Der soziale Status des (Nutz-)Tieres. Die Rolle des Tieres aus ökologischer, soziologischer, ethischer und erziehungswissenschaftlicher Sicht


Masterarbeit, 2016

77 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Tiere als Nahrungsmittel
2.1 Fleischkonsum und Schlachtungen
2.2 Haltungsbedingungen
2.2.1 Geflügel
2.2.2 Schweine
2.2.3 Rinder
2.3 Auswirkungen der intensiven Nutztierhaltung
2.3.1 Welternährung
2.3.2 Ökobilanz
2.3.3 Biodiversität
2.3.4 Antibiotika und Hormone
2.3.5 Gesundheitliche Risiken

3. Historischer Überblick der Mensch-Tier-Beziehung
3.1 Prähistorie
3.2 Antike
3.3 Mittelalter und frühe Neuzeit
3.4 Neuzeit
3.5 Moderne
3.6 20. Jahrhundert
3.6.1 Speziesismus nach Peter Singer
3.6.2 Tom Regan

4. Zur sozialen Konstruktion des Tieres
4.1 Tiere als Teil eines funktionell-hierarchischen Ordnungssystems
4.2 Tierbilder und -konstrukte
4.3 Die Objektivierung und Entfremdung des Tieres
4.3.1 Zur Verfremdung der Tiere in der Werbung

5. Zur Notwendigkeit einer tierethischer Überlegungen in die Pädagogik
5.1 Kinder und Jugendliche im Spannungsfeld zwischen Tierliebe und Fleischkonsum
5.2 Habitualisierung des Geschmacks
5.3 Zum Ernährungsverhalten von Jugendlichen
5.4 Die Rolle der Schule als sekundäre Sozialisationsinstanz

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Tiere[1] sind allgegenwärtig und zahl- wie artenreich vielfach auf diesem Planeten vertreten. Sie erfüllen dabei die unterschiedlichsten Funktionen und begleiten uns unter anderem als Haustiere[2], unterhalten und amüsieren uns in Zoos oder im Zirkus. Weiterhin ernähren sie uns, sie kleiden und schmücken uns oder dienen uns als Untersuchungsobjekte in der Forschung[3]. Wir scheinen hierbei genauestens zwischen ihnen zu differenzieren; jedem Tier ist ein spezifischer Platz innerhalb einer Gesellschaft zugewiesen und sie werden allgemein in Haus-, Wild[4] - und Nutztiere[5] kategorisiert. Die zugewiesene Kategorie bestimmt gewissermaßen den Status wie auch Informationen über den Umgang mit ihnen und so führen wir sie Gassi, bestaunen oder verspeisen sie bzw. Teile ihres toten Körpers. Welcher Kategorie wir ein tierliches Individuum zuordnen, unterliegt insbesondere kulturellen Einflüssen. Während in Ländern wie China, Korea oder Vietnam beispielsweise Hundefleisch verzehrt wird, wäre es in westlich industrialisierten Nationen wie Deutschland oder den USA undenkbar „den besten Freund des Menschen“ überhaupt als Nahrungsmittel in Erwägung zu ziehen. Kulturspezifische Nahrungsgewohnheiten, wenn auch nicht weniger interessant, stehen bei vorliegender Ausarbeitung jedoch nicht im Vordergrund. Vielmehr wird der Versuch unternommen, die Notwendigkeit einer Berücksichtigung nutztierlicher Lebewesen in der schulischen Bildung herauszustellen, die im Folgenden mit einem kleinen Gedankenexperiment eingeleitet wird.

Die aktuelle Bevölkerungszahl der Erde beläuft sich auf ca. 7,32 Milliarden Menschen (vgl. Statista 2015). Eine genaue Angabe zu der Gesamtzahl der Tiere, mit denen wir uns die Erde teilen, scheint nur grob schätzbar und so gestaltet sich die Datenlage hierzu unübersichtlich. Nennenswert ist der Versuch des Mathematikers Werner Brefeld[6], die Zahl der Weltbevölkerung (menschlich und tierlich) in Biomasse[7] darzustellen. Seinen Berechnungen zufolge beträgt die Biomasse der Erde insgesamt 3500 Milliarden Tonnen, von denen sich 2500 Milliarden Tonnen auf dem Festland ansiedeln[8]. Menschliche Lebewesen[9] werden mit 0,4 Milliarden Tonnen, wild lebende Tiere mit 1 Milliarde Tonnen berücksichtigt, wobei anzumerken ist, dass Insekten mit 0,9 Milliarden Tonnen den Hauptteil hiervon ausmachen (ebd.). Zieht man die Angaben zu Nutztieren hinzu, beläuft sich die Biomasse dieser Kategorie bzw. Gruppe von Tieren ebenfalls auf ca. 1 Milliarde Tonnen[10] und entspricht somit der Masse sämtlicher anderer Wildtiere, Insekten mitinbegriffen. Die Biomasse, der als Nutztiere dienenden Lebewesen, macht, auf Grundlage obig angeführter Berechnungen folglich ca. das 2,5- fache der menschlichen Biomasse aus und lässt vage erahnen, welches Ausmaß die menschliche Vorherrschaft über das (Nutz-) Tier angenommen hat. Gewiss gleichen diese Ergebnisse mehr einer mathematischen Spielerei als empirischen Befunden, doch belegen unzählige Statistiken zur globalen Nutztierhaltung in der Agrarwirtschaft, dass die Zahl der Tiere in der Nutztierhaltung die Zahl der menschlichen Lebewesen um ein vielfaches übersteigt[11], so dass die Berechnungen durchaus beachtenswert sind.

