Mikrofinanz. Eine ethische und nachhaltige Anlage oder Rendite auf Kosten der Ärmsten?


Thèse de Bachelor, 2015

75 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Ziel und Aufbau der Arbeit

2. Ethisches und nachhaltiges Investment
2.1. Einordung von ethischen und nachhaltigen Investments
2.1.1. Definition des ethischen Investments
2.1.2. Definition eines nachhaltiges Investments
2.2. Ziele und Aufgaben des ethischen und nachhaltigen Investments

3. Grundlagen Mikrofinanz
3.1. Geschichte und Definition von Mikrofinanz
3.1.1 Definition von Mikrofinanz
3.1.2. Die Historie von Mikrofinanz
3.2. Akteure auf dem Mikrofinanzsektor
3.2.1. Abnehmer der Mikrokredite
3.2.2. Investoren
3.2.3. Mikrofinanzinstitutionen
3.3. Aufbau und Funktionsweise von Mikrokrediten
3.4. Problematik der Mikrokredite
3.5. Vorteile der Mikrokredite

4. Möglichkeiten des Investment
4.1. Renditeorientierte Fonds
4.1.1. Dual Return Fund -Vision Microfinance
4.1.2. responsAbility Global Microfinance Fund
4.1.3. Invest in Vision
4.2. Fonds mit dualem Anlageziel
4.2.1. Triodos Fair Share Fund
4.3. Entwicklungsfonds
4.3.1. Oikocredit
4.3.2. Calvert Foundation
4.4. Direktes Investment in MFI
4.5. Beurteilung des Rendite – Risiko Profils
4.5.1. Analyse des Risikoprofils
4.5.2. Beurteilung der Rendite
4.6 Analyse des Investments nach ethischen und nachhaltigen Gesichtspunkten

5. Fazit
5.1. Zusammenfassung
5.2. Ausblick

6. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Definition Nachhaltigkeit

Abbildung 2. Magisches Viereck der Geldanlage

Abbildung 3. Armutsverteilung auf der Welt

Abbildung 4. Definition Armutsgrenze

Abbildung 5. Wachstum des Anlagevolumens in Mikrofinanz

Abbildung 6. Dienstleistungen der Mikrofinanzinstitutionen

Abbildung 7. Kategorisierung der Mikrofinanzinstitutionen

Abbildung 8.Durchschnittliche Mikrokreditsummen pro Region

Abbildung 9. Zahlungsströme im Mikrofinanzbereich

Abbildung 10. Anlagestrategien von Mikrofinanzinvestitionsvehikel

Abbildung 11. Regionale Diversifikation vom DRF - Vision Microfinance

Abbildung 12. Rendite des DRF

Abbildung 13. Regionale Diversifikation vom responsAbility Mikrofinanz Fund

Abbildung 14. Rendite vom responsAbility Mikrofinanz Fund

Abbildung 15. Regionale Diversifikation vom Invest in Vision

Abbildung 16. Rendite vom Invest in Vision

Abbildung 17. Regionale Diversifikation Triodos Fair Share Fun

Abbildung 18. Rendite Triodos Fair Share Fund

Abbildung 19. Regionale Diversifikation Oikocredit

Abbildung 20. Regionale Diversifikation Calvert Foundation

Abbildung 21. Rendite von der Bank Rakyat Indonesia

Abbildung 22. Länderrisiko in der Mikrofinanzbranche

Abbildung 23. Forderungsausfallrisiko bei DRF – Vision Microfinance

Abbildung 24. Performancevergleich von SMX Index mit traditionellen Anlageklassen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1. Kennzahlen responsAbility Global Microfinancefund

Tabelle 2. Kennzahlen Invest in Vision

Tabelle 3. Kennzahlen Triodos Fair Share Fund

Tabelle 4. Kennzahlen Oikocredit

Tabelle 5. Kennzahlen Calvert Foundation

Tabelle 6. Kennzahlen Bank Rakyat Indonesia

Tabelle 7. Währungsrisiken bei Mikrokrediten

Tabelle 8. Szenariomodell der Mikroinvestmentvehikel

Tabelle 9. Renditevergleich mit Berücksichtigung der Anschaffungskosten

Tabelle 10. Renditen von traditionellen Anlageklassen

Tabelle 11. Korrelationsfaktoren des SMX Index

Tabelle 12. Kennzahlen Tansania und der Elfenbeinküste

Tabelle 13. Kennzahlen Peru und Guatemala

Tabelle 14. Kennzahlen Philippinen und Kambodscha

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Problemstellung

Seit der Finanzkrise 2009 haben sich die Zinssätze in der ganzen Welt kontinuierlich nach unten bewegt1. Somit fällt es vielen Sparern schwer, zu entscheiden, welche Anlagen für sie geeignet sind, da klassische Anlagen wie das Sparbuch oder der Bundesschatzbrief dem Anleger keine oder nur eine vergleichsweise geringe Rendite versprechen. Durch diese Entwicklung sind Alternativanlagen nicht nur für Großinvestoren, sondern auch für private Investoren, sogenannte Retailkunden in den Fokus gerückt.2 Aber nicht nur die Suche nach der großen Rendite ihrer Spareinlage treibt die Retailkunden an; in den letzten Jahren ist vermehrt zu beobachten, dass sich in der Gesellschaft immer mehr der Gedanke der sozialen Verantwortung für Umwelt und Mitmenschen verankert, was heutzutage auch unter dem Begriff „Social Responsibility“ Ausdruck verliehen wird und dieser auch beim Thema Geldanlage Einfluss nimmt.3

