanonischen Prozedur zu unterziehen, und der Papst ernannte Bischöfe zu päpstlichen Richtern für Rechtsstreitigkeiten der Universitätsangehörigen. Auch die Einwirkung der Rechtsdoktoren auf die kaiserlichen Gerichte verstärkte sich. So erwies sich das weltliche Schwert als zu stumpf, um ausreichenden Rechtsschutz zu gewähren. Die Kaiserlichen Hofgerichte bestanden bis 1495, danach gab das feststehende Reichskammergericht vor, daß römisch- kanonische Verfahren beim obersten Gerichtshof des Reiches eingeführt wurden. Sie sollten als Hilfsquelle dienen, wenn die einheimischen Reichs -und Landesrechte nicht ausreichten. Es war ein Vorteil, das Produkt jahrhundertelanger Arbeit der Römer zu übernehmen und durch das kodifizierte römische Recht zugleich ein Muster für die juristische Methode zu gewinnen, was die die Entwicklung des deutschen Volkes wesentlich bereicherte.(Muther,Th. s.o.).

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Details

Title
Medizin und Recht, eine medizin-rechtshistorische Abhandlung
Author
Year
2015
Pages
14
Catalog Number
V315400
ISBN (eBook)
9783668158207
ISBN (Book)
9783668158214
File size
390 KB
Language
German
Notes
nicht benotet, Studienauftrag
Keywords
medizin, recht, abhandlung
Quote paper
Dr.med. Lore Bürgstein (Author), 2015, Medizin und Recht, eine medizin-rechtshistorische Abhandlung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315400

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