Zweifelsfrei stellen Nutztiere die Mehrheit der Population des Planeten Erde[12], so dass sich unweigerlich die Frage aufdrängt, welchen Status sie hierbei innehaben bzw. welche Rolle ihnen zuteilwird und insbesondere, welche Behandlung ihnen durch den Menschen, dem vermeintlich rationalsten und moralischsten aller Lebewesen, widerfährt. Sämtlichen Illusionen zum Trotz wird bei erster Sichtung der Thematik schnell deutlich, dass Nutztierhaltung ein komplexes System der Unterdrückung und Ausbeutung darstellt, von dem eine Gruppe auf Kosten einer anderen Gruppe profitiert. Beispiellos umgesetzt zeigt sich dieses Unterdrückungssystem in der Lebensmittel- vor allem der Fleischindustrie, die im ersten Teil dieser Arbeit unter Berücksichtigung des internationalen Bedarfs nach Fleisch und Fleischerzeugnissen beleuchtet wird. Im Hintergrund globaler Zusammenhänge erfolgt in einem weiteren Schritt eine knappe Darstellung der relevantesten Auswirkungen intensiver Nutztierhaltung, die sich bei genauerer Betrachtung als enorme Umweltbelastung erweist und darüber hinaus global soziale Nahrungsmittelungleichheiten verstärkt. Negative Konsequenzen der Massenproduktion von Fleisch ergeben sich weiterhin hinsichtlich gesundheitlicher Risiken wie dem Beitrag zur Entstehung von sogenannten Zivilisations- bzw. Wohlstandskrankheiten in westlichen Industrienationen. Zudem legen unzählige Lebensmittelskandale, die in gewisser Regelmäßigkeit an die Öffentlichkeit gelangen[13], nahe, dass der scheinbar (un-) kontrollierte Einsatz von Pestiziden und Medikamenten in der Futter- und Fleischindustrie unlängst Ausmaße angenommen hat, die in dieser Form nicht weiter tragbar für den Konsumenten sind. Weiterhin als untragbar erweisen sich, unter Berücksichtigung der „Produzentenseite“, die gängigen Haltungsbedingungen, denen sich der überwiegende Teil der hier ausgenutzten Tiere ausgesetzt sieht. Von besonderem Interesse sind hierbei die Umstände der Haltung beliebter Nutztierarten der Massenproduktion in der Fleisch-, Eier- und Milchindustrie, die vorab knapp dargestellt werden.

Im Rahmen einer historischen Darstellung des Mensch-Tier-Verhältnisses, das ab dem Zeitpunkt der Antike bis zur industrialisierten Gegenwart untersucht wird, erfolgt in einem weiteren Schritt die Analyse des tierlichen Status unter Einbeziehung ethischer Ansätze des jeweils dargestellten zeitlichen Kontextes. Das Hauptziel des ersten Teils der vorliegenden Ausarbeitung ist letztlich, die Darlegung ethischer und tierrechtlicher Aspekte, die eine Notwendigkeit des Umdenkens im menschlichen Umgang mit seinen tierlichen Mitlebewesen implizieren. Zu analysieren gilt in diesem Zusammenhang ferner die Bedeutsamkeit bzw. Stellung der menschlichen Spezies innerhalb einer vermeintlich natürlichen Hierarchie der Lebewesen, um in einem weiteren Schritt den Status der nicht-menschlichen Lebewesen herausstellen zu können. Spezielles Interesse ruht hierbei in der Funktion dieser Hierarchie und insbesondere der Legitimation, die diesem ungleichen System und der kollektiven und konsensualen Versklavung tierlicher Subjekte im Rahmen der Lebensmittelindustrie und Agrarwirtschaft zugrunde liegt.

Da die industrielle Ausbeutung des Nutztieres in einem unmittelbaren Zusammenhang zu den individuellen Ernährungsgewohnheiten jedes Einzelnen steht und Fleischkonsum, insbesondere für Kinder, ohnehin ein emotional beladenes Thema zu sein scheint[14], richtet sich der zweite inhaltliche Schwerpunkt der Arbeit auf die Rolle der Schule hinsichtlich einer ökologisch, ethisch und gesundheitlich vertretbaren Ernährungssozialisation im Kontext schulischer Bildung. In diesem Hintergrund gilt es die Einstellung von Heranwachsenden gegenüber dem Ursprung von Fleisch und Fleischerzeugnissen zu betrachten und ferner darzustellen, welche Einflussfaktoren sich hinsichtlich des Ernährungsverhaltens von Kindern und Jugendlichen ergeben um in diesem Zuge ansatzweise die Möglichkeiten darzustellen, die sich in Bezug auf die Veränderung von Ernährungsgewohnheiten ergeben.

Zusammengefasst ist das Ziel der vorliegenden Arbeit die Analyse des vermeintlich naturgegeben Status nutztierlicher Lebewesen innerhalb westlich industrialisierter Gesellschaften sowie die Untersuchung seiner Legitimation unter Berücksichtigung kulturanthropologischer, ethischer und soziologischer Aspekte. In einem weiteren Schritt wird der Versuch unternommen, die Notwendigkeit einer ethischen Berücksichtigung nicht-menschlicher Lebewesen, insbesondere des Nutztieres, herauszustellen und ferner die Rolle von Schule, als sekundäre Sozialisationsinstanz, in diesem Kontext zu beleuchten.

2. Tiere als Nahrungsmittel

Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit einem Teilzweig der Lebensmittelindustrie, der Fleischproduktion. Die Fleischindustrie stellt einen äußerst effizienten Wirtschaftsbereich dar, der sich darüber hinaus durch komplexe globale Verflechtungen und Zusammenhänge kennzeichnet, auf die hier im Detail leider nicht näher eingegangen werden kann. Die weiteren Ausführungen beschränken sich auf die Darstellung des gegenwärtigen Ausmaßes der Produktion und des Verzehrs tierlicher Produkte, insbesondere des Konsums von Fleisch.

2.1 Fleischkonsum und Schlachtungen

Der Verzehr anderer Lebewesen durch den Menschen weist eine kulturspezifische und traditionsreiche Vergangenheit auf. Im Zuge der Industrialisierung wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Chicago eine Methode der Mechanisierung des Tötens in Schlachtbetrieben entwickelt, das Fließband (Mellinger 2003, S. 115f.). Zeitgleich fanden Anpassungen im Bereich der Züchtung und der Optimierung von Wachstumsprozessen statt, die eine standardisierte Massenproduktion von Pflanzen und Tieren ermöglichten (ebd., S. 116). Zudem wurde das Eisenbahnnetz als Teil des Transport- und Verteilungssystems ausgebaut und Fortschritte in der Kühltechnik begünstigten die Dezentralisierung des Fleischversorgungssystems in den Vereinigten Staaten (ebd., S. 118f.). In den westlich industrialisierten Ländern stieg Fleisch in den folgenden Jahrzehnten zu einem Massennahrungsmittel. Der Konsum erreichte in den 1990ern seinen Höhepunkt (Hirschfelder, G./ Wittmann, B. 2015, S. 7) und nimmt seitdem nur langsam zu bzw. stagniert sogar in den westlichen Industrienationen (Fleischatlas 2014, S. 10).