Mikrofinanz bietet Kunden die Möglichkeit, diese zwei Punkte in einem Produkt zu vereinen. Dabei ist die Grundidee von Mohammed Yunus, dem Geschäftsführer der Garmee-Bank, welche sich auf die Vergabe von Mikrokrediten spezialisiert hat, recht simpel: durch Vergabe von Kleinstkrediten soll auch dem finanzierungsschwächsten Teil der Bevölkerung eine wirtschaftliche Zukunft ermöglicht werden. Durch die Rückzahlung der Kredite inklusive eingenommener Zinsen bekommt der Anleger neben seinem eingesetzten Kapital auch eine Verzinsung zurück und erhält dadurch eine höhere Rendite als auf dem gesetzlichen Sparbuch. Zum anderen verhilft er den Mittellosen der Welt zu einem Kredit für einen unternehmerischen oder konsumierenden Zweck, womit dieser sich eine bessere Zukunft und eine sichere Einnahmequelle aufbauen kann. Im Jahre 2006 fand das Nobelpreiskomitee die Idee so revolutionär, dass es Mohammed Yunus für seine Arbeit im Mikrofinanzsektor den Friedensnobelpreis überreichte.4 Durch diese Auszeichnung geriet die Mikrofinanzanlage noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit, was dann auch dazu führte, dass gewisse Missstände offen gelegt wurden. Wucherzinsen, Überschuldung bis hin zum Selbstmord von Kreditnehmern waren die Schlagzeilen in den Medien5. Deshalb stellt sich die Frage: ist die Anlage in einen Mikrofinanzfond wirklich eine ethische und nachhaltige Anlage oder nur Rendite auf Kosten der Mittellosen der Welt? Oder liegt die Wahrheit dazwischen und die Anleger müssen für sich nur die richtige Mikrofinanzanlage finden und sich nicht von Flyern mit glücklichen Menschen und zweistelligen Renditeversprechungen täuschen lassen.

1.2. Ziel und Aufbau der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist es, die Frage zu beantworten, ob und in wieweit Mikrofinanzanlagen ethische und nachhaltige Geldanlagen sind. Im ersten Teil wird dargelegt, wie die Fachwelt zurzeit die nachhaltige und ethische Anlage definiert und was durch diese Anlagen bezweckt werden soll. Im darauffolgenden Abschnitt werden die wichtigsten Begriffe, die Geschichte und die Funktionsweise von Mikrofinanzkrediten erläutert und dargestellt. Dabei wird auf die wesentlichen Akteure und unterschiedlichen Produkte näher eingegangen. Daraufhin werden die Vorzüge von Mikrokrediten aber auch die Problematiken, die dabei entstehen können, aufgezeigt, um eine abschließende Bewertung der Mikrokredite zu ermöglichen.

Im nächsten Kapitel werden verschiedene Anlagemöglichkeiten für Retailkunden aufgezeigt; kommerzielle und soziale Anlagemöglichkeiten werden dabei detailliert vorgestellt und ihre Funktionsweise aufgezeigt. Die Renditen der Investments werden untereinander und mit Alternativanlagen auf ihre Tauglichkeit und Effektivität als Geldanlageinstrument verglichen und bewertet. Da es sich um ethische und nachhaltige Investments handelt, werden sodann die Auswirkungen von Mikrofinanz auf die Wirtschaft der betroffenen Länder mit Referenzländern verglichen.

Abschließend wird ein Ausblick für die Mikrofinanzinvestments beschrieben und ein Resümee gezogen, ob eine Anlage im Mikrofinanzsektor eine positive Auswirkung auf das Anlageportfolio eines Retailkunden hat oder doch Rendite auf Kosten der Ärmsten ist.

2. Ethisches und nachhaltiges Investment

2.1. Einordung von ethischen und nachhaltigen Investments

Normalerweise werden traditionelle Anlageentscheidungen auf Basis von drei finanziellen Kernkriterien getroffen; der Liquidität, der Rendite und der Sicherheit der Geldanlage. Gemäß dem Bundesverband für Alternative Investment e.V. (BAI) sind traditionelle Anlageformen jene Investmentprodukte, welche bei normalen Vermögensanlage und- verwaltungen zur Auswahl stehen: Dazu zählen Anlagen am Geld- und Anleihenmarkt, in hoch liquide Aktien (sogenannte Blue Chips) und Investmentfonds. Somit sind ethische und nachhaltige Investments ein Sammelbecken von verschiedenen Anlageformen, welche durch Negativkriterien oder Zusatzkriterien sich von traditionellen Investmentprodukten abgrenzen.6

2.1.1. Definition des ethischen Investments

Der Begriff „ethisches Investment“ ist in der Praxis durch zwei Teilfelder geprägt: die soziale Verantwortung und die nachhaltige Wirkung der Anlage.7 Häufig werden auch im Kontext mit Ethik die Wörter „Gut und Böse“ oder „Recht und Unrecht“ verwendet. Daher ist bei Investoren, die bei ihrer Geldanlage auf die soziale Verantwortung Wert legen, besonders wichtig, dass das Augenmerk für die überlassenen Mittel auf kulturellen, sittlichen und religiösen Gesichtspunkten liegt. Fonds aus dem christlichen Raum vermeiden dabei das Investment in Firmen, die Pornografie, Waffen, Tabak oder Alkohol vertreiben, da sie diese als Lasterhaft ansehen.8 Im muslimischen Finanzsektor liegt der Schwerpunkt hingegen auf dem Zinsverbot. Hierdurch zeigt sich, dass Ethik nicht durch einen festen Normenkatalog definiert ist, sondern sich ethische Grundsätze durch alle Akteure einer Gesellschaft entwickeln.9 Wenn nun Investoren ihre Präferenzen auf die nachhaltige Ausrichtung legen, muss das Augenmerk auf dem Handeln des Unternehmens im Bezug auf die Arbeitsbedienungen, die Mitentscheidung der Arbeitnehmer und das Einhalten der Arbeitsnormen nach der internationalen Arbeitsorganisation liegen.10 Diese Investitionspräferenzen werden oft mit dem englischen Ausdruck „Socially Responsible Investment“ zusammengefasst und sollen abgesehen von der Erzielung eines marktgerechten Kapitalertrages auch noch die angesprochene Nachhaltigkeit einschließen.11