Gemessen wird der Fleischkonsum allgemeinhin in Kilogramm pro Kopf Angaben. Die Tabelle der nächsten Seite stellt den Verbrauch von Fleisch und Fleischerzeugnissen der drei beliebtesten Tierarten in Deutschland und den Vereinigten Staaten zu drei ausgewählten Zeitpunkten gegenüber. Im direkten Vergleich fällt auf, dass der Verzehr von Schweinefleisch in den USA wesentlich geringer ausfällt, Amerikaner jedoch insgesamt mehr Fleischerzeugnisse verzehren als der deutsche Durchschnittsbürger. Signifikante Anstiege in der Bundesrepublik sind im dargestellten Zeitraum insbesondere für den Verzehr von Geflügelfleisch zu vermerken. Belief sich der Konsum in den 1950er Jahren noch auf 1,2 Kg pro Kopf, so ist zum Jahr 2012 ein Anstieg auf 43,9 Kg festzustellen (vgl. BMEL 2013).

Verbrauch von Fleisch und Fleischerzeugnissen pro Kopf

(in Kilogramm)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten [15] [16] [17]

Anzumerken ist, dass keine eindeutige Vergleichbarkeit der Zahlen hervorgeht, da sich die Tabelle aus unterschiedlichen Quellen zusammensetzt und es zu Abweichungen bezüglich der Berücksichtigung des Brutto- oder Nettogewichtes kommen kann, die vor allem dem Bericht des „National Chicken Council“ nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist. Demungeachtet ermöglicht sie die Darstellung von Veränderungen und verdeutlicht, dass es seit den 1950er- Jahren in beiden berücksichtigten Nationen zu einer enormen Steigerung des Verzehrs von Fleisch im Allgemeinen gekommen ist.

Betrachtet man den Konsum von Fleisch und Fleischerzeugnissen im globalen Vergleich, so zeigt sich für westlichen Industrienationen ein durchschnittlicher jährlicher pro Kopf Verzehr von ca. 80 kg (Hirschfelder, G./ Wittmann, B. 2015, S. 7), während sich der durchschnittliche Fleischverzehr in Entwicklungsländern auf lediglich ca. 30 kg pro Kopf beläuft (ebd.), obwohl sie rund 60% der weltweiten Fleischproduktion tätigen (ebd.). Prognosen gehen davon aus, dass der globale Fleischverbrauch sich bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts verdoppeln wird (ebd.), was mitunter auf eine erhöhte Nachfrage der Schwellen- und Entwicklungsländer zurückzuführen ist (Fleischatlas 2014, S. 10). Aktuell werden bereits 308,2 Millionen Tonnen an hauptsächlich Rinder-, Kalb-, Schweine- und Geflügelfleisch jährlich in der Fleischproduktion verarbeitet (ebd.).

Einer konkreteren Veranschaulichung dienen die Zahlen der weltweiten Schlachtungen, die die Fleischlieferanten nicht in Tonnen messen, sondern in der Stückzahl der Lebewesen. Es handelt sich um amtliche und amtlich geschätzte Zahlen für das Jahr 2011, die im Fleischatlas 2014 zu finden sind und im Folgenden zur besseren Übersicht tabellarisch dargestellt werden. Wie ersichtlich wird, führen China und die USA die Tabelle der weltweiten Schlachtungen an. Außer Acht gelassen ist bei dieser Betrachtung ist Verhältnis zwischen Import und Export von geschlachtetem Tier und tierlichen Erzeugnissen. Nennenswert in diesem Kontext ist, dass alleine das zweitgrößte Schlachtunternehmen der Welt, Tyson Foods Inc., das in den USA ansässig ist, schlachtet pro Woche 42 Millionen Hühner, 170.000 Rinder und 350.000 Schweine (Fleischatlas 2014, S. 18).

Schlachtungen in den (je Tierart) vier wichtigsten Länder im Jahr 2011

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Fleischatlas 2014, S. 19

Mit bloßer Vorstellungskraft lassen sich diese Zahlen nur schwerlich fassen. Die auf der folgenden Seite angeführten Angaben zeigen die jährlichen Schlachtzahlen weltweit, nach einzelnen Tierarten unterschieden, insgesamt für das Jahr 2011 auf und verdeutlichen ebenfalls eindrucksvoll die Dimensionen der Fleischeslust und die dafür erforderlichen Tötungen bzw. Schlachtungen der Nutztiere bzw. Mitgeschöpfe. Beachtung finden in dieser Darstellung ebenfalls die Tierarten, die am häufigsten dem Verzehr durch den Menschen zum Opfer fallen.

Die Angaben basieren auf einer Kollaboration der Heinrich-Böll-Stiftung, des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und Le Monde Diplomatique, die in Zusammenarbeit globale Zahlen und Fakten zum weltweiten Fleischkonsum in Form des „Fleischatlas“ erstmalig 2013 erhoben und veröffentlicht haben.

Schlachtungen im Jahr 2011, weltweit

( Tiere in Milliarden)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unschwer festzustellen ist, dass sich das Huhn als das Lebewesen erweist, das am häufigsten geschlachtet und verzehrt wird. Hühner bringen einerseits den Vorteil, dass sie Futter gut bzw. effektiv verwerten können und andererseits geringeren Platz in der Haltung beanspruchen als Rinder beispielsweise (Fleischatlas 2014, S. 10). Während die Nachfrage nach Hühnern stetig steigt, nimmt die Nachfrage nach Rindfleisch voraussichtlich auch weiterhin ab (ebd.).