Historisch betrachtet wurden ethische Geldanlagen als Nischenprodukte angesehen. Das Volumen, das im Jahr 2000 investiert war, lag bei 300 Millionen Euro und verteilte sich auf 12 Produkte. Durch die Finanzkrise 2009 wurden aber die Anleger sensibilisiert und hinterfragen nun, in welchen Branchen der Weltwirtschaft ihr Geld angelegt ist. Als Folge waren es Ende 2012 380 ethische Fonds, die in Deutschland zugelassen waren. Dies spiegelt den rasanten Anstieg des Stellenwertes von ethischen Geldanlagen wider.12

2.1.2. Definition eines nachhaltiges Investments

Kaum ein Begriff ist in den letzten Jahren in der Investmentbranche so in aller Munde gewesen, wie die Nachhaltigkeit. Dabei gibt es mehrere Definitionsvarianten: Der Ursprung der Nachhaltigkeit findet sich im 17. Jahrhundert in der Forstwirtschaft.13 Um den Holzertrag der Wälder stetig gleich zu erhalten, durfte nur so viel Holz entnommen werden, wie tatsächlich nachwächst. Damit entstand die erste Definition für Nachhaltigkeit. Aber erst viel später - im Jahre 1997 - etablierte sich der Begriff der Nachhaltigkeit durch das Drei-Säulen-Modell14, in dem die Nachhaltigkeitsarbeit in die Teilbereiche Wirtschaft, Natur und Gesellschaft aufgeteilt wird. Heutzutage zählt zur Nachhaltigkeit nicht nur das Thema Zukunftsfähigkeit bzw. die Nutzung von Ressourcen, sodass weitere Generationen auch noch davon profitieren; auch das Thema der gerechten Verteilung ist ein wichtiger Gesichtspunkt geworden.15 Damit ist gemeint, dass die Teilfelder Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft miteinander korrelieren, auch wenn eine Erfüllung aller drei Teilbereiche zugleich nur schwer realisierbar ist. Ein Beispiel hierfür wäre die Gesamtentlastung der Umwelt, angenommen dass Fossile Brennstoffe nicht mehr zum Betrieb von Fahrzeugen genutzt werden dürfen. Eine Folge für die Wirtschaft wäre eine höhere Kostenstruktur bei der PKW-Produktion durch Nutzung von erneuerbaren Antrieben. Dies hätte wiederum die Auswirkungen auf die Gesellschaft, dass die Autos teurer würden und somit weniger Kapital der Gesellschaft zur Verfügung stehen würde. Die nachfolgende Abbildung soll schematisch aufzeigen das die Perfekte Nachhaltigkeit nur durch große Kompromisse in allen Teilbereichen zu erreichen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Quelle: Eigene Darstellung nach Armbruster, C.(2000), S. 148

Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, sollte daher ein nachhaltiges Investment mindestens zwei Teilbereiche stärken, um von den Investoren gegenüber klassischen Anlageprodukten favorisiert zu werden.16

2.2. Ziele und Aufgaben des ethischen und nachhaltigen Investments

Für Anlagemöglichkeiten, die die ethischen und nachhaltigen Anforderungen erfüllen, gibt es stets einen Zielkonflikt zwischen der maximalen Renditeerwartung und der Einhaltung der nachhaltigen und ethischen Ziele. Daher gibt es verschiedene Ansätze der Auswahlprozesse. Ein Ansatz ist die Förderung oder Ausgrenzung von einem speziellen Gesichtspunkt des Investments. Dabei werden Kriterienkataloge aufgestellt, welche das Investment haben muss. Für diese Investoren ist die Rendite zweitrangig, da ihr Geld helfen soll, umweltfreundliche Technologien zu fördern oder soziale Projekte zu unterstützen und dadurch die ökonomische Wohlfahrt der Gesellschaft zu verbessern, beispielsweise die Ausgrenzung vom Unternehmen, welche Fossile Brennstoffe abbauen. Dagegen liegt bei Investoren, die das Vermeiden von bestimmten Kriterien ihrer Anlagen bevorzugen, das Augenmerk in erster Linie auf der Rendite.17 Das eingegangene Investment sollte eine ähnliche Rendite erwirtschaften, wie traditionelle Anlageprodukte und die festgelegten Negativaspekte vermeiden.18 Wie in den Definitionen auch schon hervorgeht, ist es nicht einfach, alle Aspekte und Ziele für ein ethisches und nachhaltiges Investment in einer Anlage zu vereinen. Daher sollten Anleger einen genauen Kriterienkatalog ausarbeiten, aus dem die individuellen Prioritäten ihrer Geldanlage hervorgehen. Da es bei Anlageentscheidungen immer um die persönlichen Präferenzen geht und der Anlagezweck im Mittelpunkt steht, lässt sich das magische Dreieck der Geldanlage, welches den Zielkonflikt zwischen Rendite, Sicherheit und Liquidität von traditionellen Anlagen beschreibt, um die Punkte Ethik und Nachhaltigkeit erweitern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2. Eigene Darstellung nach Kundenbegleitblatt der KSK BB (2015)

Somit entsteht durch die Hinzunahme des Gesichtspunkt Ethik und Nachhaltigkeit, weiterer Zielkonflikte zu den bisher bestehenden Anlageinteressen, welches das oben skizzierte magische Viereck beschreibt.