In den heutigen Hochleistungsschlachthöfen, in denen Dumpinglöhne, Dequalifizierung und Mechanisierung der Arbeit sowie katastrophale Arbeitsbedingungen vorherrschen (Fleischatlas 2014, S. 18f.), dauert es im Schnitt 15 Minuten bis ein Rind getötet und vollständig zerlegt ist (ebd.). Zunächst wird das Rind in der Regel mit einem Luftdruckgewehr betäubt und dann mit einer Schlinge um die Hinterhufe mechanisch hochgezogen (Rifkin 1992, S. 29f.). Am Fließband hängend wird dem Tier an der folgenden Station durch Arbeiter die Kehle aufgeschnitten und beim Herausziehen der Klinge sowohl Halsschlagader wie auch Jugularader durchtrennt (ebd.). Im weiteren Prozess der Verarbeitung werden die Tiere gehäutet, ihnen wird der Kopf abgetrennt, die Innereien werden entnommen und abschließend werden sie mit Motorsägen zunächst grob und dann in die gewünschten „identifizierbaren Fleischstücke“ (ebd.) wie beispielsweise Steaks zerlegt. Schweine werden ebenfalls durch einen Bolzenschuss, mit Gas oder einer Elektrozange betäubt (Fleischatlas 2014, S. 20) und danach zur Entfernung der Borsten abgebrüht. Hühner werden an ihren Füßen aufgehängt und ebenfalls mechanisch an einem Fließband entlang geführt um dann mit einem Stromschlag in einem elektrisch geladenen Wasserbecken betäubt zu werden. Nach der Betäubung wird den Hühnern die Kehle aufgeschnitten und die Tiere ebenfalls vor dem Rupfen der Federn abgebrüht, ihre Zerlegung erfolgt in einem letzten Schritt ohne menschliche Arbeitskraft voll automatisch durch Maschinen (ebd.).

Die Betäubung ist schätzungsweise „bei 4 bis 9 Prozent der Rinder und bei 10 bis 12 Prozent der Schweine mangelhaft oder fehlt sogar ganz“ (Fleischatlas 2014, S. 20), was zur Folge hat, dass jährlich Millionen von Rindern bei vollem Bewusstsein die Kehle durchtrennt wird und sie so kopfüber hängend ersticken oder ausbluten bzw. Millionen Schweine und Hühner ohne Betäubung im Brühkessel unvorstellbare Qualen erleiden müssen bevor sie endgültig sterben. Ein ehemaliger Arbeiter der Firma Tyson Food Inc., dessen Aufgabe darin bestand die Hühner umzubringen, die die Tötungsmaschine aufgrund unzulänglicher Betäubung durch das Elektrobad nicht getötet hat, beschreibt seine Tätigkeit wie folgt:

You can expect to have to catch every 5th one or so, many that are not stunned. The come at 182-186 per minute. (…) You can’t catch them all, but you try. You see it flopping around in the scalder, beating itself against the sides (…) you know that for every one you see suffer like this, there have been as many as 10 you didn’t see. (Butler, zit. n. Gruen 2011, S. 77).

und belegt damit, dass es unter den vorherrschenden Bedingungen nahezu unmöglich ist zu gewährleisten, dass größtmögliches Leid und Schmerzen vermieden werden bevor die Tiere sterben.

Doch zeugen nicht ausschließlich die letzten Minuten des nutztierlichen Daseins von grausamen Qualen, vielmehr ist es das gesamte, meist recht kurze Leben, das sich „auf der untersten Stufe des kapitalistischen Unterdrückungsapparats“ (Sauerberg / Wierzbitza 2013, S. 94), die ihnen vom Menschen zugeteilt wird, ereignet. Der gesellschaftliche Umgang mit Tieren zeuge „auf bestialische Weise“ (ebd.) von dem „wahre(n) Charakter der kapitalistischen Gesellschaft“ (ebd.), fassen die Soziologen Sauerberg und Wierzbitza in ihrem Beitrag zu Tierbildern der Agrarökonomie knapp zusammen und berufen sich dabei auf den deutschen Sozialphilosophen Max Horkheimer (1895-1973), der sich in seinen Ausarbeitungen dem Ausdruck der „Tierhölle“ bediente um die Abgründe menschlicher Konsumbedürfnisse zu erläutern (ebd.). Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit den Haltungsbedingungen der beliebtesten Nutztierarten und berücksichtigt dabei Tiere, die als Fleisch-, Milch-, und Eierlieferanten gefangen gehalten und ausgebeutet werden.

2.2 Haltungsbedingungen

2.2.1 Geflügel

Hühner und Hähne in der fleischverarbeitenden Geflügelindustrie werden im Schnitt 35-50 Tage alt (Gruen 2011, S. 82f. / Thoms 2015, S. 178). Sie schlüpfen in einer Brutstätte, von wo sie direkt nach der Geburt in große Farmhallen gebracht werden, in denen bis zu 30.000 andere Tiere leben. Die Hallen werden zentral gesteuert und Computersysteme regulieren Temperatur, Futter- und Wasserzufuhr, Beleuchtung, Luftfeuchtigkeit sowie die Ventilation bzw. Luftzirkulation innerhalb der Zuchthäuser (ebd.). Durch die Beleuchtung und die damit mögliche Simulation eines Tag-Nacht-Rhythmus kann Einfluss auf das Futterhalten genommen werden. Künstliches Dauerlicht sorgt in den ersten Tagen dafür, dass die Tiere sich fast ausschließlich mit Fressen beschäftigen. Ab ungefähr der Hälfte ihres Daseins, werden sie bei Dämmerlicht gehalten um zu vermeiden, dass sie sich zu viel bewegen und an Gewicht verlieren (u.a. Gruen 2011, S. 82f.). Durch gezielte Forschung und Züchtung spezieller Hybridhennen, sind die Tiere hinsichtlich des Futteraufwandes, der Mastdauer und des angesetzten Gewichtes nahezu optimiert (Thomas 2015, S. 178f.). Zwischen den Jahren 1960 und 2001 gelang es der Geflügelindustrie unter anderem den erforderlichen Futteraufwand eines Masthuhns von 5 auf 3 Kg zu reduzieren, die Mastdauer in Tagen zu halbieren und die Zahl der Einstallungen pro Jahr zu verdoppeln (ebd.). Die Züchtung der Tiere auf ein optimales In-Output-Verhältnis geht mit enormen Qualen für die Tiere einher und so vermutet der britische Professor und Tierrechtler John Webster, dass ca. ein Drittel chronische Schmerzen über den gesamten Zeitraum ihres Lebens ertragen müssen (Orlans et al. 1998, S. 255f.). Weiterhin geht Webster davon aus, dass lediglich 10% der Tiere sich normal fortbewegen können, ca. 4% unter Arthritis leiden und weitere 3% Knochenbrüche erleiden, die unbehandelt bleiben (ebd.).