3. Grundlagen Mikrofinanz

Der Begriff Mikrofinanz soll im Folgenden zunächst erläutert und anschließend im Kontext seiner Historie durchleuchtet werden. Daraufhin erfolgt die Einordnung jener Akteure, die am Mikrofinanzsystem teilnehmen sowie die Betrachtung ihrer Chancen und Risiken durch Verwendung der Anlageform.

3.1. Geschichte und Definition von Mikrofinanz

3.1.1 Definition von Mikrofinanz

Mikrofinanz setzt sich aus den Wörtern Mikro, welches vom griechischen Wort mikrós abstammt und für klein steht und dem Wort Finanz, welches fürs Geldwesen steht. Zusammen ist Mikrofinanz ein Sammelbegriff für Finanzdienstleistungen und Finanz-produkte, die für mittellose Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern nutzbar sind, da diese Bevölkerungsgruppen meist keinen Zugang zu den traditionellen Finanzdienstleitungen haben.19 Gründe hierfür sind, dass diese Bevölkerungsgruppen sich meist nicht ausweisen können oder keinen festen Wohnsitz besitzen. Zudem besteht oft eine räumliche Distanz zu den inländischen Finanzinstitutionen.20 Somit bleibt dieser Bevölkerungsgruppe oft nur der Ausweg über nicht überwachte und kontrollierte Quellen an Finanz-dienstleistungen zu kommen, was als informeller Sektor bezeichnet wird. Laut Definition der Weltbank gehören alle Personen zu der extrem armen Bevölkerungsgruppe, die weniger als 1,25 US Dollar pro Tag zum Leben haben. Dies sind im Jahre 2015 1,2 Milliarden Menschen weltweit.21 Extreme Armut findet sich in nahezu allen Entwicklungsländern der Welt. Dabei variiert die Verteilung der Armut je nach geographischer Lage des Landes. In den afrikanischen Ländern kann die Bevölkerungsgruppe, die davon betroffen ist, die 40%-Marke übertreffen22. Daher besteht die Aufgabe von Mikrofinanz darin, diese Menschen mit Finanzdienstleistungen zu versorgen und ihnen die Chance zu geben, auf verschiedene Wege der Armut zu entkommen23. Dazu vergeben so genannte Mikrofinanzinstitutionen Kleinstkredite, in der Regel in Höhe von 100 bis 2000 US Dollar24 an die betroffene Einzelpersonen oder Bevölkerungsschichten. Damit können sie sich Produktionsgüter erwerben und einen Mehrertrag aus ihrer Arbeit erhalten, um somit diesen Kredit plus Zinsen zurückzuführen. Zusätzlich zu Mikrokrediten umfasst der Begriff Mikrofinanz auch die Möglichkeit Mikrokredite mit Spareinlagen und Versicherungen zu kombinieren, welche den betroffenen Menschen zusätzliche Sicherheit durch angesparte Liquidität und Versicherungsschutz gegen Ansprüche von anderen verhilft.25

3.1.2. Die Historie von Mikrofinanz

Die Geschichte, dass man Geld gegen Zinsen vergibt, lässt sich bis ins antike Griechenland zurückverfolgen. Ursprünglich war es so, dass es verachtet wurde, für reine Geldleihe Zinsen zu verlangen, da es die Notlage des Schuldners ausnutzte. Trotz der langen Historie von Kreditgeschäften kam dieser Sektor erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu voller Blüte. In dieser Zeit vergaben große Handelsgesellschaften und kapitalistische Manufakturen Kredite an ihre Arbeiter.26 Die Anfänge von Mikrofinanz dagegen gehen auf das 15. Jahrhundert zurück, wobei die Idee, sich Geld zu leihen, von den Armen selbst entstand. Diese schlossen sich in Vereinigungen zusammen, um Finanzierungsgeschäfte abzuschließen.27 Dieses Prinzip des Zusammenschlusses wurde auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts durch Friedrich Raiffeisen übernommen. Er gründete die erste Genossenschaftsbank und gilt auch als einer der Vorreiter für Mikrofinanz, da er uneigennützige Kredite an Landwirte vergab.28

Nach der Industrialisierung in den europäischen Ländern um 1950 begann die Entwicklungspolitik für benachteiligte Menschen durch einzelne staatliche und internationale Entwicklungszusammenarbeit. Industriestaaten gaben subventionierte Kredite an die jeweiligen Nationalbanken, um Kredite an Kleinbauern zu vergeben, um dadurch die Infrastruktur zu verbessern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Durch diese Maßnahmen sollte die Armut bekämpft werden, was in der Theorie auch funktionieren würde; doch viele Projekte brachten nicht den gewünschten Erfolg,29 da das Geld unter anderem auf Grund von Korruption, Fehlplanung und Misswirtschaft nicht bei seinem vorgesehenen Personenkreis ankam. Diese Fehler sorgten sogar dafür, dass die großen Landbesitzer ihr Vermögen vermehrten und somit die Schere zwischen der armen und reichen Bevölkerung noch weiter aufging.30