Fehlende Frischluftzufuhr bei starker Luftverunreinigung durch Ammoniakentwicklung aufgrund der Ausscheidungen und Exkremente sowie eine enorme Staubentwicklung stellen nebst der immensen Dichte der Tiere auf engstem Raum eine große Belastung für die Hühner dar. Durch den entstehenden Stress und der Unmöglichkeit eine Hackordnung untereinander aufzubauen, zeigen die Hühner oft aggressives Verhalten und Picken sich gegenseitig. Damit sich die Tiere nicht verletzen, werden ihnen im Kükenalter die Schnäbel gekürzt. Dies erfolgt regelmäßig ohne Betäubung (vgl. Wendt 2005) und betrifft Geflügel in der Fleisch- wie auch in der Legeindustrie. Letztere weist hinsichtlich der Haltung ähnlich unwürdige Bedingungen auf.

Weltweit werden ca. 5 Milliarden Hochleistungshennen gehalten, die jeweils durchschnittlich 300 Eier im Jahr legen (Gruen 2011, S. 83). Zwar ist konventionelle Käfighaltung mittlerweile in der gesamten Europäischen Union verboten, nichtsdestotrotz werden ca. 90% der Legehennen weltweit in Legebatterien oder ähnlichen ausgestatteten Käfigen gehalten (vgl. Windhorst 2014), da dies allgemeinhin die wirtschaftlich effizienteste Haltungsform darstellt. Die Größe der Käfige ermöglicht es den Tieren nicht ihre Flügel zu strecken, der Boden besteht meist aus Maschendrahtzaun, so dass dem natürlichen Trieb des Scharrens nicht nachgegangen werden kann (Gruen 2011, S. 83). Oftmals werden die Käfige aufeinander gestapelt und die Hennen sind dem herunterfallenden Kot der anderen Tiere ausgesetzt (ebd.). Die amerikanische Philosophin Lori Gruen bezeichnet das Dasein einer Legehenne als „one oft he worst lives endured by any animal in industrial agriculture“ (Gruen 2011, S. 83) und betont, dass Hennen in einem natürlichen Lebensraum bis zu zehn Jahren alt werden können, während Legehennen zumeist mit Abnahme der Legeleistung nach bereits einem Jahr ausgedient haben und zur weiteren Verarbeitung geschlachtet werden (ebd.).

Die für die Legeindustrie uninteressanten männlichen Küken werden unmittelbar in den Brütanlagen aussortiert und als sogenannte Eintagsküken getötet. Aufgrund der Züchtung spezieller Hybridhühner ist es nicht möglich die männlichen Küken als Masthähnchen zu verwerten. Da diese spezielle Hühnerrasse nicht daraufhin gezüchtet wurde viel Fleisch anzusetzen und die männlichen Tiere keine Eier legen, werden jährlich alleine in Deutschland ca. 50 Millionen Tiere aus ökonomischem Interesse umgebracht[18] (vgl. Augsten 2013).

Mittlerweile ist hinreichend bekannt, dass Geflügeltiere fähig sind Schmerzen zu empfinden und darüber hinaus emotionale Empfindungen wie Angst, Aufregung, Unwohlsein und Kummer ähnlich wahrnehmen wie andere Säugetiere (Orlans et al. 1998, S. 262). In einer natürlichen und tiergerechten Umgebung leben Hühner in Gruppen bis zu 30 Tieren und bauen dabei eine komplexe soziale Hierarchie bzw. Hackordnung auf, innerhalb derer sie einzelne Gruppenmitglieder erkennen und zuordnen können (Gruen 2001, S. 84).

2.2.2 Schweine

In der intensiven Schweinemast zeigen sich die Umstände der Haltung ähnlich denen der Geflügelindustrie. In der modernen industriellen Schweinehaltung ereignet sich das gesamte Leben der Tiere im Inneren von fensterlosen Ställen, deren Belüftung und Beleuchtung voll automatisch erfolgt. Ungeachtet einiger Studien, die nahelegen, dass Spaltenböden sich förderlich auf gesundheitliche Risiken und emotionalen Stress seitens der Tiere auswirken, weisen die Böden meist Spalten auf, die dem Abfluss des Urins und der Exkremente dienen sollen und sich somit als am kostengünstigsten erweisen (Franklin 1999, S. 141).

Generell ist zunächst anzumerken, dass weibliche Tiere sich in der Schweineproduktion als profitabler erweisen als ihre männlichen Artgenossen. Der Produktionsprozess beginnt mit der (meist) künstlichen Befruchtung eines weiblichen Tieres. Sauen werden nahezu ihre gesamte Lebenszeit künstlich trächtig gehalten (Gruen 2011, S. 84). Während innerhalb der Europäischen Union in diesem Zusammenhang lediglich Sexualhormone zur Steuerung des Sexualzyklus der Tiere eingesetzt werden dürfen, finden in den Vereinigten Staaten im Rahmen der Rindermast und Milchproduktion darüber hinaus Wachstumshormone wie das Präparat Ractopamin[19] Einsatz (Fleischatlas 2014, S. 24f.). Durch die Gabe von Sexualhormonen steigt zwar die Anzahl der Totgeburten, dennoch gebärt eine Sau oftmals mehr Ferkel als sie mit ihren 14 Zitzen versorgen kann. Die überzähligen Tiere werden meist direkt getötet (Fleischatlas 2014, S. 25).