Muhammed Yunus erkannte im Jahre 1974 als einer der Ersten, dass die Gelder nicht bei den Bevölkerungsgruppen ankamen und fand heraus, dass diese sich meist Kredite bei Kreditgebern im informellen Sektor leihen mussten. Diese verlangten nicht nur Wucherzinsen, sondern auch oft die Erträge aus der Arbeit ihrer Schuldner. Somit entstand eine Abhängigkeit für diese Menschen. Um diese Abhängigkeit zu durchbrechen, forschte Yunus nach, wie hoch die Schulden der Kleinbauern waren. Er kam zu dem Ergebnis, dass es im Durchschnitt umgerechnet 27 US Dollar waren, was einem halben durchschnittlichen Monatsgehalt in Bangladesch entspricht.31 Diesen Betrag lieh Yunus den verschuldeten Personen aus seinem Privatvermögen und befreite die armen Menschen aus der Abhängigkeit von den Geldgebern.32 1983 wurde die „Grameen–Bank“ unter dem Vorsitz von Yunus gegründet. Diese spezialisierte sich darauf, Mikrokredite an die armen Bevölkerungsgruppen zu vergeben. Die Rückzahlungsquoten von 97% lagen deutlich über den üblichen Rückzahlungsquoten des damaligen Kreditgeschäfts, weshalb viele Investoren für diese Geschäftsidee gefunden werden konnten. Die deutsche Regierung förderte die Grameen-Bank von 1987 bis 1997 mit insgesamt 37,2 Millionen Euro, damit sich die Grameen-Bank für die Mikrokredite refinanzieren konnte.33 Dabei ist die Grameen–Bank in Bangladesch nur ein Beispiel. In Indonesien entstand nach diesem Beispiel die Bank Rakyat Indonesien (BRI), welche auch von der KFW-Bankengruppe im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit unterstützt wird.

Durch die Deregulierung der Zinsfestlegung Ende der neunziger Jahre, wurden Subventionen der Mikrofinanzinstitute immer unnötiger, da diese nun kostendeckend arbeiten konnten und dabei ihren nachhaltigen Auftrag nicht aus den Augen verloren.34 Die Vereinten Nationen riefen im Jahr 2005 das Jahr der Kleinstkredite aus.35 Ein Jahr später erhielt Muhammed Yunus und seine Grameen–Bank den Friedensnobelpreis für den Kampf gegen die Armut.36 Das Anlagevolumen in Mikrofinanzinvestments stieg ab diesem Zeitpunkt um das Zehnfache auf ganze 25 Milliarden US Dollar; nicht zuletzt, da diese Investments weiter in den Fokus der Öffentlichkeit traten.37

3.2. Akteure auf dem Mikrofinanzsektor

Im folgenden Abschnitt wird auf die Akteure im Mikrofinanzsektor eingegangen und dargestellt, zu welcher Bevölkerungsgruppe die einzelnen Akteure gehören.

Im bisherigen Verlauf der Arbeit wurde von den ärmsten und armen Bevölkerungs-gruppen gesprochen. Nun soll definiert werden, welche Personen dazu gezählt werden, in welcher Situation diese sich befinden und was sie sich von Mikrokrediten versprechen bzw. welche Wirkung diese auf sie haben. In dem darauffolgenden Kapitel wird auf die andere Seite des Mikrofinanzsektors eingegangen und die Investorenseite beleuchtet, Welche Versprechungen diese sich von der Kapitalüberlassung machen und wie sich diese im Laufe der Jahre entwickelt hat. Als letztes werden die Mikrofinanzinstitutionen (MFI) als Akteure im Mikrofinanzbereich beschrieben und deren Geschäftspraktiken dargestellt.

3.2.1. Abnehmer der Mikrokredite

Etwa 5,4 Milliarden Menschen leben in Ländern, deren Einkommensverhältnisse niedrig oder mittelstark sind. Von extrem niedrigen Einkommensverhältnissen spricht man, wenn eine Person weniger als 1,25 US Dollar pro Tag zum Leben zur Verfügung hat. Ab 2 US Dollar pro Tag spricht die Weltbank von niedrigen Einkommensverhältnissen. Von diesen 5,4 Milliarden Menschen, die in Armut leben, haben 65% keinen Zugang zu Finanzdienstleitungen, wie zum Beispiel kommerzielle Kredite oder Sparformen.38

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3. Quelle: www.Worldbank.org (2015)

„Es sind meist Kleinbauern, Fischer, weibliche Haushaltsvorstände und Kleinunternehmer, denen genau diese Dienstleistungen fehlen“ postuliert Naoko Felder-Kuzu.39 Diese Leute sind darauf angewiesen, sich selbst Arbeit zu beschaffen, da sie keine geregelten Arbeitsplätze finden und somit oft eigenständig in der Landwirtschaft oder im Handel tätig sind. Durch diese Tätigkeiten schaffen sie es jeden Tag zu überleben, haben aber nicht die Möglichkeit, diesem Kreislauf der Armut zu entkommen. Meist fehlt nur das Startkapital (ca. 50 bis 200 US Dollar) um Werkzeuge oder Materialen für den Handel zu erwerben.40 Nachfolgendes Schaubild zeigt die Zielgruppe der MFI. Die durch den roten Kasten gekennzeichneten Schichten, welche sowohl über und unter der Armutsgrenze liegen sind das primäre Ziel der MFI.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4. Quelle Lohmann, N. (2009) S. 272, Zielgruppe von Mikrofinanz

Die Zielgruppe, die Mikrokredite in Anspruch nimmt, sind wie dargestellt nicht nur die Extrem der Armen, auch Personen, die über der Armutsgrenze leben, aber so verletzlich sind, dass sie leicht wieder darunter fallen könnten, gehören der Zielgruppe an. Diese Bevölkerungsgruppe hat laut Definition weniger als 50% des Durchschnittseinkommens des Landes.41 „Verwundbare nicht Arme“, wie diese Gruppe auch genannt wird, arbeiten fast ausschließlich im informellen Sektor, da das Anmelden von einem Gewerbe erstens Geld kosten würde, was diese Personen nicht haben, und zweitens oft die formellen Unterlagen fehlen (Geburtsurkunde, Ausweise oder ähnliche Dokumente).42 Es ist auch zu beobachten, dass die Ärmsten der Bevölkerung Defizite bei der schulischen Bildung haben und die medizinische Versorgung mangelhaft ist, was eine intensivere Betreuung dieser Gruppe unabdingbar macht. Durch die Vergabe von Mikrokrediten im informellen Sektor an die Armen, verbessert sich deren Geschäftsgrundlage und dadurch deren Einkommen, was zur Folge hat, dass es zu einer Reduzierung der Verletzbarkeit der Personen kommt. Oft ist das ein zusätzlicher Treiber, noch geschäftstüchtiger zu werden, um das entgegen gebrachte Vertrauen der Mikrofinanzinstitutionen zu bestätigen. Dadurch erhalten die Kreditnehmer mehr Selbstvertrauen und Selbstachtung. Dies wirkt sich natürlich auch positiv auf die Lebensqualität der Betroffenen aus.43

3.2.2. Investoren

In Mikrofinanz investieren drei Gruppen von Investoren: Staatliche Institutionen, institutionelle und private Anleger. Dabei lesen sich die Geschichten, die hinter den Anlagen stehen unterschiedlich. Gleichzeitig unterscheiden sich die Motivationen, die hinter den Anlegern stehen, massiv.

Entwicklungshilfe ist seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein fester Bestandteil des deutschen Staates. Dafür wurde die KFW–Bank gegründet, welche heute die Gelder für die Entwicklungshilfe des deutschen Staates investiert.44 Die Investition in Mikrokredite startete die KFW–Bank in den achtziger Jahren. Das erste unterstützte Projekt war die Grameen-Bank von Muhammed Yunus, welche die Bundesregierung in zehn Jahren mit annähernd 40 Millionen Euro unterstützte. Im Laufe der Jahre ist nun der deutsche Staat der weltweit größte öffentliche Investor im Bereich von Mikrofinanz.45 Der Vorteil für die Geldgeber ist simpel und effektiv: Die ausgezahlten Kredite werden in bestimmten Zeitabständen zurückgezahlt, was dem Geldgeber einen Rückfluss verspricht und das Risiko sowie die Belastung durch die Zinszahlung reduziert.46 Im Gegenzug ist die Mikrofinanzindustrie von den Entwicklungshilfen der Regierungen abhängig, da diese sich dadurch refinanzieren. Die Entwicklungshilfen aller internationalen Finanzinstitutionen werden von der Deutschen Bank im Jahr 2006 auf ein Gesamtvolumen von 2,4 Milliarden US Dollar pro Jahr taxiert.47 Durch den positiven Effekt, welcher sich durch die regelmäßigen Rückflüsse der Kredite ergibt, stiegen die staatlichen Investitionen in den Mikrofinanzsektor im Jahr 2015 auf 5 Milliarden US Dollar pro Jahr.48

Institutionelle Investoren sind die zweite Anlegergruppe. Zu dieser gehören Stiftungen, Pensionskassen und Nichtregierungsorganisationen (NGO). Deren Ziele, eine marktübliche Rendite mit sozialem Mehrwert zu erreichen, sind im Großen und Ganzen deckungsgleich mit den privaten Investoren, der dritten Investorengruppe. Wobei der Unterschied zwischen diesen Anlegergruppen das investierte Volumen sowie die Anlagedauer ist. Mikrofinanz hat sich auf Grund des immensen Bedeutungswachstumes von Anlagen im Kontext sozialer Verantwortung zu einem Nischen-Anlageprodukt entwickelt. Ein weiterer Grund für institutionelle Investoren und auch für private Anleger ist die Portfoliodiversifikation. Dieses duale Renditeprofil ermöglicht den Investoren ein attraktives Rendite-Risiko-Profil mit konstanten Erträgen und geringeren Korrelationen zu anderen gängigen Anlageklassen am Kapitalmarkt.49 Seit dem Jahr 2006 hat sich durch die oben genannten Gründe das Anlagevolumen in wenigen Jahren vervielfacht.50 Allein zwischen den Jahren 2011 bis 2013 haben wir bei Mikrofinanz-Investitionen einen durchschnittlichen Kapitalzufluss von 7 % per anno.51

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5. Eigene Darstellung Anlagevolumen Mikrofinanzinvestment52

Abbildung 5 zeigt deutlich, dass Mikrofinanz Anlagen eindeutig mehr von staatlichen Investitionen genutzt wird, aber auch die Nachfrage von Retailkunden und institutionellen Anlegern stetig wächst.

3.2.3. Mikrofinanzinstitutionen

Mikrokredite werden normalerweise nicht von den normalen Geschäftsbanken in den Entwicklungsländern vergeben, da diese Produkte für sie nicht rentabel genug sind. Daher haben sich spezialisierte Finanzdienstleister gebildet, sogenannte Mikrofinanz-institutionen (MFI).53 MFI gibt es schätzungsweise über 10.000 Stück, die in einer Vielzahl von verschiedenen Rechts- und Organisationsformen, Dienstleistungen für arme Personengruppen oder Einzelpersonen auftreten.54 Viele MFI haben ihr Wurzeln als NGO; die Vergabe der Mikrokredite wurde anfangs durch private Spenden oder durch Fördermittel refinanziert. Im Laufe der Zeit entwickelte sich auch die Produktpalette der MFI weiter und es wurden immer weitere Zielgruppen erschlossen. Abbildung 6 skizziert die Dienstleistungspalette der MFI.