In der Phase der Trächtigkeit werden die Tiere in kleinen Kastenständen gehalten und sind oftmals am Hals festgebunden, so dass es ihnen nicht möglich ist sich zu drehen oder anderweitig zu bewegen, wobei dies die Größe der Box ohnehin nicht zuließe (Franklin 1999, S. 140f.). In einem natürlichen Umfeld würde eine trächtige Sau zunächst mühevoll eine Art Nestplatz für die Ferkel und sich bauen (Gruen 2011, S. 84), in einem industriellen Zuchtbetrieb wird sie kurz vor dem Werfen in eine spezielle Box gebracht, in der das Tier ebenfalls nahezu bewegungsunfähig ist. Sie kann entweder stehend in einer Position verharren, oder sich hinlegen, was primär die Funktion erfüllen soll, zu vermeiden, dass die Ferkel versehentlich vom Muttertier erdrückt werden (ebd.). Die Ferkel werden ab der dritten Woche entwöhnt und bis zur Mastphase ab der sechsten Woche in Ferkelgruppen bis zu 25 Stück gehalten (Franklin 1999, S. 141). In den nächsten fünf bis sechs Monaten leben die Tiere in größeren Gruppen bis zu 75 Stück auf kleinem Raum und werden bis zur Schlachtung gemästet (ebd.). Während ihres kurzen Lebens sind sie aufgrund der fehlenden Muskulatur und Knochenstärke zudem meist chronischen Schmerzen ausgesetzt und so beschreibt die Autorin Gruen die Bedingungen in der industriellen Schweinehaltung wie folgt: “Perhaps it is a blessing that their frustrating lives are short” (Gruen 2011, S. 85) und ergänzt, dass Wildschweine in einer natürlichen Umgebung bis zu fünfzehn Jahre alt werden können.

Der Zyklus des Muttertieres wird unmittelbar nach der Geburt erneut hormonell manipuliert, so dass es wieder künstlich befruchtet werden kann (Franklin 1999, S. 141). Eine durchschnittliche Zuchtsau durchlebt sechs bis sieben Geburten unter diesen Bedingungen, bevor sie selbst geschlachtet und zum Verzehr weiter verarbeitet wird (Gruen 2011, S. 85). Männliche Ferkel werden regelmäßig kastriert, da das Fleisch der Mastschweine ohne eine Kastration einen „Ebergeruch und –geschmack“ (Heid et al. 2011, S. 4), der vom Menschen unterschiedlich wahrgenommen und als unangenehm empfunden wird, aufweisen würde. Die Kastration erfolgt in der Regel durch den Landwirten und ohne jegliche Form von Betäubung, was mit erheblichen Schmerzen für die Tiere einhergeht, sich jedoch als ökonomischer erweist als eine Kastration unter Betäubung oder Narkose[20] (ebd.).

Verhaltensstudien haben gezeigt, dass bei Schweinen, die in größeren Gruppen als 30 Mitgliedern gehalten werden, die soziale Hierarchie zusammenbricht, da die Tiere den Status des anderen nicht mehr zuordnen können (Franklin 1999, S. 141) und sie infolgedessen aggressives Verhalten wie das Schwanzbeißen zeigen. Um dies zu vermeiden werden den Tieren bei vollem Bewusstsein die Schwänze kupiert und die Zähne abgeschliffen (Gruen 2011, S. 85). Obwohl das Kupieren der Schwänze seit 2003 europaweit verboten ist, wiesen, laut eines Berichts der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit im Jahre 2007, über 90% der Schweine innerhalb der Europäischen Union kupierte Schwänze auf (PROVIEH 2008, S. 8). Gruen führt in Bezug auf die kognitiven Fähigkeiten von Schweinen an, dass sie über einen hohen Intelligenzgrad und ein soziales Bewusstsein verfügen. Darüber hinaus besitzen sie ein Selbstbewusstsein, was bedeutet, dass sie sich beispielsweise selbst im Spiegel erkennen und umgebungsbedingte Probleme durch den Einsatz differenzierter kognitiver Fähigkeiten lösen (Gruen 2011, S. 85). Hinsichtlich des Intelligenzgrades sind Schweine laut Gruen einzigartig unter den domestizierten Nutztieren und Delphinen wie Menschenaffen durchaus ähnlich (ebd.).

2.2.3 Rinder

Die Zahlen zum weltweiten Milchverbrauch beliefen sich 2013 auf ca. 763,5 Millionen Tonnen jährlich mit stetig steigender Tendenz über die letzten Jahre (vgl. Statista 2015). Führende Erzeugerländer sind hierbei die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und Indien (ebd.). Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch lag im selben Jahr bei 106,6 Kg (ebd.). Die stetig steigende Nachfrage nach Milch und Milchprodukten decken über 200 Millionen Milchkühe, die im Schnitt nach drei bis sieben Jahren ausgedient haben und geschlachtet werden (Gruen 2011, S. 85f.). Kühe produzieren Milch für bis zu zehn Monate nach einer Trächtigkeit und um sie effizient als Milchproduzenten nutzen zu können, ist es demnach erforderlich die Tiere regelmäßig kalben zu lassen (ebd.). In der intensiven Milchwirtschaft werden die Kälber innerhalb der ersten 24 Stunden von den Muttertieren getrennt. Die weiblichen Tiere verbleiben in der Milchproduktion, während ein Großteil des männlichen Nebenproduktes in diesem Industriezweig keine Verwendung findet und an die Kalbfleischproduktion weiter gegeben wird (ebd.).

Kalbfleisch trägt allgemeinhin die Konnotation einer Delikatesse, da das Fleisch besonders zart ist und traditionell mit Wohlstand assoziiert wird (Franklin 1999, S. 141f.). Damit das Fleisch, im Gegensatz zu dem eines erwachsenen Rindes, hell bleibt, darf das Tier keine Muskulatur entwickeln. Zu diesem Zwecke werden die jungen Kälber nach der frühen Trennung von der Mutter in kleinen Boxen am Hals angekettet und über den gesamten Zeitraum ihres Lebens, also im Schnitt bis zur 22. Woche, mit einem eisenarmen Milchersatz gefüttert (ebd.). Aufgrund der schlechten Haltungsbedingungen und mangelhaften Ernährung liegt die Sterblichkeitsrate bei über 20%, hauptsächlich durch Infektionen wie Durchfälle oder Lungenentzündungen verursacht (ebd.).