Neben finanziellen Dienstleistungen wie Mikro-krediten, Versicherungen und Sparverträgen ist es MFI auch wichtig, Beratungen zum Thema Geld anzubieten. Durch Informationsabende und angebotene Weiterbildungen wollen sie eine stärkere Kundenbindung aufbauen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6. Quelle: Lohmann, N. (2006), S. 170

Durch den extrem stark wachsenden Markt und den dadurch resultierenden Anstieg von MFI und Kunden ist eine Regulation der MFI unabdingbar, da sonst das Risiko eines Zusammenbrechens des Marktes zunehmend wächst und die Kunden nicht die fachlige Beratung erhalten, die notwendig wäre.55 Deshalb müssen Normen und Regeln von staatlicher Seite auferlegt werden, um die Ärmsten, trotz der Gewinnerzielungsabsicht der MFI, nicht noch stärker zu belasten.56 Da der große Teil der Mikrokredite im informellen Sektor abläuft, fällt es den jeweiligen Ländern sichtlich schwer, solche Normen und Regularien durchzusetzen. Somit passiert es immer wieder, dass in der Presse der Eindruck vermittelt wird, MFI seien meist korrupt und inkompetent.57 Gegen diese Argumente spricht, dass sich viele MFI schon zu formalisierten oder beaufsichtigten Finanzinstitutionen weiterentwickelt haben. Diese Entwicklung hat nicht nur für die MFI Vorteile, sondern auch für deren Mikrokreditkundschaft, da das Finanzierungsvolumen der Mikrokredite die Mittel aus subventionierten Refinanzierungsquellen und Spenden in den nächsten Jahren übersteigen wird. Erschließung neuer Refinanzierungsquellen ist daher für MFI unabdingbar. Somit müssen beispielsweise Bankdarlehen oder Kapital aus dem Ausland erschlossen werden. Dies ist aber nur möglich, wenn die MFI stärker formalisiert werden.58 Daher werden die MFI auch nach ihrem Entwicklungsstand kategorisiert. Die am weitesten formalisierten MFI, ca. 10% aller MFI, vereinen den Großteil des Kundenstamms und dadurch auch das größte Kreditvolumen auf sich. Diese MFI werden in die Kategorie Tier 1 und Tier 2 eingeordnet. Die große Mehrheit dagegen, ca. 90%, sind daher nicht weit genug reguliert und fallen daher in die Tier 3 und Tier 4 Kategorien.59

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7. Quelle : Lohmann, N. (2009), S. 224

Abbildung 7 skizziert, wie viele MFI immer noch im unkontrollierten und unregulierten Finanzbereich arbeiten. Somit fällt es der mittellosen Bevölkerung auch schwer zwischen seriösen und undurchsichtigen Angeboten der MFI zu unterscheiden.

3.3. Aufbau und Funktionsweise von Mikrokrediten

Mikrokredite sollen den Ärmsten in der Bevölkerung unabhängig ihrer geographischen Lage Zugang zu Kapital verschaffen. Daher ist der Aufbau und die Funktionsweise in den verschiedenen Ländern identisch. Mikrokredite werden, wie in der Bankenlandschaft von Industrienationen, in Verbraucherkredite und Geschäftskredite unterteilt. Verbraucher-kredite sind Darlehen für den privaten Konsum, z.B. für Medizin oder Schulmaterial. Die Geschäftskredite dienen der Investition in ein Mikrounternehmen und der Darlehens-betrag ist ausschließlich hierfür bestimmt.60 Im Laufe der Jahre hat sich eine Vielzahl von verschiedenen Optionen der Ausgestaltung der Mikrokredite gebildet, die sich in drei Hauptkategorien zusammenfassen lassen: individuelle, gruppenbasierte- und gemeinschaftsbasierende Kredite.61

Beim individuellen Kreditmodell geht eine einzelne Person, überwiegend sind es Frauen, da diese als sicherer Kreditnehmer gelten, eine Kreditverpflichtung ein und kann mit dem zur Verfügung gestellten Geld selbstständig wirtschaften. Die Haftung beschränkt sich nur auf den Kreditnehmer. Bei den gruppenbasierenden- und gemeinschaftsbasierenden Kreditmodellen hingegen haftet immer das Kollektiv als Ganzes, wobei es in der Gruppe keine Verwandtschaftsverhältnisse geben darf. Der Unterschied besteht darin, dass beim gemeinschaftsbasierenden Kreditmodell kollektive Aktivitäten finanziert werden, dagegen beim gruppenbasierenden auch individuelle Projekte finanziert werden können und die Rückzahlungsverpflichtung jedoch bei der Gruppe liegt.62 Bei den beiden anderen Kreditmodellen gilt als Sicherheit, dass die Menschen eine sehr große Solidarität untereinander haben und der Gemeinschaftssinn sehr ausgeprägt ist. Kein Mitglied der Gruppe will verantwortlich sein, dass die Gruppe keinen weiteren Kredit mehr bekommt. Somit werden das Vertrauen und die Verantwortung für die Gruppe einer dinglichen Einlage gleichgestellt. Ein anderer großer Vorteil für den Kreditgeber ist, dass die Informationsasymmetrie geringer wird, da die Gruppenmitglieder sich besser kennen und sich somit nur mit den bestmöglichen und zuverlässigsten Bekannten und Freunden zusammenschließen. Unzuverlässige Bekannte werden dadurch bei gruppenbasierenden Kreditmodellen gemieden.63

Die durchschnittliche Mikrokreditsumme lag im Jahr 2013 bei 1.578 US Dollar. Die Problematik der Aussagekraft einer Durchschnittzahl ist, dass sie nicht die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen herausstellt, welche in der nachfolgenden Tabelle aufgezeigt werden soll. Auf den Marktbereich Ost-Europa wurde in diesem Diagramm verzichtet, da dort die durchschnittliche Kreditsumme seit dem Jahr 2013 deutlich über dem definierten Maximalvolumen von Mikrokrediten (2.500 US Dollar/pro Kredit nach Mohammed Yunus) liegt. Im Jahr 2013 lag der durchschnittliche Mikrokredit in Ost-Europa bei 4.593 US Dollar. Durch die Verteilung der Kredithöhe lassen sich im ersten Moment keine Rückschlüsse auf die Armutsverteilung der einzelnen Regionen ziehen, sondern eher auf die Arbeitsweise der MFI.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8. Durchschnittliche Kreditsumme im Jahr 201364

[...]


1 Vgl. EZB Leitzins (2015)

2 Vgl. Deutsche Bank Research (2008), S. 1

3 Vgl. Horx, M. (2015) S.3

4 Vgl. Nobelpreiskomitee (2006)

5 Vgl. Klas, G. (2014), S.17

6 Vgl. BAI (2003), S. 15

7 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz (2010), S. 9

8 Vgl. Foltin, O. (2014), S. 61

9 Vgl. Kleinfeld, A. und Kettler, A. (2011) S. 460

10 Vgl. Foltin, O. (2014), S. 61

11 Vgl. Foltin, O. (2014), S. 77

12 Vgl. Teufl, A. (2015)

13 Vgl. Grober, U. (2013), S.1 f.

14 Vgl. Diefenbacher et al. (1997), S. 44

15 Vgl. Pinner, W. (2003); S. 21, 22

16 Vgl. Henning-Thurau, T. Hansen, U. und Bornemann, D. (2001), S. 198

17 Vgl. Foltin, O. (2014), S. 88

18 Vgl. Schneeweiß, A. (1998), S. 91 f.

19 Vgl. Deutsche Bank Research (2008), S. 4

20 Vgl. Lohmann, N. (2009), S.87

21 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (2015)

22 Vgl. Deutsche Bank Research (2008), S.5

23 Vgl. Grill, W. und Perczynski, H. (2005), S. 343

24 Vgl. Yunus, M. (2008) S. 76 ff.

25 Vgl. Lohmann, N. (2009), S. 89

26 Vgl. Klas, G. (2011), S. 17

27 Vgl. Lohmann, N. (2009), S. 88

28 Vgl. Klas, G. (2011), S. 19

29 Vgl. Felder – Kuzu, N. (2005), S. 28

30 Vgl. Felder – Kuzu, N. (2005), S. 28

31 Vgl. Länderdaten (2014)

32 Vgl. Yunus, M. (2008), S.53 ff

33 Vgl. Klas, G. (2011), S. 40

34 Vgl. Lohmann, N. (2009), S. 93

35 Vgl. Annan, K. (2004), Pressmitteilung UN RUNIC/33

36 Vgl. Nobelpreiskomitee (2006)

37 Vgl. Deutsche Bank Research (2008), S. 1

38 Vgl. Lohmann, N. (2009), S. 275

39 Felder – Kuzu, N. (2005), S. 21

40 Vgl. Felder – Kuzu, N. (2005), S. 23

41 Vgl. Lohmann, N. (2009), S.272

42 ebenda S. 275

43 Vgl. Felder – Kuzu, N. (2005), S. 27

44 Vgl. von Schwanenflügel, M. (1993), S. 43 ff.

45 Vgl. Klas, G. (2011), S. 40

46 Vgl. Klas, G. (2011), S. 41

47 Vgl. Deutsche Bank Research (2008), S. 10

48 ebenda, S. 10

49 ebenda, S. 3

50 Vgl. Abbildung 3

51 Vgl. CGAP Funding Surveys Jahr 2013 (2014)

52 Vgl. Daten von DB Research (2008) Jahr 2004 und 2006, S. 12 & CGAP Funding Surveys Jahr 2013 (2014)

53 Vgl. Felder – Kuzu, N. (2005), S. 25

54 Vgl. Deutsche Bank Research (2008), S. 7

55 Vgl. Lohmann, N. (2009), S.210

56 ebenda, S. 211

57 Vgl. Klas, G. (2014), S. 6

58 Vgl. Deutsche Bank Research (2008), S. 7

59 Vgl. Lohmann, N. (2009), S. 224

60 Vgl. Lohmann, N. (2009), S.111 f.

61 Vgl. Felder – Kuzu, N. (2005), S. 31

62 Vgl. Lohmann, N. (2009), S.131

63 ebenda, S. 131 f.

64 Eigene Berechnung mit Daten von www.mixmarket.org

Fin de l'extrait de 75 pages

Résumé des informations

Titre
Mikrofinanz. Eine ethische und nachhaltige Anlage oder Rendite auf Kosten der Ärmsten?
Université
University of Applied Sciences Essen
Note
1,3
Auteur
Année
2015
Pages
75
N° de catalogue
V316774
ISBN (ebook)
9783668177703
ISBN (Livre)
9783946458418
Taille d'un fichier
1400 KB
Langue
allemand
Mots clés
mikrofinanz, eine, anlage, rendite, kosten, ärmsten
Citation du texte
Steffen Scherer (Auteur), 2015, Mikrofinanz. Eine ethische und nachhaltige Anlage oder Rendite auf Kosten der Ärmsten?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316774

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