Die Umstände der Haltung sind in der Milchproduktion hinsichtlich des Tierwohles nicht weniger problematisch. In der Intensivhaltung innerhalb der Bundesrepublik werden ca.72% der Tiere in Laufstallhaltung gehalten (vgl. Statistisches Bundesamt 2010). Dies bedeutet, dass die Kühe in einer Gruppe von 50-100 in einem Stall mit einer Fläche von etwa 3,5-4,0 m² pro Tier leben, die ihrem grundsätzlich hohen Bedarf an Platz nicht annähernd gerecht wird (ebd.). Etwa 27% aller Milchkühe verbringen ihr gesamtes Leben in einer Anbindehaltung, in der es ihnen nicht möglich ist sich umzudrehen oder gar frei zu bewegen (ebd.). Immerhin 42% der Tiere werden durchschnittlich für fünf Monate zum Grasen auf eine Weide gelassen (ebd.). Die Versorgung der Tiere mit Futter und Wasser erfolgt in den meisten Betrieben mithilfe von technischen und maschinellen Systemen voll automatisch.

Die speziell gezüchteten Hochleistungsrassen liefern bis zu 50 Litern Milch pro Tag, was mit einer erheblichen körperlichen Belastung einhergeht. Darüber hinaus leiden rund 40% der Tiere unter chronischen Infektionen der Milchdrüsen und der überwiegende Teil der Milchkühe weist eine Entzündung der Klauenlederhaut, also eine Hufrehe, vor (Schmid 2009, S. 210). Die zwei Hauptursachen für diese Art der Entzündung der Hufe sind zum einen harte Bodenbeläge, wie sie in den meisten Betrieben vorzufinden sind, zum anderen ist eine kohlenhydratreiche Fütterung auf Basis von Getreide ursächlich für eine Hufrehe verantwortlich (ebd.). Somit trägt auch die Fütterung der Tiere, die primär auf Mais, Hirse und andere Weizenarten beläuft, zu der Entstehung der Hufrehe und dem damit verbunden Leid wesentlich bei.

Männliche Kälbchen in der Mastindustrie werden unter anderem zur Steigerung der Fleischqualität unmittelbar nach der Geburt kastriert (Rifkin 1992, S. 25). Dies geschieht ohne Betäubung und entweder unblutig mithilfe eines elastischen Gummirings oder einer Kastrationszange, die den Hodensack abquetscht, so dass er infolge der Minderdurchblutung verödet, oder durch die chirurgische Öffnung des Hosensackes und Durchtrennung der Samenstränge (Gierschner 2003 , S. 9f.), was wie Rifkin beschreibt, in den USA zuweilen durch das bloße Auftrennen mit einem Messer und dem Herausreißen der Samenstränge mit der bloßen Hand erfolgt (Rifkin 1999, S. 25). Die letztgenannte Methode wurde in dieser Form bereits im Mittelalter angewandt (Gierschner 2003, S. 9). Um zu vermeiden, dass die Tiere sich gegenseitig oder den Halter verletzen, werden die Kälber zudem enthornt. Dies wird meist innerhalb der ersten sechs Wochen mittels eines Brennstabes durchgeführt und die Tiere zeigen in dem Zeitraum nach dem Eingriff[21] Anzeichen von Schmerzempfindung wie häufiges Kopfschütteln, Ausschlagen mit der Hinterhand, Rückwärtslaufen, Ohrenschlagen, Nahrungsverweigerung und apathisches Stehen mit gesenktem Kopf. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Wundinfektion, die laut eines Berichts der tierärztlichen Vereinigung des Tierschutzes häufig auftritt (TVT 2012, S. 6).

Die Kälbchen der Mastindustrie leben zunächst meist mit dem Muttertier zusammen, bis sie ab dem sechsten bis elften Monat in automatisierte Fütterungsanlagen bzw. Mastbetriebe gebracht werden. In den USA existieren ca. 42.000 Mastbetriebe (Rifkin 1999, S. 26), von denen die größten 200 in etwa die Hälfte der gesamten Mastrinder des Landes mästen (ebd.). In Deutschland leben rund 2 Millionen Rinder in der Intensivhaltung (vgl. Statistisches Bundesamt 2015). Die Fütterung erfolgt, wie bereits erwähnt, auf Basis von energiereicher Maissilage oder Kraftfutter und entspricht damit in keiner Weise der natürlichen Ernährung eines Rindes (Deutscher Tierschutzbund e.V. 2010, S. 17). Im Zuge von Versuchen der Kostenminimierung hinsichtlich des Futtermitteleinsatzes, sind in der Vergangenheit bereits alternative Mittel der Fütterung wie Hühner- und Schweinegülle, Abwasser und Öle aus der Industrie zum Einsatz gekommen, während an der Tauglichkeit von Pappe, Zeitungspapier, Zementstaub und Plastik geforscht wird bzw. wurde (Franklin 1999, S. 142).

[...]


[1] Dass sich bereits die Bezeichnung „Tier“ als problematisch erweist, verdeutlicht die Soziologin und Tieraktivistin Birgit Mütherich in ihrem Werk „Die Problematik der Mensch-Tier-Beziehung in der Soziologie“. Der Ausdruck „Tier“ dient allgemeinhin als Sammelbezeichnung und umfasst dabei Angehörige unterschiedlicher Arten bzw. Spezies. Per definitionem inkludiert der Begriff die Gattung Mensch, stellt sie doch als Säugetier und Primat ebenfalls eine Tierspezies dar (Mütherich 2004, S. 8). Darüber hinaus resultiere aus der Begrifflichkeit Uneineindeutigkeit und damit einhergehend die Tendenz zur Verallgemeinerung, so die Autorin weiter (ebd.). In diesem Kontext sei ergänzend angemerkt, dass in englisch-sprachiger Fachliteratur die Termini „humans“ und „nonhuman animals“ zur Unterscheidung beider Arten genutzt werden. Die vorliegende Arbeit bedient sich im Sinne einer verständlichen Darstellung nichtsdestotrotz weiterhin der Begrifflichkeit „Tier“ und exkludiert die Spezies Mensch hierin.

[2] „Haustiere“: Leben meist im Bereich der sozialen Nahwelt des Menschen in einer persönlichen Du-Beziehung. Es besteht zwar ein Machtverhältnis, doch die Freiheitsgrade sind größer und Gewalt selten. (Bujok 2015, S. 143).

[3] Um nur einige Beispiele anzuführen.

[4] „Wildtiere“: Leben außerhalb der sozialen Nahwelt und sind nicht domestiziert. Trotz der größten Autonomie sind sie direkter und struktureller Gewalt in unterschiedlichen Formen ausgesetzt (z.B. durch Jagen, Angeln, Umweltzerstörung, Baumaßnahmen, Verkehr u.v.m.). (ebd.)

[5] „Nutztiere“: „Vom Menschen gefangen gehaltenen und instrumentalisierten Tieren ist die Entscheidungsfreiheit und Kontrolle hinsichtlich ihrer Bewegungsfreiheit, ihrer Sozialkontakte, ihrer Nahrungsaufnahme, ihres Wach- und Schlafrhythmus und jeglicher anderer Lebensgestaltungen genommen. Ihr gesamtes (…) Leben ist politisch entworfen, reglementiert, überwacht, verwaltet und über Rechtsnormen, Ideologien, Moralvorstellungen und Wertorientierungen abgesichert“ (zit. n. Bujok 2015, S. 143).

[6] Vgl. Brefeld 2009-2015.

[7] Biomasse bezeichnet allgemeinhin geologisch unveränderte lebendige und tote Lebewesen, Organismen und organische Stoffwechselprodukte (ebd.) und beinhaltet somit auch Pflanzen und Mikroorganismen. Ausgeschlossen ist die fossile Biomasse, die sich unter anderem aus Kohle-, Erdöl- und Erdgasvorkommen konstituiert

[8] Die Biomasse insgesamt entspricht lediglich etwa einem Milliardstel der gesamten Erdmasse (ebd.)

[9] Die zugrundeliegende Angabe zur globalen Population beläuft sich auf abgerundet 7 Milliarden Menschen (ebd.).

[10] Berücksichtigt wurden hierbei ausschließlich Rinder, Schweine, Ziegen, Pferde, Schafe, Hühner und Hunde. Tiere der Pelzindustrie bleiben außen vor.

[11] Allein der Geflügelbestand von China, Indonesien und den USA zählte im Jahr 2011 insgesamt ca. 8 Milliarden Tiere (vgl. Statista 2015).

[12] Auf Grundlage der Individuenzahl (Insekten ausgenommen).

[13] Stichworte in diesem Zusammenhang: BSE, Dioxin in Eiern, Gammelfleisch, Pferdefleisch-Skandal, Antibiotikarückstände; um nur einige zu nennen (für eine detaillierte Auflistung vgl. www.PETA.de/Skandalchronik).

[14] So setzt es doch das Töten von Tieren voraus und widerspricht ihrer grundsätzlich biozentrischen Werthaltung (vgl. Absatz 5.1.).

[15] Das Schlachtgewicht stellt hierbei das Bruttogewicht dar und beinhaltet den Gebrauch des Tieres als Nahrung, Futter, für die industrielle Verwertung und Verluste, die anfallen (BMEL 2013, S. 191).

[16] Vgl.: USDA 2001-2002.

[17] Vgl.: National Chicken Council 2015.

[18] Die Tiere werden unter anderem, geschreddert, vergast, erdrückt oder zum Sterben weggeworfen (vgl. u.a. www.PETA.com).

[19] Ractopamin wird unter anderem mit der Entstehung von Krebs in Zusammenhang gebracht und erweist sich darüber hinaus als schädigend für das Erbgut (vgl. BUND 2014).

[20] Obgleich nicht weniger diskussionswürdig, soll die aktuelle Debatte um ein Verbot von und Alternativen zur Ferkelkastration ohne Betäubung jedoch nicht weiter Gegenstand dieser Arbeit sein.

[21] Ohne adäquate medikamentöse Abdeckung, die in den wenigsten Fällen erfolgt (vgl. Rifkin 1999).

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Der soziale Status des (Nutz-)Tieres. Die Rolle des Tieres aus ökologischer, soziologischer, ethischer und erziehungswissenschaftlicher Sicht
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Erziehungswissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
77
Katalognummer
V317438
ISBN (eBook)
9783668203303
ISBN (Buch)
9783946458616
Dateigröße
482 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nutztier, Tiere
Arbeit zitieren
Sandra Urban (Autor:in), 2016, Der soziale Status des (Nutz-)Tieres. Die Rolle des Tieres aus ökologischer, soziologischer, ethischer und erziehungswissenschaftlicher Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317438

Kommentare

  • Gast am 30.4.2016

    Unglaublich. Wie kann man eine ganze Masterarbeit zu diesem Thema schreiben und nicht "bemerken", daß die weitere, insbesondere die nachhaltige Versorgung der Menschen ohne Tierhaltung (parallel zu den Nahrungsketten in der Natur) in derPraxis gar nicht möglich ist?
    Wie sollen die so indoktrinierten Schüler denn mit der "Erkenntnis" umgehen, daß es bis heute keine nennenswerte Produktion vollveganer Lebensmittel gibt (ohne den Einsatz der Tierhaltung als Mittel zum Wachstum / Rückführung der Düngemittel) und auch aufgrund des Raubbaues an Ressourcen beim vermeintlich "veganen" Landbau nicht geben wird?

    Die Arroganz solche "Erzieher" und die Abkehr von den Naturwissenschaften hin zu religiösen Speisegesetzen ist nicht nur bedenklich, sondern gesellschaftlich gesehen imho gefährlich.

    MfG B.Blume

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